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Besteuerungsverfahren

Besteuerungsverfahren – Definition und Zweck

Das Besteuerungsverfahren umfasst sämtliche staatlichen Abläufe, mit denen Steuern erhoben werden. Es reicht von der Ermittlung der steuerlich relevanten Tatsachen über die Festsetzung in einem Bescheid und die Mitteilung an die betroffene Person bis zur Zahlung und gegebenenfalls der Durchsetzung offener Forderungen. Ziel ist eine gleichmäßige, gesetzeskonforme und überprüfbare Erhebung von Steuern unter Beachtung der Rechte und Pflichten aller Beteiligten.

Systematische Einordnung und Beteiligte

Beteiligte im Überblick

Hauptbeteiligte sind die betroffenen Personen oder Unternehmen sowie die Finanzbehörden. Weitere Mitwirkende können Dritte sein, die Auskünfte erteilen oder Daten übermitteln (zum Beispiel Arbeitgeber, Banken oder andere Stellen). In späteren Verfahrensabschnitten können auch Vollstreckungsstellen und Gerichte beteiligt sein.

Abgrenzung des Verfahrens

Üblicherweise wird zwischen Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen, Festsetzung der Steuer und Erhebung (Zahlungsabwicklung) unterschieden. Daran kann ein eigenständiges Vollstreckungsverfahren anknüpfen, wenn Forderungen nicht freiwillig erfüllt werden. Davon getrennt sind ordnungswidrigkeiten- und strafrechtliche Verfahren mit eigenen Regeln.

Grundprinzipien des Verfahrens

Amtsermittlung und Mitwirkung

Die Finanzbehörde ermittelt die maßgeblichen Tatsachen, stützt sich dabei jedoch regelmäßig auf die Mitwirkung der betroffenen Person. Unterlagen, Auskünfte und Erklärungen dienen der Aufklärung, während die Behörde die Angaben prüft und bei Bedarf weitere Nachweise anfordert.

Gleichmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit

Steuern sollen gleichmäßig nach den geltenden Regeln erhoben werden. Maßnahmen der Behörden müssen erforderlich und angemessen sein und die Belange der Betroffenen berücksichtigen.

Rechtliches Gehör und Transparenz

Betroffene erhalten Gelegenheit, sich zu äußern, und müssen über wesentliche Entscheidungen informiert werden. Die Inhalte eines Steuerbescheids müssen nachvollziehbar sein.

Schutz von Daten

Das Steuergeheimnis und weitere Datenschutzvorgaben schützen persönliche und wirtschaftliche Informationen. Zugriff ist nur für gesetzlich bestimmte Zwecke zulässig.

Ablauf des Besteuerungsverfahrens

Erklärung und Anzeige

Das Verfahren beginnt in vielen Fällen mit der Abgabe einer Steuererklärung oder mit anderen gesetzlichen Mitteilungen. Digitale Übermittlungen und standardisierte Formate sind verbreitet.

Ermittlung und Prüfung

Die Behörde prüft die eingereichten Angaben, vergleicht Daten mit vorhandenen Informationen und kann Nachfragen stellen. Je nach Fall kommen automatisierte Prüfungen oder manuelle Auswertungen zum Einsatz.

Schätzung

Fehlen verwertbare Angaben oder sind sie unvollständig, kann die Behörde die Besteuerungsgrundlagen nach pflichtgemäßem Ermessen schätzen. Schätzungen sollen realitätsnah sein und die verfügbaren Erkenntnisse berücksichtigen.

Festsetzung und Bekanntgabe

Die festgesetzte Steuer wird in einem Verwaltungsakt mitgeteilt (Steuerbescheid). Der Bescheid enthält typischerweise Berechnungen, Begründungen und Hinweise zu Rechtsbehelfen und Fälligkeiten. Mit der Bekanntgabe beginnen Fristen zu laufen.

Erhebung und Zahlungsabwicklung

Nach der Festsetzung folgt die Erhebung. Sie umfasst Fälligkeit, Zahlungswege, mögliche Stundungen oder Ratenzahlungsvereinbarungen, Säumnisfolgen sowie die Anrechnung bereits geleisteter Beträge.

Vollstreckung und Sicherung

Werden fällige Beträge nicht entrichtet, können Vollstreckungsmaßnahmen folgen. Diese reichen von Mahnungen bis zu Zwangsmaßnahmen. In bestimmten Situationen sind Sicherungsmaßnahmen zulässig, um den Steueranspruch zu schützen.

Formen der Festsetzung und typische Verwaltungsakte

Steuerbescheid

Der Steuerbescheid ist der zentrale Verwaltungsakt der Festsetzung. Er regelt Höhe, Begründung, Fälligkeit und enthält die Rechtsbehelfsbelehrung.

Vorläufigkeit und Vorbehalt

Bescheide können in bestimmtem Umfang vorläufig sein oder unter einem Prüfvorbehalt stehen. Dadurch bleibt eine spätere Anpassung möglich, wenn die offenen Punkte geklärt sind oder sich Grundlagen ändern.

Gesonderte Feststellungen und Messbeträge

Für bestimmte Sachverhalte werden Grundlagen gesondert festgestellt oder Messbeträge festgesetzt. Diese wirken dann auf nachfolgende Steuerbescheide ein.

Haftungsbescheid

In Einzelfällen können Dritte für Steuern in Anspruch genommen werden. Dies geschieht durch einen eigenständigen Verwaltungsakt.

Fristen, Bestandskraft und Korrekturen

Festsetzungsfristen

Die Festsetzung von Steuern ist zeitlich begrenzt. Fristen richten sich nach Art der Steuer und beginnen regelmäßig mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahrs. Unterbrechungen oder Verlängerungen sind möglich, wenn gesetzlich vorgesehene Gründe vorliegen.

Bestandskraft

Wird ein Bescheid nicht fristgerecht angegriffen, wird er bestandskräftig. Danach sind Änderungen nur noch unter engen Voraussetzungen möglich.

Korrekturen

Berichtigungen und Änderungen kommen in Betracht, wenn neue Tatsachen bekannt werden, offenbare Unrichtigkeiten vorliegen oder bindende Grundlagenbescheide angepasst werden. Auch die Aufhebung oder Änderung mit Wirkung für die Zukunft ist denkbar.

Zahlungsverjährung

Neben der Festsetzungsfrist gibt es eigenständige Regeln zur zeitlichen Begrenzung der Durchsetzung bereits festgesetzter Ansprüche. Hemmungen und Neubeginne der Frist sind möglich.

Rechtsbehelfe und gerichtliche Kontrolle

Einspruchsverfahren

Gegen Steuerbescheide steht ein fristgebundener Einspruch zur Verfügung. Die Behörde prüft den Fall erneut und kann abhelfen oder eine Einspruchsentscheidung erlassen.

Klageverfahren

Nach Abschluss des Vorverfahrens ist eine gerichtliche Überprüfung möglich. Das Gericht kontrolliert die Recht- und Zweckmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung.

Vollziehung während des Rechtsbehelfs

Rechtsbehelfe haben nicht automatisch aufschiebende Wirkung. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Vollziehung ausgesetzt werden, etwa zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes.

Außenprüfung und besondere Ermittlungsmaßnahmen

Betriebsprüfung

Unternehmen können einer Außenprüfung unterliegen. Dabei werden Buchführung und Geschäftsabläufe vor Ort oder digital geprüft. Ankündigung, Prüfungsanordnung und Schlussbesprechung strukturieren den Ablauf.

Steuerfahndung und Abgrenzung

Bei Verdacht auf Steuerstraftaten oder schwerwiegende Ordnungswidrigkeiten können besondere Ermittlungsbefugnisse greifen. Diese Maßnahmen sind vom regulären Festsetzungsverfahren abzugrenzen und unterliegen zusätzlichen Schutzmechanismen.

Mitwirkung Dritter

Dritte können zur Auskunft verpflichtet sein, etwa Arbeitgeber oder andere Stellen, soweit gesetzliche Voraussetzungen vorliegen und der Datenschutz gewahrt bleibt.

Datenschutz, Steuergeheimnis und Informationsaustausch

Steuergeheimnis

Personen- und Unternehmensdaten unterliegen strengen Vertraulichkeitsregeln. Offenbarungen sind nur in gesetzlich bestimmten Fällen zulässig.

Akteneinsicht

Unter bestimmten Voraussetzungen kann Einsicht in Verwaltungsakten gewährt werden. Umfang und Zeitpunkt richten sich nach dem Stand des Verfahrens und schutzwürdigen Interessen.

Internationaler Informationsaustausch

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kann ein Austausch zwischen Staaten stattfinden, etwa zur Vermeidung doppelter Belastungen oder zur Aufklärung von Sachverhalten. Dabei gelten Regeln zur Datensicherheit und Zweckbindung.

Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens

Elektronische Kommunikation

Die Übermittlung von Erklärungen, Belegen und Bescheiden erfolgt zunehmend elektronisch. Authentifizierungsverfahren, Portale und Schnittstellen strukturieren den Austausch.

Automatisierte Prüfungen

Risikoorientierte, automatisierte Prüfverfahren unterstützen die Sachverhaltsermittlung. Auffälligkeiten können vertieft geprüft werden; unauffällige Fälle werden beschleunigt bearbeitet.

Abgrenzungen zu verwandten Verfahren

Abgabenähnliche Verfahren

Verfahren zu Gebühren, Beiträgen oder Abgaben folgen teils ähnlichen Strukturen, unterscheiden sich jedoch bei Voraussetzungen, Zuständigkeiten und Rechtsbehelfen.

Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren

Diese Verfahren sind eigenständig. Sie betreffen Sanktionen wegen Pflichtverletzungen und haben andere Beweis- und Eingriffsmaßstäbe als die steuerliche Festsetzung.

Begriffsübersicht und typische Dokumente

Typische Unterlagen

Wesentliche Dokumente sind Steuererklärungen, Anmeldungen, Steuerbescheide, Einspruchsentscheidungen, Prüfungsanordnungen, Protokolle von Schlussbesprechungen, Haftungsbescheide sowie Zahlungs- und Mahnschreiben.

Kernbegriffe

Zu den prägenden Begriffen zählen Besteuerungsgrundlagen, Festsetzung, Erhebung, Vorläufigkeit, Vorbehalt, Bestandskraft, Rechtsbehelf, Außenprüfung, Vollstreckung, Verjährung und Steuergeheimnis.

Häufig gestellte Fragen

Was umfasst das Besteuerungsverfahren inhaltlich?

Es umfasst die Ermittlung der maßgeblichen Tatsachen, die Festsetzung der Steuer durch Verwaltungsakt, die Bekanntgabe an die betroffene Person, die Zahlungsabwicklung sowie gegebenenfalls anschließende Vollstreckungsmaßnahmen.

Welche Rechte haben Betroffene im Verfahren?

Betroffene haben Anspruch auf verständliche Information, rechtliches Gehör, Einsicht in entscheidungserhebliche Grundlagen im gesetzlich zulässigen Umfang und die Nutzung von Rechtsbehelfen gegen belastende Entscheidungen.

Wann kommt eine Schätzung in Betracht?

Eine Schätzung ist möglich, wenn verwertbare Angaben fehlen, unvollständig sind oder nicht glaubhaft gemacht werden können. Sie muss nachvollziehbar sein und verfügbare Erkenntnisse berücksichtigen.

Was bedeutet Bestandskraft eines Steuerbescheids?

Bestandskraft bedeutet, dass ein Bescheid nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist grundsätzlich verbindlich wird. Änderungen sind danach nur noch unter engen gesetzlichen Voraussetzungen zulässig.

Wie verhält sich das Einspruchsverfahren zum Klageverfahren?

Der Einspruch ist das behördliche Vorverfahren. Erst nach Abschluss dieses Verfahrens ist die Klage vor Gericht möglich, die die Entscheidung der Finanzbehörde überprüft.

Welche Rolle spielt das Steuergeheimnis?

Das Steuergeheimnis schützt persönliche und wirtschaftliche Informationen. Offenbarungen sind nur zulässig, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht und die Voraussetzungen erfüllt sind.

Was ist eine Außenprüfung?

Die Außenprüfung ist eine Prüfung von betrieblichen oder anderen relevanten Unterlagen durch die Finanzverwaltung, häufig bei Unternehmen. Sie dient der umfassenden Überprüfung der erklärten Sachverhalte.

Gibt es zeitliche Grenzen für die Festsetzung und Durchsetzung von Steuern?

Ja. Für die Festsetzung und für die Durchsetzung bereits festgesetzter Ansprüche gelten eigenständige Fristen. Unter bestimmten Voraussetzungen können diese ruhen, sich verlängern oder neu beginnen.