Legal Lexikon

Betriebsbuße


Betriebsbuße

Definition und Begriffserklärung

Die Betriebsbuße ist eine innerbetriebliche Maßnahme zur Ahndung von Minderpflichtverletzungen von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitsverhältnisses. Der Begriff stammt aus dem Arbeitsrecht und bezeichnet ein im Betrieb verhängtes Bußgeld oder eine Ordnungsstrafe, das beziehungsweise die durch den Arbeitgeber oder auf Grundlage einer mit dem Betriebsrat vereinbarten Betriebsordnung gegen Arbeitnehmer verhängt wird. Die Betriebsbuße ist von anderen arbeitsrechtlichen Sanktionen, etwa Abmahnungen oder Kündigungen, deutlich zu unterscheiden.

Rechtsgrundlagen

Gesetzliche Grundlagen

Das deutsche Arbeitsrecht gibt keinen abschließenden gesetzlichen Rahmen für Betriebsbußen vor. Rechtliche Grundlage können insbesondere folgende Gesetze und Vorschriften bieten:

  • Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): Insbesondere § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG regelt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Dies schließt die Gestaltung sowie Anwendung von Ordnungsmaßnahmen wie Betriebsbußen ein.
  • Allgemeine Grundsätze des Arbeitsrechts: Betriebsbußen dürfen keine unverhältnismäßige Belastung darstellen und nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen.

Betriebsvereinbarung und Arbeitsvertrag

Betriebsbußen können nur dann rechtmäßig verhängt werden, wenn ihrer Einführung eine wirksame Rechtsgrundlage zugrunde liegt. Dies sind in der Regel:

  • Eine ausdrücklich vereinbarte Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, welche Art, Umfang und Verfahren der Betriebsbuße regelt.
  • Seltener finden sich entsprechende Klauseln im Arbeitsvertrag, wobei hier die zwingenden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten sind.

Arten und Anwendungsbereiche

Typische Verstöße

Betriebsbußen werden meist bei geringfügigen Verstößen gegen die betriebliche Ordnung verhängt, beispielsweise bei:

  • Zuspätkommen
  • Missachtung betrieblicher Anweisungen
  • Verstoß gegen Rauchverbote
  • Nichtbefolgung von Vorschriften zur Unfallverhütung

Für schwerwiegende Pflichtverletzungen sind übrige arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Abmahnung oder Kündigung vorgesehen.

Formen der Betriebsbuße

Die häufigste Form ist das sog. Geldbuße (meist als festgelegter Geldbetrag), denkbar sind auch andere Ordnungsstrafen, etwa:

  • Vorübergehender Ausschluss von bestimmten betrieblichen Zulagen
  • Organisatorische Maßnahmen (z. B. zeitweise Entziehung bestimmter betrieblicher Vergünstigungen)

Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit

Für die Wirksamkeit und Zulässigkeit einer Betriebsbuße sind bestimmte Voraussetzungen zwingend zu beachten:

a) Mitbestimmung des Betriebsrats

Eine Betriebsbuße kann in Betrieben mit Betriebsrat nur dann eingeführt und angewandt werden, wenn dies durch eine Betriebsvereinbarung erfolgt und der Betriebsrat der Ausgestaltung zugestimmt hat. Dabei sind die Vorgaben aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zwingend einzuhalten.

b) Bestimmtheit und Transparenz

Die Bußen müssen in ihrer Art, ihrem Umfang und den auslösenden Tatbeständen klar und verständlich geregelt sein, damit Arbeitnehmer erkennen können, welches Verhalten eine Sanktion nach sich ziehen kann.

c) Verhältnismäßigkeit

Betriebsbußen dürfen nur zur Aufrechterhaltung der Betriebsordnung verhängt werden und müssen im Verhältnis zur Schwere des Verstoßes angemessen sein. Unverhältnismäßig hohe Geldbußen oder Maßnahmen, die den Arbeitnehmer übermäßig belasten, sind unwirksam.

d) Gleichbehandlung

Die Maßnahme muss unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgen, willkürliche oder diskriminierende Bußen sind unzulässig.

Durchsetzung und Einbehalt

Der Arbeitgeber darf eine Betriebsbuße grundsätzlich nicht ohne Weiteres vom Lohn einbehalten. Gemäß § 850a Nr. 3 ZPO ist das Arbeitsentgelt grundsätzlich unpfändbar, soweit es um Bußen aus dem Arbeitsverhältnis geht. Das bedeutet, eine Betriebsbuße stellt für sich genommen keine eigenständige Grundlage für einen Lohnabzug dar. Soweit der Arbeitnehmer mit der Betriebsbuße nicht einverstanden ist, kann er sich an das Arbeitsgericht wenden.

Verwendung und Verbleib der eingenommenen Bußgelder

Die Verwendung der durch Betriebsbußen eingenommenen Gelder ist ebenfalls rechtlich geregelt: Sie dürfen nicht dem Arbeitgeber zufließen. Vielmehr müssen sie einem gemeinnützigen Zweck oder dem Betrieb zugutekommen, z. B. für die Betriebskasse, Sozialfonds oder Betriebsfeste.

Abgrenzung zu anderen Sanktionen

Unterschied zur Abmahnung

Während eine Abmahnung auf eine künftige Verhaltensänderung abzielt und als notwendige Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung dient, stellt die Betriebsbuße eine sofortige Sanktionsmaßnahme in Geld oder vergleichbaren Maßnahmen dar.

Unterschied zu Vertragsstrafe und Schadensersatz

Eine Vertragsstrafe setzt eine entsprechende Vereinbarung voraus und wird bei schwerwiegenderen Pflichtenverstößen verhängt, während ein Schadensersatzanspruch einen konkret nachzuweisenden Schaden voraussetzt. Die Betriebsbuße hingegen dient der Aufrechterhaltung der betrieblichen Ordnung und ist unabhängig von wirtschaftlichen Schäden.

Rechtsfolgen der Unwirksamkeit

Wird eine Betriebsbuße ohne Rechtsgrundlage verhängt – etwa ohne Beteiligung des Betriebsrats oder ohne hinreichende Regelung in einer Betriebsordnung – ist die Maßnahme unwirksam. Betroffene Arbeitnehmer können die Rückzahlung zu Unrecht einbehaltener Beträge verlangen. Einwände gegen Betriebsbußen können – wie andere Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis – vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht werden.

Literatur und Rechtsprechung

Zur Betriebsbuße existiert eine umfangreiche arbeitsrechtliche Rechtsprechung. Die Gerichte stellen insbesondere hohe Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Einbehaltung sowie die Transparenz und Verhältnismäßigkeit der Sanktion.

Weiterführende Quellen

  • Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
  • Zivilprozessordnung (ZPO)
  • Kommentar: Richardi, Betriebsverfassungsgesetz
  • BAG, Urteil vom 23.08.1995, Az. 10 AZR 221/94

Zusammenfassung

Die Betriebsbuße ist ein arbeitsrechtliches Instrument zur Sanktionierung geringfügiger Verstöße gegen betriebliche Ordnungsvorschriften. Ihre Wirksamkeit setzt insbesondere eine wirksame Betriebsvereinbarung, die Einhaltung der Verhältnismäßigkeit und die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes voraus. Betriebsbußen dürfen nicht unmittelbar vom Lohn einbehalten und müssen transparent geregelt sein. Ihre Rolle liegt vor allem in der Disziplinierung und Ordnung im Betrieb, wobei stets die arbeitsrechtlichen Sicherungen eingehalten werden müssen.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist berechtigt, im Unternehmen eine Betriebsbuße zu verhängen?

Das Recht, eine Betriebsbuße auszusprechen, ergibt sich in erster Linie aus den geschlossenen Betriebsvereinbarungen oder tariflichen Regelungen, die das betriebliche Ordnungsrecht festlegen. In der Regel obliegt es dem Arbeitgeber, respektive den dazu befugten betrieblichen Vorgesetzten, eine solche Sanktion zu verhängen. Die Ausübung dieses Rechts setzt jedoch voraus, dass eine ausdrückliche Rechtsgrundlage besteht, beispielsweise in Form einer konkreten Betriebsvereinbarung. Der Betriebsrat ist in der Regel zu beteiligen, § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, wenn es um Maßnahmen geht, die das Ordnungsverhalten betreffen. Dabei ist eine individuelle Würdigung im Einzelfall erforderlich. Zu beachten ist außerdem, dass die Befugnis zur Verhängung einer Betriebsbuße nicht willkürlich ausgeübt werden darf, sondern an das Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie an das Gebot der Gleichbehandlung gebunden ist.

In welchen Fällen darf eine Betriebsbuße verhängt werden?

Eine Betriebsbuße darf ausschließlich bei Verstößen gegen betriebliche Ordnungsvorschriften verhängt werden, sofern solche Verstöße in einer Betriebsvereinbarung oder anderen kollektivrechtlichen Regelungen ausdrücklich als bußgeldbewährte Ordnungswidrigkeit deklariert sind. Die typischen Anwendungsfälle betreffen Verspätungen, Verstöße gegen das Rauchverbot, Nichttragen vorgeschriebener Schutzkleidung oder Fahrlässigkeiten im Umgang mit Betriebseigentum. Die vorherige ausdrückliche Regelung im Kollektivvertrag ist zwingende Voraussetzung. Die Betriebsbuße ist ausgeschlossen bei schwerwiegenderen Verstößen wie Diebstahl oder Tätlichkeiten, da hier andere individualrechtliche arbeitsrechtliche Sanktionen (Abmahnung, Kündigung) vorrangig sind.

Welche rechtlichen Grenzen bestehen hinsichtlich Höhe und Art der Betriebsbuße?

Die Ausgestaltung der Betriebsbuße unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Höhe und Art der Sanktionen dürfen das Maß des Erforderlichen nicht überschreiten und müssen im angemessenen Verhältnis zur Schwere der begangenen Pflichtverletzung stehen. Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen setzen oftmals Höchstbeträge fest, zum Beispiel einen festen Tagessatz oder einen bestimmten Prozentbetrag des Monatsentgelts. Zudem steht dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Ausgestaltung solcher Regelungen zu. Unzulässig sind demütigende, entwürdigende oder existenzbedrohende Maßnahmen; Betriebsbußen dürfen keinen Strafcharakter annehmen oder von ihrer Höhe her einen unverhältnismäßigen Druck auf den Arbeitnehmer ausüben. Die Zweckbindung der eingenommenen Beträge (z.B. für gemeinnützige Zwecke im Betrieb) ist ebenfalls regelmäßig vorgeschrieben.

Kann gegen die Verhängung einer Betriebsbuße rechtlich vorgegangen werden?

Ja, der betroffene Arbeitnehmer hat das Recht, gegen eine verhängte Betriebsbuße rechtlich vorzugehen. Voraussetzung dafür ist, dass die Betriebsbuße formell korrekt verhängt wurde und eine entsprechende Rechtsgrundlage, etwa eine Betriebsvereinbarung, existiert. Der Arbeitnehmer kann nach § 4 KSchG beziehungsweise entsprechend § 611a BGB in Verbindung mit arbeitsrechtlichen Grundsätzen binnen drei Wochen nach Zugang der Betriebsbuße Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens werden insbesondere die Rechtsgrundlage, die Beachtung der Verfahrensvorschriften sowie die Angemessenheit der Sanktion geprüft. Häufig kommt es auch zu einer parallelen Überprüfung durch den Betriebsrat, der bei unrechtmäßigen Sanktionen intervenierend einschreiten kann.

Wird eine Betriebsbuße in die Personalakte aufgenommen?

Ob eine Betriebsbuße in die Personalakte aufgenommen wird, hängt von der jeweiligen Ausgestaltung der Sanktion und den zugrundeliegenden Betriebsvereinbarungen ab. In aller Regel erfolgt aber, bei ordnungsgemäß verhängten Betriebsbußen, eine entsprechende Dokumentation im Personalakt, die den Anlass, den Umfang sowie die Rechtsgrundlage der Maßnahme vermerkt. Die Aufnahme in die Personalakte hat für den Arbeitnehmer insbesondere Bedeutung bei späteren Entscheidungen über Beförderungen oder sonstige Personalmaßnahmen. Eintragungen dürfen jedoch nicht unbegrenzt fortbestehen; nach Ablauf einer angemessenen Frist oder Verhaltensänderung des Arbeitnehmers ist die Tilgung aus der Personalakte rechtlich anzustreben, sofern keine weitere negative Entwicklung vorliegt.

Ist die Zustimmung des Betriebsrates zur Verhängung einer Betriebsbuße notwendig?

Ja, der Betriebsrat besitzt bei allen Fragen der betrieblichen Ordnung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein zwingendes Mitbestimmungsrecht. Dies gilt sowohl für die Einführung als auch für die konkrete Ausgestaltung von Regeln zur Betriebsbuße sowie im Einzelfall oft hinsichtlich der Verhängung einzelner Maßnahmen. Ohne Beteiligung des Betriebsrats und dessen ordnungsgemäße Zustimmung ist die Betriebsbuße in der Regel unwirksam. Eine ordnungsgemäße Mitbestimmung umfasst sowohl die vorherige Abstimmung über den konkreten Strafkatalog als auch die Einzelfallprüfung im Rahmen der angewandten Verfahren.

Wie werden die vereinnahmten Beträge aus Betriebsbußen verwendet?

Die Verwendung der durch Betriebsbußen eingenommenen Geldbeträge ist gesetzlich nicht abschließend geregelt, unterliegt jedoch in der Praxis den Vorgaben der zugrundeliegenden Betriebsvereinbarung. Häufig ist festgelegt, dass diese Gelder ausschließlich für gemeinnützige oder soziale Zwecke innerhalb des Unternehmens verwendet werden dürfen, beispielsweise für die Unterstützung bedürftiger Kolleginnen und Kollegen, für gemeinsame Betriebsveranstaltungen oder zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Die Einnahmen aus Betriebsbußen dürfen keinesfalls zur unmittelbaren wirtschaftlichen Bereicherung des Unternehmens dienen oder dem Arbeitgeber direkt zufließen. Die genaue Verwendungsregelung bedarf regelmäßig der Zustimmung des Betriebsrats und sollte transparent dokumentiert werden.