Begriff und Einordnung: Belästigung durch Nachstellen
Der Begriff Belästigung durch Nachstellen, umgangssprachlich häufig als Stalking bezeichnet, beschreibt das fortgesetzte, aufdringliche Verfolgen oder Belästigen einer Person gegen deren ausdrücklichen Willen. Nachstellen umfasst eine Vielzahl von Verhaltensweisen, die von wiederholten Kontaktaufnahmen über das Abfangen am Arbeitsplatz bis hin zum Überwachen privater Lebensbereiche reichen können. Im deutschen Recht findet der Begriff seine gesetzliche Verankerung insbesondere im Strafgesetzbuch (§ 238 StGB).
Definition und Abgrenzung
Belästigung durch Nachstellen ist dadurch gekennzeichnet, dass sie über einen längeren Zeitraum andauert, systematisch ausgeführt wird und das Ziel verfolgt, das Opfer einzuschüchtern, zu kontrollieren oder in seiner Lebensführung einschneidend zu beeinträchtigen. Abzugrenzen ist das Nachstellen von einmaligen Belästigungen, Belästigungen ohne Nachstellungsabsicht oder sozialadäquaten Kontaktaufnahmen.
Gesetzliche Grundlagen
Strafrechtliche Regelung (§ 238 StGB)
Das deutsche Strafgesetzbuch regelt Belästigung durch Nachstellen in § 238 StGB. Danach macht sich strafbar, wer einer anderen Person unbefugt und beharrlich nachstellt und dadurch deren Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt.
Tatbestandsmerkmale
- Unbefugtes Nachstellen: Das Verhalten erfolgt ohne legitimen Grund und gegen den Willen des Opfers.
- Beharrlichkeit: Die Belästigung erfolgt wiederholt, zielgerichtet und planvoll.
- Schwerwiegende Beeinträchtigung: Die Lebensgestaltung des Opfers wird durch das Verhalten erheblich eingeschränkt, z. B. durch Umzug, Arbeitsplatzwechsel oder psychische Belastungen.
Strafandrohung
Die Strafandrohung reicht von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. In besonders schweren Fällen, etwa bei Suizidversuch des Opfers oder Gefahr für Leib und Leben, kann die Strafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe betragen.
Zivilrechtlicher Schutz
Neben dem Strafrecht bietet das Zivilrecht Möglichkeiten, sich gegen Belästigung durch Nachstellen zu wehren. Nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) können Betroffene gerichtliche Schutzanordnungen beantragen, wie zum Beispiel:
- Kontaktverbote
- Aufenthaltsverbote in bestimmten Bereichen
- Betretungsverbote für Wohnung oder Arbeitsplatz des Opfers
Eine Zuwiderhandlung gegen diese Anordnungen kann wiederum strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Typische Erscheinungsformen und Handlungen
Belästigung durch Nachstellen kann verschiedene Formen annehmen, unter anderem:
- Wiederholtes Anschreiben, Anrufen oder Zusenden von Nachrichten trotz erkennbarer Ablehnung
- Beobachten, Überwachen oder Verfolgen der Zielperson
- Auftauchen an Orten, an denen sich das Opfer regelmäßig aufhält (Wohnung, Arbeitsplatz, Freizeitstätten)
- Bedienung sozialer Netzwerke zur Kontaktaufnahme oder Verbreitung von Informationen zum Opfer
- Einschüchterung oder Bedrohung im direkten oder indirekten Kontakt
Rechtliche Folgen und Opferrechte
Strafverfahren
Im Rahmen eines Strafverfahrens wird geprüft, ob sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 238 StGB erfüllt sind. Die Anzeige kann in der Regel von jeder betroffenen Person erstattet werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, häufig auch dann, wenn das Opfer zunächst keine Anzeige erstatten möchte, sofern ein öffentliches Interesse besteht.
Schutzmaßnahmen
Opfer haben das Recht auf:
- Polizeilichen Schutz und Unterstützung
- Beantragung von Kontakt- und Näherungsverbote beim zuständigen Familiengericht
- Recht auf psychosoziale Prozessbegleitung sowie auf Beratung durch Opferhilfestellen
Die Polizei kann zudem Platzverweise und befristete Aufenthaltsverbote aussprechen, um das Opfer umgehend zu schützen.
Schadensersatz und Schmerzensgeld
Betroffene können zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld wegen seelischer Belastung und eventueller gesundheitlicher Schäden geltend machen.
Beweisführung und Beweissicherung
Die Nachweisbarkeit des Nachstellens ist im Ermittlungsverfahren von zentraler Bedeutung. Empfehlenswert ist die systematische Dokumentation aller Vorfälle durch das Opfer, z. B.:
- Führen eines Kalenders der Vorfälle (Datum, Uhrzeit, Art des Vorfalls)
- Speichern und Ausdrucken aller empfangenen Nachrichten oder E-Mails
- Anfertigen von Screenshot oder Fotografien bei Annäherungen oder Treffen
- Einbinden von Zeugen, wenn möglich
Prävention und Handlungsmöglichkeiten
Um sich vor Belästigung durch Nachstellen zu schützen, können folgende Maßnahmen ergriffen werden:
- Keine Beantwortung unerwünschter Kontaktversuche
- Private Daten (Adresse, Telefonnummer, etc.) besonders in sozialen Netzwerken nicht öffentlich machen
- Unverzügliche Informierung von Polizei oder Ordnungsbehörden bei bedrohlichen Situationen
Zudem sollten Betroffene offensive Belästigungen schnellstmöglich melden und nicht zögern, die gebotenen rechtlichen Möglichkeiten zu nutzen.
Internationale Rechtslage
In vielen Ländern existieren eigene Regelungen zum Schutz vor Nachstellungen. Die deutsche Regelung zählt zu den umfangreichsten in Europa und orientiert sich teils an anglo-amerikanischen Gesetzen (z. B. Anti-Stalking Laws in den USA). Die jeweiligen Voraussetzungen, strafrechtlichen Folgen und Schutzmöglichkeiten können jedoch international abweichen.
Entwicklung und Rechtsprechung
Die Gesetzgebung zum Nachstellen wurde 2007 mit der Einführung des § 238 StGB eingeführt und mehrfach angepasst, zuletzt im Hinblick auf die Erweiterung der Tatbestandsmerkmale und Verschärfung der Strafandrohungen. Gerichte interpretieren die Norm dynamisch und betonen die Erheblichkeitsschwelle der Beeinträchtigung sowie die subjektiven Belastungen der Opfer.
Zusammenfassung
Belästigung durch Nachstellen umfasst wiederholte, unbefugte und insistierende Verhaltensweisen, die das Leben einer anderen Person schwerwiegend beeinträchtigen können. Rechtlich bietet das deutsche Recht sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Schutzmechanismen. Umfassende Beweissicherung, schnelles Handeln und Nutzung der rechtlichen Möglichkeiten sind von zentraler Bedeutung für den Opferschutz. Mit der stetigen Entwicklung der technischen Möglichkeiten und des gesellschaftlichen Umgangs mit digitaler Kommunikation passen sich auch die rechtlichen Regelungen kontinuierlich an.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechte habe ich als Opfer von Nachstellung nach deutschem Recht?
Als Opfer von Nachstellung, die umgangssprachlich oft als Stalking bezeichnet wird, stehen Ihnen nach deutschem Recht verschiedene Schutzmöglichkeiten zur Verfügung. Das deutsche Strafgesetzbuch (StGB) regelt Nachstellung in § 238 und stellt bestimmte Handlungen, wie das wiederholte unbefugte Nachstellen, Überwachen, Kontaktieren oder Bedrohen einer Person, unter Strafe, wenn dadurch deren Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt wird. Opfer können bei der Polizei Anzeige erstatten und somit ein Ermittlungsverfahren einleiten. Parallel dazu besteht die Möglichkeit, zivilrechtliche Schutzmaßnahmen zu beantragen, wie beispielsweise eine einstweilige Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG), die dem Täter bestimmte Kontaktaufnahmen oder Aufenthalte in der Nähe der betroffenen Person untersagt. Verletzungen solcher Schutzanordnungen sind ebenfalls strafbar. Weiterhin können Opfer anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, um rechtliche Schritte einzuleiten und werden durch verschiedene Beratungsstellen unterstützt.
Welche Strafen drohen Tätern bei Nachstellung gemäß § 238 StGB?
Nachstellung wird gemäß § 238 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Liegen erschwerende Umstände vor-zum Beispiel wenn das Opfer durch die Tat schwer gesundheitlich geschädigt wird oder der Täter mit einer Waffe handelt-kann die Strafe auch bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe betragen. Kommt es infolge der Nachstellung zu einer schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung, gar zum Tod des Opfers oder einer anderen Person, sieht das Gesetz deutlich höhere Strafrahmen vor, bis hin zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Zusätzlich kann das Gericht ein Kontakt- und Annäherungsverbot verhängen.
Kann ich ohne konkrete Bedrohung bereits juristisch gegen Nachstellen vorgehen?
Ja, eine konkrete Bedrohung ist für das Eingreifen der Justiz nicht zwingend erforderlich. Nachstellung ist bereits strafbar, wenn die wiederholten Handlungen des Täters geeignet sind, die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend zu beeinträchtigen. Das bedeutet, schon das fortwährende Auflauern, ständige Zusenden von Nachrichten, anhaltendes Verfolgen oder das Ausspionieren persönlicher Daten können den Tatbestand erfüllen, sofern sie einen erheblichen Einschnitt in das Alltagsleben des Betroffenen bedeuten. Der Nachweis der tatsächlichen Beeinträchtigung muss allerdings im Einzelfall erbracht werden, beispielsweise durch Dokumentation, Zeugenaussagen oder andere Beweismittel.
Wie kann ich den Täter mit rechtlichen Mitteln an weiteren Handlungen hindern?
Rechtlich besteht die Möglichkeit, beim Familiengericht oder Amtsgericht eine einstweilige Verfügung gemäß § 1 Gewaltschutzgesetz (GewSchG) zu beantragen. Mit einer solchen Verfügung kann dem Täter untersagt werden, Kontakt zum Opfer aufzunehmen oder sich in dessen Nähe aufzuhalten. Bei Zuwiderhandlung drohen Ordnungsgeld, Ordnungshaft oder weitere strafrechtliche Konsequenzen. Zusätzlich kann bei akuter Gefährdung die Polizei eingreifen, zum Beispiel indem sie für einen bestimmten Zeitraum ein Kontaktverbot ausspricht oder den Täter der Wohnung verweist.
Kann Nachstellung auch im Internet strafbar sein (Stalking in sozialen Medien)?
Ja, Nachstellung umfasst nach aktueller Rechtslage ausdrücklich auch Handlungen im digitalen Raum. Cyberstalking, also das Nachstellen mittels E-Mail, Messenger, sozialen Netzwerken oder anderen digitalen Kommunikationsmitteln, wird nach § 238 StGB ebenso erfasst wie physisches Nachstellen. Hierzu zählen das unbefugte Weiterverbreiten persönlicher Informationen (Doxing), ungewollte Kontaktaufnahmen oder Belästigungen per Internet. Auch hier ist maßgeblich, ob die Handlungen geeignet sind, die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend zu beeinträchtigen.
Welche Beweise sind im Strafverfahren wegen Nachstellung besonders relevant?
Im Strafverfahren ist die umfassende Dokumentation aller Vorfälle von großer Bedeutung. Relevante Beweismittel können sein: Chronologien der Vorfälle, gespeicherte Nachrichten oder E-Mails, Fotos und Videos, Zeugenaussagen von Dritten, Polizeiprotokolle sowie ärztliche Atteste bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Ratsam ist, jedes konkrete Ereignis mit Datum, Uhrzeit und genauer Beschreibung festzuhalten und die Beweise gesichert aufzubewahren oder der Polizei beziehungsweise der zuständigen Staatsanwaltschaft vorzulegen.
Gibt es eine Verjährungsfrist für die Strafverfolgung von Nachstellung?
Ja, für die Strafverfolgung der Nachstellung gilt eine regelmäßige Verjährungsfrist von fünf Jahren, beginnend mit Beendigung der Tat. Das bedeutet, die Behörden können nur innerhalb dieses Zeitraums Ermittlungen einleiten. Wird innerhalb der Frist Anklage erhoben, bleibt die Verfolgung auch über die Verjährungsfrist hinaus möglich. In besonders schweren Fällen, die mit höheren Strafandrohungen verbunden sind, kann die Verjährungsfrist entsprechend länger ausfallen.