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Bereitschaftsfall


Begriffserklärung und Einordnung des Bereitschaftsfalls

Der Bereitschaftsfall ist ein im deutschen Recht gebräuchlicher Begriff, der insbesondere im Bereich des öffentlichen Dienstrechts, Sicherheits- und Katastrophenschutzrechts sowie des Arbeitsrechts eine bedeutende Rolle spielt. Der Begriff bezeichnet regelmäßig eine konkrete Situation, in der eine Person – meist aus dienstlichen oder arbeitsrechtlichen Verpflichtungen heraus – unverzüglich tätig werden muss, um Schäden von der öffentlichen Sicherheit, der Allgemeinheit oder einem bestimmten Personenkreis abzuwenden. Die rechtlichen Anforderungen und Auswirkungen des Bereitschaftsfalls sind je nach Fachgebiet unterschiedlich ausgestaltet.

Im Folgenden werden die verschiedenen Facetten des Bereitschaftsfalls umfassend erläutert, einschließlich seiner gesetzlichen Grundlagen, des Anwendungsbereichs, der Abgrenzung von angrenzenden Begriffen wie Bereitschaftsdienst und Alarmfall sowie der sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten.


Rechtliche Grundlagen des Bereitschaftsfalls

Arbeitsrechtliche Regelungen

Im Arbeitsrecht taucht der Bereitschaftsfall insbesondere im Zusammenhang mit dem Bereitschaftsdienst und der damit verbundenen Arbeitsleistung auf. Nach § 7 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ist die Einteilung von Bereitschaftszeiten ausdrücklich zulässig, sofern tarifliche oder gesetzliche Regelungen bestehen. Der Bereitschaftsfall als solcher ist gegeben, wenn außerhalb der regulären Arbeitszeit ein plötzlicher Handlungsbedarf entsteht, der ein sofortiges Tätigwerden des Arbeitnehmers erfordert.

Beim Eintreten eines Bereitschaftsfalls während des Bereitschaftsdienstes ist die zuständige Person verpflichtet, unverzüglich arbeitsbezogene Aufgaben zu übernehmen. Die Zeit, in der tatsächlich gearbeitet wird, gilt als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf Vergütung, Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten.

Beamtenrecht, Polizeirecht und Katastrophenschutz

Im Beamtenrecht – insbesondere bei Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz – ist der Bereitschaftsfall von erheblicher Praxisrelevanz. Nach den einschlägigen Landesbeamtengesetzen sowie den Dienstvorschriften dieser Organisationen sind Bedienstete bei Eintritt eines Bereitschaftsfalls dazu verpflichtet, unverzüglich den Dienst anzutreten, sofern die Sicherheit bedeutender Rechtsgüter – insbesondere Leib, Leben und Eigentum – gefährdet ist.

Im Katastrophenschutzgesetz sowie in den Notfallplänen der einzelnen Bundesländer sind bestimmte Eskalationsstufen definiert. Der Bereitschaftsfall bezeichnet hierbei häufig die erhöhte Einsatzbereitschaft vor dem echten Alarmfall, in dem die unmittelbare Gefahr bekämpft werden muss. Der Unterschied besteht darin, dass sich die Personen im Bereitschaftsfall noch nicht zwingend am Einsatzort befinden müssen, aber ihren Dienst kurzfristig aufnehmen können müssen.

Gesetzliche Fundstellen

  • Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
  • Bundesbeamtengesetz (BBG)
  • Landesbeamtengesetze
  • Polizeidienstvorschriften und Feuerwehrgesetze der Länder
  • Katastrophenschutzgesetze der Länder
  • Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (z. B. TVöD-B, § 9)

Abgrenzung des Bereitschaftsfalls von verwandten Begriffen

Bereitschaftsdienst versus Bereitschaftsfall

Der Bereitschaftsdienst bezeichnet einen organisatorisch festgelegten Zeitraum, in dem Arbeitnehmer oder Bedienstete verpflichtet sind, sich für einen etwaigen Einsatz bereitzuhalten. Der Bereitschaftsfall stellt das tatsächliche Ereignis dar, das den Einsatzfall auslöst. Innerhalb des Bereitschaftsdienstes kann es zu einem oder mehreren Bereitschaftsfällen kommen.

Alarmierungsfall (Alarmfall) und Ausnahmezustand

Im Unterschied zum Bereitschaftsfall kennzeichnet der Alarmfall eine unmittelbar bevorstehende oder bereits eingetretene Gefahr, die weiteres Handeln unumgänglich macht. Der Ausnahmezustand bezeichnet noch eine weitergehende Sondersituation, in der spezielle gesetzliche Maßnahmen greifen können.


Rechte und Pflichten im Bereitschaftsfall

Pflichten der Arbeitnehmer und Beamten

Sobald ein Bereitschaftsfall eintritt, sind die zur Verfügung stehenden Kräfte verpflichtet, unverzüglich tätig zu werden. Verstöße gegen diese Pflicht können arbeits- oder dienstrechtliche Konsequenzen, im Einzelfall auch disziplinarische Maßnahmen nach sich ziehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Bereitschaftsfall in der regulären Dienstzeit oder außerhalb davon eintritt.

Anspruch auf Vergütung und Arbeitszeiterfassung

Die Tätigkeit im Bereitschaftsfall gilt im Regelfall als Arbeitszeit im Sinne arbeits- und beamtenrechtlicher Vorschriften. Dies zieht einen Anspruch auf Vergütung nach sich, variiert jedoch je nach Tarifvertrag oder Dienstrecht. Auch die genaue Arbeitszeiterfassung spielt eine entscheidende Rolle bei der späteren Abrechnung.


Praxisbeispiele und Anwendungsbereiche

Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste

Im dienstlichen Alltag kommt es insbesondere bei der Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten regelmäßig zu Bereitschaftsfällen. Neben Unfällen, Bränden und Naturkatastrophen können auch Großveranstaltungen oder sicherheitsrelevante Ereignisse einen Bereitschaftsfall auslösen.

Krankenhäuser und kritische Infrastrukturen

Auch in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen der kritischen Infrastruktur sind Bereitschaftsfälle alltäglich. medizinisches Personal muss im Bedarfsfall, etwa bei Massenanfall von Verletzten, kurzfristig einsatzbereit sein.


Folgen und Konsequenzen des Bereitschaftsfalls

Disziplinarmaßnahmen und Haftung

Wer im Bereitschaftsfall seiner Pflicht zum Einsatz nicht nachkommt, riskiert Maßnahmen nach den geltenden Disziplinarordnungen. In besonderen Ausnahmefällen kann zudem eine (Mit-)Haftung eintreten, etwa wenn durch eine unterbliebene oder verzögerte Handlung erhebliche Schäden entstanden sind.

Arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen

Dem Schutz der Arbeitnehmer dienen zahlreiche Regelungen, etwa zu Höchst- und Mindestruhezeiten. Bei wiederholtem Auftreten von Bereitschaftsfällen sind die Belastungen für die Betroffenen sorgfältig zu berücksichtigen und soweit möglich durch organisatorische Maßnahmen abzumildern.


Literaturhinweise und weiterführende Quellen

  • Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
  • Bundesbeamtengesetz (BBG)
  • Landesbeamtengesetze, Polizeigesetze und Feuerwehrgesetze der Länder
  • Kommentar zu § 9 TVöD-B (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst)
  • Katastrophenschutzgesetze der Länder

Fazit

Der Begriff Bereitschaftsfall** ist eine zentrale Rechtsfigur in verschiedenen Bereichen des deutschen Rechts und hat weitreichende praktische Auswirkungen insbesondere im öffentlichen Dienst, Arbeitsrecht und beim Schutz kritischer Infrastrukturen. Die jeweiligen Rechte und Pflichten der Betroffenen ergeben sich aus gesetzlichen, tariflichen und innerdienstlichen Regelungen, wobei der Bereitschaftsfall immer die Notwendigkeit schnellen und sachgerechten Handelns voraussetzt. Die genaue Kenntnis und Einhaltung der einschlägigen Vorschriften ist für Arbeitgeber, Beschäftigte und Institutionen gleichermaßen von großer Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Anordnung eines Bereitschaftsfalls vorliegen?

Die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines Bereitschaftsfalls richten sich primär nach spezialgesetzlichen Regelungen, wie beispielsweise dem § 35 Abs. 1 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) oder den einschlägigen Vorschriften im Bundesbeamtengesetz (BBG), im Landesbeamtengesetz bzw. im Tarifvertragsrecht (TVöD/TV-L). Grundsätzlich darf ein Bereitschaftsfall nur dann angeordnet werden, wenn eine dienstliche oder betriebliche Notwendigkeit gegeben ist, die eine ständige Erreichbarkeit und den kurzfristigen Einsatz von Beschäftigten oder Beamten erfordert. Daneben sind stets die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit zu beachten: Ein Bereitschaftsfall darf nur dann und nur in dem Maße angeordnet werden, wie es zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs unerlässlich ist. Zudem müssen Mitbestimmungsrechte des Personalrats gewahrt werden (§ 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG). Besonders im öffentlichen Dienst ist für die Anordnung eines Bereitschaftsfalls häufig eine schriftlich oder elektronisch festgehaltene Dienstanweisung erforderlich, in der die konkreten Modalitäten geregelt sind. Arbeitgeber haben darüber hinaus die Pflicht, die Beschäftigten rechtzeitig und umfassend über die Anordnung, den Beginn und das Ende sowie die jeweiligen Pflichten im Bereitschaftsfall zu informieren.

Unterliegt der Bereitschaftsfall zeitlichen Höchstgrenzen, und wie werden Verstöße sanktioniert?

Die Arbeitszeitgesetzgebung (insb. Arbeitszeitgesetz – ArbZG für Angestellte; Arbeitszeitverordnungen für Beamte) sieht für den Bereitschaftsfall keine absolut festgelegten, bundesweit einheitlichen zeitlichen Höchstgrenzen vor, unterscheidet aber deutlich zwischen Arbeitszeit und Bereitschaftszeit. Die Bereitschaftszeit wird dabei in der Regel als Arbeitszeit gewertet und ist bei der Berechnung täglicher und wöchentlicher Höchstarbeitszeiten zu berücksichtigen. Dabei gelten die grundsätzlichen Grenzen: Die werktägliche Arbeitszeit darf im Regelfall 8 Stunden nicht überschreiten, höchstens jedoch 10 Stunden, sofern innerhalb von sechs Kalendermonaten bzw. 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Verstöße gegen diese zeitlichen Höchstgrenzen stellen eine Ordnungswidrigkeit nach § 22 ArbZG dar und können mit Bußgeldern bis zu 15.000 Euro geahndet werden. In besonders schweren Fällen, etwa bei vorsätzlichem Handeln und Gefahr für Leben oder Gesundheit der Beschäftigten, drohen auch strafrechtliche Konsequenzen.

Welche Mitbestimmungsrechte hat der Personalrat bei der Einführung oder Änderung eines Bereitschaftsfalls?

Die Einführung oder Änderung eines Bereitschaftsfalls unterliegt den Mitbestimmungsrechten des Personalrats gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG (für Bundesbehörden) bzw. den entsprechenden Landesregelungen. Der Personalrat ist vor jeder Anordnung oder Änderung rechtzeitig und umfassend zu beteiligen. Er hat ein echtes Mitbestimmungsrecht, das heißt, ohne eine Verständigung mit dem Personalrat darf ein Bereitschaftsfall formaljuristisch nicht wirksam eingeführt oder geändert werden. Dieses Mitbestimmungsrecht erstreckt sich sowohl auf die grundsätzliche Einführung, als auch auf die Festlegung der Rahmenbedingungen wie Häufigkeit, zeitlicher Umfang, Vergütung und konkrete Gestaltung der Bereitschaftsdienste. Kommt keine Einigung zustande, ist eine Einigungsstelle anzurufen, deren Spruch für beide Seiten bindend ist.

Welche Besonderheiten gelten bei der Vergütung von Bereitschaftszeiten im rechtlichen Kontext?

Die rechtliche Behandlung der Vergütung von Bereitschaftszeiten unterscheidet sich je nach Beschäftigungsverhältnis. Im TVöD/TV-L ist festgelegt, dass Bereitschaftszeiten grundsätzlich mit einem prozentual geminderten Faktor als Arbeitszeit gewertet und entsprechend vergütet werden (§ 9 TVöD, § 8 TV-L). Die Höhe richtet sich nach der jeweiligen Intensität der Arbeit während der Bereitschaftszeiten. Im Beamtenrecht gibt es häufig pauschale Regelungen oder pauschale Ausgleichszahlungen, geregelt durch Beihilfevorschriften, Sonderzahlungen oder in der Arbeitszeitverordnung (AZV). Für Arbeitsverhältnisse, die nicht den öffentlichen Dienst betreffen, empfiehlt es sich, ausdrücklich die Vergütung im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung zu regeln, da ansonsten Gerichte im Zweifel von einer vollen Vergütungspflicht ausgehen. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner ständigen Rechtsprechung bestätigt, dass auch Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit gelten und grundsätzlich zu vergüten sind, es sei denn, tarifliche oder einzelvertragliche Regelungen weichen explizit davon ab.

Wie sind Haftung und Versicherungsschutz im Bereitschaftsfall geregelt?

Während eines angeordneten Bereitschaftsfalls unterliegen Beschäftigte oder Beamte dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (SGB VII), sofern sie sich im Rahmen der dienstlichen Vorgaben aufhalten und im Rahmen des Bereitschaftsdienstes tätig werden. Unfälle, die während einer aktiven Phase des Bereitschaftsdienstes, aber auch während der passiven Wartezeit am zugewiesenen Aufenthaltsort auftreten, werden als Arbeitsunfall anerkannt, sofern der Zusammenhang mit dem Dienst besteht. Bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Fehlverhalten entfällt jedoch der Schutz. Im Haftungsfall gelten die allgemeinen dienst- bzw. arbeitsrechtlichen Grundsätze: Bei leicht fahrlässigem Verhalten beschränkt sich die Haftung, bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz wird der jeweilige Arbeitnehmer oder Beamte voll in Anspruch genommen. Arbeitgeber sind verpflichtet, die Beschäftigten über bestehende Versicherungen und deren Umfang zu informieren.

Müssen besondere Ruhezeiten im Anschluss an einen Bereitschaftsfall rechtlich eingehalten werden?

Ja, insbesondere aus dem Arbeitszeitgesetz (§ 5 ArbZG: Ruhezeit) ergibt sich die zwingende Verpflichtung, nach Beendigung eines Bereitschaftsfalls eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren. Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn der Bereitschaftsfall nahtlos in eine reguläre Arbeitszeit übergeht. Ausnahmeregelungen bestehen für bestimmte Branchen (z. B. Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen), sofern ein gleichwertiger Ausgleich gewährt wird. Tarifliche oder einzelvertragliche Regelungen können im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben von der Regel abweichen, sofern dadurch kein Nachteil für die Beschäftigten entsteht. Verstöße gegen die Ruhezeitvorschriften werden als Ordnungswidrigkeit geahndet und können auch arbeitsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Besteht ein Anspruch auf Ablehnung eines Bereitschaftsfalls, und kann dieser rechtlich erzwungen werden?

Ein generelles Recht auf Ablehnung besteht nach aktueller Rechtslage nicht, da Bereitschaftsdienst und Bereitschaftsfall – soweit mitbestimmt und im Rahmen gesetzlicher Vorschriften angeordnet – zum arbeitsvertraglichen bzw. dienstlichen Pflichtenbestand zählen. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher, nachgewiesener Gründe (z. B. gesundheitliche Einschränkungen, Nachweis der Unzumutbarkeit, ungenügende Kinderbetreuung) kann im Einzelfall ein Anspruch auf Befreiung bejaht werden. In solchen Fällen besteht eine Pflicht des Arbeitnehmers oder Beamten, die Gründe gegenüber dem Arbeitgeber oder Dienstherrn nachzuweisen. Arbeitgeber müssen diese prüfen und im Rahmen einer Einzelfallentscheidung abwägen, ob dem Antrag stattzugeben ist. Bei willkürlicher Verweigerung kann der Beschäftigte den Rechtsweg beschreiten. Ein kollektives Recht auf Verweigerung besteht jedoch nicht.