Legal Lexikon

Auswärtige Gewalt


Begriff und Grundlagen der Auswärtigen Gewalt

Die Auswärtige Gewalt ist ein zentrales Element des Staatsrechts und beschreibt das staatliche Handeln und die Befugnisse in den Außenbeziehungen eines Staates. In der deutschen Rechtsordnung umfasst sie insbesondere die Vertretung des Staates nach außen, die Führung der auswärtigen Beziehungen sowie den Abschluss völkerrechtlicher Verträge. Sie steht im Gegensatz zur innerstaatlichen (inneren) Gewalt und wird im Rahmen der Gewaltenteilung eigenständig wahrgenommen.

Die rechtliche Ausgestaltung, Ausübung und Begrenzung der Auswärtigen Gewalt sind für das Verhältnis Deutschlands zu anderen Staaten, internationalen Organisationen und im Rahmen des Völkerrechts von grundlegender Bedeutung.


Verfassungsrechtlicher Rahmen der Auswärtigen Gewalt

Verankerung im Grundgesetz

Die Auswärtige Gewalt ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hauptsächlich in den Artikeln 32 und 59 geregelt. Artikel 32 GG regelt die auswärtigen Beziehungen des Bundes, während Artikel 59 Abs. 1 GG dem Bundespräsidenten die Vertretung des Bundes völkerrechtlich überträgt.

Art. 32 GG:

  • Die Pflege der auswärtigen Beziehungen ist Sache des Bundes.
  • Die Länder dürfen nur handeln, soweit ihnen Gesetz oder Verfassung dies gestatten.
  • Der Bund achtet auf Mitwirkung der Länder bei Angelegenheiten, die deren besondere Interessen berühren.

Art. 59 GG:

  • Der Bundespräsident schließt im Namen des Bundes völkerrechtliche Verträge ab.
  • Verträge, die die politische Beziehungen des Bundes regeln oder Gesetze erfordern, bedürfen der Zustimmung durch ein entsprechendes Gesetz.

Gewaltenteilung und Zuständigkeiten

Die Auswärtige Gewalt ist eigenständiger Bestandteil der Staatsgewalt neben Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Ihre Ausübung liegt im Verantwortungsbereich des Bundes, wobei die wichtigsten handelnden Organe das Bundespräsidialamt, die Bundesregierung und das Auswärtige Amt sind.


Organe und Ausübung der Auswärtigen Gewalt

Bundespräsident

Nach Artikel 59 Abs. 1 GG obliegt dem Bundespräsidenten die völkerrechtliche Vertretung der Bundesrepublik Deutschland. Er schließt im Namen des Bundes Verträge mit anderen Staaten ab und beglaubigt sowie empfängt Botschafter. Seine Rolle ist dabei vorwiegend repräsentativ und formell. Die inhaltliche und faktische Ausgestaltung der Beziehungen obliegt der Bundesregierung.

Bundesregierung und Auswärtiges Amt

Die Bundesregierung (insbesondere der Bundeskanzler sowie der Bundesminister des Auswärtigen) trägt die politische Verantwortung für die Gestaltung und Durchführung der auswärtigen Beziehungen. Sie führt die Verhandlungen über internationale Verträge, pflegt diplomatische Beziehungen und gestaltet die Außenpolitik. Das Auswärtige Amt ist die zentrale Behörde für alle Angelegenheiten der Auswärtigen Gewalt und verfügt über das diplomatische Service- und Informationenetz im Ausland (Botschaften, Konsulate).

Bundestag und Bundesrat

Durch Artikel 59 Abs. 2 GG ist der Bundestag (und soweit erforderlich auch der Bundesrat) an der Auswärtigen Gewalt beteiligt, wenn es um den Abschluss völkerrechtlicher Verträge geht, die die politische Beziehungen des Bundes regeln oder Gesetzgebungskompetenz betreffen. Die Ratifizierung solcher Verträge erfolgt grundsätzlich durch ein Zustimmungsgesetz.


Rechtsquellen und Rechtsgrundlagen

Grundgesetz und Innerstaatliches Recht

Das Grundgesetz ist die zentrale verfassungsrechtliche Grundlage der Auswärtigen Gewalt. Ergänzend gelten einfachgesetzliche Bestimmungen wie das Gesetz über die konsularischen Vertretungen und das Gesetz über den Auswärtigen Dienst.

Völkerrechtliche Vorgaben

Die Auswärtige Gewalt ist maßgeblich durch das Völkerrecht geprägt. Maßgebliche völkerrechtliche Prinzipien wie das Gewaltverbot, das Interventionsverbot, der diplomatische und konsularische Verkehr sowie die souveräne Gleichheit der Staaten begrenzen auch das außenpolitische Handeln Deutschlands.


Funktionale Elemente der Auswärtigen Gewalt

Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen

Ein zentrales Element der Auswärtigen Gewalt ist der Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen (z.B. internationale Abkommen, Staatsverträge). Die Bundesregierung führt hierzu die Verhandlungen; der Bundespräsident schließt die Verträge formell ab, im innerstaatlichen Bereich bedürfen sie einer Zustimmung des Parlaments, wenn sie gesetzes- oder verfassungsändernd wirken.

Diplomatische Beziehungen und Vertretungen

Im Rahmen der Auswärtigen Gewalt pflegt die Bundesregierung diplomatische Beziehungen, entsendet Vertreter und empfängt ausländische Diplomaten. Dies umfasst auch Immunitätsregelungen, diplomatische Protokolle und die Wahrnehmung konsularischer Aufgaben.

Mitwirkung der Länder

Die Länder dürfen im Rahmen der ihnen zugewiesenen Kompetenzen an der Auswärtigen Gewalt mitwirken, etwa durch kulturbezogene oder wirtschaftliche Beziehungen. Allerdings bleibt die Leitung und Verantwortlichkeit insgesamt beim Bund.


Beschränkungen und Kontrolle

Völkerrechtliche Bindungen

Das Handeln im Bereich der Auswärtigen Gewalt ist an das Völkerrecht gebunden. Verstöße können internationale Sanktionen und Haftung nach sich ziehen. Internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen und die Europäische Union setzen zudem verbindliche Rahmenbedingungen.

Parlamentarische Kontrolle

Die Auswärtige Gewalt unterliegt der parlamentarischen Kontrolle. Der Bundestag kann die Bundesregierung zu Berichten und Auskünften verpflichten und im Rahmen der Zustimmungsgesetze über Verträge entscheiden. Öffentliche und parlamentarische Kontrolle dienen der Sicherung demokratischer Legitimierung der Außenpolitik.


Auswärtige Gewalt im internationalen und europäischen Kontext

Mitgliedschaft und Mitwirkung in internationalen Organisationen

Die Auswärtige Gewalt umfasst die Mitgliedschaft und Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen, der Europäischen Union, der NATO oder der WTO. Dabei sind spezifische völkerrechtliche und europarechtliche Vorgaben zu beachten.

Europäisches Unionsrecht

Im Rahmen der Europäischen Union gelten besondere Regeln für die Ausübung der Auswärtigen Gewalt. Zahlreiche Befugnisse der Außenvertretung sind auf die Union übergegangen oder werden koordiniert wahrgenommen. Der Bund wie die Länder sind an das EU-Recht gebunden.


Bedeutung und Entwicklungen

Die Auswärtige Gewalt ist für das Bestehen und die Handlungsfähigkeit eines Staates im internationalen Kontext von grundlegender Bedeutung. Sie sichert die Vertretung deutscher Interessen, die Kooperation sowie die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen.

Mit der fortschreitenden Internationalisierung und Europäisierung rechtlicher und politischer Prozesse gewinnen Fragen der Ausgestaltung, Kontrolle und Begrenzung der Auswärtigen Gewalt beständig an Bedeutung. Aktuelle Themen wie Sicherheitspolitik, internationale Wirtschaftsbeziehungen, Klimadiplomatie oder digitalisierte Außenpolitik stellen kontinuierlich neue Herausforderungen an die Auswärtige Gewalt.


Literaturhinweise

  • Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberger Kommentar, Band VII: Auswärtige Gewalt
  • Ipsen, Knut: Völkerrecht, 7. Auflage, München 2018.
  • Durner, Wolfgang: Staatsrecht II, 11. Auflage, München 2020.

Schlagworte: Auswärtige Gewalt, Staatsrecht, Völkerrecht, Grundgesetz, Außenpolitik, Bundespräsident, Bundesregierung, Diplomatische Beziehungen, völkerrechtliche Verträge, Mitwirkung der Länder, Europäische Union

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit von „auswärtiger Gewalt“ im Sinne des deutschen Rechts gesprochen werden kann?

Im deutschen Recht, insbesondere im Haftungsrecht gemäß § 7 Abs. 2 StVG (Straßenverkehrsgesetz) oder im öffentlichen Schadenersatzrecht, wird „auswärtige Gewalt“ als ein von außen auf eine Sache oder Person einwirkendes Ereignis verstanden, das auf einer menschlichen Handlung beruht. Die rechtlichen Voraussetzungen beinhalten, dass die Einwirkung nicht aus dem Inneren des betroffenen Rechtsträgers oder Gegenstandes selbst entspringt, sondern durch das Verhalten Dritter oder von Naturereignissen, soweit diese nicht unter höhere Gewalt fallen, hervorgerufen wird. Nach der Rechtsprechung müssen dabei ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der äußeren Einwirkung und dem Schaden bestehen und die Einwirkung einen ungewöhnlichen oder nicht vorhersehbaren Charakter aufweisen. Entscheidend ist auch, dass die Auswärtigkeit der Gewalt nicht mit Eigen- oder höherer Gewalt verwechselt wird. Praxisrelevant ist dieser Begriff etwa bei Unfallschäden, bei denen eine Haftung nur dann angenommen wird, wenn der Schaden auf eine auswärtige, also von außen einwirkende Gewalt, zurückzuführen ist.

In welchen Bereichen des deutschen Haftungsrechts spielt der Begriff „auswärtige Gewalt“ eine besondere Rolle?

Der Begriff der auswärtigen Gewalt nimmt insbesondere im Bereich der Gefährdungshaftung eine zentrale Stellung ein, zum Beispiel im Straßenverkehrsrecht (§ 7 Abs. 2 StVG), im Produkthaftungsrecht sowie im öffentlichen Schadensersatzrecht (etwa im Zusammenhang mit Amtshaftung, Staatshaftung oder enteignungsgleichem Eingriff). Überdies findet er Anwendung im Bereich der Sachversicherung, beispielsweise bei der Abgrenzung von bedingungsgemäß gedeckten Schäden zu solchen, die durch innere Ursachen oder normale Abnutzung hervorgerufen werden. Das Vorliegen auswärtiger Gewalt ist häufig Voraussetzung für einen Haftungsausschluss oder umgekehrt für die Begründung einer Einstandspflicht. So kann etwa der Halter eines Fahrzeugs im Straßenverkehr von der Haftung befreit werden, wenn er nachweist, dass ein Schaden ausschließlich durch auswärtige Gewalt verursacht wurde.

Wie grenzt sich auswärtige Gewalt von höherer Gewalt im rechtlichen Kontext ab?

Im juristischen Sinne sind auswärtige Gewalt und höhere Gewalt klar voneinander abzugrenzen. Während auswärtige Gewalt jede von außen kommende Einwirkung beschreibt, kann höhere Gewalt als eine Form der auswärtigen Gewalt gesehen werden, die jedoch durch ihre Unerwartetheit, Unabwendbarkeit und Naturereignis-Charakter mit besonderer Intensität auftritt und selbst bei größter Sorgfalt nicht hätte verhindert werden können (z.B. Naturkatastrophen, Krieg, Streik). Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass nicht jede auswärtige Gewalt zugleich höhere Gewalt ist. Auswärtige Gewalt kann auch durch das Handeln Dritter erfolgen, während höhere Gewalt ausschließlich nicht beherrschbaren äußeren Einwirkungen vorbehalten ist. In Haftungs- und Versicherungsfragen ist diese Abgrenzung ausschlaggebend, da die Rechtsfolgen erheblich differieren: Während bei auswärtiger Gewalt je nach Konstellation eine Haftung möglich bleibt, kann diese bei höherer Gewalt oftmals ausgeschlossen sein.

Welche Nachweispflichten bestehen für das Vorliegen auswärtiger Gewalt vor Gericht?

Derjenige, der sich im Prozess auf auswärtige Gewalt beruft – beispielsweise zur Haftungsbefreiung gemäß § 7 Abs. 2 StVG -, trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer solchen Einwirkung. Es muss substantiiert vorgetragen und nachgewiesen werden, dass die schädigende Einwirkung ausschließlich von außen, also durch Dritte oder besondere Ereignisse, und nicht aus dem Verantwortungs- oder Risikobereich des Anspruchsgegners selbst stammt. Die Gerichte fordern hierfür regelmäßig eine präzise Darstellung der Ereignisabläufe sowie ggf. die Vorlage von Beweismitteln wie Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten oder polizeilichen Ermittlungsberichten. Nicht ausreichend sind pauschale Behauptungen, vielmehr muss der Zusammenhang zwischen auswärtiger Gewalt und Schaden nachweislich feststehen.

In welchem Zusammenhang steht auswärtige Gewalt zu Ansprüchen aus Versicherungsverträgen?

Im Versicherungsrecht, insbesondere in der Sach- und Unfallversicherung, ist das Merkmal der auswärtigen Gewalt häufig konstitutiv für den Eintritt des Versicherungsfalls. Beispielsweise erfordern viele Versicherungsbedingungen, dass ein versicherter Schaden durch ein plötzlich von außen auf die versicherte Sache einwirkendes Ereignis (auswärtige Gewalt) hervorgerufen wurde – wie etwa im Rahmen der sog. „Sturm-“ oder „Einbruchdiebstahl“-Klauseln. Die Präzisierung der auswärtigen Gewalt grenzt dabei gedeckte Schadensursachen gegen solche ab, die etwa durch normalen Verschleiß, inneren Bruch oder betriebsimmanente Fehlerursachen entstanden sind. Im Streitfall ist der Versicherungsnehmer für das Vorliegen der auswärtigen Gewalteinwirkung beweispflichtig und muss darlegen können, dass der Schaden nicht auf eigene Handlung oder unterlassene Wartung zurückzuführen ist.

Wie beurteilt die höchstrichterliche Rechtsprechung die Frage der Zurechnung bei auswärtiger Gewalt?

Die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) befasst sich regelmäßig mit der Frage, wann ein schädigendes Ereignis rechtlich als auswärtige Gewalt zu werten ist und ob diese zum Haftungsumfang des Schädigers oder Versicherers zählt. Maßgeblich ist dabei das Prinzip der objektiven Zurechnung, wonach eine Einwirkung dann zugerechnet wird, wenn sie aus dem Pflichtenkreis des Schädigers oder des Verantwortlichen stammt und eine schadensursächliche Verbindung zu dessen Verhalten besteht. Demgegenüber wird bei rein auswärtiger Gewalt, die sich dem Einflussbereich der Parteien entzieht, regelmäßig eine Zurechnung ausgeschlossen. Die Rechtsprechung nimmt zudem eine Einzelfallbetrachtung vor und berücksichtigt insbesondere die Möglichkeit der Vorhersehbarkeit und Abwendbarkeit des Ereignisses.

Welche typischen Fallgruppen für auswärtige Gewalt gibt es in der Praxis?

Typische Fallgruppen auswärtiger Gewalt umfassen Straßenverkehrsunfälle aufgrund plötzlicher Fremdeinwirkung (beispielsweise Zusammenstoß durch fremdes Fahrzeug, herabfallende Gegenstände von Brücken oder Bäumen), Schäden durch Vandalismus oder gezielte Beschädigung durch Dritte, sowie Einwirkungen durch bestimmte Naturereignisse, sofern sie nicht als höhere Gewalt zu qualifizieren sind (z. B. Steinschlag, Aquaplaning durch plötzlich auftretenden Starkregen in handelsüblichem Ausmaß). Auch Fälle von Einbruchdiebstahl oder mutwilliger Zerstörung zählen rechtlich zu auswärtiger Gewalt. Die exakte Zuordnung hängt aber stets von den Umständen des Einzelfalls ab und kann eine juristische Würdigung im Lichte der einschlägigen Rechtsprechung erforderlich machen.