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Berufliche Umschulung


Begriff und rechtliche Grundlagen der beruflichen Umschulung

Die berufliche Umschulung ist ein zentraler Begriff des deutschen Berufsbildungsrechts und bezeichnet eine gezielte Qualifizierungsmaßnahme, die einer Person eine neue berufliche Tätigkeit ermöglicht und von der Erstausbildung sowie Fortbildung abzugrenzen ist. Im deutschen Rechtssystem ist die Umschulung insbesondere im Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), im Berufsbildungsgesetz (BBiG) und in weiteren einschlägigen Vorschriften geregelt.

Definition

Berufliche Umschulung ist jede Ausbildung, die auf einen anderen anerkannten Ausbildungsberuf als den ursprünglich erlernten zielt, sofern Erwachsene dadurch einen qualifizierten Berufsabschluss erwerben oder ihre beruflichen Chancen nachhaltig verbessern können. Die Umschulung kann betrieblich, außerbetrieblich, schulisch oder überbetrieblicher Art sein.

Gesetzliche Grundlagen der Umschulung

Regelungen im Berufsbildungsgesetz (BBiG)

Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) definiert im § 1 Abs. 5 und insbesondere im Abschnitt 3 (Fortbildung und Umschulung) die Voraussetzungen und den Ablauf einer Umschulung. § 60 BBiG stellt heraus, dass Umschulungsmaßnahmen auf einen anderen Beruf vorbereiten als jenen, in dem die betroffene Person bereits ausgebildet wurde.

Sozialgesetzbuch – SGB III

Das SGB III regelt im Rahmen der Arbeitsförderung die Leistungen zur beruflichen Weiterbildung, zu denen auch die berufliche Umschulung zählt. Zentral sind hier § 81 SGB III („Förderung der beruflichen Weiterbildung“) und § 77 SGB III („Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“). Umschulungen werden besonders dann gefördert, wenn sie zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt notwendig sind.

Voraussetzungen für Förderung nach SGB III

  • Gefährdung der bisherigen Beschäftigung: Die bisherige ausgeübte Tätigkeit kann aus gesundheitlichen Gründen oder wegen wirtschaftlicher Entwicklungen nicht mehr ausgeübt werden.
  • Anerkennungsfähiger Abschluss: Die Umschulung muss zu einem anerkannten Berufsabschluss führen.
  • Teilnahme und Eignung: Die Person muss für eine Umschulung geeignet und bereit sein.

Durchführung und Formen der Umschulung

Umschulungsarten

Es wurde eine Differenzierung zwischen interner und externer Umschulung, sowie verkürzten und normalen Zeitrahmen der Maßnahme entwickelt. Folgende Formen sind möglich:

  • Betriebliche Umschulung: Innerhalb eines Ausbildungsbetriebes nach BBiG.
  • Außerbetriebliche Umschulung: Durchführung durch Bildungsdienstleister ohne festen Ausbildungsbetrieb.
  • Schulische Umschulung: An staatlich anerkannten Berufsfachschulen.

Umschulungsvertrag

Das Rechtsverhältnis zwischen Umschüler und Umschulungsbetrieb wird durch den Umschulungsvertrag geregelt, der vergleichbar dem Ausbildungsvertrag Rechte und Pflichten (u.a. Entgeltzahlung, Urlaubsanspruch, Pflichten zur Beteiligung an Prüfungen) umfasst. Die Regelungen zur Vertragsgestaltung sind §§ 10, 11, 21 BBiG maßgeblich.

Rechte und Pflichten während der Umschulung

Vergütung und Vergünstigungen

In der Regel besteht während der Umschulung ein Anspruch auf eine Vergütung durch den Umschulungsbetrieb nach den geltenden tariflichen oder betrieblichen Regelungen. Zusätzlich können von der Agentur für Arbeit oder anderen Trägern Unterhaltsgeld, Fahrtkosten und weitere Leistungen gezahlt werden, geregelt in §§ 66 ff. SGB III.

Prüfungen und Abschluss

Das Berufsbildungsgesetz sieht anerkannte Prüfungen vor, meist durch die zuständigen Kammern (z. B. Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer) gemäß §§ 37-50 BBiG. Beim erfolgreichen Abschluss wird ein gleichwertiger Abschluss wie der einer klassischen Ausbildung bescheinigt.

Kündigungsrecht

Das Kündigungsrecht während einer Umschulung ist in § 22 BBiG geregelt. Es unterscheidet zwischen Kündigungen während der Probezeit (fristlos, ohne Angabe von Gründen) und nach der Probezeit (nur mit wichtigem Grund fristlos oder mit Frist bei Berufsaufgabe).

Rechtliche Unterschiede zu Ausbildung und Weiterbildung

Während die Ausbildung die erstmalige Vermittlung grundlegender beruflicher Fähigkeiten darstellt und die Fortbildung die Erweiterung von Kenntnissen innerhalb des aktuellen Berufsfeldes bezweckt, richtet sich die Umschulung explizit auf den Erwerb eines neuen Berufsabschlusses außerhalb des ursprünglich erlernten Berufs.

Fördermöglichkeiten und Kostenträger

Träger der Kosten

  • Agentur für Arbeit und Jobcenter: Nach SGB III und SGB II bei Arbeitslosigkeit oder drohender Arbeitslosigkeit.
  • Deutsche Rentenversicherung: Bei verminderter Erwerbsfähigkeit infolge gesundheitlicher Einschränkungen.
  • Berufsgenossenschaften: Bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten.

Förderarten

Gefördert werden können die Umschulungskosten (Lehrgangsgebühr, Prüfungsgebühr), Fahrtkosten, Kinderbetreuungskosten sowie Leistungen zum Lebensunterhalt (z.B. Übergangsgeld, Arbeitslosengeld, Unterhaltsgeld).

Bedeutung und Ziel der Umschulung im Rechtssystem

Berufliche Umschulungen sind ein wichtiges Instrument der aktiven Arbeitsmarktpolitik und integraler Bestandteil des Sozialstaatsprinzips. Sie dienen der Sicherstellung des Beschäftigungsanspruchs und tragen zur nachhaltigen Sicherung der Erwerbsfähigkeit in einem sich wandelnden Arbeitsmarkt bei.

Rechtlicher Schutz und Gleichstellung

Alle Rechte der klassischen Ausbildung gelten sinngemäß auch für Umschulungen, etwa in Bezug auf Jugendarbeitsschutzgesetz, Mutterschutz, Schwerbehindertenrecht und Teilhabe am Arbeitsleben. Die Gleichwertigkeitsgarantie (§ 1 Abs. 2 BBiG) stellt sicher, dass der über eine Umschulung erworbene Abschluss dem einer regulären Berufsausbildung entspricht.


Dieser Lexikonartikel bietet einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Aspekte der beruflichen Umschulung in Deutschland, deren gesetzliche Grundlagen, Fördermöglichkeiten, Durchführung und Schutzvorschriften.

Häufig gestellte Fragen

Wer hat nach deutschem Recht Anspruch auf eine berufliche Umschulung?

Ein Anspruch auf berufliche Umschulung besteht grundsätzlich für Personen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können (z. B. wegen Krankheit oder Unfall), oder deren Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen dauerhaft nicht fortgesetzt werden kann, etwa durch Kündigung aufgrund betrieblichen Wegfalls des Arbeitsplatzes. Gemäß § 81 SGB III ist als Anspruchsgrundlage zudem vorgesehen, dass die Umschulung notwendig ist, um die Vermittlungschancen am Arbeitsmarkt deutlich zu verbessern. Die Agentur für Arbeit oder – in Fällen einer Behinderung – das zuständige Integrationsamt beziehungsweise die Deutsche Rentenversicherung prüfen individuell, ob die Voraussetzungen wie z. B. fehlende Berufsabschlüsse, gesundheitliche Einschränkungen oder nachweisbare Arbeitslosigkeit unabhängig von Eigenverschulden vorliegen. Ein weiterer Zugang ist im Rahmen der Rehabilitation nach dem SGB IX geregelt.

Welche Rechtsgrundlagen regeln die Förderung einer beruflichen Umschulung?

Rechtliche Grundlage für die Förderung sind insbesondere das Dritte Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sowie das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), welche die Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung sowie der Teilhabe am Arbeitsleben regeln. Im SGB III sind §§ 81 ff. die entscheidenden Rechtsquellen, dort wird das Instrument der Förderung der beruflichen Weiterbildung, einschließlich Umschulungen, normiert. Für Menschen mit Behinderung gelten teils zusätzliche Regelungen, die im SGB IX zusammengefasst sind. Ebenfalls betroffen sind gegebenenfalls Vorschriften aus dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) bezüglich staatlicher Anerkennung von Abschlüssen und Prüfungsmodalitäten.

Welche rechtlichen Vorgaben gelten für den Ablauf und die Dauer einer Umschulung?

Die Dauer und der Ablauf einer Umschulung sind rechtlich im SGB III und, soweit einschlägig, durch das BBiG bestimmt. In der Regel dauert eine Umschulung 24 Monate, in Ausnahmefällen – beispielsweise bei Teilzeit oder besonderen Voraussetzungen – kann sie auch kürzer oder länger dauern. Das Arbeitsamt beziehungsweise der zuständige Leistungsträger muss im Rahmen seines Ermessens die Kursqualität (AZAV-Zertifizierung), die Eignung der Bildungseinrichtung sowie den Zugang und die Vermittlungschancen prüfen (§ 81 Absatz 2 SGB III). Während der Umschulung besteht ein Rechtsanspruch auf eine Qualifizierung, Sachkostenerstattung, eventuell auf weitere Leistungen wie Fahrgeld, Kinderbetreuungskosten oder Arbeitslosengeld beziehungsweise Übergangsgeld (§§ 144 ff. SGB III, §§ 49 ff. SGB IX).

Haben Umschulungsteilnehmer einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder andere finanzielle Leistungen?

Teilnehmer einer geförderten Umschulung haben gemäß § 144 SGB III Anspruch auf Weiterzahlung von Arbeitslosengeld (ALG I), sofern Anspruchszeiten vorliegen. Sollte kein Anspruch auf ALG I bestehen, kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Bezug von Bürgergeld (SGB II) oder während der Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme Übergangsgeld (SGB IX) erfolgen. Zudem kann der Kostenträger weitere Leistungen gewähren, wie z. B. Übernahme von Lehrgangskosten, Fahrtkosten, Kosten für auswärtige Unterbringung und Verpflegung sowie Kinderbetreuung (§ 83, 85 SGB III).

Welche Mitwirkungspflichten bestehen für Umschulungsteilnehmer nach SGB III?

Umschulungsteilnehmer unterliegen umfangreichen Mitwirkungspflichten gemäß § 309 SGB III. Dazu gehört insbesondere die Pflicht, den Träger der Umschulungsmaßnahme rechtzeitig über Leistungsstörungen, Erkrankungen, Fehlzeiten oder Abbrüche zu informieren. Auch die Arbeitsagentur muss unverzüglich über Veränderungen informiert werden, die für die Leistungserbringung relevant sein können, etwa Änderung der persönlichen Verhältnisse oder Nichtbestehen von Prüfungen. Verletzungen von Mitwirkungspflichten können zu Leistungskürzungen, Rückforderungen oder dem vollständigen Wegfall des Förderanspruchs führen.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen im Falle des Abbruchs der Umschulung?

Kommt es zum Abbruch einer geförderten Umschulungsmaßnahme, regelt das SGB III, dass die weitere Zahlung von finanziellen Leistungen in der Regel eingestellt wird. Besteht ein anerkannter wichtiger Grund für den Abbruch (zum Beispiel unvorhergesehene Erkrankung, schwerwiegende familiäre Umstände), kann ein erneuter Förderanspruch für eine spätere Umschulungsmaßnahme geprüft werden. Wird die Umschulung ohne wichtigen Grund abgebrochen, kann dies in künftigen Förderentscheidungen nachteilig berücksichtigt werden (§ 66 SGB I). Bestehen Zweifel oder Streit über die Rechtmäßigkeit des Abbruchs oder der Aufhebung von Leistungen, besteht das Recht auf Widerspruch und ggf. Klage beim Sozialgericht.