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Berner Übereinkunft


Berner Übereinkunft: Internationale Vereinbarung zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst

Die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (im Folgenden: Berner Übereinkunft) ist eines der bedeutendsten multilateralen Abkommen im Urheberrecht. Sie bildet das internationale Fundament für die Anerkennung und den Schutz von Autorenrechten in nahezu allen Staaten der Welt.


Entstehung und historische Entwicklung der Berner Übereinkunft

Hintergründe und Zielsetzung

Die Berner Übereinkunft wurde am 9. September 1886 unter Federführung der Schweiz in Bern unterzeichnet. Ziel des Abkommens war es, den internationalen Schutz von Werken der Literatur und Kunst zu gewährleisten und Missbräuchen entgegenzuwirken, wie sie im 19. Jahrhundert häufig vorkamen, beispielsweise Nachdrucke in fremden Ländern ohne Zustimmung der Urheber. Die Konvention trat am 5. Dezember 1887 in Kraft und wurde seither mehrfach revidiert, zuletzt in Paris am 24. Juli 1971.

Revisionen und heutiger Geltungsbereich

Das Abkommen wurde in folgenden Jahren grundlegend überarbeitet: 1896 (Paris), 1908 (Berlin), 1928 (Rom), 1948 (Brüssel), 1967 (Stockholm) und 1971 (Paris). Die Pariser Fassung von 1971 stellt die derzeit maßgebliche Version dar. Heute sind über 180 Staaten Vertragsparteien („Berner Union“).


Aufbau und wesentliche Grundsätze der Berner Übereinkunft

Grundlagen des urheberrechtlichen Schutzes

Die Berner Übereinkunft regelt den Schutz von „Werken der Literatur und Kunst“, was weit auszulegen ist. Hierunter fallen u.a. Romane, Gedichte, Musik, Gemälde, Skulpturen, Architektur, Filme und Software.

Schutzvoraussetzungen

Die Konvention sieht keine Formerfordernisse vor: Ein Werk genießt automatisch Schutz, sobald es „geschaffen“ wurde. Ein Copyright-Vermerk ist entgegen anderen internationalen Regelungen (z.B. früheres US-Recht) nicht erforderlich.

Nationale Behandlung (Gleichbehandlungsgebot)

Artikel 5 Berner Übereinkunft verpflichtet jeden Mitgliedstaat, im Sinne der nationalen Behandlung, ausländischen Urhebenden denselben Schutz zu gewährleisten wie inländischen Schöpfern eigener Werke. Dies bedeutet, dass ein Werk, das in einem Mitgliedstaat zuerst veröffentlicht wurde, in jedem anderen Vertragsstaat denselben Schutz genießt wie nationale Werke.


Rechtswirkungen und wesentliche Bestimmungen im Detail

Umfang des Schutzes

Die Konvention legt in Artikel 2 klar fest, welche Werke Schutz genießen. Dazu zählen sowohl schriftstellerische als auch bildende und musikalische Werke, Fotografien, Choreographien, Karten und Skizzen.

Schutzdauer

Die Mindestschutzdauer beträgt laut Artikel 7 grundsätzlich „Leben des Urhebers plus 50 Jahre“. Mitgliedstaaten haben das Recht, längere Schutzdauern festzulegen (z.B. die EU mit 70 Jahren post mortem auctoris).

Unmittelbare Wirkung und Mindestschutzstandards

Die Berner Übereinkunft schreibt Mindeststandards für den Urheberrechtsschutz vor, welche alle Vertragsstaaten umsetzen müssen. Nationalstaaten können strengere Regelungen vorsehen, müssen aber zumindest die Konventionsstandards einhalten. Die wichtigsten Mindeststandards betreffen:

  • Umfang der geschützten Werke
  • Rechte des Urhebers (Reproduktionsrecht, Verbreitungsrecht, Übersetzungsrecht etc.)
  • Mindestschutzdauer
  • Schutz ohne Formerfordernisse

Ausschluss von Formalitäten

Die Schutzgewährung ist an keinerlei Formalitäten geknüpft. Ein Schutz besteht automatisch mit der Schaffung des Werkes. Jede Registrierung oder Eintragung ist freiwillig und hat allenfalls deklaratorische Bedeutung.


Einzelne Urheberrechte gemäß der Berner Übereinkunft

Materielle Rechte (Vermögensrechte)

Die Übereinkunft schützt verschiedene wirtschaftliche Rechte der Urhebenden, u.a.:

  • Vervielfältigungsrecht (Artikel 9)
  • Verbreitungsrecht
  • Aufführungsrecht
  • Übersetzungsrecht (Artikel 8)
  • Bearbeitungsrecht (Artikel 12)

Diese Rechte gewährleisten, dass keine Nutzung ohne Genehmigung erfolgt und Autorinnen und Autoren an den wirtschaftlichen Erträgen beteiligt werden.

Persönlichkeitsrechte (Urheberpersönlichkeitsrechte)

Besonderes Augenmerk legt die Konvention auf das Urheberpersönlichkeitsrecht (Artikel 6bis). Dieses umfasst insbesondere:

  • Anerkennung der Urheberschaft
  • Recht auf Namensnennung
  • Recht auf Schutz vor Entstellung oder anderer Beeinträchtigung des Werkes, die dem Ruf der Urheberschaft schaden könnten

Ausnahmen und Schranken

Die Berner Übereinkunft erlaubt in Artikel 9 Absatz 2 gewisse Ausnahmen, bekannt als „Dreistufentest“:

  1. Ausnahme nur in bestimmten Sonderfällen
  2. Keine Beeinträchtigung der normalen Werknutzung
  3. Keine unzumutbare Beeinträchtigung der berechtigten Interessen der Rechteinhabenden

Typische Ausnahmen betreffen etwa das Zitatrecht oder die Nutzung für Bildungs- und Forschungszwecke.


Bedeutung für den internationalen Rechtsverkehr

Weltweite Durchsetzung von Urheberrechten

Durch den Beitritt zur Berner Übereinkunft verpflichten sich die Mitgliedstaaten, den Urheberrechtsschutz grenzüberschreitend anzuerkennen und durchzusetzen. Rechtsschutz kann so weltweit beansprucht werden, ohne dass in jedem Land besondere Anforderungen oder Registrierungen notwendig wären.

Verhältnis zu anderen internationalen Abkommen

Die Berner Übereinkunft steht in engem Zusammenhang mit weiteren Abkommen im Bereich Geistiges Eigentum, wie dem TRIPS-Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO), das die Standards in weiten Teilen explizit übernimmt und ihren Mitgliedern zur Pflicht macht, die Mindeststandards der Berner Übereinkunft einzuhalten (mit wenigen Ausnahmen, z.B. Artikel 6bis).


Organisation und Verwaltung der Berner Übereinkunft

Verwaltung durch die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO)

Die Verwaltung der Berner Übereinkunft obliegt der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) mit Sitz in Genf. Die WIPO ist für die Durchführung von Revisionstagungen, die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten und die Interpretation des Abkommens zuständig.


Fazit

Die Berner Übereinkunft stellt das zentrale völkerrechtliche Instrument zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst dar. Ihre Regelungen garantieren allen Schöpferinnen und Schöpfern weltweit einen umfangreichen, automatischen Schutz, der mit hohen Mindeststandards ausgestaltet und an keine Formalitäten gebunden ist. Die Konvention prägt seit mehr als einem Jahrhundert das internationale Urheberrecht und wird laufend den technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst. Der Schutz geistigen Eigentums erfährt durch die Berner Übereinkunft einen stabilen rechtlichen Rahmen, der Kreativität und Innovation fördert.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte gewährt die Berner Übereinkunft ausdrücklich den Urhebern?

Die Berner Übereinkunft gewährt den Urhebern von literarischen und künstlerischen Werken eine Vielzahl von Schutzrechten. Im Mittelpunkt stehen die ausschließlichen Rechte der Vervielfältigung, Übersetzung, Bearbeitung, Aufführung, öffentlichen Wiedergabe und Verwertung ihrer Werke. Des Weiteren verankert die Berner Übereinkunft auch moralische Rechte: Der Urheber hat das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft (Nennung seines Namens) sowie das Recht, sich jeglicher Entstellung, Verstümmelung oder sonstiger Beeinträchtigung seines Werkes, die seine Ehre oder seinen Ruf gefährden könnte, zu widersetzen. Diese Rechte gelten unabhängig von etwaigen Verwertungsverträgen. Die Mitgliedsstaaten der Übereinkunft verpflichten sich, diese Rechte mindestens im gesetzlich vorgeschriebenen Umfang zu schützen, wobei weitergehende Rechte national vergeben werden dürfen. Darüber hinaus bestimmt die Konvention eine Schutzdauer von grundsätzlich mindestens 50 Jahren post mortem auctoris, wobei einzelne Staaten längere Schutzfristen vorsehen können.

Wie regelt die Berner Übereinkunft den internationalen Schutz eines Werkes?

Die Berner Übereinkunft legt den Grundsatz der Inländergleichbehandlung fest (Art. 5 Abs. 1). Das bedeutet: Jeder Urheber eines in einem Mitgliedsstaat erstmals veröffentlichten Werkes erhält in allen anderen Mitgliedsländern denselben rechtlichen Schutz wie die Inländer dieses Staats. Die Schutzgewährung erfolgt dabei automatisch, ohne dass ein gesondertes Registrierungs- oder Hinterlegungsverfahren erforderlich ist – das sogenannte Formalitätenverbot (Art. 5 Abs. 2). Der Schutz setzt bereits mit der Schöpfung des Werkes ein. Der Umfang richtet sich grundsätzlich nach den Gesetzen des Schutzlandes (Schutzlandprinzip), jedoch mindestens nach den Mindeststandards der Berner Übereinkunft.

Welche Ausnahmen und Schranken sind laut Berner Übereinkunft zulässig?

Die Berner Übereinkunft erlaubt den Vertragsstaaten, konkrete Ausnahmen und Beschränkungen vom Urheberrecht festzulegen, solange diese die normalen Verwertungsinteressen des Urhebers nicht unzumutbar beeinträchtigen. Typische Beispiele sind die Privilegierung der privaten Nutzung, das Zitatrecht (Art. 10), die Berichterstattung über Tagesereignisse sowie Unterricht und wissenschaftliche Zwecke. Diese Schrankenbestimmungen müssen jedoch im Rahmen der sogenannten Drei-Stufen-Test-Klausel (Art. 9 Abs. 2) stehen: Zulässig sind nur solche Ausnahmen für bestimmte Sonderfälle, welche die normale Verwertung des Werks nicht beeinträchtigen und die berechtigten Interessen der Urheber nicht unangemessen verletzen.

Wie wird der Urheberrechtsschutz nach der Berner Übereinkunft durchgesetzt?

Die Berner Übereinkunft enthält grundlegende Anforderungen, verpflichtet die Vertragsstaaten aber nicht unmittelbar zur gerichtlichen Durchsetzung der Urheberrechte. Vielmehr müssen die Mitgliedsstaaten innerstaatlich geeignete Rechtsmittel zur Verfügung stellen, damit die betroffenen Urheber oder Rechteinhaber ihre Rechte geltend machen und gegen Verletzungen vorgehen können. Die konkrete Ausgestaltung – etwa in Form von Zivilklagen, Unterlassungsverfügungen, Schadensersatzforderungen oder strafrechtlichen Sanktionen – bleibt nationalem Recht überlassen. Außerdem ist ein funktionierendes Gerichtsverfahren zur effektiven und diskriminierungsfreien Rechtsdurchsetzung gefordert.

Wie verhält sich die Berner Übereinkunft zu anderen internationalen Abkommen im Bereich Urheberrecht?

Die Berner Übereinkunft bildet das zentrale völkerrechtliche Fundament des internationalen Urheberrechtsschutzes. Andere Abkommen wie das TRIPS-Abkommen (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) der WTO oder die WIPO Copyright Treaty (WCT) bauen auf den Regelungen und Standards der Berner Übereinkunft auf und erweitern diese zum Teil. Die Mitgliedsstaaten der Berner Übereinkunft sind vielfach zugleich Vertragsparteien dieser weiteren Übereinkommen; deren Regelungen können zusätzliche Anforderungen stellen, ohne die durch Berner Übereinkunft gesetzten Mindeststandards zu unterschreiten. Dabei gelten Kollisionsregeln und Kompatibilitätsbestimmungen, um Widersprüche im Rechtsverkehr zu vermeiden.

Welche Bedeutung hat die Erstveröffentlichung im Sinne der Berner Übereinkunft?

Die Erstveröffentlichung, also die erstmalige öffentliche Zugänglichmachung eines Werkes, spielt für den internationalen Schutzumfang nach der Berner Übereinkunft eine maßgebliche Rolle. Der Ort und das Datum der Erstveröffentlichung bestimmen, inwieweit ein Werk in den verschiedenen Mitgliedsstaaten als schutzwürdig erachtet wird und auf welche Staatsangehörigkeit sich die Inländergleichbehandlung bezieht. Werden Werke gleichzeitig in mehreren Ländern veröffentlicht, gelten sie gemäß Art. 3 (3) in jedem dieser Länder als zuerst veröffentlicht. Die Staatsangehörigkeit des Urhebers oder dessen gewöhnlicher Aufenthalt kann bei unveröffentlichten oder mehrfach veröffentlichten Werken ebenfalls relevant sein.

Wie behandelt die Berner Übereinkunft die Verpflichtung zur Anmeldung oder Registrierung von Werken?

Die Berner Übereinkunft beinhaltet ein striktes Formalitätenverbot. Das heißt, der Schutz nach der Übereinkunft wird ohne jedes Erfordernis einer Anmeldung, Hinterlegung oder Registrierung gewährt. Eine solche Verpflichtung wäre unzulässig und würde gegen die Übereinkunft verstoßen. Registrationen können zwar zu beweiszwecken oder Verwaltungszwecken national vorgesehen werden, sind jedoch niemals Voraussetzung für den internationalen Rechteerhalt oder Rechtewahrnehmung im Sinne der Berner Übereinkunft. Die sofortige Schutzwirkung tritt allein mit der Werkschöpfung kraft Gesetzes ein.