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Betreuungsunterhalt


Begriff und Rechtsgrundlage des Betreuungsunterhalts

Der Betreuungsunterhalt ist ein zentraler Begriff im deutschen Unterhaltsrecht und umfasst jene finanziellen Leistungen, die ein Elternteil (meist der nicht betreuende Elternteil) dem anderen Elternteil als Ausgleich für die persönliche Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes nach einer Trennung oder Scheidung schuldet. Ziel des Betreuungsunterhalts ist es, den wirtschaftlichen Einschnitt auszugleichen, der durch die Übernahme der kindesbezogenen Betreuungsaufgaben entsteht. Die rechtliche Grundlage des Betreuungsunterhalts befindet sich in § 1615l Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für nicht verheiratete Eltern und in §§ 1361, 1570 bis 1573 BGB für Ehegatten.

Historische Entwicklung des Betreuungsunterhalts

Die Einführung des Betreuungsunterhalts erfolgte mit dem Ziel, die Betreuung minderjähriger Kinder und die Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils besser zu vereinbaren. Gesetzgeberische Änderungen, insbesondere durch die Unterhaltsrechtsreform 2008, stärkten den Gleichrang von Barunterhalt und Betreuungsunterhalt und trugen gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung, um den Bedürfnissen von Alleinerziehenden besser gerecht zu werden.

Anspruchsberechtigung und Anspruchsgegner

Anspruchsberechtigte Personen

Der Kreis der Anspruchsberechtigten unterscheidet sich nach dem Familienstand der Elternteile:

  • Geschiedene oder getrennt lebende Ehepartner: Sie haben gemäß § 1570 BGB einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt ab Rechtskraft der Scheidung, sofern sie ein gemeinsames Kind betreuen.
  • Nicht verheiratete Elternteile: Ihnen steht entsprechend § 1615l BGB ein Betreuungsunterhalt zu, sobald sie ein gemeinsames Kind versorgen.

Anspruchsverpflichtete Personen

Unterhaltspflichtig ist grundsätzlich der Elternteil, der das Kind nicht überwiegend betreut, unabhängig vom Geschlecht oder dem bisherigen Rollenverständnis. Die gesetzliche Verpflichtung richtet sich vorrangig an den anderen Elternteil. In bestimmten Konstellationen kann auch ein Dritter, etwa adoptierende Eltern oder besondere Betreuungspersonen, betroffen sein.

Voraussetzungen für den Anspruch auf Betreuungsunterhalt

Dauer des Unterhaltsanspruchs

Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt besteht in der Regel mindestens bis zum dritten Geburtstag des Kindes (§ 1570 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach Vollendung des dritten Lebensjahres kann sich der Anspruch verlängern, wenn dies aus kindbezogenen (beispielsweise wegen Krankheit oder Behinderung des Kindes) oder elternbezogenen Gründen (wie fehlenden Betreuungsmöglichkeiten) erforderlich ist (§ 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB).

Voraussetzungen im Einzelnen

  • Tatsächliche Betreuung: Der Unterhalt ist unabhängig davon geschuldet, ob das Kind beim betreuenden Elternteil wohnt oder von einer dritten Person im Auftrag betreut wird, wenn die Hauptverantwortung bei einem Elternteil liegt.
  • Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erwerbstätigkeit: Ein Anspruch besteht, wenn dem betreuenden Elternteil aufgrund der Kindesbetreuung keine Erwerbstätigkeit möglich oder zumutbar ist.
  • Fehlende eigene Einkünfte: Der Anspruch entfällt, sofern der betreuende Elternteil über ausreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen verfügt.

Berechnung des Betreuungsunterhalts

Höhe des Unterhaltsanspruchs

Die Höhe des Betreuungsunterhalts richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB) bei Ehegatten und nach dem Bedarf des betreuenden Elternteils unter Berücksichtigung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei nichtehelichen Eltern (§ 1615l Abs. 3 BGB). Maßgeblich sind insbesondere das Einkommen des Unterhaltspflichtigen sowie das Einkommen und Vermögen des Berechtigten.

Grundsätze der Berechnung

  • Lebensstandard: Der Unterhalt soll eine Lebensführung ermöglichen, die dem Standard während der Ehe beziehungsweise der nichtehelichen Lebensgemeinschaft entspricht.
  • Bedarf und Leistungsfähigkeit: Die erforderliche Unterstützung wird in Anlehnung an das bereinigte Nettoeinkommen des Pflichtigen berechnet und an die individuelle Leistungsfähigkeit sowie die eigenen Erwerbsmöglichkeiten des Berechtigten angepasst.
  • Eigenverantwortung: In der Regel wird spätestens nach Ablauf des dritten Lebensjahres des Kindes eine teilweise Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils erwartet, soweit dies unter Berücksichtigung der Kinderbelange und Betreuungsmöglichkeiten mit der Berufsausübung vereinbar ist.

Anrechnung eigener Einkünfte

Eigene Erwerbs- oder Vermögenseinkünfte des betreuenden Elternteils werden auf den Unterhaltsanspruch angerechnet (§ 1577 BGB). Zum anrechenbaren Einkommen zählen beispielsweise Teilzeiteinkünfte, Elterngeld, Kindergeld oder Einnahmen aus Vermietung.

Dauer und Befristung des Betreuungsunterhalts

Zeitliche Begrenzung

Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt ist grundsätzlich bis zum dritten Lebensjahr des Kindes nicht befristet. Nach Ablauf dieses Zeitraums kann ein Anspruch auf Fortzahlung bestehen, wenn besondere kind- oder elternbezogene Umstände dies rechtfertigen. Eine generelle Verlängerung ist nicht vorgesehen, sondern hängt von Einzelfallabwägungen (wie Gesundheit, Betreuungsbedarf, Schul- oder Kindergartensituation) ab.

Befristung und Herabsetzung

Gemäß § 1578b BGB besteht die Möglichkeit, den Unterhaltsanspruch nach Billigkeit zu befristen oder zu reduzieren, sobald eine vollschichtige Erwerbstätigkeit erwartbar und zumutbar ist. Die Gerichte berücksichtigen dabei alle relevanten Umstände, etwa bisherige Erwerbstätigkeit, den Umfang der Kinderbetreuung und die Altersstruktur der Kinder.

Rangfolge und Durchsetzung des Betreuungsunterhalts

Rangfolge gegenüber anderen Unterhaltsansprüchen

Der Unterhaltsanspruch aus Kinderbetreuung nimmt gemäß § 1609 BGB eine bevorzugte Rangstellung ein. Vorrangig zu bedienen sind die Ansprüche minderjähriger Kinder und gleichgestellter Volljähriger, es folgt der Betreuungsunterhalt für Elternteile, erst danach andere Unterhaltsansprüche (z. B. Ansprüche geschiedener Ehegatten ohne Kinderbetreuung).

Durchsetzung und Verfahren

Der betreuende Elternteil kann den Unterhaltsanspruch außergerichtlich oder gerichtlich geltend machen. Zur Durchsetzung stehen übliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung, sollten Unterhaltszahlungen ausbleiben.

Beendigung des Anspruchs

Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt erlischt, wenn einer der folgenden Gründe vorliegt:

  • Das Kind beendet die Betreuungssituation (z. B. durch Volljährigkeit oder Selbstständigkeit).
  • Der betreuende Elternteil nimmt eine Vollzeiterwerbstätigkeit auf.
  • Die wirtschaftlichen Verhältnisse ändern sich maßgeblich, etwa durch neues Einkommen oder Eheschließung des betreuenden Elternteils.

Zusammenfassung

Der Betreuungsunterhalt stellt ein wesentliches Element des Unterhaltsrechts im deutschen Familienrecht dar und trägt dazu bei, die Benachteiligung des betreuenden Elternteils bei der Kindeserziehung auszugleichen. Die gesetzlichen Regelungen berücksichtigen Kindeswohl, Erwerbsobliegenheit sowie individuelle Lebensumstände und schaffen auf diese Weise Rahmenbedingungen, um beiden Elternteilen nach einer Trennung oder Scheidung eine partnerschaftliche und gerechte wirtschaftliche Betreuung der gemeinsamen Kinder zu ermöglichen.


Hinweis: Dieser Artikel stellt eine umfassende, thematisch vertiefte Übersicht zum Thema Betreuungsunterhalt im deutschen Recht dar und orientiert sich an den gesetzlichen Bestimmungen sowie der einschlägigen Rechtsprechung.

Häufig gestellte Fragen

Wann entsteht der Anspruch auf Betreuungsunterhalt?

Ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt entsteht grundsätzlich dann, wenn ein Elternteil – in der Regel die Mutter oder der Vater – infolge der persönlichen Betreuung eines gemeinsamen Kindes nach der Geburt an einer eigenen Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise gehindert ist. Rechtlich relevant ist hierbei § 1570 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Der Anspruch gilt unabhängig davon, ob die Eltern jemals verheiratet waren. Voraussetzung ist, dass wegen der Betreuung des Kindes eine volle Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist und daher ein Einkommensverlust eintritt. Maßgeblich ist das Alter des Kindes – bis zum dritten Lebensjahr ist ein Anspruch in der Regel unstreitig vorhanden, während ab dem vierten Lebensjahr nur noch ein eingeschränkter Anspruch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände wie Betreuungsbedarf des Kindes, Möglichkeiten externer Betreuung (z.B. durch Kita) und der Zumutbarkeit der Arbeitsaufnahme besteht.

Wie lange besteht der Anspruch auf Betreuungsunterhalt?

Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt besteht grundsätzlich für die Dauer der persönlichen Betreuung des Kindes, typischerweise mindestens bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes. Danach ist der Unterhalt nur noch ausnahmsweise geschuldet, zum Beispiel wenn besondere kind- oder situationsbedingte Gründe vorliegen, wie die Betreuung eines kranken oder behinderten Kindes, fehlende Betreuungsangebote, lange Anfahrtswege oder andere kindbezogene Gründe, die eine Erwerbstätigkeit unzumutbar machen. Ab dem vierten Lebensjahr des Kindes ist der betreuende Elternteil grundsätzlich verpflichtet, eine Teilzeit- oder, abhängig von den Umständen, eine Vollzeittätigkeit aufzunehmen. Die Bewertung erfolgt einzelfallabhängig und orientiert sich an den gesetzlichen Bestimmungen sowie an der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Wie wird die Höhe des Betreuungsunterhalts berechnet?

Die Höhe des Betreuungsunterhalts richtet sich grundsätzlich nach den ehelichen bzw. unterhaltsrelevanten Lebensverhältnissen sowie nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen zum Zeitpunkt der Trennung. Grundlage für die Berechnung ist das bereinigte Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen, wobei bestimmte Abzüge, wie etwa berufsbedingte Aufwendungen und angemessener Selbstbehalt, zu berücksichtigen sind. Der Bedarf des betreuenden Elternteils bemisst sich überwiegend nach dem bisherigen Lebensstandard während der Partnerschaft oder Ehe (bei nicht verheirateten Eltern nach dem Lebensstandard während der Betreuungsgemeinschaft). Anspruchsbegrenzend können auch eigene Einkünfte oder zumutbare Erwerbseinkünfte des betreuenden Elternteils angerechnet werden. Maßstab für die genaue Berechnung können zudem Gerichtsentscheidungen beziehungsweise Unterhaltstabellen wie die Düsseldorfer Tabelle sein.

Unter welchen Voraussetzungen kann der Anspruch auf Betreuungsunterhalt versagt, herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden?

Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt kann nach § 1570 Abs. 2 und 3 BGB unter bestimmten Umständen eingeschränkt oder versagt werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Erwerbstätigkeit trotz Kindesbetreuung zumutbar ist, beispielsweise bei günstigen Betreuungsmöglichkeiten oder bei einem schulpflichtigen, älteren Kind. Der Anspruch kann befristet oder der Höhe nach herabgesetzt werden, wenn eine dauerhafte Betreuung nicht mehr notwendig oder keine wesentlichen ehebedingten Nachteile beim unterhaltsberechtigten Elternteil entstanden sind. Zudem kann grob unbilliges Verhalten des Berechtigten, beispielsweise schwerwiegende Verfehlungen gegenüber dem Unterhaltspflichtigen, zur Versagung führen. Die Entscheidung erfolgt stets im Rahmen einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände.

Spielt das Einkommen des betreuenden Elternteils eine Rolle beim Betreuungsunterhalt?

Ja, das Einkommen des betreuenden Elternteils ist ein zentraler Faktor bei der Berechnung von Betreuungsunterhalt. Eigene Einkünfte des betreuenden Elternteils – etwa aus Teilzeitbeschäftigung, Vermietung, Verpachtung oder staatlichen Leistungen – werden bedarfsmindernd angerechnet. Ist dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit (teilweise) zumutbar, wird auch ein sogenanntes fiktives Einkommen berücksichtigt, das er erzielen könnte, wenn er einer zumutbaren Arbeit nachgehen würde. Insofern ist eine individuelle Prüfung der Erwerbsfähigkeit, Arbeitsmarktsituation und der persönlichen Gegebenheiten erforderlich. Das Ziel ist eine objektive und gerechte Bestimmung des Unterhaltsbetrags unter Berücksichtigung aller relevanter Einkommensquellen.

Kann Betreuungsunterhalt auch rückwirkend verlangt werden?

Betreuungsunterhalt kann nur ab dem Zeitpunkt verlangt werden, ab dem der Unterhaltspflichtige zur Zahlung aufgefordert wurde oder in Verzug gesetzt wurde (§ 1613 BGB). Rückwirkende Ansprüche sind also in der Regel auf den Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung begrenzt. Wird der Anspruch zeitnah nach der Trennung oder Geburt des Kindes schriftlich angekündigt oder eingefordert, kann ab diesem Zeitpunkt für die Vergangenheit Unterhalt verlangt werden. Unterlässt es der betreuende Elternteil hingegen, den Anspruch rechtzeitig geltend zu machen, kann für die Zeit davor in der Regel kein Unterhalt mehr beansprucht werden, es sei denn, der Verpflichtete war bereits zuvor in Kenntnis gesetzt worden oder handelte böswillig.

Sind neben dem Betreuungsunterhalt auch andere Unterhaltsansprüche möglich?

Neben dem Betreuungsunterhalt bestehen möglicherweise weitere Unterhaltsansprüche. Insbesondere Kindergeld und Kindesunterhalt sind unabhängig vom Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu leisten. Darüber hinaus kann – bei ehemals verheirateten Eltern – Anspruch auf Trennungsunterhalt bis zur Rechtskraft der Scheidung sowie nachehelicher Unterhalt bestehen, sofern die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Bei nicht verheirateten Eltern bestehen ausschließlich Ansprüche nach § 1615l BGB (Unterhalt wegen Betreuung eines nichtehelichen Kindes). Die einzelnen Unterhaltsansprüche bestehen grundsätzlich eigenständig und sind gesondert geltend zu machen, wobei Teilanrechnungen oder Berücksichtigung im Rahmen der Bedürftigkeit bzw. Leistungsfähigkeit möglich sind.