Aussetzung des Strafausspruchs
Die Aussetzung des Strafausspruchs bezeichnet die gerichtliche Entscheidung, den Ausspruch über die konkrete Strafe vorläufig zurückzustellen. Die Schuldfrage ist in der Regel bereits geklärt oder ein Schuldspruch liegt vor, jedoch wird die Festsetzung der Art und Höhe der Strafe erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen. Zweck ist es, eine sachgerechte und vollständige Grundlage für die Strafzumessung sicherzustellen oder Verfahrensabläufe zu koordinieren, wenn andere Entscheidungen oder Erkenntnisse den Strafausspruch maßgeblich beeinflussen können.
Kerngedanke und Abgrenzung
Die Aussetzung betrifft ausschließlich den Strafausspruch, also den Teil der Entscheidung, in dem die konkrete Sanktion festgelegt wird. Sie unterscheidet sich damit vom Schuldspruch (Feststellung der Tat und Schuld) und von der Aussetzung der Vollstreckung, bei der eine rechtskräftig verhängte Strafe nicht sofort vollstreckt wird. Während der Aussetzung gibt es keine vollstreckbare Strafe.
Typische Anwendungsfälle
- Es stehen wesentliche Erkenntnisse aus, etwa Gutachten zur Persönlichkeit, Schuldfähigkeit, Therapie- oder Prognosefragen.
- Es sind weitere Verfahren oder Entscheidungen abzuwarten, deren Ergebnis für die Strafzumessung bedeutsam ist (zum Beispiel Parallelverfahren oder Entscheidungen über verbundenen Sachverhalte).
- In Rechtsmittelverfahren wird der Schuldspruch bestätigt, der Strafausspruch jedoch isoliert aufgehoben oder zur erneuten Entscheidung zurückgestellt.
- Es wurden Maßnahmen angeordnet, deren Verlauf für die spätere Strafzumessung erheblich ist (etwa Therapie- oder Behandlungsverläufe).
Rechtliche Einordnung und Funktionen
Verfahrensökonomie und Fairness
Die Aussetzung soll vermeiden, dass Strafen auf unsicherer Tatsachengrundlage festgesetzt werden. Sie dient der Bündelung relevanter Informationen und kann Mehrfachverhandlungen oder spätere Korrekturen reduzieren. Das fördert Einheitlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Strafzumessung.
Schutz vor Fehlentscheidungen
Wenn entscheidende Umstände noch unklar sind, verringert die Aussetzung das Risiko einer unzutreffenden oder unverhältnismäßigen Strafe. Dadurch wird gewährleistet, dass Persönlichkeitsmerkmale, Tatfolgen und künftige Entwicklungen angemessen berücksichtigt werden.
Ablauf und Verfahrensstand
Zeitpunkt und Entscheidungsträger
Die Aussetzung kann durch das erkennende Gericht während oder nach der Hauptverhandlung erfolgen, wenn es den Schuldspruch trifft, die Strafzumessung jedoch zurückstellt. Im Rechtsmittelverfahren kann ein höheres Gericht den Strafausspruch isoliert beanstanden und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückgeben.
Rechtsfolgen während der Aussetzung
- Es existiert keine vollstreckbare Strafe; eine Freiheitsstrafe kann daher aus dem Urteil heraus nicht vollzogen werden.
- Andere prozessuale Maßnahmen oder Anordnungen können unabhängig vom Strafausspruch bestehen und fortwirken.
- Der Rechtsstatus ist dadurch gekennzeichnet, dass die Schuld regelmäßig feststeht, die Sanktion jedoch noch nicht bestimmt ist.
Dauer und Fortsetzung
Die Dauer hängt vom Anlass der Aussetzung ab, etwa von der Erstellung eines Gutachtens oder dem Abschluss eines anderen, bedeutsamen Verfahrens. Ist der Aussetzungsgrund entfallen, wird das Verfahren zum Strafausspruch fortgesetzt. Eine unangemessene Verzögerung soll vermieden werden.
Abgrenzungen zu verwandten Begriffen
Aussetzung der Vollstreckung (Bewährung)
Hierbei wird eine rechtskräftig verhängte Strafe nicht vollstreckt, häufig verbunden mit einer Bewährungszeit und möglichen Auflagen. Demgegenüber liegt bei der Aussetzung des Strafausspruchs noch gar keine vollstreckbare Strafe vor.
Einstellung des Verfahrens
Die Einstellung beendet das Verfahren ganz oder teilweise ohne Urteil über Schuld und Strafe. Die Aussetzung des Strafausspruchs beendet das Verfahren nicht; sie verlagert lediglich die Strafzumessungsentscheidung auf einen späteren Zeitpunkt.
Isolierte Überprüfung im Rechtsmittelzug
Im Rechtsmittelverfahren kann allein der Strafausspruch neu verhandelt werden, während der Schuldspruch Bestand hat. Dies führt sachlich zu einer Trennung: Die Tat steht fest, die Strafe wird neu oder später festgesetzt.
Auswirkungen auf Verfahrensbeteiligte
Für die verurteilte Person
Es besteht vorläufig Klarheit über die Schuldfrage, jedoch keine endgültige Sanktion. Das kann Unsicherheit über das konkrete Strafmaß bedeuten, ermöglicht aber die Berücksichtigung weiterer entlastender oder belastender Umstände vor Festsetzung der Strafe.
Für Nebenklage und Verletzte
Die Feststellung der Tat kann bereits vorliegen, während die Entscheidung über die Strafe noch aussteht. Das kann für die Wahrnehmung von Rechten im Verfahren bedeutsam sein, etwa bei der Teilnahme an einer späteren Verhandlung zum Strafausspruch.
Für die Staatsanwaltschaft
Die Strafverfolgung ist hinsichtlich der Schuldfrage vorangeschritten; die Strafzumessung bleibt offen. Die Behörde wirkt an der Sicherstellung einer vollständigen Entscheidungsgrundlage für den späteren Strafausspruch mit.
Besondere Konstellationen
Offene Gutachten und Sachverhalte
Fehlende fachliche Einschätzungen, etwa zur Schuldfähigkeit, Rückfallprognose oder Therapieaussicht, sind häufige Gründe für eine vorläufige Zurückstellung des Strafausspruchs.
Wechselwirkung mit weiteren Verfahren
Erkenntnisse aus Parallelverfahren, Entscheidungen anderer Gerichte oder Behörden und noch ausstehende Klärungen können die Strafhöhe beeinflussen und daher eine Aussetzung sachlich rechtfertigen.
Maßnahmen der Besserung und Sicherung
Werden Maßnahmen angeordnet, kann deren Verlauf für die spätere Strafzumessung bedeutsam sein. Der Strafausspruch kann bis zur besseren Beurteilbarkeit zurückgestellt werden, um dem später Rechnung zu tragen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was genau bedeutet Aussetzung des Strafausspruchs?
Die Entscheidung über die konkrete Strafe wird vorläufig zurückgestellt. Die Schuldfrage ist regelmäßig bereits geklärt, die Strafe wird jedoch erst später festgesetzt, wenn alle relevanten Umstände zuverlässig beurteilt werden können.
Worin liegt der Unterschied zur Aussetzung der Vollstreckung?
Bei der Aussetzung der Vollstreckung ist die Strafe bereits festgesetzt und wird nicht vollstreckt, häufig im Rahmen einer Bewährung. Bei der Aussetzung des Strafausspruchs steht die Strafe noch gar nicht fest.
Wer kann die Aussetzung des Strafausspruchs anordnen?
Das entscheidende Gericht kann den Strafausspruch aussetzen. In höheren Instanzen kann die Entscheidung über die Strafe isoliert aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen werden.
Wie lange kann der Strafausspruch ausgesetzt bleiben?
Die Dauer richtet sich nach dem Anlass, etwa der Einholung von Gutachten oder dem Ausgang eines anderen Verfahrens. Die Fortsetzung erfolgt, sobald der Aussetzungsgrund entfällt; unangemessene Verzögerungen sollen vermieden werden.
Gilt während der Aussetzung bereits eine Strafe?
Nein. Während der Aussetzung besteht keine vollstreckbare Strafe. Andere prozessuale Maßnahmen können unabhängig davon wirksam sein.
Muss die Schuldfrage schon feststehen?
In der Regel ja. Die Aussetzung betrifft den Strafausspruch, also die Festsetzung der Sanktion. Der Schuldspruch ist meist bereits entschieden.
Hat die Aussetzung Auswirkungen auf Registereinträge?
Eintragungen knüpfen regelmäßig an rechtskräftige Entscheidungen an. Solange der Strafausspruch nicht endgültig feststeht, können Eintragungen zurückgestellt oder erst nach Abschluss des Strafausspruchs vollständig erfolgen.
Welche Folgen hat es, wenn in der Rechtsmittelinstanz nur der Strafausspruch betroffen ist?
Der Schuldspruch bleibt bestehen, die Strafe wird jedoch neu oder später festgesetzt. Das Verfahren konzentriert sich dann ausschließlich auf die Strafzumessung.