Legal Lexikon

Betreuungsgeld


Begriff und Einführung zum Betreuungsgeld

Das Betreuungsgeld war eine finanzielle Leistung des deutschen Staates, die an Eltern ausgezahlt wurde, sofern diese für ihr Kind im Alter von 15 bis 36 Monaten keinen öffentlich geförderten Betreuungsplatz (z.B. Kindertagesstätte, Tagesmutter) in Anspruch nahmen. Die Einführung, die rechtliche Ausgestaltung, die zeitliche Entwicklung und die abschließende rechtliche Überprüfung des Betreuungsgeldes waren und sind Gegenstand umfangreicher rechtlicher und gesellschaftlicher Diskussionen. Der nachfolgende Artikel behandelt die rechtlichen Grundlagen, die Entwicklung, den Anwendungsbereich, die verfassungsrechtliche Überprüfung sowie die finanz- und sozialrechtlichen Implikationen des Betreuungsgeldes in Deutschland.


Rechtsgrundlage und gesetzliche Regelung des Betreuungsgeldes

Gesetzliche Verankerung

Das Betreuungsgeld wurde durch das Gesetz zur Einführung eines Betreuungsgeldes vom 15. Februar 2013 eingeführt und in das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) integriert. Die rechtliche Grundlage bildete § 4a BEEG, der die Anspruchsvoraussetzungen, den Leistungsumfang und das Antragsverfahren regelte.

Anspruchsvoraussetzungen

Anspruch auf Betreuungsgeld hatten Eltern, die

  • Mit ihren Kindern im Alter von 15 bis einschließlich 36 Monaten in einem Haushalt lebten,
  • Kein Elterngeld mehr bezogen,
  • Für das Kind keinen öffentlich geförderten Kinderbetreuungsplatz in Anspruch nahmen,
  • Und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten.

Für Kinder, die ab dem 1. August 2012 geboren wurden, konnte Betreuungsgeld rückwirkend beantragt werden.

Leistungshöhe und Bezugsdauer

Die Leistung wurde anfangs in Höhe von 100 Euro, ab August 2014 in Höhe von 150 Euro monatlich pro Kind gezahlt. Die Bezugsdauer war grundsätzlich auf maximal 22 Monate (15. bis 36. Lebensmonat des Kindes) beschränkt, wobei der Bezug von der tatsächlichen Nichtinanspruchnahme einer institutionellen Betreuung abhing.


Rechtsentwicklung des Betreuungsgeldes

Politische und gesellschaftstheoretische Einordnung

Das Betreuungsgeld war von Beginn an politisch und gesellschaftlich umstritten. Befürworter sahen in der Leistung eine Anerkennung elterlicher Betreuung und eine Förderung von Wahlfreiheit in der Kinderbetreuung, während Kritiker eine konterkarierende Wirkung auf die angestrebte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sowie die Gefahr einer Benachteiligung bildungsferner Schichten anmahnten.

Gesetzgebungsgeschichte

Das Betreuungsgeld wurde als Kompromiss innerhalb der damaligen Regierungskoalition in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht und nach kontroversen Debatten beschlossen. Es trat zum 1. August 2013 offiziell in Kraft.


Verfassungsrechtliche Überprüfung und Abschaffung

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Nach zahlreichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Zuständigkeit des Bundes für die Einführung eines Betreuungsgeldes wurde das Gesetz Gegenstand einer Normenkontrollklage. Am 21. Juli 2015 entschied das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvF 2/13), dass die Einführung des Betreuungsgeldes durch den Bund verfassungswidrig war. Die Richter führten aus, dass die Gesetzgebungszuständigkeit für das Betreuungsgeld gemäß Art. 72 Abs. 1 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG den Ländern zukomme, nicht jedoch dem Bund.

Praktische Folgen der Entscheidung

Infolge der Entscheidung durfte das Betreuungsgeld für neue Fälle nicht mehr ausgezahlt werden. Bereits laufende Leistungen wurden jedoch für den Gewährleistungszeitraum weiterhin gewährt und nachträgliche Anträge abgelehnt. Die rechtlichen Grundsätze zur sog. Anwendungssperre und zur Gewährleistung des Vertrauensschutzes für laufende Anspruchsfälle wurden in Verwaltungsanweisungen und Rundschreiben der auszahlenden Stellen umgesetzt.

Alternative landesrechtliche Regelungen

Einzelne Bundesländer prüften oder schufen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eigene Betreuungsgeldregelungen (z.B. das bayerische Landesbetreuungsgeld), wobei diese jeweils landesrechtlichen Vorgaben und haushaltspolitischen Erwägungen unterliegen.


Betreuungsgeld im Verhältnis zu anderen Sozialleistungen

Verhältnis zum Elterngeld

Betreuungsgeld war subsidiär zum Elterngeld geregelt, das heißt, ein gleichzeitiger Bezug beider Leistungen war grundsätzlich ausgeschlossen. Sofern Betreuungsmaßnahmen in Anspruch genommen wurden, die vom Staat gefördert wurden, entfiel der Anspruch auf Betreuungsgeld.

Anrechnung auf andere Leistungen

Das Betreuungsgeld wurde grundsätzlich auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II, sog. Arbeitslosengeld II) sowie Sozialhilfe nach dem SGB XII angerechnet. Damit verminderte es in betroffenen Fallkonstellationen die Auszahlungen nach SGB II und XII in voller Höhe.


Rückblick und rechtliche Bewertung nach der Abschaffung

Evaluation und Nachwirkungen

In der Rückschau wurde das Betreuungsgeld seitens verschiedener Gremien und Wissenschaftseinrichtungen evaluiert. Rechtlich blieb festzuhalten, dass der Bund die Gesetzgebungskompetenz für diese Leistung überschritten hatte. Die Diskussion um kinder- und familienbezogene Transferleistungen auf Landes- oder Bundesebene bleibt weiterhin ein bedeutsames sozial- und verfassungsrechtliches Thema. Nach der Einstellung der Auszahlung existieren keine bundesrechtlichen Rechtsgrundlagen für das Betreuungsgeld mehr.

Vergleichbare Leistungen auf Landesebene

Mit dem Wegfall des Betreuungsgeldes auf Bundesebene entstanden in einigen Bundesländern landesspezifische Alternativen (u.a. in Bayern). Diese Landesbetreuungsgelder unterscheiden sich hinsichtlich Anspruchsvoraussetzungen, Leistungshöhe und Dauer und sind landesrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten unterworfen.


Literatur und weiterführende Informationen

  • Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG)
  • Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2015, Az. 1 BvF 2/13
  • Gesetz zur Einführung eines Betreuungsgeldes vom 15. Februar 2013

Zusammenfassung

Das Betreuungsgeld stellte eine bundesgesetzlich geregelte, mittlerweile ausgelaufene Sozialleistung dar, die Eltern für die Eigenbetreuung ihrer Kinder anstelle institutioneller Betreuung finanziell kompensierte. Nach verfassungsgerichtlicher Überprüfung wurde die Maßnahme aufgrund fehlender Gesetzgebungskompetenz des Bundes abgeschafft. Die Thematik des Betreuungsgeldes wirft grundlegende sozial-, familien- und verfassungsrechtliche Fragestellungen auf und bleibt, insbesondere im Hinblick auf landesrechtliche Regelungsspielräume, weiter relevant.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen mussten für den Bezug von Betreuungsgeld erfüllt sein?

Für den Bezug des Betreuungsgeldes waren bestimmte rechtliche Voraussetzungen maßgeblich. Anspruchsberechtigt waren in der Regel Eltern, die für ihr Kind im zweiten oder dritten Lebensjahr kein öffentlich gefördertes Angebot der Kindertagesbetreuung, wie beispielsweise eine Kindertagesstätte oder Tagespflege, in Anspruch genommen haben. Anspruchsvoraussetzung war zudem, dass für das Kind ein Anspruch auf Elterngeld nach den §§ 1 bis 5 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) bestand und der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt der antragstellenden Person und des Kindes in Deutschland lag. Erforderlich war ferner, dass das Kind nach dem 31. Juli 2012 geboren ist und kein vergleichbares landesrechtliches Betreuungsgeld in Anspruch genommen wurde, um eine Doppelbegünstigung auszuschließen. Zu beachten war außerdem, dass die Auszahlung des Betreuungsgeldes nur auf Antrag möglich war und der Nachweis über den Verzicht auf öffentlich geförderte Kindertagesbetreuung zu erbringen war. Die rechtlichen Grundlage bildete § 4a BEEG a.F.

Welche Auswirkungen hatte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf das Betreuungsgeld?

Mit Urteil vom 21. Juli 2015 (Az. 1 BvF 2/13) erklärte das Bundesverfassungsgericht die zugrundeliegende Regelung des Betreuungsgeldes auf Bundesebene für nichtig. Hauptgrund war nach Auffassung des Gerichts das Fehlen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelung von Geldleistungen, die ein Anreizverhalten für die Nichtinanspruchnahme frühkindlicher Bildungsangebote schaffen sollten. Die Kompetenz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen liege überwiegend bei den Ländern. Mit der Entscheidungsverkündung wurde die Auszahlung auf Bundesebene eingestellt; allerdings blieb bisher gezahltes Betreuungsgeld für die Empfänger rechtlich unangetastet und musste somit nicht zurückgezahlt werden. Verfassungsrechtlich relevante Bestandteile der Entscheidung bezogen sich insbesondere auf das Grundgesetz, namentlich Art. 72 Abs. 2 GG (konkurrierende Gesetzgebung).

Gibt es im deutschen Recht nach wie vor einen Anspruch auf Betreuungsgeld?

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der daraus resultierenden Streichung der betreffenden Bundesvorschriften ab August 2015 besteht kein bundesweiter, gesetzlich geregelter Anspruch mehr auf Betreuungsgeld. Einzelne Bundesländer, wie Bayern, haben allerdings auf Landesebene vergleichbare Leistungen eingeführt (z.B. das Bayerische Betreuungsgeld nach dem Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz). Diese landesrechtlichen Regelungen unterscheiden sich hinsichtlich Anspruchsvoraussetzungen, Höhe und Dauer teilweise erheblich vom früheren Bundesbetreuungsgeld. Ein bundesweit einheitlicher Anspruch existiert jedoch nicht mehr, sodass die Rechtslage maßgeblich vom jeweiligen Landesrecht abhängig ist.

Wie verhielten sich Betreuungsgeld und Elterngeld zueinander aus rechtlicher Sicht?

Das Betreuungsgeld war rechtlich als ergänzende Leistung zum Elterngeld ausgestaltet, jedoch nicht gleichzeitig im selben Zeitraum beziehbar. Der Bezug von Elterngeld und Betreuungsgeld war somit ausgeschlossen, da der Betreuungsgeldanspruch erst nach Ablauf des Elterngeldbezugszeitraumes entstehen konnte. Der rechtliche Vorrang des Elterngeldes ergab sich explizit aus den gesetzlichen Regelungen. Auch andere Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe nach dem SGB VIII wurden, sofern sie dem gleichen Zweck dienten, zur Anrechnung gebracht, um Leistungskumulation zu verhindern. Somit war eine strikte Prüfung auf Kollision etwaiger Ansprüche gegen das Betreuungsgeld durchgeführt worden.

Konnte das Betreuungsgeld gegenüber anderen Sozialleistungen angerechnet oder gepfändet werden?

Das Betreuungsgeld wurde rechtlich als zweckgebundene Familienleistung ausgestaltet. Nach den gesetzlichen Bestimmungen war eine Anrechnung des Betreuungsgeldes auf Sozialleistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II, Sozialgeld), dem SGB XII (Sozialhilfe), dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie auf das Elterngeld vorgesehen. Überdies war das Betreuungsgeld grundsätzlich nicht pfändbar (§ 54 SGB I), da es eine zweckgebundene Sozialleistung darstellte. Die Relevanz bestand insbesondere im Verhältnis zu Transferleistungen und im Rahmen von Insolvenzverfahren.

Welche rechtlichen Aspekte waren beim Antrag auf Betreuungsgeld zu beachten?

Der Antrag auf Betreuungsgeld musste schriftlich, unter Verwendung der bundeseinheitlichen Vordrucke, bei der jeweils zuständigen Elterngeldstelle eingereicht werden. Wesentliche Nachweise waren die Geburtsurkunde des Kindes, der Nachweis des Wohnsitzes, die Bescheinigung über den Verzicht auf öffentlich geförderte Kindertagesbetreuung sowie – soweit einschlägig – der Nachweis über einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel. Das Antragsverfahren war zudem an Fristen gebunden: Das Betreuungsgeld konnte regelmäßig rückwirkend für bis zu drei Monate vor Antragstellung beansprucht werden, eine darüber hinausgehende rückwirkende Leistung war rechtlich ausgeschlossen.

Was geschah mit laufenden Ansprüchen nach der Verfassungsgerichtsentscheidung?

Bestehende beziehungsweise bereits genehmigte oder laufende Ansprüche auf Betreuungsgeld wurden durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich geschützt. Das Betreuungsgeld durfte für bewilligte Zeiträume weiterhin ausgezahlt werden, sofern schon vor dem Urteil eine Bewilligung und ein fester Leistungszeitraum vorlagen. Neue Anträge konnten jedoch nicht mehr bewilligt werden. Rückforderungen für bereits gezahltes Betreuungsgeld wurden nicht vorgenommen, auch wenn die Rechtgrundlage rückwirkend für verfassungswidrig erklärt wurde. Insofern bestand für die Leistungsberechtigten Rechtssicherheit hinsichtlich bereits empfangener Leistungen.