Begriff und Einordnung: Belastungen, außergewöhnliche
Belastungen, außergewöhnliche sind im Einkommensteuerrecht Aufwendungen, die einer Person aus besonderen, nicht alltäglichen Umständen entstehen und die ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in besonderem Maße mindern. Gemeint sind Ausgaben, die sich dem üblichen Lebensbedarf entziehen, aus tatsächlichen Gründen nicht vermeidbar waren und den Steuerpflichtigen stärker treffen als die Mehrheit in vergleichbarer Lage. Der Gesetzgeber trägt damit dem Gedanken Rechnung, dass die Besteuerung die individuelle Leistungsfähigkeit berücksichtigen soll.
Rechtliche Grundstruktur
Kernmerkmale
- Außergewöhnlichkeit: Die Aufwendungen treten nach Art und Höhe nicht typischerweise im Alltag auf.
- Zwangsläufigkeit: Die Aufwendungen waren aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht vermeidbar.
- Belastungswirkung: Die Ausgaben belasten das Einkommen tatsächlich (nach Abzug von Erstattungen und Vorteilen).
Außergewöhnliche Belastungen mindern grundsätzlich das zu versteuernde Einkommen nur, soweit sie eine individuell zu bestimmende zumutbare Eigenbelastung übersteigen. Diese Schwelle orientiert sich am Gesamtbetrag der Einkünfte, am Familienstand sowie an der Zahl der Kinder. Für bestimmte, gesetzlich näher geregelte Fallgruppen existieren Pauschbeträge, die ohne Einzelnachweise berücksichtigt werden können; auf sie findet die zumutbare Eigenbelastung keine Anwendung.
Die Regelungen betreffen natürliche Personen. Bei Zusammenveranlagung werden die Voraussetzungen und Beträge für beide Ehegatten bzw. Lebenspartner gemeinsam beurteilt.
Das sogenannte Nettoprinzip gilt: Erstattungen, Versicherungsleistungen oder Zuschüsse mindern die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen.
Typische Fallgruppen
Krankheits- und Pflegekosten
Hierzu zählen insbesondere Ausgaben, die medizinisch notwendig sind, wie ärztliche Behandlungen, Medikamente, Hilfsmittel (z. B. Brillen, Hörgeräte, Prothesen), zahnärztliche Leistungen, Krankenhausaufenthalte oder bestimmte Rehabilitations- und Kurmaßnahmen mit entsprechender ärztlicher Veranlassung. Auch notwendige Fahrten zu Behandlungen oder Eigenanteile können erfasst sein. Maßnahmen mit ausschließlich kosmetischer Zielrichtung gehören grundsätzlich nicht dazu; eine Einordnung kann sich ändern, wenn eine medizinische Indikation vorliegt.
Behinderung und Pflege
Mehraufwendungen aufgrund einer Behinderung oder Pflegebedürftigkeit sind besonders geregelt. Häufig stehen dafür Pauschbeträge zur Verfügung, deren Höhe sich nach dem Grad der Beeinträchtigung richtet oder an die Art der Pflegetätigkeit anknüpft. Alternativ kann in bestimmten Fällen ein Einzelnachweis tatsächlicher Mehraufwendungen in Betracht kommen. Auch bauliche Maßnahmen zur Barrierefreiheit können unter Bedingungen dazugehören.
Bestattungskosten
Aufwendungen für eine Bestattung werden berücksichtigt, soweit sie dem Anlass und sozialen Rahmen entsprechen und nicht aus dem Nachlass oder durch Versicherungen gedeckt sind. Dazu zählen typische Leistungen wie Trauerfeier, Grabstätte oder schlichte Grabgestaltung; überhöhte oder repräsentative Ausstattungen sind nicht erfasst.
Katastrophen- und Schadensereignisse
Vermögensverluste durch außergewöhnliche Ereignisse wie Hochwasser, Brand, Sturm oder Einbruchdiebstahl können unter engen Voraussetzungen berücksichtigt werden, etwa wenn die Wiederbeschaffung oder Reparatur existenzieller Haushaltsgegenstände erforderlich wird und keine ausreichende Versicherung besteht.
Unterhaltsleistungen
Leistungen zur Unterstützung bedürftiger Personen, denen gegenüber eine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht, unterliegen besonderen Kriterien und Höchstgrenzen. Maßgeblich ist regelmäßig die Bedürftigkeit der unterstützten Person sowie das Fehlen eigener ausreichender Mittel. Zahlungen an den getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten können gesonderten Regelungen unterfallen und sind davon abzugrenzen.
Familienbezogene Aufwendungen
Hierzu können in Einzelfällen Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Entbindung, medizinisch indizierte Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft sowie bestimmte Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Adoption gehören, soweit sie die Kernmerkmale außergewöhnlich und zwangsläufig erfüllen und nicht anderweitig steuerlich erfasst sind.
Weitere Einzelfälle
Prozesskosten sind grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Berücksichtigung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Aufwendungen existenzielle Bereiche betreffen und zur Abwehr schwerwiegender Gefahren erforderlich sind. Scheidungskosten werden regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.
Voraussetzungen und Nachweise
Für die Anerkennung kommt es auf eine sorgfältige Dokumentation an. Üblich sind Rechnungen, Zahlungsbelege, ärztliche Verordnungen oder Atteste sowie gegebenenfalls Kostenvoranschläge und Reiseaufstellungen. Bei bestimmten Gesundheitsmaßnahmen wird eine vorherige ärztliche Bescheinigung verlangt. Aufwendungen sind im Jahr der Zahlung zu berücksichtigen. Erstattungen aus Kranken- oder Pflegeversicherung, Zuschüsse von Dritten oder Arbeitgeberbeteiligungen werden abgezogen. Eine doppelte steuerliche Begünstigung durch gleichzeitige Einordnung derselben Kosten in andere Kategorien ist ausgeschlossen.
Abgrenzung zu anderen Steuerbegriffen
- Werbungskosten/Betriebsausgaben: Beruflich oder betrieblich veranlasste Aufwendungen gehören nicht zu den außergewöhnlichen Belastungen, sondern mindern die Einkünfte unmittelbar in der jeweiligen Einkunftsart.
- Sonderausgaben: Bestimmte private Ausgaben (z. B. Vorsorgeaufwendungen, Spenden) werden eigenständig berücksichtigt und sind abzugrenzen.
- Steuerermäßigungen: Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen unterliegen eigenen Regelungen; eine gleichzeitige Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ist ausgeschlossen.
Berechnung und Wirkung
Außergewöhnliche Belastungen mindern das zu versteuernde Einkommen. Allgemeine außergewöhnliche Belastungen werden erst wirksam, soweit sie die zumutbare Eigenbelastung übersteigen. Deren Höhe richtet sich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit von Einkommen, Familienstand und Kinderzahl. Pauschbeträge bei Behinderung und Pflege wirken unabhängig von der Eigenbelastung und ohne Einzelnachweis, soweit die jeweiligen persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Im Veranlagungsverfahren werden Pauschbeträge regelmäßig vorrangig berücksichtigt; tatsächliche Mehraufwendungen kommen ergänzend oder alternativ in Betracht, wenn die Pauschale nicht gewählt wird oder nicht greift.
Besondere Konstellationen
Zusammenveranlagung
Bei zusammen veranlagten Ehegatten oder Lebenspartnern werden Aufwendungen und Voraussetzungen gemeinsam betrachtet. Die zumutbare Eigenbelastung knüpft an die gemeinsamen Verhältnisse an. Aufwendungen können dem jeweils wirtschaftlich Belasteten zugeordnet werden.
Auslandsbezug
Im Ausland entstandene Kosten können einbezogen sein, wenn sie den allgemeinen Kriterien entsprechen. Nachweise müssen inhaltlich den Anforderungen genügen; Fremdwährungen werden umgerechnet. Öffentliche Zuschüsse oder Erstattungen aus dem Ausland sind zu berücksichtigen.
Bauliche Maßnahmen
Umbauten zur Beseitigung von Barrieren oder zur Schaffung notwendiger Pflegeinfrastruktur können außergewöhnliche Belastungen darstellen, wenn sie medizinisch veranlasst sind und über üblichen Wohnkomfort hinausgehen. Vorteilsausgleich und Wertsteigerungen der Immobilie sind in die Betrachtung einzubeziehen.
Häufig gestellte Fragen
Wann gelten Aufwendungen als außergewöhnlich und zwangsläufig?
Aufwendungen gelten als außergewöhnlich, wenn sie nach Art und Höhe über das Übliche hinausgehen. Zwangsläufig sind sie, wenn sie sich aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht vermeiden lassen. Beide Merkmale müssen zusammen vorliegen, zusätzlich müssen die Kosten die eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit tatsächlich mindern.
Welche Rolle spielt die zumutbare Eigenbelastung?
Die zumutbare Eigenbelastung ist ein individueller Selbstbehalt. Allgemeine außergewöhnliche Belastungen wirken sich erst aus, wenn ihre Summe diese Schwelle übersteigt. Die Schwelle richtet sich nach Einkommen, Familienstand und Kinderzahl. Für bestimmte Pauschbeträge, etwa bei Behinderung oder Pflege, gilt diese Schwelle nicht.
Können Krankheitskosten immer berücksichtigt werden?
Krankheitskosten können berücksichtigt werden, wenn sie medizinisch notwendig sind und tatsächlich selbst getragen wurden. Hierzu zählen insbesondere ärztlich verordnete Behandlungen und Hilfsmittel. Erstattungen der Kranken- oder Pflegeversicherung sind abzuziehen. Maßnahmen ohne medizinische Indikation werden nicht erfasst.
Wie werden Erstattungen und Versicherungsleistungen berücksichtigt?
Erstattungen, Zuschüsse und Versicherungsleistungen mindern die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen. In Ansatz kommt nur der verbleibende eigene Aufwand. Eine doppelte Begünstigung ist ausgeschlossen.
Was unterscheidet Pauschbeträge von Einzelnachweisen?
Pauschbeträge bei Behinderung und Pflege werden ohne Einzelnachweis der tatsächlichen Kosten gewährt, wenn die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Sie unterliegen nicht der zumutbaren Eigenbelastung. Beim Einzelnachweis werden die tatsächlichen Mehraufwendungen berücksichtigt, jedoch nur oberhalb der individuellen Eigenbelastung.
Sind Prozesskosten abzugsfähig?
Prozesskosten sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn die Kosten der Abwehr existenzieller Gefahren dienen und besonders schwerwiegende Umstände vorliegen.
In welchem Jahr wirken außergewöhnliche Belastungen?
Maßgeblich ist das Jahr der Zahlung. Aufwendungen werden in dem Veranlagungszeitraum berücksichtigt, in dem die wirtschaftliche Belastung durch Abfluss entstanden ist. Vorschüsse, Raten und Erstattungen sind entsprechend zuzuordnen.