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Betäubungsmitteldelikte


Begriff und rechtliche Grundlagen der Betäubungsmitteldelikte

Betäubungsmitteldelikte umfassen nach deutschem Recht sämtliche Straftaten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln. Die rechtliche Grundlage bildet hauptsächlich das Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Dieses Gesetz regelt Besitz, Handel, Herstellung, Einfuhr, Ausfuhr, Abgabe und Erwerb von Betäubungsmitteln sowie die zugehörigen Straftatbestände, Ordnungswidrigkeiten und behördlichen Maßnahmen. Ziel des BtMG ist es, den Missbrauch von Betäubungsmitteln zu verhindern und die öffentliche Gesundheit zu schützen.


Definition von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG

Betäubungsmittel im Sinne des BtMG sind Substanzen, die in den Anlagen I bis III des Gesetzes erfasst sind. Hierzu zählen unter anderem Cannabis, Heroin, Kokain, Amphetamin, Methamphetamin und bestimmte Medikamente. Die Einordnung basiert auf Gefährlichkeit sowie Missbrauchs- und Suchtpotential. Ausnahmen gelten für medizinische, wissenschaftliche und staatlich genehmigte Zwecke.


Arten von Betäubungsmitteldelikten

Unerlaubter Besitz (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG)

Der unerlaubte Besitz gilt als die einfachste Form des Betäubungsmitteldelikts. Bereits geringe Mengen für den Eigenverbrauch sind grundsätzlich strafbar, wobei Gerichte und Staatsanwaltschaften je nach Bundesland teilweise von der Strafverfolgung bei geringen Mengen („Eigenbedarf“) absehen können.

Unerlaubter Handel und Abgabe (§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 6 BtMG)

Handel mit Betäubungsmitteln umfasst jede eigenständige, eigennützige, nicht genehmigte Weitergabe oder Veräußerung gegen Entgelt oder als Tauschgeschäft. Bereits die Anbahnung einer Handelsbeziehung kann ausreichen. Zusätzlich ist die Abgabe, zum Beispiel durch Weiterreichen an Dritte, als strafbare Handlung erfasst.

Einfuhr und Ausfuhr von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1, § 30 BtMG)

Die Ein- und Ausfuhr von Betäubungsmitteln ist ohne behördliche Genehmigung ebenfalls strafbar. Der Versuch ist in beiden Fällen bereits strafbar. Besonders schwere Fälle, zum Beispiel bandenmäßige Einfuhr großer Mengen, unterliegen erhöhten Strafandrohungen.

Herstellung und Anbau (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG)

Das unerlaubte Herstellen, insbesondere auch das Anbauen von Pflanzen (Cannabis), ist ebenfalls Tatbestand eines Betäubungsmitteldelikts. Erfasst sind sowohl private als auch kommerzielle Handlungen.


Strafrahmen und Sanktionen

Grundtatbestände

Für Grundtatbestände, wie Besitz, Erwerb oder Weitergabe, drohen Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.

Qualifizierte Tatbestände (§ 29a, § 30, § 30a BtMG)

Beträchtlich strengere Strafen drohen bei qualifizierten Tathandlungen, z. B.:

  • Besitz einer „nicht geringen Menge“ (ab einer bestimmten Wirkstoffmenge)
  • Handeln als Bande oder in erheblichem Umfang
  • Beteiligung Minderjähriger
  • Tod infolge der Tathandlung

Hier reicht der Strafrahmen von mindestens einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe.


Versuch und Beteiligung

Sowohl der Versuch als auch die Beteiligung (Beihilfe und Anstiftung) an Betäubungsmitteldelikten sind ebenfalls strafbar. Vorbereitungshandlungen, etwa das Anbahnen eines Geschäfts, können je nach Tatbestand bereits zu einer Strafbarkeit führen.


Besondere Regelungen und Einstellungen

Geringe Menge

Das Gesetz (§ 31a BtMG) gibt der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, bei „geringer Menge“ für den Eigenbedarf von einer Strafverfolgung abzusehen, sofern kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht und keine Fremdgefährdung vorliegt. Die Definition der geringen Menge variiert je nach Bundesland und Substanz.

Therapie statt Strafe

Unter bestimmten Voraussetzungen kann nach § 35 BtMG ein Strafaufschub zur Durchführung einer Therapie gewährt werden, wenn der Täter suchtkrank ist und eine Entwöhnungsbehandlung antritt.


Ordnungswidrigkeiten nach dem BtMG

Neben Straftaten kennt das BtMG auch Ordnungswidrigkeiten, z. B. der Verstoß gegen Aufzeichnungspflichten oder das unbefugte Versenden straffreier Arzneimittel. Die Sanktionierung erfolgt durch Bußgelder.


Verfall, Einziehung und Sicherstellung

Im Falle von Betäubungsmitteldelikten sieht das BtMG umfangreiche Möglichkeiten für den Verfall und die Einziehung von Tatmitteln und -erträgen vor (§§ 33 ff. BtMG, §§ 73 ff. StGB). Fahrzeuge, Gelder sowie die Betäubungsmittel selbst können dauerhaft eingezogen werden.


Internationale und europäische Regelungen

Betäubungsmitteldelikte sind auch Gegenstand internationaler Übereinkommen, insbesondere der Einheitsübereinkommen über Suchtstoffe (1961), des Übereinkommens gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (1988) sowie einschlägiger EU-Richtlinien. Deutschland hat diese Verpflichtungen im BtMG umgesetzt.


Bedeutung und Praxis

Betäubungsmitteldelikte haben große praktische Bedeutung für Strafverfolgungsbehörden und Justiz. Sie sind ein Schwerpunkt der Strafverfolgung und eng mit Fragen der Prävention, Therapie und Resozialisierung verbunden. Insbesondere im Verkehrsrecht und Arbeitsrecht kann der Umgang mit Betäubungsmitteln zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen führen, etwa zum Entzug der Fahrerlaubnis.


Quellen und weiterführende Literatur

  • Betäubungsmittelgesetz (BtMG)
  • Strafgesetzbuch (StGB)
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
  • Verschiedene Urteile deutscher Bundesgerichte

Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die rechtliche Einordnung, die relevanten Deliktgruppen und die rechtlichen Folgen von Betäubungsmitteldelikten in Deutschland.

Häufig gestellte Fragen

Welche Strafen drohen bei Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG)?

Die Strafen bei einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) hängen im Wesentlichen von der Art, Menge und dem Umgang mit den Betäubungsmitteln ab. Es wird zwischen Eigenbedarf, Besitz, Handel und Einfuhr unterschieden. Bereits der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, sofern keine minder schweren Fälle oder Maßnahmen nach Jugendstrafrecht vorliegen. Wird mit Betäubungsmitteln Handel getrieben oder sie anderen überlassen, erhöhen sich die Strafrahmen erheblich. Im sogenannten „nicht geringen Fall“ (§ 29a, § 30, § 30a BtMG), etwa beim Handel mit großen Mengen oder im Rahmen organisierter Kriminalität, können Freiheitsstrafen von nicht unter einem Jahr bis zu 15 Jahren verhängt werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit von Nebenstrafen, etwa dem Entzug der Fahrerlaubnis oder Einträgen im Führungszeugnis.

Wann und unter welchen Bedingungen wird eine Einstellung des Verfahrens nach § 31a BtMG in Betracht gezogen?

Die Einstellung des Verfahrens nach § 31a BtMG kommt insbesondere dann in Betracht, wenn es sich bei dem Verstoß um eine geringe Menge zum Eigenverbrauch handelt, keine Fremdgefährdung vorliegt und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Die genaue Definition einer „geringen Menge“ variiert je nach Bundesland und Betäubungsmittel; sie ist beispielsweise für Cannabis in den meisten Bundesländern auf maximal 6 bis 15 Gramm festgelegt. Eine zwingende Voraussetzung für die Anwendung des § 31a BtMG ist, dass weder eine Fremdgefährdung noch eine gewerbliche oder bandenmäßige Begehung vorliegt. Über die Einstellung entscheidet grundsätzlich die Staatsanwaltschaft, wobei sie das Verfahren oftmals mit Auflagen wie dem Besuch einer Beratung oder ähnlichen Maßnahmen verbinden kann.

Welche Auswirkungen hat ein Verstoß gegen das BtMG auf das Führungszeugnis und die Fahrerlaubnis?

Ein Verstoß gegen das BtMG kann weitreichende Folgen für das Führungszeugnis und die Fahrerlaubnis haben. Wird eine Strafe vom Gericht verhängt, erfolgt in der Regel auch ein Eintrag ins Bundeszentralregister und damit ins Führungszeugnis, außer die Strafe bleibt unter bestimmten Grenzwerten (z.B. Geldstrafe unter 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe unter drei Monaten und keine weiteren Eintragungen). Hinsichtlich der Fahrerlaubnis kann bereits der Besitz oder Konsum von Betäubungsmitteln dazu führen, dass die Fahrerlaubnisbehörde Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen anmeldet. In solchen Fällen kann die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis, eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) oder auch ein Fahrverbot angeordnet werden.

Wie unterscheidet das Gesetz zwischen Besitz, Erwerb und Handel von Betäubungsmitteln?

Das BtMG differenziert rechtlich streng zwischen Besitz, Erwerb und Handel. Besitz beschreibt das tatsächliche Verfügungsrecht über Betäubungsmittel, unabhängig davon, ob diese selbst erworben oder nur vorübergehend aufbewahrt werden. Erwerb bedeutet den bewussten Empfang der Substanz, wobei schon der Empfang einer Probe ausreicht. Handel hingegen erfasst jede eigennützige, auf Umsatz abzielende Tätigkeit, die mit Betäubungsmitteln im Zusammenhang steht, und ist besonders schwerwiegend. Der Handel umfasst auch das bloße Anbahnen oder Vermitteln von Geschäften. Jede einzelne dieser Handlungen ist eigenständig strafbar und kann unterschiedlich strenge Strafen nach sich ziehen.

Welche Rolle spielen Strafmilderung und Kronzeugenregelung (§ 31 BtMG) im Strafverfahren?

Das BtMG sieht mit § 31 und § 31a die Möglichkeit einer Strafmilderung oder gar eines Absehens von Strafe vor, wenn der Beschuldigte wesentlich zur Aufklärung eines Betäubungsmittelvergehens beiträgt. Die sogenannte Kronzeugenregelung (§ 31 BtMG) kommt zum Tragen, wenn der Täter freiwillig sein Wissen offenlegt und dadurch entweder das eigene oder ein fremdes Vergehen aufdeckt, oder zur Ergreifung weiterer Beteiligter beiträgt. Voraussetzung ist hierbei die substanzielle Mitwirkung des Täters an der Aufklärung. Die Staatsanwaltschaft hat unter engen gesetzlichen Vorgaben daraufhin die Möglichkeit, die Strafe zu mildern oder das Verfahren einzustellen. Häufig betrifft dies größere Ermittlungsverfahren oder Strukturen organisierter Kriminalität.

Welche Rechte hat der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren wegen eines BtM-Delikts?

Der Beschuldigte hat im Ermittlungsverfahren eine Reihe von Rechten, auf die explizit hingewiesen werden muss. Dazu gehören das Aussage- und Schweigerecht, das Recht auf anwaltlichen Beistand, Akteneinsicht (über den Anwalt), das Recht auf Belehrung im Hinblick auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe sowie das Recht, Beweisanträge zu stellen. Bei Durchsuchungen und Beschlagnahmen sind richterliche Anordnungen die Regel; Ausnahmen gelten nur bei Gefahr im Verzug. Besonders relevant ist das Schweigerecht, da unüberlegte Äußerungen im frühen Ermittlungsstadium erhebliche Konsequenzen im späteren Verfahren nach sich ziehen können. Die frühzeitige Konsultation eines Strafverteidigers ist daher dringend zu empfehlen.

Unter welchen Voraussetzungen ist die Substitutionstherapie mit Betäubungsmitteln strafrechtlich erlaubt?

Die Substitutionstherapie ist im BtMG explizit geregelt und erlaubt, sofern sie durch einen zur Durchführung berechtigten Arzt erfolgt und die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Voraussetzung ist eine medizinische Indikation, etwa bei einer bestehenden Opioidabhängigkeit, und die Teilnahme an einem Therapieprogramm. Zugelassene Substitutionsmittel sind beispielsweise Methadon oder Buprenorphin. Das Verschreiben, Abgeben oder Anwenden dieser Mittel ist nur im Rahmen der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) zulässig. Verstöße, etwa durch nichtbefugte Weitergabe oder Missbrauch von Substitutionsmitteln, können wiederum strafrechtlich relevant werden.