Aussetzen von Tieren: Begriff und rechtliche Einordnung
Als Aussetzen von Tieren wird die bewusste Aufgabe eines Tieres in einer Weise verstanden, die dessen Schutz und Versorgung beendet und es einer erheblichen Gefahr für Wohlbefinden, Gesundheit oder Leben aussetzt. Gemeint ist typischerweise das Zurücklassen an einem Ort ohne Rückkehrabsicht oder die Herbeiführung eines Zustandes, in dem das Tier ohne Betreuung ist und sich nicht selbst artgerecht versorgen kann. Geschützt wird das Tier als Mitgeschöpf mit eigenem Wohlbefinden ebenso wie die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
Begriffliche Kernelemente
Das rechtliche Verständnis des Aussetzens umfasst regelmäßig folgende Elemente: eine aktive oder durch Unterlassen verwirklichte Aufgabe der Obhut, eine auf Dauer angelegte Entledigungsabsicht, eine konkrete Gefahr für das Tier durch fehlende Versorgung oder Schutzlosigkeit sowie die Verantwortlichkeit der handelnden Person als Halterin oder betreuende Person. Auch das Zurücklassen an vermeintlich „geeigneten“ Orten gilt als Aussetzen, wenn die Versorgung nicht sichergestellt ist.
Abgrenzung zu anderen Verhaltensweisen
Nicht als Aussetzen gelten regelmäßig die wirksame Übertragung der Obhut auf eine andere Person oder Stelle sowie behördlich genehmigte Auswilderungen im Rahmen von Schutz- oder Managementmaßnahmen. Das bloße Entlaufen eines Tieres ist kein Aussetzen, kann aber je nach Umständen Pflichten der Sicherung und Überwachung berühren. Länger andauerndes Zurücklassen in verschlossenen Räumen ohne Versorgung kann gesondert als tierschutzwidrige Unterlassung bewertet werden, auch wenn das Tier formal nicht „in die Freiheit“ entlassen wurde.
Rechtliche Grundlagen und Schutzrichtung
Das Aussetzen von Tieren berührt verschiedene Rechtsbereiche: den Tierschutz als öffentlich-rechtliche Schutzordnung, das Sicherheits- und Ordnungsrecht, das Naturschutzrecht bei Eingriffen in Ökosysteme sowie zivilrechtliche Fragen der Haftung und Kostentragung. Zentrales Ziel ist die Vermeidung von Leiden und Schäden, die Sicherung einer artgerechten Betreuung und der Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren und Folgekosten.
Schutzgut und Leitprinzipien
Rechtsordnungen im deutschsprachigen Raum erkennen Tieren einen besonderen Schutz zu. Leitend sind die Achtung des Wohlbefindens, die Vermeidung von Schmerzen, Leiden und Schäden sowie die Verantwortung des Menschen für das Tier. Daraus folgen Pflichten der artgerechten Haltung, Pflege und Beaufsichtigung sowie das Verbot, Tiere schutzlos zu stellen.
Öffentlich-rechtliche und strafrechtliche Bewertung
Das Aussetzen kann als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Die Einordnung hängt von der Schwere der Gefährdung, den Umständen des Einzelfalls und der jeweiligen Rechtsordnung ab. Zusätzlich kommen Anordnungen der Behörden in Betracht, etwa Wegnahmen, Haltungsverbote und Kostenauflagen.
Tatbestandliche Voraussetzungen
Objektive Merkmale
Objektiv relevant ist, dass eine Person ein Tier der Obhut entzieht oder es in einem Zustand belässt, in dem es ohne Betreuung und Versorgung erheblich gefährdet ist. Dazu zählen insbesondere das Zurücklassen an abgelegenen Orten, das „Freisetzen“ in der Natur ohne Überlebensmöglichkeit, aber auch das Zurücklassen in Verkehrsmitteln oder auf Parkplätzen. Entscheidend ist die tatsächliche Gefährdungslage für das Tier.
Subjektive Merkmale
Regelmäßig wird ein Vorsatz verlangt, der auf die Aufgabe der Verantwortung gerichtet ist. Je nach Rechtsordnung können auch grob fahrlässige Konstellationen erfasst sein, in denen die erkennbare Gefährdung des Tieres außer Acht gelassen wird.
Versuch, Beteiligung und Mehrpersonenkonstellationen
Ein Versuch kann einschlägig sein, wenn das Aussetzen unmittelbar angesetzt wird, aber aus äußeren Gründen scheitert. Mitwirkende Personen können als Beteiligte haften. In Betreuungsgemeinschaften (z. B. Halterin, Mitnutzer, beauftragte Betreuung) ist die Zurechnung von der tatsächlichen Verantwortung und Einflussmöglichkeit abhängig.
Typische Fallkonstellationen
Zurücklassen in Wohnung oder auf Grundstücken
Das längere Zurücklassen in geschlossenen Räumen ohne Nahrung, Wasser, Pflege oder Auslauf kann rechtlich dem Aussetzen nahekommen oder als tierschutzwidrige Unterlassung gewertet werden. Maßgeblich sind Dauer, Versorgungslage und Gefährdung.
Aussetzen im öffentlichen Raum oder in der Natur
Das Zurücklassen an Straßen, Raststätten, Parkplätzen, in Wäldern oder Feldern ist regelmäßig als Aussetzen zu bewerten. Hier besteht typischerweise eine erhebliche Gefährdung durch Witterung, Verkehr, Nahrungsmangel, Krankheit oder Prädation.
Exotische und wildlebende Arten
Das Freisetzen nicht heimischer Arten kann neben dem Tierschutz zusätzlich naturschutzrechtliche Konsequenzen auslösen, etwa wegen Risiken für heimische Ökosysteme und Artenvielfalt. Auch bei heimischen Wildtieren sind unautorisierte Freisetzungen problematisch.
Haustiernachwuchs
Das Aussetzen von Jungtieren gilt rechtlich als besonders gravierend, weil diese in hohem Maße auf Versorgung angewiesen sind. Hier wird regelmäßig eine erhöhte Gefährdung angenommen.
Rechtsfolgen
Sanktionen
Je nach Schwere können Geldbußen, Geldstrafen oder Freiheitsstrafen in Betracht kommen. Wiederholungsfälle, besondere Grausamkeit oder das Aussetzen zahlreicher Tiere erhöhen das Gewicht.
Behördliche Nebenfolgen
Mögliche Nebenfolgen sind die Wegnahme des Tieres, Betreuungs- oder Haltungsverbote, Anordnungen zur Verbesserung der Tierhaltung sowie die Einziehung von Gegenständen, die der Tat dienten. Behörden können zur Gefahrenabwehr sofortige Maßnahmen treffen.
Zivilrechtliche Haftung und Kosten
Halterinnen und Halter können für Schäden haften, die durch das ausgesetzte Tier verursacht werden. Zusätzlich können Kosten für Sicherstellung, Unterbringung, Pflege und tierärztliche Versorgung auferlegt werden. Eigentumsrechte am Tier können durch behördliche Maßnahmen oder Fundrecht betroffen sein.
Verfahren und Beweisfragen
Zuständige Stellen und Verfahren
Regelmäßig sind Tierschutzbehörden, Ordnungsbehörden und Strafverfolgungsbehörden beteiligt. Je nach Sachlage erfolgen Ermittlungen, Gefahrenabwehrmaßnahmen und Bußgeld- oder Strafverfahren.
Beweismittel und Indizien
Typische Beweismittel sind Zeuginnen- und Zeugenangaben, Bild- und Videoaufnahmen, Kennzeichen von Fahrzeugen, Mikrochip- oder Tätowierungsdaten, tierärztliche Feststellungen zum Zustand des Tieres sowie Spuren am Aussetzungsort. Indizienketten können entscheidend sein, wenn unmittelbare Beobachtungen fehlen.
Verfahrensausgänge
Die Bandbreite reicht von Einstellungen mangels Nachweis über Bußgeldbescheide bis hin zu strafrechtlichen Verurteilungen mit Nebenfolgen. Parallel können verwaltungsrechtliche Auflagen ergehen.
Besondere Konstellationen
Legale Auswilderung und behördliche Maßnahmen
Freilassungen im Rahmen von Artenschutz-, Hege- oder Resozialisierungsprogrammen sind nur zulässig, wenn die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt und erforderliche Genehmigungen vorhanden sind. Ohne diese ist ein Freisetzen regelmäßig unzulässig.
Notlagen und außergewöhnliche Umstände
Außergewöhnliche Notsituationen können die rechtliche Bewertung beeinflussen. Maßgeblich sind Unabwendbarkeit, Verhältnismäßigkeit und die konkrete Gefährdungslage des Tieres und der Allgemeinheit.
Minderjährige und Aufsichtspflichten
Bei Handlungen Minderjähriger kommt es auf Einsichtsfähigkeit und Aufsichtspflichten an. Verantwortlichkeiten der Aufsichtspflichtigen können gesondert geprüft werden.
Internationale und regionale Unterschiede
Grundtendenzen im deutschsprachigen Raum
In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist das Aussetzen rechtlich missbilligt und mit empfindlichen Sanktionen belegt. Unterschiede bestehen im Detail, etwa bei Zuständigkeiten, Verfahrensabläufen und Bußgeldrahmen.
Grenzüberschreitende Sachverhalte
Werden Tiere über Grenzen verbracht und ausgesetzt, können mehrere Rechtsordnungen berührt sein. Zuständigkeiten und anwendbares Recht richten sich nach Ort der Tat und den einschlägigen Kollisionsregeln.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann gilt das Zurücklassen eines Tieres rechtlich als Aussetzen?
Als Aussetzen gilt das bewusste Aufgabehandeln, durch das ein Tier ohne Betreuung und Versorgung zurückgelassen und einer erheblichen Gefährdung ausgesetzt wird. Entscheidend ist die Abkehr von der Obhut mit auf Dauer gerichteter Entledigungsabsicht und die konkrete Schutzlosigkeit des Tieres.
Ist das Aussetzen von Tieren immer eine Straftat?
Das Aussetzen kann je nach Schwere und Umständen als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit bewertet werden. Maßgeblich sind die Gefährdungslage, das Maß der Verantwortungslosigkeit und der konkrete Rechtsrahmen.
Spielt es eine Rolle, ob das Tier überlebt oder gefunden wird?
Die rechtliche Bewertung knüpft an das gefährdende Verhalten an. Ob das Tier überlebt oder zeitnah gefunden wird, kann den Unrechtsgehalt und die Sanktion beeinflussen, ändert jedoch nicht die grundsätzliche Einordnung als verbotenes Verhalten.
Wer trägt die Kosten für Sicherstellung und Versorgung ausgesetzter Tiere?
Die Kosten für Einfang, Unterbringung und tierärztliche Versorgung können der verantwortlichen Person auferlegt werden. Zusätzlich können Gebühren und Aufwendungen der zuständigen Stellen geltend gemacht werden.
Liegt auch bei kurzfristigem Zurücklassen ein Aussetzen vor?
Auch kurze Zeiträume können relevant sein, wenn sie das Tier einer erheblichen Gefahr aussetzen. Ausschlaggebend ist nicht die Dauer allein, sondern die konkrete Versorgungslage und Schutzbedürftigkeit des Tieres.
Haftet die Halterin oder der Halter für Schäden, die ein ausgesetztes Tier verursacht?
Halterinnen und Halter können für durch das Tier verursachte Schäden haften. Das gilt unabhängig davon, ob das Tier ausgesetzt wurde, solange eine Zurechnung als verantwortliche Person besteht.
Welche Bedeutung hat eine Kennzeichnung des Tieres (z. B. Mikrochip)?
Eine Kennzeichnung erleichtert die Zuordnung zu einer verantwortlichen Person. Sie kann in Ermittlungen und bei der Durchsetzung von Kosten- und Haftungsansprüchen eine wesentliche Rolle spielen.