Legal Lexikon

Auswanderung


Begriff und rechtliche Grundlagen der Auswanderung

Der Begriff Auswanderung bezeichnet den dauerhaften oder langfristigen Wegzug natürlicher Personen aus ihrem Herkunftsstaat in einen anderen Staat mit dem Ziel, dort dauerhaft oder für einen erheblichen Zeitraum zu leben und/oder zu arbeiten. Auswanderung kann individuelle oder familiäre Gründe haben und betrifft verschiedene Rechtsgebiete, darunter das Staatsangehörigkeitsrecht, das Aufenthaltsrecht, das Sozialversicherungsrecht, das Steuerrecht sowie diverse internationale Abkommen. Die rechtliche Behandlung und die Folgen einer Auswanderung sind je nach Herkunftsstaat und Zielstaat unterschiedlich geregelt.

Historische Entwicklung des Auswanderungsrechts

Die rechtlichen Bestimmungen zur Auswanderung haben sich seit dem 19. Jahrhundert erheblich weiterentwickelt. Die zuvor in vielen Staaten bestehenden Auswanderungsverbote wurden nach und nach aufgehoben. Im modernen Recht gilt grundsätzlich das Recht auf Freizügigkeit und Ausreise eines jeden Individuums, das jedoch unter Umständen Einschränkungen unterliegt.

Recht auf Auswanderung und Freizügigkeit

Verankerung im nationalen und internationalen Recht

Das Recht auf Auswanderung ist in zahlreichen internationalen Übereinkommen sowie in nationalen Verfassungen verankert:

  • Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR), Art. 13 Abs. 2: „Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.“
  • Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR), Art. 12.
  • Art. 16 Abs. 2 Grundgesetz (Deutschland): Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden.
  • Art. 12 Abs. 1 GG: Freizügigkeit innerhalb Deutschlands; die Auswanderung ist hiervon abgeleitet.

In der Europäischen Union ist das Recht auf Auswanderung durch die Dienstleistungs- und Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie die Niederlassungsfreiheit flankiert.

Einschränkungen des Auswanderungsrechts

Das Recht auf Ausreise und Auswanderung ist nicht absolut. Einschränkungen können beispielsweise bestehen bei:

  • Offenen Strafverfahren oder Strafen: Ausreiseverbote können erlassen werden.
  • Militärdienstpflicht oder andere staatsbürgerliche Pflichten: Temporäre Beschränkungen sind möglich.
  • Schutz der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung: Gesetzliche Grundlagen bestehen national und europarechtlich.

Auswanderungsvorgang: Rechtsfolgen und behördliche Verfahren

Abmeldung und Meldepflichten

Bei einem Wohnsitzwechsel ins Ausland besteht in vielen Staaten die Pflicht zur Abmeldung beim zuständigen Einwohnermeldeamt. In Deutschland ist die Abmeldung spätestens zwei Wochen nach dem Auszug erforderlich. Die Verletzung dieser Pflicht kann ordnungswidrigkeitsrechtliche Folgen haben.

Pass- und Ausweispapiere

Für die Auswanderung ist ein gültiger Reisepass oder Personalausweis erforderlich. Reisepässe müssen vor Ausreise beantragt oder verlängert werden. Nachträgliche Änderungen, wie etwa Namensänderungen, müssen auch nach Auswanderung der Passbehörde gemeldet werden.

Visum und Aufenthaltserlaubnis im Zielland

Ob und welche rechtlichen Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt im Zielland notwendig sind – etwa Visa, Aufenthaltstitel, Arbeitserlaubnisse oder Rückkehrnachweise -, ist abhängig von den jeweiligen Bestimmungen des Staates. Die Einhaltung der fremdenpolizeilichen Vorschriften ist zwingend erforderlich. Verstöße können zu Abschiebungen und Einreiseverboten führen.

Staatsangehörigkeit

Beibehaltung oder Aufgabe der Staatsbürgerschaft

Der Erwerb einer neuen Staatsangehörigkeit im Auswanderungsland oder die Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit ist ein bedeutender rechtlicher Aspekt. In Deutschland regelt das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG), unter welchen Voraussetzungen die deutsche Staatsangehörigkeit behalten oder aufgegeben werden darf. Hier ist vorrangig der Antrag auf Beibehaltungsbescheinigung relevant, wenn die Annahme einer ausländischen Staatsangehörigkeit ohne Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gewünscht ist. Grundsätzlich entsteht mit Auswanderung kein automatischer Verlust der ursprünglichen Staatsangehörigkeit.

Verlust der Staatsangehörigkeit

Der Verlust der Staatsangehörigkeit kann eintreten, wenn explizit die Aufgabe dieser beantragt wird oder bestimmte gesetzlich geregelte Umstände (z. B. Eintritt in fremde Streitkräfte) eintreten.

Steuerliche Auswirkungen der Auswanderung

Bereits bei der Planung einer Auswanderung sind umfangreiche steuerliche Folgen zu bedenken:

  • Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht: Mit Aufgabe des Wohnsitzes in Deutschland endet in der Regel die unbeschränkte Steuerpflicht. Dies ist dem Finanzamt zu melden (Steuerabmeldung).
  • Wegzugsbesteuerung: Bei übertragbaren Anteilen an Kapitalgesellschaften (Anteile >1 % an Kapitalgesellschaften im Privatvermögen) ist § 6 AStG (Außensteuergesetz) zu beachten.
  • Doppelbesteuerungsabkommen (DBA): Diese regeln die Besteuerungsrechte zwischen Ursprung- und Zielstaat.
  • Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht: Auch nach Wegzug können Tatbestände bestehen bleiben, bei denen Steuerpflichten erhalten bleiben.

Sozialversicherungsrecht

Mit dem Wohnsitzwechsel ins Ausland können Ansprüche auf Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung betroffen sein:

  • Rentenansprüche: Unter gewissen Voraussetzungen ist auch eine Zahlung ins Ausland möglich. Die Meldung an den Versicherungsträger ist zwingend.
  • Krankenversicherungsschutz: Mit dauerhaftem Wegzug endet grundsätzlich die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Ein Krankenversicherungsschutz im Ausland ist selbstständig zu organisieren.
  • Arbeitslosenversicherung: Ein Anspruch auf deutsche Leistungen bei Arbeitslosigkeit besteht nur unter Einschränkungen beim Auslandsaufenthalt.

Meldung im Ausland und konsularischer Schutz

Ausgewanderte sind im Ausland dazu verpflichtet, sich bei den dortigen Behörden anzumelden und für Aufenthaltstitel zu sorgen.

Die Registrierung bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung ermöglicht Zugang zu konsularischem Schutz, wie Passausstellung, Beurkundungen und Unterstützung in Notsituationen. Hierbei ist der Datenschutz und die freiwillige Registrierung zu beachten.

Pflichten und Rechtsfolgen nach der Auswanderung

Mitwirkungspflichten und Ordnungswidrigkeiten

Unvollständige oder unterlassene Meldungen, ausstehende steuerliche Erklärungen oder Verstöße gegen Passpflichten können zu Ordnungswidrigkeiten oder Sanktionen führen. Bei aktiven Verfahren (etwa im Strafprozess) können Ausreich- und Auswanderungsverbote ausgesprochen werden.

Unterhaltspflichten und familienrechtliche Folgen

Die Auswanderung hebt familienrechtliche Unterhaltspflichten nicht auf. Für Unterhaltsforderungen aus Deutschland kann das Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung von Unterhaltsforderungen maßgeblich sein. Das deutsche Zivilrecht und völkerrechtliche Verträge regeln die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln im Ausland.

Mitnahme von Vermögen und Exportkontrollrecht

Die Mitnahme von größeren Beträgen an Bargeld oder von Kulturgütern kann exportkontrollrechtlichen und zollrechtlichen Beschränkungen unterliegen. Besonders Kulturgüter unterliegen zusätzlich dem Kulturschutzgesetz, welches Ausfuhrgenehmigungen erforderlich machen kann.

Relevante internationale Abkommen und europarechtliche Regelungen

  • Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
  • Haager Übereinkommen betreffend die Rückführung von Unterhaltsberechtigten
  • Verordnungen (EG) Nrn. 883/2004 und 987/2009 (Sozialversicherungskoordination in der EU)
  • Doppelbesteuerungsabkommen

Fazit

Die Auswanderung stellt einen vielschichtigen Vorgang mit weitreichenden rechtlichen Folgen dar. Neben dem Grundrecht auf Freizügigkeit sind zahlreiche Gesetze und internationale Übereinkommen zu beachten, die insbesondere im Staatsangehörigkeitsrecht, Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht und Familienrecht zu komplexen Folgefragen führen können. Konkrete Anforderungen variieren dabei je nach Herkunfts- und Zielland sowie der individuellen Lebenssituation. Umfangreiche Information und rechtzeitige Klärung aller relevanten rechtlichen Belange sind daher essenziell für einen rechtssicheren Auswanderungsvorgang.

Häufig gestellte Fragen

Muss ich mich bei einer Auswanderung in Deutschland offiziell abmelden?

Bei einer Auswanderung ist es nach deutschem Melderecht erforderlich, sich bei der zuständigen Meldebehörde (i.d.R. das Einwohnermeldeamt) abzumelden, sobald der Wohnsitz in Deutschland vollständig aufgegeben wird. Die Abmeldung muss innerhalb von zwei Wochen nach dem Auszug erfolgen, kann aber frühestens eine Woche vor dem Auszug vorgenommen werden. Für die Abmeldung ist das persönliche Erscheinen oder die Vorlage einer schriftlichen Abmeldebestätigung notwendig. In der Abmeldebescheinigung müssen das genaue Auszugsdatum und die neue ausländische Adresse angegeben werden, sofern bereits bekannt. Wird dieser Pflicht nicht nachgekommen, können Bußgelder verhängt werden. Die Abmeldebestätigung ist für zahlreiche weitere Vorgänge (z.B. Steuerpflicht, Sozialversicherung, Rentenzahlung) relevant und sollte gut aufbewahrt werden.

Was passiert mit meiner Steuerpflicht nach der Auswanderung?

Mit der Aufgabe des Wohnsitzes in Deutschland endet grundsätzlich auch die unbeschränkte Steuerpflicht, sofern kein gewöhnlicher Aufenthalt mehr besteht und keine inländischen Einkünfte erzielt werden. Dennoch kann eine beschränkte Steuerpflicht für bestimmte inländische Einkünfte (z.B. aus Vermietung, Kapitalvermögen oder weiterhin betriebenem Gewerbe) bestehen bleiben. Es ist empfehlenswert, das Finanzamt rechtzeitig über den Wegzug zu informieren und eine sogenannte „Wegzugsbesteuerung“ zu prüfen, insbesondere bei Anteilen an Kapitalgesellschaften über 1 %. Die Steuerpflicht im neuen Wohnsitzstaat richtet sich nach dessen nationalem Recht sowie bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen, die eine Besteuerung derselben Einkünfte in beiden Ländern vermeiden sollen.

Welche Auswirkungen hat die Auswanderung auf meine Krankenversicherung?

Mit der Abmeldung aus Deutschland endet in der Regel die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Es empfiehlt sich, die Krankenversicherung rechtzeitig über den geplanten Wohnsitzwechsel zu informieren. Für Rentner, ehemalige Arbeitnehmer oder Selbständige gelten unterschiedliche rechtliche Bestimmungen hinsichtlich einer etwaigen Weiterversicherung oder eines Anspruchs auf eine freiwillige Versicherung. Auch wer privat krankenversichert ist, sollte seinen Versicherer informieren, da viele Tarifbedingungen eine Gültigkeit im Ausland nur für einen begrenzten Zeitraum vorsehen. In zahlreichen Fällen wird der Nachweis einer Krankenversicherung im neuen Aufenthaltsstaat verlangt.

Was passiert mit meinem deutschen Rentenanspruch nach der Auswanderung?

Die Auswanderung beeinflusst die Rentenansprüche nicht grundsätzlich – erworbene gesetzliche Rentenansprüche bleiben erhalten. Die Zahlung ins Ausland ist jedoch von bilateralen Sozialversicherungsabkommen abhängig. Innerhalb der EU/EWR und mit vielen anderen Staaten bestehen Abkommen, nach denen die deutsche Rente regelmäßig auch im Ausland gezahlt wird. Es müssen aber Meldepflichten (z.B. jährliche Lebensbescheinigung) gegenüber der Deutschen Rentenversicherung eingehalten werden. Zudem kann der Bezug im Ausland zu steuerlichen Konsequenzen führen, da die Rente grundsätzlich weiterhin der Besteuerung in Deutschland unterliegt.

Kann ich meine deutsche Staatsangehörigkeit bei Auswanderung verlieren?

Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ist an bestimmte gesetzlich geregelte Voraussetzungen gebunden (§ 17 ff. StAG). Die Auswanderung allein führt nicht zu einem Verlust der Staatsangehörigkeit. Ein Verlust kann jedoch eintreten, wenn eine andere Staatsangehörigkeit angenommen wird, ohne zuvor eine Beibehaltungsgenehmigung nach § 25 StAG zu beantragen. Für EU-Mitgliedstaaten und die Schweiz gibt es hier Ausnahmen, und die Mehrstaatigkeit wird in der Regel anerkannt. Es ist ratsam, sich rechtzeitig bei der zuständigen Staatsangehörigkeitsbehörde zu informieren.

Welche rechtlichen Folgen hat eine Auswanderung für bestehende Verträge in Deutschland?

Die Auswanderung hebt bestehende zivilrechtliche Verträge (z. B. Mietverträge, Versicherungen, Abonnements) nicht automatisch auf. Sie bleiben grundsätzlich weiterhin gültig, sofern sie nicht ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden. Es ist ratsam, die jeweiligen Vertragsbedingungen und Kündigungsfristen zu prüfen und bestehende Verpflichtungen zu erfüllen oder zu beenden. In einigen Fällen (z. B. bei Sozialversicherungen) besteht ein Sonderkündigungsrecht beim dauerhaften Wegzug ins Ausland. Verbleibende Forderungen können deutschen Gerichten unterliegen und im europäischen Ausland ggf. mithilfe des europäischen Mahnverfahrens durchgesetzt werden.

Muss ich nach der Auswanderung weiterhin in Deutschland Steuern abgeben?

Nach der endgültigen Aufgabe des Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthalts besteht in Deutschland nur noch eine beschränkte Steuerpflicht bezüglich Einkünften aus deutschen Quellen. Dazu zählen u. a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Gewinne aus inländischen Betrieben sowie bestimmte Zinserträge. Auch wenn keine Steuererklärung mehr als unbeschränkt Steuerpflichtiger abzugeben ist, kann dennoch eine Steuererklärung hinsichtlich dieser Einkünfte erforderlich bleiben. Die Besteuerung unterliegt dabei im Einzelfall dem jeweils gültigen Doppelbesteuerungsabkommen mit dem neuen Heimatstaat. Bei Unsicherheiten empfiehlt sich die Konsultation eines Steuerberaters.