## Begriff und Definition der Besatzungsbehörden
Besatzungsbehörden sind Institutionen oder staatliche Organe einer oder mehrerer fremden Mächte, die im Rahmen einer militärischen Besetzung die Hoheitsgewalt über ein besetztes Gebiet ausüben. Sie nehmen exekutive, legislative und teilweise auch judikative Aufgaben wahr und treten an die Stelle der bisherigen staatlichen Strukturen. Die Zuständigkeit und Handlungsbefugnisse der Besatzungsbehörden ergeben sich üblicherweise aus völkerrechtlichen Regelungen, insbesondere aus den einschlägigen Bestimmungen des humanitären Völkerrechts.
## Rechtsgrundlagen der Besatzungsbehörden
### Völkerrechtliche Regelungen
Die maßgeblichen völkerrechtlichen Grundlagen für die Tätigkeit von Besatzungsbehörden finden sich insbesondere in:
– den Haager Landkriegsordnungen von 1899 und 1907,
– den Genfer Konventionen, insbesondere der Vierten Genfer Konvention von 1949,
– weiteren einschlägigen völkerrechtlichen Verträgen und
– allgemeinem Völkergewohnheitsrecht.
#### Besondere Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung
Die Haager Landkriegsordnung verpflichtet Besatzungsbehörden insbesondere dazu, die bestehenden Gesetze des besetzten Gebiets zu achten und dessen Bevölkerung zu schützen, soweit dies nicht die Sicherheit der Besatzungsmacht gefährdet oder der ordnungsgemäßen Verwaltung des besetzten Gebiets entgegensteht (Art. 43 HLKO).
#### Regeln der Genfer Konventionen
Die Vierte Genfer Konvention betrifft den Schutz von Zivilpersonen im Kriegsfall. Sie legt zahlreiche Pflichten für Besatzungsbehörden fest, etwa im Hinblick auf humane Behandlung, Nahrung, medizinische Versorgung und die Wahrung des Familienlebens.
### Nationale Rechtsnormen
Im Rahmen einer Besatzung können Besatzungsbehörden bestehende Rechtssysteme ganz oder teilweise außer Kraft setzen und durch eigene Verordnungen, Anordnungen oder Gesetzgebungsakte ersetzen. Diese Rechtsakte haben meist Vorrang vor nationalen Normen des besetzten Gebiets. Beispiele hierfür sind die Rechtssetzungsakte der Alliierten Besatzungsmächte in Deutschland nach 1945 (Gesetze, Direktiven, Anordnungen).
## Funktionen und Aufgabenbereiche der Besatzungsbehörden
### Exekutive Funktionen
Besatzungsbehörden führen die Verwaltung des besetzten Gebiets. Hierzu zählen unter anderem:
– Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung,
– Organisation der öffentlichen Sicherheit und Versorgung,
– Kontrolle und Steuerung von Medien und Informationen,
– Ausgabe von Pässen, Visa und Genehmigungen.
### Legislative Maßnahmen
Eine zentrale Aufgabe der Besatzungsbehörden ist die Schaffung und Anpassung rechtlicher Regelungen, sofern dies als notwendig erachtet wird. Besatzungsverwaltungen erlassen hierzu Rechtsverordnungen, Anordnungen und Ausführungsbestimmungen.
### Judikative Einflussnahme
Besatzungsbehörden errichten meist eigene Gerichtsbarkeiten oder überwachen bestehende Gerichte hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Besatzungsmacht. Auch können sie die Zuständigkeit nationaler Gerichte einschränken oder bestimmte Straftaten spezieller Besatzungsgerichte zuweisen.
## Rechtswirkungen und rechtliche Bindung
### Verhältnis zum bestehenden Recht
Das Recht des besetzten Gebiets besteht fort, es sei denn, dass es von den Besatzungsbehörden entweder aufgehoben oder geändert wird. Neue Rechtsakte der Besatzungsbehörden gehen dabei stets den bisherigen Normen vor, soweit sie nicht ausdrücklich fortgelten sollen.
### Rechtsschutz und Rechtsbehelfe
Den Bewohnern des besetzten Gebiets stehen im Grundsatz die eingerichteten oder bestätigten Rechtsschutzsysteme der Besatzungsbehörden offen. Der Zugang zu unabhängigen Gerichten kann jedoch eingeschränkt sein, je nach Organisationsstruktur und Anordnungen der Besatzungsbehörden.
## Beispiel: Besatzungsbehörden in Deutschland nach 1945
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs übernahmen die Alliierten (USA, Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich) als Besatzungsmächte die Hoheitsgewalt über Deutschland. Sie errichteten Besatzungsbehörden, die:
– das Kontrollratsgesetz erließen,
– die Verwaltungsstrukturen bestimmten,
– das Besatzungsstatut (ab 1949 in den Westzonen) einführten,
– die Entnazifizierung und Demokratisierung umsetzten und
– die Wiedergutmachung regelten.
Die rechtsetzende Gewalt der Besatzungsbehörden wurde in Deutschland mit dem Inkrafttreten der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland (1955) schrittweise aufgehoben.
## Grenzen der Befugnisse der Besatzungsbehörden
Aufgrund der völkerrechtlichen Bindungen sind die Befugnisse der Besatzungsbehörden begrenzt. Nach gängiger völkerrechtlicher Auffassung ist die Besatzungsmacht gehalten, die grundlegenden Rechte und Schutzinteressen der Bevölkerung zu achten. Unverhältnismäßige Eingriffe oder Verweisungen von Personen sind unzulässig, sofern sie nicht durch zwingende militärische Erfordernisse gerechtfertigt sind.
## Nachwirkungen von Maßnahmen der Besatzungsbehörden
Das fortbestehende Recht aus der Besatzungszeit bleibt grundsätzlich wirksam, sofern es nicht später durch Gesetzgebung des wiederhergestellten oder neu gebildeten Staates aufgehoben wurde. Zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Entscheidungen der Besatzungsbehörden entfalten daher noch heute Wirkung, insbesondere im Bereich von Restitution und Wiedergutmachung.
## Zusammenfassung
Besatzungsbehörden sind Einrichtungen, die im Rahmen einer militärischen Besetzung exekutive, legislative und judikative Befugnisse über ein besetztes Gebiet ausüben. Ihre Tätigkeit ist völkerrechtlich durch die Haager Landkriegsordnung, die Genfer Konventionen sowie nachfolgende Regelungen normiert. Die Rechtsakte der Besatzungsbehörden haben Vorrang vor den nationalen Gesetzen des besetzten Gebiets, soweit sie notwendig sind, um die Zwecke der Besatzung zu erfüllen. Die Rechtmäßigkeit, Bindung und Nachwirkungen solcher Maßnahmen sind im Lichte des internationalen Rechts zu beurteilen und stellen insbesondere beim Übergang zu staatlicher Selbstverwaltung wichtige Beurteilungskriterien für die rechtliche Kontinuität dar.
Häufig gestellte Fragen
Wer waren die wichtigsten Besatzungsbehörden in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg?
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland von den Alliierten in vier Besatzungszonen aufgeteilt, die jeweils von den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion kontrolliert wurden. In jeder Zone richtete die jeweilige Macht eine eigene Militärregierung ein, die als oberste Verwaltungs- und Befehlsinstanz agierte. Zu den wichtigsten Besatzungsbehörden zählten die amerikanische „Office of Military Government, United States“ (OMGUS), die britische „Control Commission for Germany – British Element“ (CCG/BE), die französische „Haut Commissariat de la République française en Allemagne“ sowie die sowjetische „Sowjetische Militäradministration in Deutschland“ (SMAD). Übergreifend existierten gemeinsame Gremien wie der Alliierte Kontrollrat, welcher die Koordinierung zwischen den einzelnen Zonen vornehmen sollte, jedoch aufgrund politischer Spannungen ab 1947 faktisch seine Arbeit einstellte. Auf rechtlicher Ebene verfügten die Besatzungsmächte über weitreichende legislative, exekutive und judikative Kompetenzen, mittels denen sie Gesetze erließen, Behörden einsetzten und die Justiz sowie Polizei kontrollierten.
Welche rechtlichen Grundlagen bestimmten die Arbeit der Besatzungsbehörden?
Die rechtliche Autorität der Besatzungsbehörden basierte primär auf dem Berliner Abkommen vom 5. Juni 1945, mit dem die Alliierten die oberste Regierungsgewalt über Deutschland übernahmen. Die Ausübung dieser Gewalt erfolgte durch Militärregierungen, die mittels Proklamationen, Direktiven, Befehlen und Gesetzen agierten. Die Souveränität Deutschlands war damit de facto aufgehoben. Innerhalb der Zonen legten die Militärregierungen detaillierte Bestimmungen bezüglich Verwaltung, Rechtsprechung, Entnazifizierung, Wirtschaft und Infrastruktur fest. In den Westzonen regelten die sogenannten „Besatzungsstatute“ ab 1949 das Verhältnis zwischen den deutschen Behörden und den alliierten Mächten, insbesondere mit Blick auf den begrenzten Spielraum der neu gegründeten Bundesländer und späteren Bundesregierung. Erst mit der Unterzeichnung des Deutschlandvertrags und später durch das Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrags wurde die Besatzungshoheit endgültig beendet.
In welchen Bereichen übten die Besatzungsbehörden unmittelbare Kontrolle aus?
Die Besatzungsbehörden übten Kontrolle über nahezu alle Bereiche des öffentlichen Rechts und des gesellschaftlichen Lebens aus. Sie bestimmten Angelegenheiten der Gesetzgebung, etwa im Straf-, Ordnungs- und Zivilrecht, und hatten das Recht, bestehende deutsche Gesetze zu ändern, aufzuheben oder neue Regelungen einzuführen. Die Behörden kontrollierten die Polizeikräfte, die Rechtsprechung, das Bildungssystem, die Medien und den Wirtschaftsverkehr. Einen besonderen Schwerpunkt legten sie auf die Entnazifizierung und Demokratisierung der deutschen Gesellschaft, was zu umfangreichen Eingriffen in die Verwaltung und Justiz führte. Zudem waren die Alliierten zur Wahrung ihrer eigenen Sicherheit und politischen Vorstellungen berechtigt, Entscheidungen deutscher Selbstverwaltungsorgane aufzuheben oder zu revidieren.
Welche Rechtsmittel standen den deutschen Bürgern gegenüber Maßnahmen der Besatzungsbehörden zur Verfügung?
Die Rechtsmittel deutscher Bürger gegen Maßnahmen der Besatzungsbehörden waren in ihrer Wirkung äußerst begrenzt. Grundsätzlich waren die Entscheidungen der Militärregierungen und alliierten Kommandanturen bindend und keiner deutschen Überprüfung unterworfen. Teilweise ermöglichten die Besatzungsmächte die Einlegung von Beschwerden oder Petitionen, etwa in Entnazifizierungsverfahren oder bei Verwaltungsentscheidungen, jedoch lag die Letztentscheidung immer bei der jeweiligen Besatzungsbehörde. Die deutsche Gerichtsbarkeit war verpflichtet, alliierte Anordnungen umzusetzen und durfte diesen nicht entgegenstehen. Erst in späteren Jahren, mit wachsender Übertragung von Kompetenzen auf deutsche Behörden, wurde in einzelnen Rechtsgebieten eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle möglich.
Wie wurde der Übergang von der Besatzungshoheit zur deutschen Souveränität rechtlich gestaltet?
Der Übergang von der alliierten Besatzungshoheit zur deutschen Souveränität war ein schrittweiser Rechtsprozess, der im Wesentlichen durch eine Vielzahl internationaler Verträge, Protokolle und Vereinbarungen geregelt wurde. Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes im Mai 1949 wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet; jedoch blieb die Besatzungshoheit auf Grundlage des Besatzungsstatuts zunächst bestehen. Erst mit dem Deutschlandvertrag („Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten“) vom 26. Mai 1952, der 1955 in Kraft trat, wurde die weitgehende Souveränität der Bundesrepublik im Inneren wiederhergestellt, allerdings mit Einschränkungen im Bereich der Besatzungsrechte (sog. „Vorbehaltsrechte“). Der endgültige Abschluss erfolgte durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990, der die volle Souveränität Deutschlands bestätigte.
Welche Rolle spielten die Besatzungsbehörden bei der Gesetzgebung in den jeweiligen Zonen?
Die Besatzungsbehörden nahmen eine zentrale Rolle bei der Gesetzgebung ein, insbesondere in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Sie konnten deutsche Vorschriften aufheben, modifizieren oder ersetzen und selbst neue Gesetze erlassen. In vielen Fällen ordneten sie die Wiederherstellung der Rechtssicherheit an, etwa durch Rückführung ziviler Gesetze auf den Stand von vor 1933. Mit zunehmendem Wiederaufbau übertrugen die Alliierten die Zuständigkeit für bestimmte Rechtsbereiche schrittweise auf deutsche Institutionen, wobei sie sich zunächst umfangreiche Kontroll- und Vetorechte vorbehielten. Besonders prägend war der alliierte Einfluss bei der Ausarbeitung von Landesverfassungen und dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland.
Gab es Unterschiede in der Ausübung der Besatzungshoheit zwischen den einzelnen Zonen?
Ja, die Ausübung der Besatzungshoheit und der rechtliche Umgang mit Deutschland unterschieden sich erheblich zwischen den vier Besatzungszonen. Die amerikanische und britische Militärregierung tendierten zu einer schnellen Demokratisierung und wirtschaftlichen Erholung und ließen relativ früh eine gewisse Selbstverwaltung zu. In der sowjetischen Zone stand hingegen die umfassende Umgestaltung der Gesellschaft nach sozialistischen Prinzipien im Vordergrund, was zu tiefgreifenden Veränderungen im Verwaltungs-, Justiz- und Wirtschaftsrecht führte. Die französische Zone war geprägt von dezidierten Sicherheitsinteressen und einem vergleichsweise restriktiven Vorgehen. Diese Unterschiede prägten die bis zum Inkrafttreten von Besatzungsstatut und Deutschlandvertrag gültigen rechtlichen Rahmenbedingungen in den jeweiligen Zonen.