Begriff und Rechtsgrundlagen der Besatzungsliste
Die Besatzungsliste ist ein rechtlich verbindliches Dokument in der Schifffahrtsbranche, das die an Bord eines Schiffs befindlichen Personen namentlich aufführt. Sie dient verschiedenen nationalen und internationalen Rechtsvorschriften zufolge der Kontrolle, Sicherheit und Organisation der Personalanwesenheit an Bord. Die Besatzungsliste spielt insbesondere im internationalen Seerecht, im Rahmen der Schiffssicherheitsvorschriften sowie im arbeitsrechtlichen Kontext eine wesentliche Rolle.
Definition der Besatzungsliste
Die Besatzungsliste bezeichnet das Verzeichnis aller Personen, die sich als Besatzungsmitglieder auf einem See- oder Binnenschiff befinden. Sie ist vom Schiffseigner oder dessen bevollmächtigten Vertreter aufzustellen und regelmäßig zu aktualisieren. Die Vorschriften über Gliederung, Mindestinhalt und Verwendung der Besatzungsliste sind international sowie national rechtlich vorgegeben.
Gesetzliche Vorschriften zur Besatzungsliste
Internationale Regelungen
Internationale Übereinkommen
Die Pflicht zur Führung einer Besatzungsliste ist im Gegensatz zu manchen anderen schifffahrtsbezogenen Nachweisen unmittelbar aus mehreren internationalen Vereinbarungen abgeleitet, insbesondere:
- dem International Convention for the Safety of Life at Sea (SOLAS),
- dem International Convention on Standards of Training, Certification and Watchkeeping for Seafarers (STCW),
- der Richtlinie 2010/65/EU über Meldeformalitäten für Schiffe beim Einlaufen und/oder Auslaufen von Häfen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Diese Übereinkommen legen fest, dass jederzeit eine vollständige und jederzeit einsehbare aktuelle Aufstellung von Besatzungsmitgliedern an Bord vorliegen muss.
Definition und Mindestanforderungen
Eine Besatzungsliste muss mindestens folgende Angaben enthalten:
- Name und Vorname jedes Besatzungsmitglieds
- Geburtsdatum und -ort
- Staatsangehörigkeit
- Reisepass- oder Personalausweisnummer
- Funktion an Bord
Sondervorschriften können weitere Angaben verlangen, wie z. B. Kontaktpersonen im Notfall oder spezielle Zertifikate.
Nationale Rechtsgrundlagen
Im deutschen Recht findet sich die Pflicht zur Führung einer Besatzungsliste insbesondere in folgenden Regelwerken:
- Seearbeitsgesetz (SeeArbG)
- Schiffssicherheitsgesetz (SchSG)
- Schiffsbesetzungsverordnung (SchBesV)
- Binnenschiffspersonalverordnung (BinSchPersV)
Seearbeitsgesetz (SeeArbG)
Nach § 11 SeeArbG muss der Reeder auf Seeschiffen eine von der Schiffsführung geführte Besatzungsliste erstellen und regelmäßig aktualisieren. Die Liste muss Angaben zu Identität, Funktion an Bord und Arbeitsverhältnis enthalten.
Schiffsbesetzungsverordnung (SchBesV)
Die SchBesV konkretisiert die Mindestbesatzung und deren Qualifikation. Sie fordert neben anderen Nachweisen eine detaillierte Besatzungsliste und verpflichtende Information der Behörden über Veränderungen der Besatzung.
Binnenschiffspersonalverordnung (BinSchPersV)
Für die Binnenschifffahrt sieht die BinSchPersV analoge Regelungen hinsichtlich Dokumentation und Mitführung einer Besatzungsliste vor.
Funktion und Zweck der Besatzungsliste
Kontroll- und Überwachungsinstrument
Die Besatzungsliste dient den zuständigen Behörden (z. B. Hafenstaatkontrolle, Wasserschutzpolizei, Zoll) zur Überprüfung der ordnungsgemäßen und qualifizierten Besetzung des Schiffs gemäß den vorgegebenen gesetzlichen oder vertraglichen Mindestanforderungen.
Sicherheit und Notfallmanagement
Im Notfall, etwa bei einem Unfall oder Zwischenfall, ermöglicht die Besatzungsliste eine schnelle und verlässliche Identifikation und Zählung aller Besatzungsmitglieder. Sie ist daher ein zentrales Instrument für Such- und Rettungsmaßnahmen, Evakuierungen sowie für den Katastrophenschutz.
Arbeits- und Sozialrecht
Die Besatzungsliste dient zudem als Nachweis im Arbeitsverhältnis, etwa zur Überwachung von Arbeits- und Ruhezeiten sowie für die Klärung von Haftungs- und Versicherungsfragen im Falle von Unfällen oder Streitigkeiten.
Form, Ausgestaltung und Aufbewahrung der Besatzungsliste
Schriftform und digitale Besatzungslisten
Traditionell werden Besatzungslisten in Papierform geführt, zunehmend sind jedoch digitale Systeme zulässig und verbreitet, sofern sie die Anforderungen an Verfügbarkeit, Aktualität und Integrität der Daten gewährleisten.
Aufbewahrungs- und Mitführungspflichten
Die Besatzungsliste muss stets an Bord vorhanden, aktuell und auf Verlangen den Behörden vorzuzeigen sein. Nach Beendigung der Reise sind Besatzungslisten für einen gesetzlich bestimmten Zeitraum (in der Regel zwei Jahre) aufzubewahren.
Sanktionen und Ordnungswidrigkeiten
Verstöße gegen Dokumentationspflichten
Das Nichtführen, Falschführen oder Nichtherausgabe der Besatzungsliste stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann gemäß Schiffssicherheitsgesetz, Seearbeitsgesetz bzw. entsprechenden internationalen Rahmenwerken zu Bußgeldern und weiteren Sanktionen führen.
Weitere Konsequenzen
Fehlende oder fehlerhafte Besatzungslisten können zu aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen, zivilrechtlicher Haftung oder sogar zur Untersagung der Weiterfahrt führen.
Abgrenzung zur Passagierliste
Die Besatzungsliste ist von der Passagierliste abzugrenzen. Während die Besatzungsliste ausschließlich die an Bord dienstlich tätigen Personen aufführt, enthält die Passagierliste sämtliche in ihrer Eigenschaft als Passagiere beförderten, nicht zur Besatzung gehörenden Personen. Beide Listen dienen der Kontrolle, haben jedoch unterschiedliche rechtliche Grundlagen und Funktionen.
Literaturhinweise und Rechtsquellen
- International Convention for the Safety of Life at Sea (SOLAS), Kapitel III Regel 37
- Seearbeitsgesetz (SeeArbG)
- Schiffsbesetzungsverordnung (SchBesV)
- Schiffssicherheitsgesetz (SchSG)
- Binnenschiffspersonalverordnung (BinSchPersV)
- Richtlinie 2010/65/EU
Zusammenfassung
Die Besatzungsliste ist ein unerlässliches, rechtlich vorgeschriebenes Dokument zur Gewährleistung der Sicherheit, Kontrolle und Organisation des Schiffsverkehrs. Sie unterliegt detaillierten gesetzlichen Vorschriften, dient verschiedenen behördlichen, sicherheitsrelevanten und arbeitsrechtlichen Zwecken und stellt einen zentralen Bestandteil der Schiffsdokumentation dar. Die sorgfältige und lückenlose Führung der Besatzungsliste ist daher für den Schiffsverkehr von elementarer Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Anforderungen gelten für die Erstellung und Führung einer Besatzungsliste?
Die rechtlichen Anforderungen zur Erstellung und Führung einer Besatzungsliste sind im Wesentlichen im internationalen Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungsnachweisen und den Wachdienst von Seeleuten (STCW-Übereinkommen) sowie im deutschen Seearbeitsgesetz (SeeArbG) und in der Schiffsbesetzungsverordnung geregelt. Die Besatzungsliste muss alle an Bord befindlichen Personen, deren Funktionen und gegebenenfalls deren Qualifikationen beinhalten. Sie ist vor Abfahrt des Schiffs ordnungsgemäß auszufertigen, laufend zu aktualisieren und in einer Form bereitzuhalten, die jederzeit eine behördliche Kontrolle ermöglicht. Die Listen müssen insbesondere Angaben über die Staatsangehörigkeit, das Geburtsdatum, den Rang bzw. die Funktion an Bord sowie die Befähigungsnachweise der Besatzungsmitglieder enthalten. Kapitäne und Reeder sind verpflichtet, diese Liste vor Beginn der Reise zu erstellen und bei jedem Personalwechsel umgehend zu aktualisieren. Verstöße gegen diese Vorschriften können als Ordnungswidrigkeit oder sogar als Straftat geahndet werden.
Inwieweit besteht eine Meldepflicht für die Besatzungsliste gegenüber Behörden?
Für Seeschiffe besteht nach internationalen und nationalen Vorschriften eine ausdrückliche Meldepflicht bezüglich der Besatzungsliste gegenüber den zuständigen Behörden. Nach dem Schiffsbesetzungsrecht muss die abgeschlossene und aktuelle Besatzungsliste vor Antritt der Reise beim Hafenstaat, in dem das Schiff registriert ist (Flaggenstaat), sowie auf Anforderung bei den Kontrollbehörden (z.B. Hafenstaatkontrolle) vorgelegt werden können. In Notfällen, bei Seeunfällen oder bei Kontrollmaßnahmen sind die Listen unverzüglich und vollständig den Behörden zur Einsicht zu übergeben. Insbesondere durch die SOLAS-Konvention (International Convention for the Safety of Life at Sea) ist vorgegeben, dass im Falle von Such- und Rettungsmaßnahmen die Besatzungslisten schnellstmöglich den Rettungsdiensten und Behörden übermittelt werden müssen. Die Nichteinhaltung dieser Meldepflicht kann zu Hafengebühren, Bußgeldern oder operativen Einschränkungen führen.
Welche Angaben müssen laut Gesetz zwingend in einer Besatzungsliste enthalten sein?
Die gesetzlich geforderten Angaben in einer Besatzungsliste umfassen neben dem vollständigen Namen des Besatzungsmitgliedes auch das Geburtsdatum, die Staatsangehörigkeit, die Heuerrolle (Funktion, Rang), die Art und den Nachweis der abgeschlossenen Ausbildung bzw. Qualifikation, die Personalnummer innerhalb des Unternehmens sowie Angaben zu Notfallkontakten. Darüber hinaus können je nach Fahrtgebiet, Schiffsgröße oder Einsatz besondere Angaben, wie Passnummer, Dauer des Dienstverhältnisses und medizinische Tauglichkeitsnachweise, gefordert sein. Insbesondere die integrative Zuordnung der sicherheitsrelevanten Aufgaben und Verantwortlichkeiten an Bord ist zwingender Bestandteil der Liste, um im Notfall schnell handlungsfähig zu sein.
Wie lange müssen Besatzungslisten aufbewahrt werden?
Gemäß den jeweils gültigen nationalen und internationalen Vorschriften (z.B. deutsches SeeArbG, STCW-Code, SOLAS) unterliegen Besatzungslisten bestimmten Aufbewahrungsfristen. Nach deutschem Recht beträgt die Aufbewahrungsfrist in der Regel mindestens zwei Jahre nach Abschluss der Reise. In bestimmten Fällen, wie etwa bei Unfällen, Rechtsstreitigkeiten oder besonderen Ermittlungen, kann eine längere Aufbewahrungsdauer erforderlich oder behördlich angeordnet sein. Das Originaldokument muss dabei im Schiffsarchiv oder den Betriebsunterlagen sorgfältig verwahrt werden und jederzeit für Kontrollinstanzen zugänglich sein.
Wer ist rechtlich für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Besatzungsliste verantwortlich?
Die Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Besatzungsliste obliegt in erster Linie dem Schiffsführer (Kapitän). Er trägt die gesetzliche Pflicht dafür Sorge zu tragen, dass alle Angaben aktuell, korrekt und vollständig sind. Gleichzeitig trifft auch den Reeder bzw. das Schifffahrtsunternehmen eine überwachende Pflicht, indem interne Kontrollen umgesetzt werden müssen, um die ordnungsgemäße Führung der Besatzungslisten sicherzustellen. Bei Delegation von Aufgaben innerhalb der Bordorganisation bleibt die Letztverantwortung grundsätzlich beim Kapitän, sodass bei Versäumnissen sowohl disziplinarische als auch zivil- oder strafrechtliche Folgen drohen können.
Gibt es Ausnahmen oder besondere Regelungen für bestimmte Schiffsarten oder Fahrgebiete?
Ja, rechtlich bestehen differenzierte Regelungen, die sich nach der Art des Schiffes (z. B. Fahrgastschiff, Fracht- oder Fischereifahrzeug) sowie nach dem Fahrtgebiet (Nationale Küstenfahrt, weltweite Fahrt, Binnenschifffahrt) richten. Beispielsweise gelten für Fahrgastschiffe zusätzliche Vorschriften zur Dokumentation der Passagierlisten in Verbindung mit der Besatzungsliste, insbesondere bei internationalen Reisen. Für kleine Fahrzeuge, z.B. im Küstenbereich, können unter bestimmten Voraussetzungen vereinfachte Besatzungslisten zulässig sein. Ausnahmen oder Sonderauflagen müssen jedoch durch die zuständigen Behörden ausdrücklich genehmigt und dokumentiert werden.
Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen die Besatzungslistenpflichten?
Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zur Führung, Aufbewahrung oder Meldung der Besatzungsliste werden in Deutschland als Ordnungswidrigkeit gewertet und können mit empfindlichen Bußgeldern belegt werden. Im Falle von vorsätzlicher Falschaufnahme oder bei gravierenden Missachtungen, etwa in Verbindung mit Gefährdungen für Menschenleben oder Umweltschäden, kann sogar eine strafrechtliche Verfolgung drohen. Darüber hinaus haben fehlerhafte oder fehlende Besatzungslisten praktische Konsequenzen, wie Festhalteverfügungen für Schiffe, Verweigerung der Abfertigung durch Behörden oder Haftung gegenüber Crewmitgliedern im Schadensfall.