Begriff und rechtliche Grundlagen der berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation
Berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation sind ein zentrales Instrument des deutschen Sozialleistungsrechts, die Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen oder Behinderungen die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen oder sichern sollen. Sie sind Teil der beruflichen Rehabilitation und gehören zu den umfassenden Leistungen zur Teilhabe, wie sie insbesondere im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) gesetzlich geregelt sind.
Allgemeine Zielsetzung
Das Ziel berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation ist die (Wieder-)Eingliederung von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in das Berufsleben. Diese Leistungen sollen entweder eine bestehende Erwerbsfähigkeit erhalten, eine erneute Eingliederung nach Krankheit oder Unfall ermöglichen oder die Aufnahme einer neuen beruflichen Tätigkeit unterstützen. Sie tragen somit zur Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes auf Teilhabe und Chancengleichheit bei.
Gesetzliche Grundlagen
Die maßgeblichen rechtlichen Regelungen für berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation finden sich vor allem in folgenden Gesetzen:
Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX): Regelungen zur Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, insbesondere §§ 49 ff. SGB IX.
Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III): Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, insbesondere §§ 112 ff. SGB III.
* Weitere einschlägige Gesetze: Sozialgesetzbuch VI (SGB VI, Gesetzliche Rentenversicherung), Sozialgesetzbuch VII (SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung), sowie das Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Das SGB IX stellt dabei das sogenannte Leistungserbringungsrecht bereit und regelt die Koordination und Rangfolgen der verschiedenen Leistungs- und Rehabilitationsträger.
Umfang und Arten der berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation
Definition und Abgrenzung
Berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation umfassen alle Maßnahmen, die den Leistungsberechtigten eine Teilhabe am Arbeitsleben gestatten oder erleichtern. Sie grenzen sich ab von medizinischen Rehabilitationsleistungen, welche auf die gesundheitliche Wiederherstellung des Erwerbsvermögens abzielen.
Katalog der Leistungen
Nach § 49 SGB IX zählen zu den berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation insbesondere:
- Leistungen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes
Dazu gehören Maßnahmen wie Arbeitserprobung, Eignungsabklärung und Trainingsmaßnahmen.
- Berufsvorbereitung einschließlich eines erforderlichen Grundschulabschlusses
- Berufsausbildung, auch in einer außerbetrieblichen Einrichtung
- Weiterbildung und Umschulung
- Berufsbegleitende Hilfen
Beispiel: Betriebliche Eingliederungshilfen, begleitende sozialpädagogische Unterstützung.
- Sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben
Hierzu zählen Kraftfahrzeughilfe, technische Arbeitshilfen oder die Übernahme von Kosten zur behindertengerechten Ausstattung des Arbeitsplatzes.
Träger der Leistungen
Zu den Trägern berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation zählen:
- Die Agentur für Arbeit
- Die Rentenversicherungsträger
- Die gesetzliche Unfallversicherung
- Die Träger der Sozialhilfe (bei Erwerbsminderung)
- Die Pflegekassen (im Rahmen von Schnittstellenleistungen)
Die Zuständigkeit richtet sich nach dem sogenannten „Wunsch- und Wahlrecht“ der leistungsberechtigten Person (§ 8 SGB IX) sowie den jeweiligen vorrangigen Leistungspflichten der einzelnen Träger.
Voraussetzungen für den Anspruch auf berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation
Anspruchsvoraussetzungen
Voraussetzung für die Gewährung berufsfördernder Leistungen ist das Vorliegen einer Behinderung oder das Risiko, eine solche ohne die Leistungen zu erwerben (§ 2 SGB IX). Hinzu tritt das Erfordernis, dass die Erwerbsfähigkeit aufgrund der Behinderung wesentlich gefährdet oder bereits gemindert ist und dass mit den Leistungen eine nachhaltige Teilhabe am Arbeitsleben möglich erscheint.
Feststellungsverfahren und Antragstellung
Der Anspruch auf berufsfördernde Leistungen entsteht nicht automatisch, sondern setzt eine vorherige Antragstellung voraus. Nach Eingang des Antrags prüfen die Leistungsträger die medizinischen und arbeitsmarktbezogenen Voraussetzungen. Dazu können Gutachten sowie medizinische, psychologische oder arbeitsmedizinische Untersuchungen eingeholt werden.
Die Koordinierung zwischen den verschiedenen Rehabilitationsträgern erfolgt nach dem sogenannten „Reha-Prozess“, der seit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) einheitlich ausgestaltet wurde. Innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang ist festzustellen, welcher Rehabilitationsträger zuständig ist; innerhalb von vier Wochen ist über die Leistungsgewährung zu entscheiden (§§ 14, 15 SGB IX).
Leistungen im Detail
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA)
Diese umfassen die oben genannten Maßnahmen im Bereich Ausbildung, Umschulung, Qualifizierung und Arbeitsplatzsicherung. Beispiele sind:
- Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB)
- Berufsausbildung in Betrieben oder Einrichtungen
- Anpassungsfortbildungen und Weiterbildungen
- Maßnahmen zur Wiedereingliederung ins Berufsleben (z. B. Arbeitstraining, Belastungserprobung)
Technische und sonstige Hilfen
Dazu gehören auch die Bereitstellung und Finanzierung von Hilfsmitteln, die für die Arbeit erforderlich sind, zum Beispiel Bildschirmlesegeräte, spezielle Software oder Umbaumaßnahmen am Arbeitsplatz.
Leistungen zur Mobilität und Arbeitsplatzgestaltung
Um berufliche Teilhabe realisieren zu können, besteht der Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe oder auf Maßnahmen zur behindertengerechten Gestaltung von Arbeitsplätzen gemäß den §§ 49 Abs. 8 SGB IX und § 33 SGB IX.
Ausbildungs- und Weiterbildungskosten
Es werden nicht nur die Kosten der eigentlichen Rehabilitationsmaßnahme übernommen, sondern auch Fahrtkosten, Unterbringungs- und Verpflegungskosten, sowie Lernmittel.
Lohnersatzleistungen
Während der Teilnahme an einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme kann dem oder der Berechtigten ein sogenanntes Übergangsgeld gezahlt werden, dessen Höhe sich an den Vorschriften des SGB VI oder SGB III orientiert.
Rechtsweg und Rechtsschutz
Sollte ein Antrag auf berufsfördernde Leistungen ganz oder teilweise abgelehnt werden, besteht die Möglichkeit, Widerspruch gegen den Bescheid bei dem zuständigen Träger einzulegen. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, kann Klage vor dem Sozialgericht erhoben werden. Rechtsgrundlagen hierfür finden sich in den §§ 62 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Bedeutung in der Praxis
Berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation spielen eine entscheidende Rolle bei der Vermeidung von Erwerbsminderung sowie bei der Integration und Reintegration von Menschen mit Behinderungen oder gesundheitlichen Einschränkungen in den Arbeitsmarkt. Die fortlaufende Anpassung der gesetzlichen Regelungen im Zuge des Bundesteilhabegesetzes unterstreicht die hohe Bedeutung dieser Leistungen zur Sicherung der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben.
Literatur und Weblinks
Hinweis: Dieser Beitrag dient der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist für die Erbringung berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation zuständig?
Die Zuständigkeit für berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation richtet sich in Deutschland nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (SGB IX) sowie den spezifischen Leistungsgesetzen der verschiedenen Rehabilitationsträger. Im rechtlichen Kontext sind insbesondere die gesetzliche Rentenversicherung (§§ 15-17 SGB VI), die Bundesagentur für Arbeit (§§ 112 ff. SGB III), die gesetzliche Unfallversicherung (§§ 35 ff. SGB VII), die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 40 ff. SGB V) und die Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§§ 35a SGB VIII) relevant. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus den so genannten „Leistungsketten“: Vorrangig zuständig ist der Träger, der die Leistung nach seinem Leistungsgesetz erbringen kann. Nach dem Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“ kommt beispielsweise zuerst die Arbeitsförderung durch die Bundesagentur für Arbeit oder die gesetzliche Unfall- bzw. Krankenversicherung in Betracht, bevor die Rentenversicherung eintritt. Die Entscheidung über die Zuständigkeit wird im Erstkontakt durch das sogenannte „Trägerfindungsverfahren“ (§ 14 SGB IX) getroffen; hierbei ist die weiterleitende Stelle verpflichtet, einen Reha-Antrag innerhalb von zwei Wochen an den zutreffenden Träger weiterzuleiten. Letztlich ist der Rehabilitationsträger für die Durchführung und Finanzierung der berufsfördernden Maßnahmen verantwortlich, sobald seine Zuständigkeit festgestellt wurde.
Welche Voraussetzungen müssen für die Gewährung berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation erfüllt sein?
Rechtlich maßgeblich ist, dass infolge von Krankheit oder Behinderung eine erhebliche Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit vorliegt oder eine solche droht (§ 33 Abs. 1 SGB IX). Es muss zu erwarten sein, dass die berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation die Leistungsfähigkeit erhöhen, die Teilhabe am Arbeitsleben sichern oder eine drohende Erwerbsunfähigkeit abwenden können. Eine ärztliche oder fachärztliche Begutachtung ist häufig erforderlich, um die Notwendigkeit und Eignung der Maßnahme zu bestätigen (§ 15 SGB VI, § 112 SGB III). Antragsteller dürfen die jeweilige Regelaltersgrenze für die Altersrente noch nicht erreicht haben und müssen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen deines jeweiligen Trägers erfüllen, zum Beispiel bei der Rentenversicherung mindestens 15 Jahre an rentenrechtlichen Zeiten (§ 11 SGB VI). Maßgeblich ist außerdem, dass kein Ausschlussgrund besteht, etwa wegen voller Erwerbsminderung oder Aussichtslosigkeit der beruflichen Rehabilitation.
Welche Arten berufsfördernder Leistungen gibt es und wie werden sie rechtlich abgegrenzt?
Das Gesetz unterteilt die berufsfördernden Leistungen in verschiedene Kategorien (§ 49 SGB IX):
a) Maßnahmen zur Erhaltung, Verbesserung, Wiederherstellung oder Wiedergewinnung der Erwerbsfähigkeit (z.B. Leistungen zur beruflichen Ausbildung, Weiterbildung, Umschulung),
b) Leistungen zur Förderung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (z.B. Arbeitsassistenz, Gründungszuschüsse),
c) Leistungen an Arbeitgeber zur behinderungsgerechten Arbeitsplatzgestaltung (z.B. Zuschüsse für technische Arbeitshilfen).
Die Abgrenzung erfolgt anhand des Ziels der Maßnahme: Wird direkt auf die Person abgestellt (z. B. Reha-Ausbildung, Berufsvorbereitung), handelt es sich um persönliche Leistungen; betrifft die Förderung den Arbeitsplatz oder das Umfeld, handelt es sich um ergänzende oder betriebliche Leistungen. Die konkrete Ausgestaltung und Auswahl der Leistung richtet sich dabei nach dem individuellen Bedarf entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 9 SGB IX).
Wie ist das Verfahren zur Beantragung berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation rechtlich ausgestaltet?
Das Antragsverfahren ist in §§ 14 bis 19 SGB IX geregelt. Der Antrag ist grundsätzlich beim zuständigen Rehabilitationsträger oder einer gemeinsamen Servicestelle zu stellen. Nach Antragstellung prüft der Rehabilitationsträger die medizinischen, persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Die gesetzlich normierte Bearbeitungsfrist beträgt grundsätzlich zwei Wochen für die Zuständigkeitsklärung sowie weitere drei Wochen für die Entscheidung nach Aktenlage (§ 14 Abs. 2 SGB IX). Ist eine zusätzliche medizinische Begutachtung erforderlich, verlängert sich die Frist auf insgesamt sieben Wochen. Ablehnende Bescheide sind mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen; der Betroffene hat die Möglichkeit des Widerspruchs gemäß § 84 SGG. Auch im laufenden Verfahren sind Mitwirkungspflichten (§§ 60 ff. SGB I) zu beachten. Bei Unterbrechungen oder Verzögerungen sind die Träger gesetzlich verpflichtet, die Beteiligten rechtzeitig zu informieren.
Welche Rechte und Pflichten haben Leistungsberechtigte im Zusammenhang mit berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation?
Leistungsberechtigte haben das Recht auf eine individuelle Bedarfsermittlung (§ 13 SGB IX) und auf bedarfsgerechte, angemessene Leistungen (§ 4 SGB IX). Sie dürfen sich auf das Wunsch- und Wahlrecht (§ 8 SGB IX) berufen, soweit berechtigte Gründe nicht entgegenstehen. Sie sind allerdings verpflichtet, aktiv mitzuwirken (§§ 60-62 SGB I), insbesondere an Untersuchungen teilzunehmen, Unterlagen bereitzustellen und Eigenbemühungen zu dokumentieren. Werden Mitwirkungspflichten verletzt, kann die Leistung ganz oder teilweise entzogen werden. Bei Streitigkeiten steht den Leistungsberechtigten der Rechtsweg vor den Sozialgerichten offen; notwendige Rechtsbehelfsbelehrungen sind zwingend zu beachten (§ 36 SGB X). Leistungsberechtigte haben zudem Anspruch auf Beratung (§ 12 SGB IX) und auf eine barrierefreie Kommunikation, soweit erforderlich.
Wie werden Kosten und Unterhaltsleistungen im Rahmen berufsfördernder Maßnahmen geregelt?
Nach § 44 SGB IX umfassen die berufsfördernden Leistungen nicht nur die eigentlichen Maßnahmen, sondern auch ergänzende Leistungen wie Ausbildungs- oder Übergangsgeld (§§ 20 ff. SGB VI) sowie Reisekosten, Kinderbetreuungskosten und Leistungen zur medizinischen Betreuung, soweit dies zur Durchführung der Maßnahme erforderlich ist. Das Übergangsgeld bemisst sich regelmäßig an dem vorherigen Einkommen, wobei sozialversicherungsrechtlich unterschiedliche Berechnungsgrundlagen bestehen (z.B. § 21 SGB VI für Rentenversicherung, § 66 SGB VII für Unfallversicherung). In Fällen, in denen der Lebensunterhalt anderweitig sichergestellt ist (z.B. durch Arbeitslosengeld, Krankengeld), erfolgt eine Anrechnung oder Kürzung. Die Kosten für erforderliche Leistungen trägt der Rehabilitationsträger, ebenfalls nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit (§ 12 SGB IX).
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen im Falle der Ablehnung berufsfördernder Leistungen zur Rehabilitation?
Bei Ablehnung eines Antrags auf berufsfördernde Leistungen ist der Rehabilitationsträger verpflichtet, eine schriftliche und umfassend begründete Entscheidung zu erlassen, die mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist. Gegen den Ablehnungsbescheid kann der Leistungsberechtigte innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erheben (§ 84 SGG). Führt der Widerspruch nicht zum Erfolg, steht der Klageweg zu den Sozialgerichten (§§ 87 ff. SGG) offen. Während des Rechtsstreits kann, falls Eilbedürftigkeit besteht, ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (§ 86b SGG) gestellt werden. In jedem Fall ist eine genaue Prüfung geboten, ob Verfahrensfehler vorliegen oder die individuelle Bedarfslage unzureichend gewürdigt wurde. Die Sozialgerichte sind auch befugt, medizinische oder berufskundliche Gutachten in Auftrag zu geben, falls dies zur Klärung der Anspruchsgrundlage notwendig ist.