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Aussiedler


Definition und Begriffserläuterung: Aussiedler

Der Begriff Aussiedler ist ein rechtlich definierter Begriff im deutschen Recht und bezeichnet Personen deutscher Abstammung, die nach dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere seit den 1950er Jahren aus den Staaten Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt sind. Der Status des Aussiedlers ist durch umfangreiche gesetzliche Regelungen insbesondere im Bundesvertriebenengesetz (BVFG) definiert. Wesentliche nachfolgende Rechtsbegriffe sind dabei auch Spätaussiedler und deren Familienangehörige.

Rechtsgrundlagen

Bundesvertriebenengesetz (BVFG)

Das Bundesvertriebenengesetz ist das zentrale Gesetz, das die Rechtsstellung deutscher Vertriebener und Aussiedler normiert. Es trat 1953 in Kraft und wurde seither mehrfach angepasst. Das BVFG unterscheidet verschiedene Gruppen deutscher Übersiedler und bildet die Rechtsgrundlage für zahlreiche Ansprüche und Rechtsfolgen.

Aussiedler gemäß § 4 BVFG

Gemäß § 4 BVFG ist Aussiedler, wer als deutscher Volkszugehöriger nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in einen Aufnahmestaat, insbesondere Deutschland, aus den osteuropäischen Staaten oder der früheren Sowjetunion übergesiedelt ist. Die Kriterien zur Anerkennung sind im Gesetz präzise geregelt.

Entwicklung des Aussiedlerbegriffs

Mit der Lockerung staatlicher Grenzen und dem Zerfall der Sowjetunion wurde der Begriff Spätaussiedler geprägt. Im rechtlichen Kontext werden oft auch frühere Rückkehrer nach Deutschland als Aussiedler bezeichnet. Die Unterscheidung zwischen „Aussiedler“ und „Spätaussiedler“ basiert auf Stichtagen und gesetzlichen Veränderungen.

Voraussetzungen für die Anerkennung als Aussiedler

Deutschstämmigkeit

Im Zentrum der rechtlichen Definition steht die deutsche Volkszugehörigkeit. Nach § 6 BVFG ist eine Person deutscher Volkszugehöriger, wenn sie sich in ihrer Heimat zum deutschen Volkstum bekannt und dies durch bestimmte Merkmale, wie Sprache, Erziehung oder Tradition, glaubhaft gemacht hat.

Zeitlicher Rahmen und Herkunftsgebiete

Der Gesetzgeber legt fest, dass ausschließlich Personen aus bestimmten Staaten und Gebieten, primär aus Osteuropa und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, als Aussiedler anerkannt werden. Maßgeblich ist ferner der Zeitpunkt der Ausreise (§ 4 Abs. 1 und 2 BVFG). Für „Spätaussiedler“ ist in § 4 Abs. 2 Satz 2 BVFG der Stichtag auf den 31. Dezember 1992 festgelegt.

Bekenntnis zum deutschen Volkstum

Ein wesentliches Element ist das persönliche Bekenntnis zum deutschen Volkstum, das in der Regel durch die Sprache, deutsche Kultur oder eintraditionelles Familienleben nachgewiesen werden muss. Behördlich wird dieser Nachweis oft über Urkunden, Zeugnisse oder eidesstattliche Erklärungen geführt.

Ausschlussgründe

Aussiedlereigenschaft wird ausgeschlossen, wenn Tatsachen bekannt sind, die dem deutschen Volkstum widersprechen oder Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum bestehen lassen (§ 5 BVFG). Auch strafrechtliche Verurteilungen oder Tätigkeiten gegen rechtsstaatliche Prinzipien können einen Ausschlussgrund darstellen.

Rechtsfolgen des Status als Aussiedler

Aufenthaltsrechtlicher Status

Aussiedler erhalten durch Aufnahme nach dem BVFG unmittelbar die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 7 BVFG in Verbindung mit Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz). Eine Einbürgerung ist daher nicht erforderlich.

Integration und Gleichstellung

Aussiedler sind deutschen Staatsangehörigen rechtlich gleichgestellt und genießen alle Grundrechte, Freizügigkeit und sozialrechtlichen Vorteile. Sie sind bestandskräftig in das Meldewesen und das Sozialversicherungssystem einzubinden.

Familienangehörige

Auch Familienangehörige sind unter bestimmten Voraussetzungen begünstigt und können nach § 8 BVFG aufgenommen werden. Hierzu zählen Ehegatten, minderjährige unverheiratete Kinder sowie weitere unterhaltsberechtigte Angehörige, sofern diese gemeinsam mit dem Aussiedler einreisen.

Historische Entwicklung und aktuelle Rechtslage

Zahlenmäßige Entwicklung

Zwischen 1950 und 2010 sind über 4,5 Millionen Aussiedler und Spätaussiedler nach Deutschland eingereist. Die Anzahl der jährlichen Neuaufnahmen ist seit Anfang der 2000er Jahre stark rückläufig, insbesondere aufgrund gesetzlicher Einschränkungen, dem Wandel des Begriffes und der Integrationspolitik.

Gegenwärtige Praxis

Aktuell ist die Aufnahme von Aussiedlern und Spätaussiedlern durch eine restriktivere Verwaltungspraxis geprägt. Die Nachweispflichten für die deutsche Volkszugehörigkeit und das Bekenntnis zum deutschen Volkstum wurden verschärft. Anträge werden zentral vom Bundesverwaltungsamt in Köln bearbeitet.

Unterschiede zwischen Vertriebenen, Übersiedlern, Aussiedlern und Spätaussiedlern

Der Unterschied zwischen diesen Begriffen besteht vor allem in den zeitlichen, rechtlichen und regionsbezogenen Definitionen:

  • Vertriebene: Personen, die infolge des Zweiten Weltkriegs aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten sowie anderen europäischen Staaten vertrieben wurden.
  • Übersiedler: Überbegriff für Personen deutscher Herkunft, die aus dem Ausland nach Deutschland zugewandert sind, unabhängig von gesetzlichen Spezialregelungen.
  • Aussiedler: Nachkriegsüberbegriff für Deutsche aus Osteuropa, die nach dem Krieg ins Bundesgebiet kamen.
  • Spätaussiedler: Personen, die nach dem 1. Januar 1993 aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und anderen osteuropäischen Staaten nach Deutschland übersiedeln möchten und einen besonderen Status nach aktueller Gesetzeslage genießen.

Schutz- und Fördermaßnahmen

Das Bundesministerium des Innern sowie nachgeordnete Behörden setzen spezielle Integrationsmaßnahmen für Aussiedler und Spätaussiedler um. Dazu zählen Sprachkurse, Eingliederungshilfen, Beratungen sowie spezielle Förderprogramme zur gesellschaftlichen und beruflichen Integration.

Literatur, Rechtsprechung und weiterführende Informationen

Wesentliche Rechtsquellen sind das Bundesvertriebenengesetz (BVFG), die Verwaltungsrichtlinien des Bundesverwaltungsamtes sowie zentrale Urteile des Bundesverwaltungsgerichts zum Status und zur Anerkennung von Aussiedlern und Spätaussiedlern.

Für vertiefende Informationen bieten sich u.a. die amtlichen Gesetzeskommentare (z.B. zum BVFG), Fachbücher zum Migrationsrecht sowie die Informationsseiten des Bundesverwaltungsamtes und des Bundesministeriums des Innern an.


Zusammenfassung

Der Begriff Aussiedler hat einen vielschichtigen und strikt geregelten rechtlichen Hintergrund im deutschen Recht. Das Bundesvertriebenengesetz und zugehörige Vorschriften bestimmen umfassend, wer als Aussiedler anerkannt wird, welche Ansprüche und Rechte resultieren und wie die Integration in die bundesdeutsche Gesellschaft abläuft. Die Rechtslage unterliegt regelmäßigen Anpassungen und sollte bei aktuellen Fragen stets anhand der derzeit gültigen gesetzlichen Regelungen geprüft werden.

Häufig gestellte Fragen

Wie erhalten Aussiedler einen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus in Deutschland?

Aussiedler im rechtlichen Sinne sind Personen deutscher Volkszugehörigkeit, die vor 1993 insbesondere aus den Staaten des ehemaligen Ostblocks und der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland übergesiedelt sind. Ihr rechtmäßiger Aufenthaltsstatus basiert auf dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Um als Aussiedler anerkannt zu werden, müssen Betroffene beim Bundesverwaltungsamt einen entsprechenden Antrag stellen und die Erfüllung der Voraussetzungen – insbesondere Nachweise über deutsche Volkszugehörigkeit, Verfolgung oder Benachteiligung sowie einen dauerhaften Aufenthalt im Herkunftsgebiet – erbringen. Nach positiver Feststellung erhalten sie die Rechtsstellung eines deutschen Staatsangehörigen mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten. Das Verfahren schließt oftmals, aber nicht zwingend, die Erteilung eines Aufnahme- und eines Einreisebescheides ein.

Welche Rechte und Pflichten haben Aussiedler nach ihrer Anerkennung?

Nach erfolgreicher Anerkennung nach dem BVFG erhalten Aussiedler automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit und damit unbeschränkte Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet. Sie sind deutschen Staatsbürgern vollständig gleichgestellt und haben Zugang zu Sozialleistungen, Bildungseinrichtungen, Arbeitsmarkt sowie politischen Mitbestimmungsrechten. Zudem sind sie grundsätzlich zur Anmeldung ihres Wohnsitzes verpflichtet und unterliegen deutschen Steuergesetzen und Versicherungspflichten. Zu den spezifischen Pflichten zählen beispielsweise die Einhaltung der gesetzlichen Aufenthaltsbestimmungen und gegebenenfalls die Teilnahme an Integrationskursen gemäß Aufenthaltsgesetz.

Welche Besonderheiten gelten bei der Familienzusammenführung von Aussiedlern?

Das BVFG ermöglicht es Aussiedlern, unter bestimmten Bedingungen ihre nahen Angehörigen – insbesondere Ehepartner und minderjährige Kinder – im Wege des Familiennachzugs mit nach Deutschland zu bringen. Die rechtlichen Voraussetzungen sind jedoch streng geregelt: Ausschlaggebend ist, dass der Nachzugswillige ebenfalls die Eigenschaften eines Spätaussiedlers besitzt oder beim Bundesverwaltungsamt als Angehöriger angemeldet und anerkannt wurde. Der Nachzug von volljährigen Kindern und anderen Verwandten ist nur unter engen Voraussetzungen möglich. Für alle Personen gelten die Anforderungen an den Nachweis von Abstammung, Sprachkenntnissen und dem Aufenthalt im Herkunftsgebiet.

Inwiefern unterscheidet sich die Rechtsstellung von Spätaussiedlern zu Asylbewerbern?

Spätaussiedler, anders als Asylbewerber, erhalten mit ihrer Aufnahme in Deutschland unmittelbar die deutsche Staatsangehörigkeit und damit alle Rechte und Pflichten eines Deutschen. Asylbewerber durchlaufen hingegen ein gesondertes Anerkennungsverfahren nach dem Asylgesetz, das bei erfolgreichem Ausgang lediglich zu einem Aufenthaltsrecht, aber nicht automatisch zur Staatsangehörigkeit führt. Spätaussiedler unterliegen nicht denselben Einschränkungen hinsichtlich Zugang zum Arbeitsmarkt oder der Wohnsitznahme wie Asylbewerber und sind nicht von der Erteilung befristeter Aufenthaltstitel abhängig.

Welche rechtlichen Konsequenzen hat eine Falschangabe bei der Aussiedleranerkennung?

Wer im Rahmen des Antragsverfahrens nach dem BVFG vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben zur Person, Herkunft oder zu den Voraussetzungen des Status als Spätaussiedler macht, riskiert strafrechtliche Konsequenzen, darunter insbesondere die Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung oder Täuschung im Verwaltungsverfahren (§ 263 StGB: Betrug). Außerdem kann eine bereits erteilte Anerkennung widerrufen oder zurückgenommen werden; alle damit verbundenen Rechte, einschließlich der deutschen Staatsangehörigkeit, können verloren gehen. Der Betroffene kann zur Ausreise verpflichtet werden und die Rückzahlung bereits bezogener Leistungen droht.

Welche Möglichkeiten bestehen im Falle der Ablehnung eines Antrags auf Anerkennung als Spätaussiedler?

Wird ein Antrag auf Anerkennung abgelehnt, besteht zunächst die Möglichkeit, innerhalb der gesetzlichen Fristen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid beim Bundesverwaltungsamt einzulegen. Sollte auch dieser abgelehnt werden, steht als weiterer Rechtsbehelf die Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht offen. Die genaue Begründung für die Ablehnung (z. B. fehlende Nachweise zur deutschen Volkszugehörigkeit oder fehlender Aufenthaltszeitraum im Herkunftsgebiet) ist für das weitere Vorgehen entscheidend. Im Rahmen des Gerichtsverfahrens können ergänzende Belege oder Zeugen vorgebracht werden.

Wie wirkt sich der spätere Wohnsitzwechsel innerhalb Deutschlands auf den Status von Aussiedlern aus?

Da Aussiedler mit erfolgreicher Aufnahme automatisch deutsche Staatsbürger sind, unterliegen sie keinen besonderen Restriktionen hinsichtlich des Wohnsitzes oder Umzugs innerhalb Deutschlands. Sie genießen die allgemeine Freizügigkeit, allerdings können in den ersten drei Jahren nach der Aufnahme aufgrund integrationspolitischer Regelungen Wohnsitzauflagen gelten, etwa um die Verteilung auf die Bundesländer und Kommunen zu steuern. Dies dient insbesondere der gleichmäßigen Integration und dem Schutz kommunaler Infrastrukturen, kann aber im Einzelfall auf Antrag aufgehoben werden.