Was ist ein Berufungsgericht?
Ein Berufungsgericht ist ein Gericht der nächsthöheren Instanz, das eine erstinstanzliche Entscheidung auf Antrag einer Partei nochmals überprüft. Es dient der Fehlerkorrektur und der Wahrung einheitlicher Rechtsanwendung. Im Unterschied zu einer reinen Rechtskontrolle umfasst die Berufung regelmäßig sowohl die Überprüfung der rechtlichen Bewertung als auch der festgestellten Tatsachen, wobei der Umfang der Prüfung vom jeweiligen Verfahrensrecht abhängt.
Stellung im Instanzenzug und Zuständigkeiten
Allgemeine Einordnung
Das Berufungsgericht steht über dem Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Es wird durch die Einlegung einer Berufung mit der Sache befasst. Mit der Berufung wird der Rechtsstreit in den Umfang der Anfechtung auf die höhere Instanz verlagert (Devolutiveffekt); zugleich wird der Eintritt der formellen Rechtskraft grundsätzlich gehemmt.
Zivil- und Strafverfahren
Zivilgerichtsbarkeit
In zivilrechtlichen Verfahren richtet sich die Zuständigkeit des Berufungsgerichts danach, welches Gericht in erster Instanz entschieden hat. Gegen Entscheidungen von Eingangsgerichten ist das nächsthöhere Gericht regelmäßig Berufungsinstanz. Bei erstinstanzlichen Entscheidungen eines oberen Gerichts ist häufig die Revision zum höchsten Gericht vorgesehen.
Strafgerichtsbarkeit
In Strafsachen ist die Berufung typischerweise gegen Urteile der Eingangsinstanzen eröffnet. Gegen Urteile höherer Strafkammern steht demgegenüber regelmäßig nur die Revision offen. Der konkrete Rechtsmittelzug hängt von der erstinstanzlichen Zuständigkeit ab.
Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit
Verwaltungsgerichte
Gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte kann die Berufung zu einem höheren Verwaltungsgericht eröffnet sein. Häufig bedarf sie der Zulassung, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist.
Arbeitsgerichte
Im Arbeitsrecht führt die Berufung gegen Entscheidungen der Eingangsinstanz zum übergeordneten Gericht der Arbeitsgerichtsbarkeit. Auch hier sind Zulassungsvoraussetzungen und Wertgrenzen möglich.
Sozialgerichte
In der Sozialgerichtsbarkeit ist das Landessozialgericht regelmäßig Berufungsinstanz gegen Urteile der Sozialgerichte. Der Zugang kann an Wert- oder Zulassungsschwellen gebunden sein.
Abgrenzung zur Revision und Beschwerde
Die Berufung ermöglicht eine umfassendere Überprüfung, die neben Rechtsfragen auch die tatsächlichen Feststellungen betreffen kann. Die Revision beschränkt sich demgegenüber auf Rechtsfragen. Die Beschwerde richtet sich gegen Entscheidungen außerhalb von Endurteilen oder gegen bestimmte verfahrensleitende Maßnahmen und folgt eigenen Regeln.
Aufgaben und Prüfungsumfang
Tatsachen- und Rechtsprüfung
Das Berufungsgericht prüft, ob die angefochtene Entscheidung auf zutreffenden rechtlichen Maßstäben und tragfähigen Tatsachenfeststellungen beruht. Je nach Gerichtsbarkeit kann es die Beweisaufnahme wiederholen oder ergänzen, rechtliche Gesichtspunkte neu bewerten und die Entscheidung anpassen.
Umfang der Überprüfung
Die Überprüfung erfolgt innerhalb des Rahmens, den die Berufungsanträge und -begründungen vorgeben. Das Gericht ist an die Anträge gebunden und prüft grundsätzlich nur die angegriffenen Teile der Entscheidung. In bestimmten Konstellationen bezieht es zusammenhängende Punkte mit ein.
Neue Tatsachen und Beweismittel
Neue Tatsachen und Beweismittel können im Berufungsverfahren berücksichtigt werden, unterliegen jedoch Einschränkungen. Maßgeblich ist, ob sie ohne Nachlässigkeit nicht schon in der ersten Instanz vorgebracht werden konnten oder ob ihre Berücksichtigung aus Gründen der Verfahrensgerechtigkeit geboten ist.
Ablauf des Berufungsverfahrens
Einlegung und Begründung
Das Verfahren beginnt mit der Einlegung der Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung. Sie ist frist- und formgebunden und bedarf einer Begründung, die die angefochtenen Punkte und die begehrte Abänderung umreißt.
Vorprüfung der Zulässigkeit
Das Berufungsgericht prüft zunächst, ob die Berufung zulässig ist. Dazu zählen unter anderem Statthaftigkeit, fristgerechte Einlegung, formgerechte Begründung, Beschwer sowie gegebenenfalls Wert- oder Zulassungsgrenzen.
Mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme
Ist die Berufung zulässig, erfolgt regelmäßig eine mündliche Verhandlung. Das Gericht erörtert den Sach- und Streitstand, kann Zeugen und Sachverständige hören und Urkunden würdigen. Die Verhandlung dient der abschließenden rechtlichen und gegebenenfalls tatsächlichen Klärung.
Beendigung des Verfahrens
Das Verfahren endet durch Entscheidung des Berufungsgerichts oder durch eine verfahrensbeendende Maßnahme wie die Rücknahme der Berufung oder den Abschluss eines Vergleichs vor dem Berufungsgericht.
Entscheidungen des Berufungsgerichts und ihre Wirkungen
Arten der Entscheidungen
Das Berufungsgericht kann die erstinstanzliche Entscheidung bestätigen (Zurückweisung), abändern (teilweise oder vollständig) oder aufheben und die Sache an die Vorinstanz zurückverweisen. Möglich sind auch Teilurteile oder Zwischenentscheidungen.
Rechtskraft und Vollstreckung
Mit der Entscheidung des Berufungsgerichts erlangt der Rechtsstreit in dem entschiedenen Umfang Rechtskraft. Die Berufung hemmt grundsätzlich die Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung; Auswirkungen auf die vorläufige Vollstreckbarkeit richten sich nach den einschlägigen Verfahrensregeln.
Weitere Rechtsmittel
Gegen Entscheidungen des Berufungsgerichts kommt je nach Gerichtsbarkeit und Art der Entscheidung ein weiteres Rechtsmittel in Betracht, häufig die Revision. Deren Zulässigkeit kann an besondere Voraussetzungen gebunden sein.
Zulässigkeitsvoraussetzungen im Überblick
Statthaftigkeit und Beschwer
Die Berufung muss für die angefochtene Entscheidung vorgesehen sein, und die anfechtende Partei muss durch das Urteil nachteilig betroffen sein. Ohne Beschwer besteht kein Bedürfnis für eine Überprüfung.
Fristen und Form
Berufungseinlegung und -begründung unterliegen festen Fristen und Formanforderungen. Dazu zählen insbesondere die schriftliche Form, die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Angabe der Anträge und der Begründung.
Wert- und Zulassungsgrenzen
In mehreren Gerichtsbarkeiten ist die Berufung an Wertgrenzen, besondere Zulassungsgründe oder eine ausdrückliche Zulassung durch das Ausgangs- oder Berufungsgericht geknüpft. Fehlt es daran, kann die Berufung unzulässig sein.
Kosten- und Risikoaspekte
Gerichts- und Anwaltskosten
Im Berufungsverfahren entstehen Gerichtsgebühren und Kosten der Vertretung. Deren Höhe richtet sich regelmäßig nach dem Streitwert oder der Bedeutung der Sache sowie nach festen Gebührenrahmen.
Kostenverteilung
Die Kosten werden im Regelfall nach Obsiegen und Unterliegen verteilt. Bei teilweisem Erfolg kann eine Quotelung erfolgen. Auch außergerichtliche Kosten der Gegenseite können zu erstatten sein.
Prozesskostenhilfe
Unter bestimmten persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen kann Unterstützung durch öffentliche Mittel in Betracht kommen. Diese hängt neben der Bedürftigkeit auch von der Erfolgsaussicht der Berufung ab.
Bedeutung des Berufungsgerichts für den Rechtsschutz
Das Berufungsgericht trägt wesentlich zur materiellen Gerechtigkeit bei. Es korrigiert Fehlentscheidungen, präzisiert Rechtsanwendung, stärkt das Vertrauen in den Rechtsschutz und fördert die Einheitlichkeit der Rechtsprechung.
Häufig gestellte Fragen zum Berufungsgericht
Worin unterscheidet sich die Berufung von der Revision?
Die Berufung erlaubt in der Regel eine erneute Überprüfung von Tatsachen und Rechtsfragen, während die Revision sich auf die Kontrolle der rechtlichen Bewertung beschränkt. Die Revision greift typischerweise nur ein, wenn Rechtsfehler vorliegen; die Feststellungen zum Sachverhalt werden dabei grundsätzlich nicht neu getroffen.
Welche Gerichte fungieren als Berufungsgericht?
Das hängt von der Gerichtsbarkeit und der erstinstanzlichen Zuständigkeit ab. In Zivilsachen und Strafsachen ist es regelmäßig das nächsthöhere Gericht über der Eingangsinstanz. In der Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit sind die jeweiligen Ober- oder Landesgerichte zuständig; teils ist eine Zulassung erforderlich.
Was prüft das Berufungsgericht konkret?
Geprüft wird, ob die rechtlichen Maßstäbe korrekt angewendet wurden und ob die Tatsachenfeststellungen tragfähig sind. Der Prüfungsrahmen richtet sich nach den Berufungsanträgen und kann die Wiederholung oder Ergänzung der Beweisaufnahme umfassen.
Können im Berufungsverfahren neue Beweise vorgelegt werden?
Neue Beweise sind möglich, aber an Einschränkungen gebunden. Entscheidend ist, ob sie ohne Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht werden konnten oder ob ihre Berücksichtigung zur Wahrung fairer Verfahrensgrundsätze geboten ist.
Welche Entscheidungen kann ein Berufungsgericht treffen?
Es kann die erstinstanzliche Entscheidung bestätigen, abändern, teilweise ändern oder aufheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen. Die Entscheidung kann sich auf den angefochtenen Teil beschränken.
Hemmt die Berufung die Rechtskraft und Vollstreckung?
Die Berufung hemmt in der Regel den Eintritt der Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung. Ob und in welchem Umfang die Vollstreckung während des Berufungsverfahrens fortgesetzt werden kann, richtet sich nach den maßgeblichen Verfahrensregeln und etwaigen Anordnungen des Gerichts.
Welche Kosten entstehen im Berufungsverfahren?
Es fallen Gerichtsgebühren sowie Kosten der Vertretung an. Die Höhe richtet sich üblicherweise nach dem Streit- oder Bußgeldwert und nach festen Gebührenrahmen. Die Kostenlast hängt vom Verfahrensausgang ab und kann bei teilweisem Erfolg quotal verteilt werden.