Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Rechtsbegriffe (allgemein)»Belastungen, außergewöhnliche

Belastungen, außergewöhnliche


Begriffserklärung: Außergewöhnliche Belastungen

Der Begriff der außergewöhnlichen Belastungen ist im deutschen Steuerrecht von wesentlicher Bedeutung. Er beschreibt Aufwendungen, denen eine steuerpflichtige Person zwangsläufig ausgesetzt ist und die aufgrund besonderer Umstände über das Maß dessen hinausgehen, was der überwiegenden Mehrheit der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstands erwächst. Die rechtlichen Regelungen hierzu finden sich im Einkommenssteuergesetz (EStG), insbesondere in § 33 EStG und den nachfolgenden Vorschriften.


Gesetzliche Grundlagen und Systematik

Allgemeine gesetzliche Grundlagen

Die Regelung der außergewöhnlichen Belastungen fußt maßgeblich auf § 33 EStG. Diese Vorschrift gewährt Steuerpflichtigen eine Steuervergünstigung für besondere finanzielle Belastungen, die aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufig entstehen und die das sogenannte gewöhnliche Maß übersteigen. Sie dienen dazu, die steuerliche Leistungsfähigkeit sachgerecht zu berücksichtigen.

Neben § 33 EStG enthalten auch §§ 33a und 33b EStG spezielle Vorschriften zu bestimmten Aufwendungen, beispielsweise für Unterhaltsleistungen oder Aufwendungen für behinderte Menschen.


Voraussetzungen für die Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen

Zwangsläufigkeit der Aufwendungen

Entscheidend ist, dass dem Steuerpflichtigen die Aufwendungen zwangsläufig entstehen. Die Zwangsläufigkeit kann auf rechtlichen Verpflichtungen (z.B. Unterhaltspflichten), tatsächlichen Umständen (z.B. Krankheit) oder auf sittlichen Motiven beruhen. Entscheidend ist, dass die Ausgaben nicht freiwillig erfolgen und sich der Steuerpflichtige ihrer Entstehung nicht entziehen konnte.

Wichtige Beispiele der Zwangsläufigkeit:

  • Gesundheitskosten bei Krankheit, die von der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung nicht erstattet werden
  • Aufwendungen für Pflegeleistungen
  • Bestattungskosten
  • Unterhaltsverpflichtungen gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen

Außergewöhnlichkeit der Belastung

Die Belastung muss das übliche Maß überschreiten, das vergleichbaren Steuerpflichtigen normalerweise entsteht. Dies wird im Regelfall im Vergleich zur Mehrheit der Steuerpflichtigen mit ähnlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen bewertet.

Belastungscharakter

Die Aufwendungen müssen eine wirtschaftliche Belastung darstellen, d.h. sie müssen tatsächlich entstandene, aus dem eigenen Vermögen getätigte Ausgaben sein, die nicht von dritter Seite (z.B. Versicherungen, staatliche Unterstützung) ersetzt wurden.


Abzug und zumutbare Belastung

Ermittlung der zumutbaren Belastung

Nicht alle anerkannten Aufwendungen werden in voller Höhe steuermindernd berücksichtigt. Bei der Berechnung wird eine sogenannte zumutbare Eigenbelastung abgezogen, deren Höhe in § 33 Abs. 3 EStG gestaffelt nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte, dem Familienstand und der Zahl der Kinder geregelt ist.

Es werden nur die die zumutbare Belastung übersteigenden Beträge steuerlich berücksichtigt. Die Höhe der zumutbaren Belastung variiert zwischen 1% und 7% des Gesamtbetrags der Einkünfte.

Systematik des Abzugs

Der steuerpflichtige Betrag ergibt sich somit nach folgender Formel:

Anerkennungsfähige Aufwendungen
./. Erstattungen Dritter
= Zwangsläufiger Aufwand
./. zumutbare Belastung
= Abzugsfähiger Betrag


Typische Anwendungsfälle und Einzelregelungen

Krankheitskosten

Medizinisch notwendige Aufwendungen wie Arzt- oder Zahnarztkosten, Kosten für Medikamente, Sehhilfen, Kuren und Rehabilitationsmaßnahmen können regelmäßig als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, sofern sie zwangsläufig und nicht von dritter Seite erstattet werden.

Pflege- und Heimkosten

Aufwendungen für altersbedingte Pflege und die Unterbringung in einem Pflegeheim fallen unter außergewöhnliche Belastungen, sofern keine Hilfe zur Pflege vom Sozialträger oder Leistungen der Pflegeversicherung erbracht werden.

Behinderten-Pauschbetrag

In § 33b EStG ist vorgesehen, dass anstelle der tatsächlichen Aufwendungen für behinderte Menschen ein Behinderten-Pauschbetrag geltend gemacht werden kann.

Unterhaltszahlungen

Bestimmte Unterhaltsleistungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen außerhalb des eigenen Haushalts können nach § 33a EStG als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Bestattungskosten

Soweit Bestattungskosten nicht aus dem Nachlass oder durch Ersatzansprüche gedeckt werden, können sie als außergewöhnliche Belastung erfasst werden.


Abgrenzung zu anderen steuerlich relevanten Aufwendungen

Werbungskosten, Sonderausgaben und Betriebsausgaben

Außergewöhnliche Belastungen sind stets von Werbungskosten, Sonderausgaben und Betriebsausgaben abzugrenzen. Nur Aufwendungen, die nicht unter diese anderen Kategorien fallen, können grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden.


Nachweispflichten und Verfahren

Erforderliche Nachweise

Für die steuerliche Anerkennung besteht grundsätzlich eine umfassende Nachweispflicht. Angaben sind durch Rechnungen, Zahlungsnachweise, Bescheinigungen oder amtliche Dokumente zu belegen. Bei Krankheitsaufwendungen kann zudem ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung notwendig sein.

Berücksichtigung im Steuerbescheid

Die Berücksichtigung erfolgt im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung durch entsprechende Angaben in der Steuererklärung. Das Finanzamt prüft, ob die Voraussetzungen erfüllt sind und in welcher Höhe die Aufwendungen abzugsfähig sind.


Rechtsentwicklung und aktuelle Rechtsprechung

Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften zu außergewöhnlichen Belastungen unterliegt einer umfangreichen und fortlaufenden Rechtsprechung der Finanzgerichte sowie des Bundesfinanzhofs (BFH). Dabei werden sowohl der Begriff der Zwangsläufigkeit als auch die Grenzen der Außergewöhnlichkeit fortlaufend konkretisiert.

Aktuelle Themen in der Rechtsprechung betreffen unter anderem:

  • Voraussetzungen bei kostenintensiven medizinischen Maßnahmen (z.B. alternative Heilmethoden)
  • Anrechnung von erhaltenen Versicherungsleistungen
  • Bewertung von Unterhaltspflichten gegenüber nahen Angehörigen im schulpflichtigen Alter

Zusammenfassung

Außergewöhnliche Belastungen stellen einen wichtigen Ausgleichsmechanismus im deutschen Einkommensteuerrecht dar, indem sie die individuelle Leistungsfähigkeit von Steuerpflichtigen in besonderen Belastungssituationen berücksichtigen. Die korrekte Anwendung erfordert eine genaue Prüfung der Voraussetzungen, die umfassende Nachweispflicht sowie die Abgrenzung zu anderen steuerlichen Begünstigungen. Die Rechtsprechung sorgt kontinuierlich für eine sachgerechte und an die Lebenswirklichkeit angepasste Anwendung der gesetzlichen Vorgaben.

Häufig gestellte Fragen

Welche Arten von Aufwendungen können rechtlich als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden?

Grundsätzlich werden außergewöhnliche Belastungen steuerrechtlich in § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) geregelt. Es handelt sich hierbei um Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen und die wesentlich höher sind als bei der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Dazu zählen beispielsweise Krankheitskosten (wie Zuzahlungen zu Medikamenten, Arztbehandlungen oder Zahnersatz), Kosten für Pflegeleistungen, Kosten für eine auswärtige Unterbringung aus medizinischen Gründen sowie die Aufwendungen, die infolge eines behördlich angeordneten Abrisses des eigenen Hauses entstehen, etwa infolge von Umweltschäden oder Baulast. Nicht anerkannt werden hingegen Kosten, die der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen sind, wie etwa Ausgaben für Luxusgegenstände oder freiwillige Anschaffungen.

Wann liegt eine Zwangsläufigkeit im rechtlichen Sinne bei außergewöhnlichen Belastungen vor?

Zwangsläufigkeit ist die zentrale Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Belastung als außergewöhnlich gemäß § 33 EStG. Eine Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige sich der Aufwendung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Dazu gehören etwa Gerichtsentscheidungen, behördliche Anordnungen (z.B. Abrissverfügung, Sanierungsverfügung), nachweisbare Krankheiten oder medizinische Indikationen, die zwingende Ausgaben verursachen. Freiwillig getragene Kosten oder solche, denen ohne schwerwiegende Nachteile hätte ausgewichen werden können, sind hingegen nicht abziehbar. Die Nachweispflicht für die Zwangsläufigkeit liegt beim Steuerpflichtigen – entsprechende Belege und Nachweise sind vorzulegen.

Wie werden zumutbare Eigenbelastungen im Rahmen der Steuerermäßigung berechnet?

Die zumutbare Belastung wird gemäß § 33 Abs. 3 EStG in Abhängigkeit vom Gesamtbetrag der Einkünfte, dem Familienstand und der Anzahl der Kinder des Steuerpflichtigen ermittelt. Der Gesetzgeber staffelt hierzu Prozentsätze – je nach persönlicher Situation liegt die zumutbare Eigenbelastung zwischen 1 und 7 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte. Erst wenn tatsächlich entstandene außergewöhnliche Belastungen diesen Prozentsatz übersteigen, ist der übersteigende Teil steuerlich deductible. Die Berechnung erfolgt progressiv: Einkommenshöhere Steuerpflichtige tragen eine höhere zumutbare Eigenbelastung. Die detaillierte Berechnung erfolgt meist automatisch durch das Finanzamt unter Berücksichtigung der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben in der Steuererklärung.

Welche Nachweise müssen für die Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen eingereicht werden?

Damit außergewöhnliche Belastungen steuerlich anerkannt werden, verlangt das Finanzamt entsprechende Nachweise. Dies können Originalrechnungen, Zahlungsbelege, ärztliche Atteste (insbesondere bei medizinischen Aufwendungen), Pflegegutachten, Bescheide über den Grad der Behinderung oder behördliche Verfügungen sein. Bei Krankheitskosten reicht häufig die Verordnung durch einen Arzt; bei anderen Belastungen kann ein detaillierter Nachweis der Zwangsläufigkeit und der Ausgaben erforderlich sein. Es gilt das sogenannte Belegprinzip: Die Beweispflicht liegt beim Steuerpflichtigen, der die außergewöhnliche Belastung geltend machen möchte. Es empfiehlt sich, sämtliche Unterlagen aufzubewahren, da das Finanzamt Erklärungen stichprobenartig prüft.

Welche Rolle spielen Ersatzleistungen (z.B. durch Versicherungen) bei der Ermittlung außergewöhnlicher Belastungen?

Erhält der Steuerpflichtige für eine Belastung Ersatzleistungen – beispielsweise durch eine Kranken- oder Pflegeversicherung, vom Arbeitgeber oder anderen Kostenträgern -, sind diese auf die außergewöhnlichen Belastungen anzurechnen. Nur der tatsächlich selbst getragene, endgültig nicht erstattete Aufwand ist als außergewöhnliche Belastung absetzbar. Dies gilt ausdrücklich auch für Leistungen, die im Nachhinein gezahlt werden: Sollte beispielsweise ein Antrag erst nach der Steuerveranlagung bewilligt werden, ist eine Berichtigung der Steuerfestsetzung wegen nachträglicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse möglich.

Können außergewöhnliche Belastungen auch im Zusammenhang mit Unterhaltszahlungen an bedürftige Personen berücksichtigt werden?

Ja, Unterhaltszahlungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen können als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a EStG abgesetzt werden. Voraussetzung ist, dass die unterstützte Person bedürftig ist und keine oder nur geringe Einkünfte beziehungsweise eigenes Vermögen hat. Es gelten jedoch Höchstbeträge, die jährlich durch den Gesetzgeber festgelegt werden. Zudem sind eigene Einkünfte und Bezüge der unterstützten Person anzurechnen, sofern sie gewisse Grenzen überschreiten. Auch hier verlangt das Finanzamt umfassende Nachweise zur Bedürftigkeit und zur Unterhaltsverpflichtung.

Welche steuerlichen Besonderheiten gelten bei außergewöhnlichen Belastungen für behinderte Menschen oder bei Pflegebedürftigkeit?

Für behinderte Menschen sieht das Steuerrecht Sonderregelungen vor (§ 33b EStG). Anstelle des Nachweises einzelner Ausgaben kann ein Pauschbetrag für Behinderte geltend gemacht werden, dessen Höhe sich am Grad der Behinderung orientiert. Bei Pflegebedürftigkeit lassen sich darüber hinaus bestimmte Freibeträge und erhöhte Pauschalen beanspruchen (Pflegepauschbetrag). Für Pflegekosten, die nicht durch einen Pauschbetrag abgedeckt sind und selbst getragen werden, können zusätzlich als außergewöhnliche Belastungen angesetzt werden. Voraussetzung ist stets, dass die Aufwendungen tatsächlich selbst getragen und nicht von Pflegekasse oder anderer Stelle erstattet wurden. Auch hier sind entsprechende Bescheinigungen und Nachweise erforderlich.