Legal Lexikon

Beiordnung


Begriff und Bedeutung der Beiordnung im Recht

Die Beiordnung ist ein zentraler Begriff im deutschen Recht, der insbesondere im Zusammenhang mit gerichtlichen Verfahren Bedeutung erlangt. Beiordnung bezeichnet allgemein die förmliche Zuweisung oder Bestellung einer Person – in der Regel eines Rechtsanwalts oder Verteidigers – durch das Gericht, um die Rechte einer Partei oder einer beschuldigten Person im Verfahren zu wahren. Die rechtlichen Regelungen zur Beiordnung dienen in erster Linie der Sicherung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren.


Rechtsgrundlagen der Beiordnung

Zivilprozessordnung (ZPO)

Die Beiordnung einer rechtskundigen Person wird im Zivilprozess häufig in Verbindung mit der Prozesskostenhilfe (PKH) relevant. Gemäß §§ 114 ff. ZPO kann einer bedürftigen Partei auf Antrag ein Anwalt beigeordnet werden, wenn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Die Beiordnung stellt sicher, dass auch finanziell schwächeren Personen ein effektiver Rechtsschutz zugänglich ist.

Strafprozessordnung (StPO)

Im Strafprozessrecht ist die Beiordnung besonders im Zusammenhang mit der Pflichtverteidigung (§§ 140 ff. StPO) bedeutsam. Hier ordnet das Gericht einer beschuldigten Person von Amts wegen oder auf Antrag einen Verteidiger bei, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen – insbesondere in Fällen notwendiger Verteidigung – erfüllt sind. Eine Beiordnung ist sicherzustellen, sobald ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt (z. B. bei schwerwiegenden Straftaten, Untersuchungshaft, Verteidigungsunfähigkeit, Verfahren vor dem Landgericht oder Oberlandesgericht).

Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit

Auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit (§ 121 Verwaltungsgerichtsordnung, VwGO) sowie in der Sozialgerichtsbarkeit (§ 73a Sozialgerichtsgesetz, SGG) finden sich Regelungen zur Beiordnung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Die Voraussetzungen ähneln denen der ZPO, wobei hier ebenfalls der Zugang zum Rechtsschutz im Vordergrund steht.


Formen und Arten der Beiordnung

Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe

Die Beiordnung erfolgt regelmäßig im Zusammenhang mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Sie ist von Amts wegen oder auf Antrag möglich. Die Auswahl der beizuordnenden Person trifft das Gericht; grundsätzlich erfolgt die Beiordnung des vom Antragsteller benannten Anwalts, soweit keine wichtigen Gründe entgegenstehen.

Pflichtverteidiger-bestellung

Im Bereich des Strafrechts erfolgt die Beiordnung häufig als Bestellung eines Pflichtverteidigers zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten in gravierenden Verfahren. Die Beiordnung erfolgt unabhängig von der finanziellen Situation und ist zwingend, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

Sonstige Beiordnungen

In weiteren Spezialgesetzen, etwa im Bereich des Betreuungsrechts (§ 276 FamFG), ist die Beiordnung eines Verfahrensbeistandes vorgesehen, welcher die Rechte minderjähriger oder schutzbedürftiger Personen im Verfahren wahren soll.


Ablauf und Verfahren der Beiordnung

Antragstellung und Zuständigkeit

Die Beiordnung erfolgt regelmäßig auf Antrag der Partei oder des Beschuldigten, kann jedoch auch von Amts wegen vorgenommen werden. Zuständig ist das Gericht, bei dem das jeweilige Verfahren anhängig ist.

Auswahl des Beizuordnenden

Dem Antragsteller steht grundsätzlich das Recht zu, einen konkreten Anwalt zur Beiordnung zu benennen (§ 121 ZPO, § 142 StPO). Das Gericht kann die Auswahl jedoch aus wichtigen Gründen ablehnen und eine andere Person beiordnen, etwa bei Interessenkonflikten oder mangelnder Eignung.

Wirkungen der Beiordnung

Mit der Beiordnung gehen verschiedene Rechte und Pflichten einher. Der beigeordnete Anwalt ist berechtigt und verpflichtet, die Partei im Verfahren umfassend zu vertreten. Im Rahmen der Prozesskosten- oder Beratungshilfe werden die Kosten für die Vertretung aus öffentlichen Mitteln getragen.


Rechtsfolgen der Beiordnung

Kostenrechtliche Auswirkungen

Die Beiordnung wirkt sich auf die Kostentragung im Verfahren aus. Bei Prozesskostenhilfe übernimmt die Staatskasse die Vergütung des beigeordneten Anwalts; im Strafprozess trägt die Kosten für die Pflichtverteidigung zunächst der Staat, kann sie aber im Falle einer Verurteilung auf den Beschuldigten überleiten.

Bindungswirkung und Aufhebung

Die Beiordnung ist bindend; eine Entpflichtung oder ein Wechsel des beigeordneten Anwalts ist nur aus zwingenden Gründen möglich, beispielsweise bei nachhaltigem Zerwürfnis zwischen Mandant und Beistand oder offenkundiger Ungeeignetheit.


Abgrenzung der Beiordnung zu verwandten Rechtsinstituten

Die Beiordnung ist von anderen Bestellungsformen abzugrenzen. Während die Bestellung zum Vertreter durch eine Partei selbst erfolgt, ist die Beiordnung eine richterliche Maßnahme. Die Beratungshilfe stellt ebenfalls eine staatliche Unterstützung dar, führt jedoch im Regelfall nicht zur förmlichen Beiordnung, sondern zur Ausstellung eines Berechtigungsscheins.


Bedeutung der Beiordnung im Lichte der Verfassung

Die Beiordnung ist ein wesentliches Instrument zur Verwirklichung des Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK, Art. 20 Abs. 3 GG) und auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG). Sie trägt dazu bei, die Waffengleichheit im Prozess zu sichern und stellt sicher, dass auch wirtschaftlich oder persönlich beeinträchtigte Parteien angemessen vertreten werden können.


Literatur und weiterführende Quellen

  • Zivilprozessordnung (ZPO)
  • Strafprozessordnung (StPO)
  • Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
  • Sozialgerichtsgesetz (SGG)
  • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)
  • Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
  • FamFG – Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Zusammenfassung:
Die Beiordnung stellt ein zentrales rechtsstaatliches Instrument zur Sicherung der Verfahrensgerechtigkeit und des Zugangs zum Recht dar. Sie ermöglicht es auch wirtschaftlich benachteiligten oder hilfsbedürftigen Personen, kompetent am Verfahren teilzunehmen und ihre Rechte uneingeschränkt wahrzunehmen. Die gesetzlichen Ausgestaltungen der Beiordnung sind vielfältig und durch zahlreiche Verfahrensgarantien geprägt, die dem Schutz der Verfahrensbeteiligten dienen.

Häufig gestellte Fragen

Wer hat Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts?

Ein Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts besteht grundsätzlich in Verfahren, in denen die Mitwirkung eines Rechtsanwalts gesetzlich vorgeschrieben ist oder aus besonderen Gründen erforderlich erscheint. Dabei unterscheidet das deutsche Verfahrensrecht je nach Verfahrensart: Im Strafverfahren haben Beschuldigte in bestimmten Fällen gemäß § 140 StPO einen Anspruch auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers, zum Beispiel bei schwerwiegenden Tatvorwürfen, drohenden hohen Freiheitsstrafen oder wenn das Verfahren vor dem Landgericht oder Oberlandesgericht geführt wird. Im Zivilrecht besteht ein Anspruch insbesondere dann, wenn der betreffende Beteiligte nach §§ 114 ff. ZPO Prozesskostenhilfe beantragt und bewilligt bekommen hat und gleichzeitig eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich ist, um die Interessen angemessen wahrnehmen zu können. In familiengerichtlichen und sozialgerichtlichen Verfahren sind ähnliche Voraussetzungen maßgeblich. Spezielle Regelungen, wie beispielsweise im Asylverfahren oder in Verfahren der einstweiligen Anordnung, kommen hinzu. Wichtig bleibt jeweils: Die Beiordnung richtet sich nach gesetzlichen Vorgaben, die sowohl den Zugang als auch den Umfang regeln.

Wie läuft das Verfahren zur Beiordnung ab?

Das Antragstellungsverfahren zur Beiordnung eines Rechtsanwalts beginnt in der Regel damit, dass der Beteiligte einen entsprechenden Antrag beim zuständigen Gericht stellt. Im Strafverfahren erfolgt dieser meist auf Vorschlag des Angeklagten, wobei das Gericht den Antrag prüft und eigenständig entscheidet, ob eine notwendige Verteidigung im Sinne des § 140 StPO vorliegt. Im Zivilverfahren wird zunächst geprüft, ob Prozesskostenhilfe nach § 114 ZPO gewährt werden kann; erst dann kommt eine Beiordnung in Betracht, sofern die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Das Gericht trifft nach summarischer Prüfung aller Voraussetzungen einen Beschluss, in dem es die Beiordnung eines bestimmten Rechtsanwalts vornimmt oder, bei fehlender Wahl, einen Anwalt bestimmt. Der Beschluss ist dem Beteiligten und dem beigeordneten Rechtsanwalt mitzuteilen. Unter Umständen ist der Beschluss anfechtbar, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht oder fehlerhaft angewendet wurden.

Kann man sich den beigeordneten Anwalt selbst auswählen?

Grundsätzlich steht es dem Anspruchsberechtigten zu, einen Rechtsanwalt seines Vertrauens zu benennen, der dann zur Beiordnung vorgeschlagen wird. Das Gericht soll diesem Antrag nach Möglichkeit entsprechen, sofern nicht gewichtige Gründe, wie beispielsweise Ablehnung des Mandats durch den Anwalt, Interessenskonflikte, mangelnde Fachkenntnisse oder andere zwingende Umstände entgegenstehen. § 142 Abs. 1 StPO bzw. § 121 ZPO geben hierbei den Rechtsrahmen vor. Falls der Antragsteller keinen Rechtsanwalt vorschlägt oder der Vorgeschlagene nicht verfügbar ist, bestimmt das Gericht einen Anwalt aus der örtlichen Anwaltsliste oder nach dem Rotationsprinzip. Bei schwerwiegenden Verfahrensfehlern (beispielsweise fehlende Berücksichtigung eines berechtigten Anwaltswunsches) kann eine erneute Beiordnungsentscheidung verlangt werden.

Ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts jederzeit widerrufbar?

Die einmal erfolgte Beiordnung eines Rechtsanwalts ist grundsätzlich bindend, kann aber unter bestimmten Umständen aufgehoben oder geändert werden. Ein Widerruf ist regelmäßig möglich, wenn im Verlauf des Verfahrens die Voraussetzungen für die notwendige oder bedingte Verteidigung entfallen – beispielsweise durch Rücknahme der Anklage oder Einstellung des Verfahrens, Wegfall der Prozesskostenhilfe oder Ausscheiden des Anwalts (etwa wegen Krankheit, Tod oder Interessenkonflikten). Sowohl der Mandant als auch der Rechtsanwalt können unter Angabe gewichtiger Gründe eine Entpflichtung vom Mandat beim Gericht beantragen. Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßen Ermessen über den Antrag unter Berücksichtigung des Verfahrensfortgangs und der Rechte der Beteiligten.

Wer trägt die Kosten eines beigeordneten Rechtsanwalts?

Die Kostenübernahme für den beigeordneten Anwalt richtet sich stets nach der jeweiligen Verfahrensart und den damit verbundenen gesetzlichen Regelungen. Im Strafverfahren trägt der Staat im Falle der Pflichtverteidigung zunächst die Kosten. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens kann das Gericht dem Verurteilten jedoch die Kosten auferlegen, sofern kein Freispruch ergeht. Im Fall der Prozesskostenhilfe nach §§ 114 ff. ZPO werden die Gebühren des beigeordneten Rechtsanwalts aus der Landeskasse gezahlt, sofern der Antragsteller bedürftig ist. Sollte sich finanzielle Leistungsfähigkeit herausstellen oder der Rechtsstreit erfolgreich ausgehen, können die Kosten gegebenenfalls vom Antragsteller zurückgefordert werden. Vergleichbare Regelungen gelten in anderen Gerichtsbarkeiten mit prozessualen Sondervorschriften.

Welche Rechte und Pflichten hat der beigeordnete Rechtsanwalt?

Ein beigeordneter Rechtsanwalt ist zur sachgemäßen und pflichtgemäßen Vertretung seines Mandanten verpflichtet, so wie ein gewählter Anwalt auch. Er unterliegt dem anwaltlichen Berufsrecht und ist gehalten, die Interessen des Mandanten in vollem Umfang zu wahren. Besonderheiten ergeben sich aus der Vergütungsregelung: Der beigeordnete Anwalt erhält die gesetzlichen Gebühren und Auslagen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) aus der Staatskasse und darf vom Mandanten keine weiteren Gebühren verlangen, es sei denn, es wird ausdrücklich eine zusätzliche Vergütungsvereinbarung durch das Gericht genehmigt (bei Prozesskostenhilfe). Pflicht- und Beiordnungsanwälte müssen zudem den Fortbestand der Anspruchsvoraussetzungen im Blick behalten und dem Gericht Änderungen mitteilen. Auch die niederschwellige Kommunikation mit dem Mandanten und ordnungsgemäße Akteneinsicht sind gewährleistet.

Kann die Beiordnung auf bestimmte Verfahrensabschnitte beschränkt werden?

Ja, das Gericht kann die Beiordnung eines Rechtsanwalts auf einzelne Abschnitte des Verfahrens beschränken, wenn dies dem Gegenstand und dem Umfang der rechtlichen Vertretung entspricht. Ein typisches Beispiel ist die Beiordnung lediglich für das Hauptsacheverfahren, nicht aber für das einstweilige Rechtsschutzverfahren oder nur für einzelne Instanzen. Die Beschränkung erfolgt im gerichtlichen Beschluss und richtet sowohl den zeitlichen als auch sachlichen Geltungsbereich der Beiordnung ein. Dabei wird stets geprüft, ob die Rechte der Beteiligten dennoch umfassend gewahrt werden. Ein Erweiterungsantrag ist möglich, sollte während des weiteren Verlaufs eine umfassendere Verteidigung oder Vertretung notwendig werden.