Befreiung von der Zuzahlung: Bedeutung und Einordnung
Die Befreiung von der Zuzahlung bezeichnet die gesetzlich vorgesehene Begrenzung der finanziellen Eigenbeteiligungen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Wer innerhalb eines Kalenderjahres eine bestimmte individuelle Belastungsgrenze erreicht, muss für den Rest dieses Jahres keine gesetzlichen Zuzahlungen mehr leisten. Die Befreiung umfasst nur die gesetzlich geregelten Zuzahlungen für bestimmte Leistungen und gilt grundsätzlich im System der gesetzlichen Krankenversicherung.
Rechtscharakter und Systematik
Die Befreiung ist Ausdruck des Solidarprinzips: Eigenbeteiligungen sollen Belastungen steuern, jedoch durch eine zumutbare Belastungsgrenze begrenzt werden. Wird diese Grenze erreicht, entsteht ein Anspruch darauf, von weiteren Zuzahlungen im laufenden Kalenderjahr ausgenommen zu sein. Die Feststellung erfolgt durch die zuständige Krankenkasse und wirkt ab Anerkennung bis zum Jahresende. Maßgeblich sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten und der mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen.
Zuzahlungspflicht im Überblick
Typische Leistungen mit Zuzahlung
- Arzneimittel und Verbandmittel (Eigenbeteiligung innerhalb gesetzlicher Grenzen)
- Heilmittel (z. B. Physiotherapie, Ergotherapie) und häusliche Krankenpflege
- Hilfsmittel (z. B. Gehhilfen), soweit eine gesetzliche Zuzahlung vorgesehen ist
- Krankenhausbehandlung (tägliche Zuzahlung für einen begrenzten Zeitraum)
- Medizinische Rehabilitation
- Fahrkosten in medizinisch begründeten Fällen (pro Fahrt in gesetzlichem Rahmen)
Personenkreis mit Zuzahlungspflicht
Grundsätzlich sind Versicherte ab Vollendung des 18. Lebensjahres zu Zuzahlungen verpflichtet. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind in weiten Bereichen von Zuzahlungen ausgenommen. Für familienversicherte Angehörige gelten die Zuzahlungsregeln entsprechend; sie werden bei der Ermittlung der Belastungsgrenze gemeinsam mit dem Mitglied betrachtet.
Leistungen ohne Zuzahlung bzw. nicht anrechenbar
- Präventions- und Vorsorgeleistungen sowie Schutzimpfungen, soweit sie ohne Eigenbeteiligung vorgesehen sind
- Wahlleistungen wie Einbettzimmer oder besondere ärztliche Wahlleistungen
- Individuelle Gesundheitsleistungen außerhalb des Leistungskatalogs
- Eigenanteile beim Zahnersatz (Festzuschuss-System) und andere zahnärztliche Mehrleistungen
- Aufzahlungen für Komfort- oder Markenprodukte, die über die medizinische Standardversorgung hinausgehen
Solche Zahlungen sind keine gesetzlichen Zuzahlungen und werden nicht auf die Belastungsgrenze angerechnet.
Voraussetzungen der Befreiung und Berechnung
Belastungsgrenze
Die Belastungsgrenze ist der maximale Betrag, der einem Versicherten und seiner Bedarfsgemeinschaft innerhalb eines Kalenderjahres an Zuzahlungen zugemutet wird. Grundlage ist das jährliche Bruttoeinkommen der im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen, vermindert um pauschale Freibeträge für bestimmte Angehörige. Regelmäßig beträgt die Belastungsgrenze einen prozentualen Anteil dieses bereinigten Einkommens. Für Personen mit bestimmten dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen kann eine niedrigere prozentuale Grenze gelten, wenn besondere Voraussetzungen erfüllt sind.
Anrechenbare Zahlungen
Angerechnet werden ausschließlich gesetzliche Zuzahlungen zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, die im betreffenden Kalenderjahr tatsächlich geleistet wurden. Zahlungen familienversicherter Angehöriger im selben Haushalt fließen in die gemeinsame Grenze ein. Nicht angerechnet werden Eigenbeteiligungen außerhalb der gesetzlichen Zuzahlungssystematik, Wahlleistungen und Aufzahlungen für über die Regelversorgung hinausgehende Produkte oder Leistungen.
Wirkung und Dauer der Befreiung
Ist die Belastungsgrenze erreicht und die Befreiung festgestellt, sind für den Rest des Kalenderjahres keine gesetzlichen Zuzahlungen mehr zu leisten. Die Befreiung gilt für die versicherte Person und kann, sofern die Berechnung auf eine Bedarfsgemeinschaft abstellt, auch die familienversicherten Angehörigen erfassen. Zu Jahresbeginn beginnt die Zuzahlungspflicht erneut; die Befreiung wird nicht automatisch in das nächste Kalenderjahr übertragen.
Sonderkonstellationen
- Chronische Krankheiten: Für bestimmte chronisch erkrankte Personen ist eine abgesenkte Belastungsgrenze vorgesehen, wenn die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
- Kassenwechsel: Die Befreiung ist an die jeweilige Krankenkasse gebunden; bei Wechsel können bereits geleistete Zuzahlungen im Kalenderjahr rechtlich bedeutsam sein, wenn sie nachweisbar sind.
- Private Krankenversicherung: Die dargestellte Befreiung betrifft das System der gesetzlichen Krankenversicherung; in der privaten Krankenversicherung gelten andere vertragliche und tarifliche Regelungen.
Abgrenzungen
Die Befreiung von der Zuzahlung ist nicht zu verwechseln mit der Befreiung von der Versicherungspflicht oder mit einkommensunabhängigen Beitragsvergünstigungen. Ebenso sind Eigenanteile in Bereichen mit gesonderter Finanzierungslogik, insbesondere beim Zahnersatz, sowie Entgelte für Wahlleistungen keine gesetzlichen Zuzahlungen und fallen nicht unter die Befreiungssystematik.
Rechtsfolgen bei Überschreiten der Grenze und Erstattung
Werden Zuzahlungen über die individuelle Belastungsgrenze hinaus erbracht, besteht ein Anspruch darauf, für den verbleibenden Zeitraum des Kalenderjahres von weiteren Zuzahlungen ausgenommen zu sein. Bereits geleistete, übersteigende Beträge können grundsätzlich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben erstattungsfähig sein, soweit es sich um anrechenbare Zuzahlungen handelt und die Nachweise den formalen Anforderungen entsprechen.
Nachweis und Dokumentation
Die Feststellung der Befreiung erfolgt durch die Krankenkasse auf Grundlage geeigneter Nachweise zu Einkommen, Haushaltskonstellation und geleisteten Zuzahlungen. Als Beleg für die Befreiung dient regelmäßig ein Bescheid oder ein Befreiungsnachweis, der gegenüber Leistungserbringern verwendet werden kann. Die Befreiung bezieht sich ausschließlich auf gesetzliche Zuzahlungen und nicht auf Zahlungen außerhalb des gesetzlichen Leistungskatalogs.
Häufig gestellte Fragen
Gilt die Befreiung rückwirkend, wenn die Belastungsgrenze überschritten wurde?
Die Befreiung wirkt ab Feststellung für den Rest des Kalenderjahres. Zuviel gezahlte, anrechenbare Zuzahlungen oberhalb der Belastungsgrenze können im gesetzlichen Rahmen erstattungsfähig sein, sofern die Voraussetzungen vorliegen.
Erfasst die Befreiung auch familienversicherte Angehörige?
Ja, die Berechnung der Belastungsgrenze erfolgt für die Bedarfsgemeinschaft. Wird die Grenze erreicht, kann die Befreiung die familienversicherten Angehörigen im selben Haushalt mitumfassen.
Welche Zahlungen werden auf die Belastungsgrenze angerechnet?
Anrechenbar sind nur gesetzliche Zuzahlungen zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung innerhalb des Kalenderjahres, zum Beispiel bei Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, medizinischer Rehabilitation und medizinisch veranlassten Fahrkosten.
Zählen Zahnersatz-Eigenanteile oder Wahlleistungen zur Belastungsgrenze?
Nein. Eigenanteile beim Zahnersatz (Festzuschuss-System), Wahlleistungen im Krankenhaus und Aufzahlungen für Komfort- oder Zusatzleistungen gehören nicht zu den gesetzlichen Zuzahlungen und werden nicht angerechnet.
Wie wirkt sich ein Kassenwechsel im laufenden Jahr aus?
Die Befreiung ist kassenbezogen. Geleistete, anrechenbare Zuzahlungen im selben Kalenderjahr bleiben rechtlich relevant, wenn sie nachweisbar sind. Die konkrete Anrechnung erfolgt im Rahmen der Zuständigkeit der jeweiligen Krankenkasse.
Gibt es eine reduzierte Belastungsgrenze bei chronischen Erkrankungen?
Für bestimmte chronisch erkrankte Personen ist eine abgesenkte Belastungsgrenze vorgesehen. Entscheidend ist, dass die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen erfüllt sind und die Einstufung entsprechend festgestellt wird.
Gilt die Befreiung auch in der sozialen Pflegeversicherung?
Die hier dargestellte Befreiung bezieht sich auf gesetzliche Zuzahlungen in der Krankenversicherung. In der sozialen Pflegeversicherung gelten eigenständige finanzielle Beteiligungsregeln, die nicht von der Befreiung in der Krankenversicherung erfasst werden.