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Berufsausbildungsverhältnis


Begriff und rechtliche Grundlagen des Berufsausbildungsverhältnisses

Das Berufsausbildungsverhältnis ist ein rechtlich geregeltes Schuldverhältnis zwischen einem Ausbildenden (meist Ausbildungsbetrieb) und einem Auszubildenden (Lehrling), das den Zweck verfolgt, dem Auszubildenden eine systematische und planmäßige Vermittlung beruflicher Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf zu ermöglichen. Das Berufsausbildungsverhältnis ist ein zentraler Bestandteil der dualen Berufsausbildung in Deutschland und unterliegt umfangreichen gesetzlichen Regelungen, insbesondere im Berufsbildungsgesetz (BBiG).


Vertraglicher Ursprung und Begründung des Berufsausbildungsverhältnisses

Das Berufsausbildungsverhältnis entsteht durch Abschluss eines Ausbildungsvertrages gemäß § 10 BBiG. Dieser Ausbildungsvertrag ist schriftlich abzufassen und muss mindestens folgende Angaben enthalten:

  • Art, sachliche und zeitliche Gliederung sowie Ziel der Berufsausbildung
  • Beginn und Dauer der Berufsausbildung
  • Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte
  • Dauer der regelmäßigen täglichen Ausbildungszeit
  • Dauer der Probezeit
  • Zahlung und Höhe der Ausbildungsvergütung
  • Dauer des Urlaubs
  • Voraussetzungen, unter denen der Vertrag gekündigt werden kann
  • ein allgemeiner Hinweis auf tarifliche oder Betriebsvereinbarungen

Der Vertrag wird zwischen dem Ausbildenden und der auszubildenden Person geschlossen. Bei minderjährigen Auszubildenden ist die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter erforderlich.

Eintragung bei der zuständigen Kammer

Das Berufsausbildungsverhältnis wird zur Wirksamkeit in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse durch die zuständige Stelle (Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer etc.) eingetragen (§ 11 BBiG).


Rechtsnatur und wesentliche Inhalte

Das Berufsausbildungsverhältnis stellt ein besonderes Schuldverhältnis mit gegenseitigen Rechten und Pflichten dar, das sich von einem reinen Arbeitsverhältnis unterscheidet. Sein Hauptzweck ist die Berufsausbildung, nicht die Arbeitsleistung an sich.

Rechte und Pflichten der Parteien

Pflichten des Ausbildenden

Der Ausbildende ist im Rahmen des Berufsausbildungsverhältnisses insbesondere verpflichtet, dem Auszubildenden:

  • Die beruflichen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, die zum Erreichen des Ausbildungszieles notwendig sind, zu vermitteln (§ 14 BBiG)
  • Die Ausbildung planmäßig, sachlich und zeitlich gegliedert durchzuführen
  • Die Ausbildungsmittel kostenfrei bereitzustellen
  • Den Auszubildenden zum Besuch der Berufsschule, Prüfungen und Ausbildungsmaßnahmen freizustellen
  • Fürsorgepflichten zuwahrzunehmen und den Auszubildenden charakterlich zu fördern
  • Den Auszubildenden nur mit Tätigkeiten im Rahmen der Ausbildung zu betrauen

Pflichten des Auszubildenden

Der Auszubildende verpflichtet sich dazu,

  • Sich zu bemühen, die für das Ausbildungsziel erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben (§ 13 BBiG)
  • Die ihm im Rahmen der Ausbildung übertragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen
  • An Ausbildungsmaßnahmen, insbesondere Berufsschulunterricht und Prüfungen, teilzunehmen
  • Weisungen des Ausbildenden zu befolgen
  • Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu wahren

Dauer und Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses

Probezeit

Gemäß § 20 BBiG muss zu Beginn des Berufsausbildungsverhältnisses eine Probezeit zwischen mindestens einem und höchstens vier Monaten vereinbart werden. Während dieser Zeit kann das Berufsausbildungsverhältnis von beiden Seiten jederzeit und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden.

Vertragsdauer

Die Dauer richtet sich nach der Ausbildungsordnung des jeweiligen Berufes (in der Regel zwei bis dreieinhalb Jahre). Eine Verkürzung oder Verlängerung der Ausbildungsdauer ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich (§ 8 BBiG).

Beendigung

Das Berufsausbildungsverhältnis endet

  • mit Ablauf der vereinbarten Ausbildungszeit oder,
  • vorzeitig mit Bestehen der Abschlussprüfung (§ 21 BBiG).

Kündigungsmöglichkeiten

  • Während der Probezeit: Jederzeit, fristlos und ohne Angabe von Gründen (§ 22 Abs. 1 BBiG)
  • Nach der Probezeit: Nur aus wichtigem Grund von beiden Parteien fristlos, eine ordentliche Kündigung durch den Ausbildenden ist ausgeschlossen. Der Auszubildende kann das Berufsausbildungsverhältnis mit einer Frist von vier Wochen kündigen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufsausbildung ausbilden lassen will (§ 22 Abs. 2 BBiG).

Schutzvorschriften und besondere Regelungen

Ausbildungsvergütung und Sozialversicherung

Der Ausbildende ist verpflichtet, dem Auszubildenden eine angemessene Ausbildungsvergütung zu zahlen (§ 17 BBiG). Diese erhöhen sich in der Regel mit fortschreitender Ausbildungsdauer. Seit dem 1. Januar 2020 gilt eine gesetzliche Mindestausbildungsvergütung.

Die Auszubildenden werden sozialversicherungsrechtlich wie Arbeitnehmer behandelt, sodass Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung abzuführen sind.

Urlaubsregelungen

Die Dauer des jährlichen Urlaubs richtet sich nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) oder dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), je nachdem, ob der Auszubildende das 18. Lebensjahr vollendet hat. Daneben können tarifliche oder betriebliche Regelungen Anwendung finden.

Besonderer Kündigungsschutz

Auszubildende genießen einen besonderen Kündigungsschutz; eine ordentliche Kündigung des Ausbildenden nach der Probezeit ist ausgeschlossen (§ 22 BBiG). Lediglich bei schwerwiegenden Gründen kann eine fristlose Kündigung erfolgen.


Überwachung und Rechtsfolgen von Verstößen

Überwachung und Durchführung

Die korrekte Durchführung des Berufsausbildungsverhältnisses wird von den zuständigen Stellen (Kammern) überwacht (§ 76 ff. BBiG). Diese prüfen u. a. Eignung der Ausbildungsstätte, Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, und stehen als Schlichtungsstelle bei Streitfällen zur Verfügung.

Rechtsfolgen bei Verstößen

Verstöße gegen die gesetzlichen Vorgaben (z. B. unzureichende Ausbildungsbedingungen, Nichtgewährung der Ausbildungsvergütung) können zu Abmahnungen, zur fristlosen Kündigung durch den Auszubildenden oder in gravierenden Fällen zu Schadensersatzansprüchen führen. Zudem kommen Bußgeldvorschriften gemäß §§ 102, 104 BBiG bei Ordnungswidrigkeiten zur Anwendung.


Berufsausbildungsverhältnis im Kontext besonderer Gesetzeslagen und Schutzvorschriften

Minderjährige Auszubildende

Besondere Schutzvorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbSchG) sind bei minderjährigen Auszubildenden zu beachten. Dies betrifft unter anderem die Arbeitszeiten, Pausenregelungen, Urlaubsansprüche, Beschäftigungsverbote und den Gesundheitsschutz.

Schutz vor Diskriminierung

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) findet auch im Berufsausbildungsverhältnis Anwendung und schützt vor Benachteiligungen auf Grund von Geschlecht, Herkunft, Religion, Behinderung, Alter oder sexueller Identität.


Abschluss und weiterführende Hinweise

Das Berufsausbildungsverhältnis schafft eine gesetzlich fundierte und kontrollierte Basis für die berufliche Ausbildung, stellt Rechte und Schutzmechanismen für die Auszubildenden bereit und verpflichtet Ausbildungsbetriebe zu einer ordnungsgemäßen Durchführung der Berufsausbildung. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen gewährleisten eine hochwertige, standardisierte Ausbildung und einen umfassenden Schutz für beide Vertragsparteien. Weitere Detailregelungen ergeben sich aus Tarifverträgen, Ausbildungsordnungen und den spezifischen Satzungen der jeweiligen Kammern.

Häufig gestellte Fragen

Welche Pflichten hat der Auszubildende während des Berufsausbildungsverhältnisses?

Der Auszubildende hat während des Berufsausbildungsverhältnisses gemäß Berufsbildungsgesetz (BBiG) verschiedene Pflichten zu erfüllen. Zu den Hauptpflichten gehört primär, die ihm im Rahmen der Ausbildung übertragenen Aufgaben sorgfältig und nach bestem Vermögen auszuführen (vgl. § 13 BBiG). Des Weiteren muss er an Ausbildungsmaßnahmen teilnehmen, die im Ausbildungsplan vorgesehen sind, einschließlich des Berufsschulunterrichts sowie an externen Lehrgängen (z. B. überbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen). Der Auszubildende ist verpflichtet, den Weisungen zu folgen, die ihm im Rahmen seiner Ausbildung von weisungsberechtigten Personen (z. B. Ausbilder, Ausbilderin, Ausbildungsleiter) erteilt werden. Ebenso zählt die Beachtung der betrieblichen Ordnung, insbesondere hinsichtlich Sicherheits-, Unfallverhütungs- und Gesundheitsschutzvorschriften, zu seinen Pflichten. Ihm obliegt außerdem die Verpflichtung zur Verschwiegenheit über betriebliche Angelegenheiten, die ihm im Rahmen der Ausbildung bekannt werden. Darüber hinaus muss der Auszubildende ein Berichtsheft (Ausbildungsnachweis) führen und dieses regelmäßig dem Ausbilder zur Kontrolle vorlegen.

Wie kann ein Berufsausbildungsverhältnis rechtlich wirksam beendet werden?

Ein Berufsausbildungsverhältnis kann grundsätzlich durch Zeitablauf enden, nämlich mit Ablauf der Ausbildungszeit, ohne dass es einer Kündigung bedarf (§ 21 Abs. 1 BBiG). Besteht der Auszubildende die Abschlussprüfung vor Ablauf der Ausbildungszeit, endet das Ausbildungsverhältnis mit Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses (§ 21 Abs. 2 BBiG). Eine vorzeitige Beendigung ist durch Kündigung möglich: Während der Probezeit (mindestens ein Monat, maximal vier Monate, § 20 BBiG) kann das Ausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Frist und ohne Angabe von Gründen von beiden Seiten gekündigt werden. Nach der Probezeit ist die Kündigung nur noch aus einem wichtigen Grund fristlos möglich (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG); der Kündigungsgrund ist in der Kündigungserklärung schriftlich anzugeben. Der Auszubildende kann darüber hinaus mit einer Frist von vier Wochen kündigen, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will (§ 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG).

Welche Ansprüche auf Vergütung und Urlaub hat der Auszubildende?

Rechtsgrundlage für die Vergütungspflicht ist § 17 BBiG, der den Ausbildungsbetrieb verpflichtet, dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu zahlen. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach dem einschlägigen Tarifvertrag, sofern dieser Anwendung findet, ansonsten muss sie angemessen sein und steigt mit fortschreitender Ausbildungsdauer. Es gelten zudem Mindestvergütungssätze nach § 17 Abs. 2 BBiG. Die Vergütung muss spätestens am letzten Arbeitstag des Monats gezahlt werden. Urlaubsansprüche richten sich nach § 19 BBiG sowie insbesondere nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) für minderjährige Auszubildende und dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) für volljährige Auszubildende: Minderjährige haben, abhängig vom Lebensalter zu Beginn des Kalenderjahres, einen höheren gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch als Volljährige (mindestens 24 Werktage bis 15 Jahre, 23 bis 16 Jahre, 21 bis 17 Jahre; ab 18 Jahre mindestens 20 Werktage).

Welche Rechte hat der Auszubildende im Krankheitsfall?

Im Krankheitsfall ist der Auszubildende verpflichtet, dem Ausbildungsbetrieb die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen (§ 5 Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG). Dauert die Krankheit länger als drei Kalendertage, ist spätestens am folgenden Arbeitstag eine ärztliche Bescheinigung („Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“) vorzulegen. Während der Krankheitsdauer und bis zu sechs Wochen hat der Auszubildende Anspruch auf Fortzahlung seiner Vergütung (§ 3 EFZG), sofern das Ausbildungsverhältnis mindestens vier Wochen bestanden hat. Dauert die Krankheit länger, zahlt die Krankenkasse ein Krankengeld.

Inwieweit besteht für den Auszubildenden ein Anspruch auf Übernahme nach Abschluss der Ausbildung?

Es besteht grundsätzlich kein automatischer gesetzlicher Anspruch auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis nach bestandener Abschlussprüfung. Allerdings kann ein solcher Anspruch aus Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder einzelvertraglichen Regelungen resultieren. Manche Tarifverträge (insbesondere im öffentlichen Dienst oder in der Metall- und Elektroindustrie) sehen eine befristete oder unbefristete Übernahmeverpflichtung des Ausbildungsbetriebs vor, sofern keine betrieblichen Gründe entgegenstehen. Fehlt eine solche Regelung, endet das Berufsausbildungsverhältnis mit Bestehen der Abschlussprüfung ohne weitere Ansprüche auf Beschäftigung. Ein Arbeitsverhältnis entsteht erst durch ausdrückliche Vereinbarung oder konkludentes Verhalten, wie die Arbeitsaufnahme mit Wissen und Wollen des Arbeitgebers nach Beendigung der Ausbildung.

Was sind die Vorgaben bei der Vertragsniederschrift für ein Berufsausbildungsverhältnis?

Nach § 11 BBiG ist der Ausbildende verpflichtet, spätestens vor Beginn der Berufsausbildung einen schriftlichen Ausbildungsvertrag niederzuschreiben. Die Vertragsniederschrift muss bestimmte Pflichtangaben enthalten, unter anderem: Art, sachliche und zeitliche Gliederung sowie Ziel der Berufsausbildung, Beginn und Dauer der Berufsausbildung, Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte, Dauer der regelmäßigen täglichen Ausbildungszeit, Dauer der Probezeit, Zahlung und Höhe der Vergütung, Dauer des Urlaubs, Voraussetzungen für eine Kündigung, Hinweise auf die geltenden Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen. Der Vertrag ist von beiden Parteien zu unterzeichnen, und der Auszubildende sowie gesetzliche Vertreter (bei Minderjährigen) müssen eine Ausfertigung erhalten. Ein nicht schriftlich abgeschlossener Vertrag ist schwebend unwirksam.

Wer haftet bei Schäden, die vom Auszubildenden im Ausbildungsbetrieb verursacht werden?

Bei Schadensverursachung durch den Auszubildenden im Zusammenhang mit der Berufsausbildung gelten die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung, die auch auf Auszubildende Anwendung finden. Die Haftung orientiert sich dabei an der persönlichen Leistungsfähigkeit und dem Ausbildungsstand des Auszubildenden. Eine volle Haftung besteht bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden im Regelfall zwischen Ausbildendem und Auszubildendem geteilt, und bei leichter Fahrlässigkeit besteht in der Regel keine Haftung. Zudem kann der Ausbildungsbetrieb in vielen Fällen einen Schaden nicht beim Auszubildenden regressieren, wenn dieser im Rahmen seiner zugewiesenen Arbeiten handelt und kein grobes Fehlverhalten vorliegt. Dies wird insbesondere durch Arbeitsgerichte differenziert beurteilt. In vielen Unternehmen bestehen zudem spezielle Haftpflichtversicherungen für Auszubildende.