Begriff und rechtliche Einordnung der Berufswahl, Freiheit der –
Die Freiheit der Berufswahl ist ein zentrales Grundrecht im deutschen Rechtssystem und verkörpert die Möglichkeit des Einzelnen, seinen Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Sie stellt einen elementaren Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit und der Entfaltungsmöglichkeiten der Persönlichkeit dar. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Freiheit der Berufswahl insbesondere durch das Grundgesetz geschützt und nimmt im System der Grundrechte eine hervorgehobene Stellung ein.
Verankerung im Grundgesetz
Die Freiheit der Berufswahl ist in Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz (GG) ausdrücklich garantiert:
„Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.“
Damit wird dieses Grundrecht nicht nur auf die Auswahl des Berufs, sondern auch auf die Entscheidung für eine bestimmte Ausbildungsstätte sowie auf die Arbeitsplatzwahl erstreckt.
Schutzbereich der Freiheit der Berufswahl
Persönlicher Schutzbereich
Das Recht auf freie Berufswahl steht gemäß Art. 12 Abs. 1 GG allen Deutschen zu. Europäisches Unionsrecht und völkerrechtliche Bestimmungen erweitern diesen Schutz im Rahmen der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) bzw. Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) auch auf Unionsbürger.
Sachlicher Schutzbereich
Der sachliche Schutzbereich umfasst die Berufswahl sowie die freie Aufnahme und Ausübung jeder Erwerbstätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Sicherung des Lebensunterhalts dient. Erfasst sind sowohl traditionelle Berufe als auch neue, bislang nicht anerkannte Tätigkeiten, sofern diese durch eine auf Dauer angelegte Tätigkeit der Schaffung oder Erhaltung einer Lebensgrundlage dienen.
Abgrenzung: Berufswahl und Berufsausübung
Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen:
- Berufswahlfreiheit: Die Entscheidung, welchen Beruf eine Person ergreift.
- Berufsausübungsfreiheit: Die Art und Weise, wie ein gewählter Beruf ausgeübt wird.
Beschränkungen der Berufswahlfreiheit wiegen schwerer als Eingriffe in die Ausübungsfreiheit und unterliegen damit strengeren gesetzlichen Anforderungen.
Schranken und Beschränkungen
Gesetzliche Schranken (Schranken-Schranken)
Die Freiheit der Berufswahl ist nicht schrankenlos gewährleistet. Eine Einschränkung ist nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zulässig, durch oder aufgrund eines Gesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hat für Beschränkungen, insbesondere bei Eingriffen in die Berufswahlfreiheit, ein abgestuftes System entwickelt:
Stufentheorie
- Subjektive Zulassungsvoraussetzungen
Diese Voraussetzungen knüpfen an die Person des Berufsanwärters an, z.B. Qualifikation oder Zuverlässigkeit. Hier sind Beschränkungen nur aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls zulässig.
- Objektive Zulassungsvoraussetzungen
Ob und wie viele Personen einen Beruf ergreifen dürfen, hängt von Faktoren unabhängig von der Person ab (z.B. Bedarfsprüfung). Solche Eingriffe bedürfen einer besonderen Rechtfertigung und sind nur bei überragenden Belangen des Gemeinwohls zulässig.
- Regelungen der Berufsausübung
Hierbei geht es um das „Wie“ der Berufsausübung, z.B. bestimmte Verhaltenspflichten oder Betriebsvorschriften. Diese Beschränkungen sind bereits zulässig, wenn vernünftige Gründe des Allgemeinwohls vorliegen.
Praxisbeispiele für Einschränkungen
- Zulassungsvoraussetzungen für reglementierte Berufe (z.B. Heil- oder Rechtsberufe)
- Gewerbeuntersagung aufgrund von Unzuverlässigkeit
- Bedarfsprüfungen in Bereichen mit eingeschränkter Zugangskapazität
Bedeutung für ausländische Staatsangehörige
Während das Grundrecht auf Berufswahlfreiheit sich direkt an Deutsche richtet, ermöglichen unionsrechtliche und völkerrechtliche Vorschriften ausländischen Staatsangehörigen aus EU-Mitgliedsländern grundsätzlich eine Gleichstellung, insbesondere im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit.
Sicherung und Rechtsschutz
Schutz durch Verfassungsgerichte
Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl unterliegen im Rahmen der Grundrechtsdogmatik einer strengen Kontrolle der Verfassungsgerichte. Eine Einschränkung muss stets verhältnismäßig, geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz
Gegen rechtswidrige Beschränkungen kann der Betroffene den Verwaltungsrechtsweg bestreiten, beispielsweise durch Erhebung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Versagung der Zulassung, Sperrung oder Untersagung einer Berufsausübung.
Verhältnis zu anderen Grundrechten
Die Freiheit der Berufswahl steht in enger Beziehung zu anderen Grundrechten, insbesondere:
- Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)
- Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 GG)
- Eigentumsgarantie (Art. 14 GG), sofern ein Eingriff berufliche Tätigkeiten und damit verbundene Vermögenswerte betrifft
Relevanz im europäischen und internationalen Kontext
Das Recht auf freien Zugang zu beruflicher Tätigkeit ist auch Gegenstand internationaler Abkommen, wie etwa der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK, Art. 15), sowie der Europäischen Grundrechtecharta (Art. 15 EU-GRCh).
Zusammenfassung
Die Freiheit der Berufswahl ist ein umfassend geschütztes fundamentales Grundrecht, das die freie Entscheidung über Aufnahme, Ausübung und Beendigung einer beruflichen Tätigkeit garantiert. Einschränkungen sind nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutz überwiegender Gemeinwohlinteressen zulässig und werden durch Gerichte überprüft. Das Grundrecht wirkt in vielfältiger Weise auch für ausländische Staatsangehörige und im Rahmen internationaler und europarechtlicher Regelungen. Insofern bildet die Berufswahlfreiheit eine tragende Säule des deutschen Rechtsstaates sowie der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen sichern die Freiheit der Berufswahl in Deutschland?
Die Freiheit der Berufswahl ist in Deutschland ein Grundrecht und wird durch Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) geschützt. Dieser Artikel garantiert jedem Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Einschränkungen dieser Freiheit sind nur auf Grund eines Gesetzes und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes möglich. Die Berufswahlfreiheit umfasst sowohl die Entscheidung, überhaupt einen Beruf zu ergreifen, als auch die Auswahl eines bestimmten Berufs und dessen Ausübung. Die staatliche Regelungsgewalt ist hierbei durch die Dreistufentheorie des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich Berufsausübungsregelungen, subjektiven Zulassungsvoraussetzungen und objektiven Zulassungsbeschränkungen klar eingeschränkt. Jegliche Einschränkung muss darüber hinaus durch hinreichende Gemeinwohlbelange gerechtfertigt und verhältnismäßig sein.
Wann und wie darf der Staat die Berufswahl beschränken?
Der Staat darf die Freiheit der Berufswahl nur dann beschränken, wenn hierfür eine gesetzliche Grundlage besteht und zwingende Gründe des Gemeinwohls vorliegen. Nach der sogenannten Dreistufentheorie unterscheidet das Bundesverfassungsgericht zwischen Regelungen der Berufsausübung (z.B. Ladenöffnungszeiten), subjektiven Zulassungsbeschränkungen (z.B. Nachweis einer Qualifikation, ärztliche Approbation) und objektiven Zulassungsbeschränkungen (z.B. Zulassungsbeschränkungen wegen zu vieler Ausübender eines Berufs). Die geringste Anforderungen werden an Berufsausübungsregelungen gestellt (einfacher Gesetzesvorbehalt), die strengsten an objektive Zulassungsbeschränkungen (nachweislicher Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter). Die Maßnahmen müssen stets geeignet, erforderlich und angemessen (verhältnismäßig) sein.
Gibt es Unterschiede zwischen Erwerbsfreiheit für Deutsche und Ausländer?
Grundsätzlich regelt Artikel 12 GG die Berufsfreiheit nur für Deutsche im Sinne des Grundgesetzes. Für ausländische Staatsangehörige greifen andere Regelungen, insbesondere das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und das Freizügigkeitsgesetz/EU hinsichtlich EU-Bürgern. Bei Drittstaatenangehörigen ist eine Berufsausübung regelmäßig nur mit entsprechender Aufenthaltserlaubnis oder Arbeitserlaubnis möglich. Für EU-Bürger gilt hingegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV sowie die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV, sodass diese in weiten Teilen rechtlich mit Deutschen gleichgestellt sind, was die Berufswahlfreiheit betrifft.
Wie verhält sich die Berufswahlfreiheit zu Ausbildungsanforderungen und Zugangsvoraussetzungen?
Die Berufswahlfreiheit ist auch gegenüber Ausbildungsanforderungen und Zugangsvoraussetzungen geschützt, wobei genau zu unterscheiden ist zwischen zulässigen Berufsausübungsregelungen und unzulässigen Berufszugangsverboten. Ausbildungs- und Qualifikationsanforderungen sind dann zulässig, wenn sie dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter (z.B. Leben, Gesundheit, Vermögensschutz) dienen, geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind. Sie dürfen nicht willkürlich, unangemessen oder diskriminierend gestaltet sein. Zugangsregelungen unterliegen meist strengerer Prüfung, insbesondere objektive Zulassungsbeschränkungen müssen im öffentlichen Interesse liegen und dürfen nur das letzte Mittel sein.
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen gegen eine unzulässige Einschränkung der Berufswahlfreiheit?
Wer sich durch eine staatliche Maßnahme in seiner Berufsfreiheit verletzt sieht, kann entweder den Verwaltungsrechtsweg beschreiten oder (nach Ausschöpfung des Rechtswegs) Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegen. Beim Verwaltungsgericht kann auf Feststellung oder Aufhebung der rechtswidrigen Maßnahme geklagt werden. Die Verfassungsbeschwerde nach Artikel 93 Abs. 1 Nr. 4a GG setzt voraus, dass alle anderen Rechtsmittel ausgeschöpft sind und eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 12 GG geltend gemacht wird. Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob die Einschränkung verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.
Gibt es Unterschiede zwischen der Wahl und der Ausübung des Berufs aus rechtlicher Sicht?
Ja, rechtlich wird zwischen Berufswahlfreiheit (ob und welchen Beruf jemand ergreift) und Berufsausübungsfreiheit (wie dieser Beruf ausgeübt wird) unterschieden. Während Berufswahlbeschränkungen nur bei besonders gewichtigen, im öffentlichen Interesse liegenden Gründen zulässig sind (z.B. Numerus Clausus, Meisterpflicht), können Regelungen der Berufsausübung bereits zur Abwehr von Gefahren für Gleichordnung, Ordnung oder andere Gemeinschaftswerte getroffen werden (z.B. Hygienevorschriften, Ladenschlussgesetze). Die Intensität der verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen ist bei der Berufsausübungsfreiheit geringer als bei der Berufswahlfreiheit – je näher eine Maßnahme an das „Ob“ der Berufsausübung heranreicht, desto höhere Rechtfertigungsanforderungen bestehen.