Aussetzung im Strafrecht: Begriff und Überblick
Der Begriff „Aussetzung“ hat im Strafrecht mehrere, voneinander zu unterscheidende Bedeutungen. Er kann sowohl eine eigenständige Straftat bezeichnen als auch verschiedene verfahrens- und vollstreckungsbezogene Entscheidungen. Für ein grundlegendes Verständnis ist es wichtig, die unterschiedlichen Kontexte zu kennen und ihre Wirkungen zu verstehen.
- Aussetzung als Straftat: Gefährdung eines Menschen, der schutzlos einem erheblichen Risiko ausgesetzt wird.
- Strafaussetzung zur Bewährung: Aussetzung des Vollzugs einer Freiheitsstrafe mit Bewährungszeit und Auflagen.
- Aussetzung des Verfahrens: Unterbrechung eines Strafverfahrens aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen.
- Außer Vollzug setzen eines Haftbefehls: Vorläufige Haftverschonung gegen Auflagen und Kontrolle.
- Vollstreckungsaufschub und Vollstreckungsaussetzung: Verschiebung oder Unterbrechung der Strafvollstreckung in besonderen Situationen.
Aussetzung als Straftat
Schutzrichtung und Grundgedanke
Die Aussetzung als Straftat schützt das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Menschen, die sich in einer hilflosen Lage befinden oder durch das Verhalten der handelnden Person in eine solche Lage gebracht werden. Kerngedanke ist die Ahndung schwerer Gefährdungen, die aus einem pflichtwidrigen Verlassen, Zurücklassen oder Versetzen in eine lebens- oder gesundheitsgefährdende Situation entstehen.
Tathandlungen und typische Konstellationen
Typisch sind Fälle, in denen eine verantwortliche Person einen anderen ohne Schutz in einer Lage zurücklässt, in der erhebliche Risiken bestehen. In Betracht kommen unter anderem:
- Zurücklassen einer schutzbedürftigen Person an einem gefährlichen Ort ohne Hilfe.
- Versetzen eines Menschen in eine Situation, in der er sich nicht selbst helfen kann, verbunden mit erheblichen Risiken für Leib oder Leben.
- Unterlassen gebotener Hilfeleistungen durch eine verantwortliche Person, wenn dadurch eine konkrete Gefahr aufrechterhalten oder vertieft wird.
Gefahrbegriff und Erfolgsbezug
Erforderlich ist eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben. Die Gefährdung muss nach den Umständen des Einzelfalls so naheliegen, dass ein erheblicher Schaden möglich erscheint. Ein tatsächlicher Eintritt eines Schadens ist nicht Voraussetzung; es genügt die feststellbare konkrete Gefährdungslage.
Versuch, Beteiligung und Abgrenzung
Ein strafbarer Versuch kann in Betracht kommen, wenn die Tat noch nicht vollendet ist, aber durch Handlungen bereits auf die Herbeiführung einer Gefährdung hingewirkt wird. Auch eine Beteiligung mehrerer Personen ist denkbar. Abzugrenzen ist die Aussetzung von Delikten, die auf Verletzungshandlungen gerichtet sind, sowie von bloßen Ordnungswidrigkeiten: Maßgeblich sind die Schwere der Gefahr, die Schutzbedürftigkeit des Opfers und die Garantenstellung oder Verantwortung der handelnden Person.
Rechtsfolgen und Bewertung
Das Strafmaß richtet sich nach der Gefährlichkeit der Situation, der Schutzbedürftigkeit der betroffenen Person, der Verantwortlichkeit und den weiteren Tatumständen. Besonders gravierend wirken sich vorsätzliches Herbeiführen einer Gefahr, Ausnutzen einer hilflosen Lage oder das Unterlassen zumutbarer Hilfe aus.
Strafaussetzung zur Bewährung
Zweck und Anwendungsbereich
Die Strafaussetzung zur Bewährung dient dem Ziel, den Vollzug einer Freiheitsstrafe auszusetzen und die betroffene Person unter festgelegten Bedingungen im gesellschaftlichen Umfeld zu erproben. Sie verbindet den Sanktionscharakter der Strafe mit der Chance sozialer Stabilisierung.
Voraussetzungen
Die Aussetzung zur Bewährung kommt in Betracht, wenn nach einer Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit erwartet werden kann, dass künftig keine Straftaten begangen werden. Hierzu zählen insbesondere die Schwere und Umstände der Tat, das Nachtatverhalten, persönliche Lebensverhältnisse, die Verankerung im sozialen Umfeld und die Aussicht auf nachhaltige Verhaltensänderungen.
Bewährungszeit, Auflagen und Weisungen
Die Aussetzung ist an eine Bewährungszeit gebunden, innerhalb derer Auflagen und Weisungen erfüllen werden müssen. In Betracht kommen etwa Schadenswiedergutmachung, Geldauflagen, Meldepflichten, Teilnahme an betreuenden Maßnahmen oder Kontaktbeschränkungen. Eine Betreuung durch eine Bewährungshilfe kann angeordnet werden.
Widerruf, Verlängerung und Erledigung
Bei schwerwiegenden Verstößen gegen Auflagen oder erneuten Straftaten kann die Aussetzung widerrufen werden; die Strafe wäre dann zu vollstrecken. Bei kleineren Verstößen sind Verwarnungen, Auflagenergänzungen oder Verlängerungen der Bewährungszeit möglich. Nach beanstandungsfreier Bewährungszeit gilt die Strafe als erledigt, ohne vollstreckt worden zu sein.
Aussetzung des Strafrestes
Bei längeren Freiheitsstrafen kann der noch nicht verbüßte Teil unter strengen Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden. Entscheidend ist die günstige Prognose zum weiteren Lebensweg sowie das Verhalten im Vollzug.
Aussetzung im Strafverfahren
Aussetzung versus Unterbrechung
Im Verfahrensrecht wird zwischen „Aussetzung“ und „Unterbrechung“ unterschieden. Eine Aussetzung beendet die bis dahin geführte Hauptverhandlung, sodass neu begonnen werden muss. Eine Unterbrechung pausiert die Verhandlung für einen begrenzten Zeitraum, ohne Neuanfang. Maßgeblich sind die Gründe und die voraussichtliche Dauer des Hindernisses.
Gründe und Wirkung
Die Aussetzung kommt in Betracht, wenn das Verfahren rechtlich oder tatsächlich nicht sachgerecht fortgeführt werden kann, etwa bei längerer Verhinderung wesentlicher Beteiligter oder wenn erst noch notwendige Beweise beschafft werden müssen. Wirkung der Aussetzung ist, dass prozessuale Fristen und Verfahrensstände neu geordnet werden; bereits erhobene Beweise müssen im Regelfall erneut erhoben werden.
Beschleunigung und Verfahrensfairness
Auch bei Aussetzungen bleibt der Grundsatz einer zügigen Verfahrensführung bedeutsam. Gleichzeitig soll die Entscheidung der Wahrheitsfindung und einem fairen Verfahren dienen, indem überhastete oder unvollständige Beweiserhebungen vermieden werden.
Aussetzung des Haftvollzugs (Haftverschonung)
Außer Vollzug setzen eines Haftbefehls
Ein bestehender Haftbefehl kann vorläufig außer Vollzug gesetzt werden. Die betroffene Person bleibt dann in Freiheit, steht jedoch unter Auflagen. Ziel ist die Sicherung des Verfahrens, ohne Haft zu vollziehen, sofern weniger einschneidende Maßnahmen ausreichen.
Auflagen und Kontrolle
Üblich sind Meldeauflagen, Abgabe von Dokumenten, räumliche Beschränkungen oder Kautionen. Sie sollen die Erreichbarkeit und das Erscheinen in der Hauptverhandlung sichern sowie Einflussnahmen auf Beweise verhindern. Die Einhaltung wird überwacht.
Folgen bei Verstößen
Bei gravierenden Verstößen kann der Haftbefehl wieder vollzogen werden. Bereits geleistete Sicherheiten können einbehalten werden. Mildere Reaktionen sind je nach Einzelfall möglich, etwa striktere Auflagen.
Aussetzung in der Vollstreckung und im Maßregelvollzug
Vollstreckungsaufschub und Vollstreckungsaussetzung
Die Durchführung einer Strafe kann aus gewichtigen Gründen vorübergehend aufgeschoben oder unterbrochen werden. Solche Entscheidungen dienen dem Schutz überragender Belange, etwa bei schweren Erkrankungen oder besonderen familiären Ausnahmesituationen, wenn der Strafzweck dadurch nicht dauerhaft beeinträchtigt wird.
Aussetzung von Maßregeln zur Bewährung
Auch freiheitsentziehende Maßnahmen können unter strengen Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden. Maßgeblich sind der Behandlungserfolg, die Rückfallprognose, vorhandene Unterstützungsstrukturen und geeignete Auflagen zur Risikosteuerung.
Abgrenzungen und Begriffsklarheit
Aussetzung, Aufschub, Unterbrechung, Einstellung
- Aussetzung: Vorübergehendes oder endgültiges Stoppen eines laufenden Abschnitts mit späterem Neubeginn oder Wiederaufnahme.
- Aufschub: Verschiebung des Beginns einer Maßnahme, insbesondere der Vollstreckung.
- Unterbrechung: Kurzzeitiges Pausieren, ohne Neubeginn der Hauptverhandlung.
- Einstellung: Beendigung des Verfahrens ohne Urteil.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „Aussetzung“ als Straftat konkret?
Gemeint ist das pflichtwidrige Versetzen oder Zurücklassen einer Person in einer Lage, in der Leib oder Leben konkret gefährdet sind. Es genügt die nachweisbare konkrete Gefährdung; ein tatsächlicher Schaden muss nicht eintreten.
Wann kommt eine Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht?
Sie kommt in Betracht, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung erwartet werden kann, dass künftig keine Straftaten begangen werden und Auflagen sowie Weisungen die Legalbewährung unterstützen. Entscheidend sind Tat, Persönlichkeit, Lebensumstände und Prognose.
Was unterscheidet die Aussetzung der Hauptverhandlung von der Unterbrechung?
Bei der Aussetzung muss die Hauptverhandlung nach Wegfall des Hindernisses neu begonnen werden, bei der Unterbrechung wird sie innerhalb einer Frist fortgesetzt. Die Aussetzung hat daher regelmäßig aufwendigere Folgen für die Beweisaufnahme.
Was bedeutet „Haftbefehl außer Vollzug setzen“?
Der Haftbefehl bleibt bestehen, wird aber vorläufig nicht vollstreckt. Die betroffene Person bleibt gegen Auflagen auf freiem Fuß. Ziel ist die Sicherung des Verfahrens ohne tatsächliche Haft.
Welche Rolle spielen Auflagen und Weisungen bei Bewährung?
Auflagen und Weisungen strukturieren die Bewährungszeit und dienen der Schadenswiedergutmachung, Kontrolle und Unterstützung. Verstöße können Verwarnungen, Änderungen der Auflagen oder den Widerruf nach sich ziehen.
Kann eine bereits begonnene Strafhaft ausgesetzt werden?
In besonderen Situationen ist eine Aussetzung oder ein Aufschub möglich, wenn überwiegende Gründe entgegenstehen und der Strafzweck dadurch nicht dauerhaft beeinträchtigt wird. Hierbei handelt es sich um Ausnahmeentscheidungen mit strengen Voraussetzungen.
Ist die Aussetzung der Straftat und die Aussetzung zur Bewährung dasselbe?
Nein. Die Aussetzung als Straftat bezeichnet ein Gefährdungsdelikt, während die Strafaussetzung zur Bewährung eine Entscheidung über den Vollzug einer Strafe ist. Beide verwenden denselben Begriff, betreffen jedoch völlig unterschiedliche Ebenen des Strafrechts.