Definition und Entstehung des Ausschusses der Regionen
Der Ausschuss der Regionen (AdR, häufig auch Europäischer Ausschuss der Regionen genannt) ist ein beratendes Gremium der Europäischen Union, das die Einbindung regionaler und lokaler Gebietskörperschaften in den europäischen Gesetzgebungsprozess gewährleistet. Der AdR besteht seit 1994 und basiert auf den Vorgaben des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere der Artikel 300 bis 307 AEUV.
Der Ausschuss der Regionen ist rechtlich ein Organ sui generis, das den Regionen und Kommunen der EU-Mitgliedstaaten eine institutionalisierte Mitsprache im europäischen Entscheidungsprozess bietet. Seine rechtliche Stellung wird durch die Verträge von Maastricht, Amsterdam, Nizza, Lissabon sowie durch deren Folgeänderungen bestimmt.
Rechtliche Grundlagen und Zusammensetzung
Vertragsgrundlagen
Die rechtliche Grundlage des Ausschusses der Regionen findet sich hauptsächlich in den Artikeln 300 ff. AEUV. Nach Art. 300 Abs. 1 AEUV ist der Ausschuss der Regionen ein Organ, das konsultiert wird, wenn in den Verträgen ausdrücklich eine Anhörung vorgesehen ist, oder wenn die Organe der Europäischen Union es für erforderlich halten.
Mitglieder und Ernennung
Der Ausschuss der Regionen setzt sich gemäß Art. 300 AEUV aus Vertretern der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften aller Mitgliedstaaten zusammen. Nach Art. 300 Abs. 2 AEUV werden die Mitglieder und deren Stellvertreter auf Vorschlag der jeweiligen Mitgliedstaaten vom Rat der Europäischen Union für fünf Jahre ernannt. Das Mandat ist einmal verlängerbar. Die Mitglieder müssen entweder ein Wahlmandat besitzen oder politisch rechenschaftspflichtig gegenüber einer gewählten Versammlung in ihrer Region oder Kommune sein.
Die Mitgliedstaaten entsenden Mitglieder entsprechend der jeweiligen Bevölkerungszahl, wobei eine gleichmäßige geografische Verteilung zu beachten ist. Die genaue Zusammensetzung und Anzahl der Mitglieder werden durch Beschluss des Rates festgesetzt.
Organisation und interne Struktur
Der AdR bestimmt seine interne Geschäftsordnung selbst (Art. 306 AEUV). Er wählt einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten für jeweils zweieinhalb Jahre. Der Ausschuss tagt in Plenarversammlungen mehrmals jährlich. Seine Arbeit gliedert sich in mehrere Fachkommissionen, die Vorberatungen zu spezifischen Politikfeldern vornehmen.
Aufgaben und Zuständigkeiten des Ausschusses der Regionen
Beratende Funktion
Hauptaufgabe des Ausschusses der Regionen ist die Anhörung und Beratung in für die Regionen und Kommunen wichtigen Fragen. Seine Stellungnahmen sind rechtlich unverbindlich, besitzen jedoch erhebliches politisches Gewicht im Entscheidungsfindungsprozess der Unionsorgane. Nach Art. 307 AEUV ist der AdR in bestimmten Fällen zwingend, in anderen fakultativ zu konsultieren.
Obligatorische Anhörung
Das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission sind verpflichtet, den Ausschuss der Regionen in den in Artikel 307 AEUV aufgeführten Politikbereichen anzuhören, darunter wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt, Bildung, Kultur, öffentliche Gesundheit, transeuropäische Netze, Sozialpolitik, Umwelt und Berufsbildung.
Fakultative Anhörung und Initiativbefugnis
Über die in den Verträgen explizit genannten Felder hinaus steht es den EU-Organen frei, den Ausschuss der Regionen auch in anderen Politikbereichen einzubeziehen. Darüber hinaus besitzt der AdR das Recht, aus eigener Initiative Stellungnahmen („Own-Initiative Opinions“) zu verfassen und Vorschläge zur Berücksichtigung regionaler und lokaler Gesichtspunkte einzubringen.
Politische und rechtliche Wirkung der Stellungnahmen
Die Stellungnahmen des Ausschusses der Regionen sind rechtlich nicht bindend, gehören aber zum Gesetzgebungsverfahren und müssen dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Kenntnis gebracht werden. Missachtet ein EU-Organ die Verpflichtung zur Anhörung, kann dieses Versäumnis im Rahmen eines Verfahrens wegen Vertragsverletzung vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) festgestellt werden.
Verhältnis zu anderen EU-Organen und rechtlicher Stellenwert
Der Ausschuss der Regionen ist kein vollwertiges Gesetzgebungsorgan, sondern ein beratendes Gremium. Seine Stellung im institutionellen Gefüge der EU ist durch eine beratende, unterstützende und kontrollierende Funktion gegenüber dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission gekennzeichnet.
Rechtliche Einordnung im EU-Organisationsgefüge
Der Ausschuss der Regionen steht in keiner hierarchischen Beziehung zu den anderen Organen, sondern wirkt als eigenständiges Gremium maximal subsidiär und konsultativ. Seine Rolle wird teils mit der des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) verglichen, unterscheidet sich jedoch durch den Fokus auf Gebietsvertretungen der Mitgliedstaaten.
Rechtsschutz und Kontrolle
Sollte der AdR im Rahmen des EU-Verfahrens nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sein, besteht die Möglichkeit, Rechtsmittel vor dem Gerichtshof der Europäischen Union einzulegen. Hierbei kann die Nichtbeachtung der zwingenden Anhörungspflicht (Art. 263, 265 AEUV) Anlass für den Erlass von Nichtigkeits- oder Untätigkeitsklagen bieten.
Rolle des Ausschusses der Regionen in der Rechtsetzung der Europäischen Union
Beteiligung am Gesetzgebungsprozess
Im europäischen Gesetzgebungsprozess ist der AdR integraler Bestandteil der Konsultations- und Meinungsbildungsverfahren. Der Ausschuss wird spätestens zu Beginn des Verfahrens beteiligt, erhält alle relevanten Unterlagen und kann Änderungs- sowie Verbesserungs-vorschläge einbringen. Das finale Mitentscheidungsrecht verbleibt jedoch bei Parlament, Rat und Kommission.
Auswirkungen auf die Rechtsprechung und Gesetzgebung
Obwohl die Stellungnahmen des Ausschusses der Regionen nicht bindend sind, haben sie insbesondere dann Einfluss, wenn Gesetzgebungsvorhaben erhebliche Auswirkungen auf regionale und kommunale Zuständigkeiten entfalten würden. Die Berücksichtigung regionaler Belange und der Grundsatz der Subsidiarität werden durch das Mitwirken des AdR im EU-Rechtssetzungsprozess gestärkt.
Reformen und Weiterentwicklung des Ausschusses der Regionen
Der AdR unterlag seit seiner Einrichtung mehrfachen Reformen, die insbesondere seine Rolle im institutionellen Gefüge der EU, seine innere Organisation sowie die Erweiterung seiner Anhörungsrechte betrafen. Nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon erhielt der AdR gestärkte Beteiligungsrechte, insbesondere im Hinblick auf die Anwendung des Subsidiaritätsgrundsatzes (Art. 5 Abs. 3 EUV i.V.m. Protokoll Nr. 2).
Beteiligung am Subsidiaritätskontrollverfahren
Gemäß Protokoll Nr. 2 zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union hat der Ausschuss der Regionen ein Initiativrecht, Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Überprüfung vorzulegen. Dies stärkt die Stellung der Regionen und Kommunen, indem der AdR direkt gegen Regelungen der EU vorgehen kann, welche regionale oder lokale Kompetenzen unangemessen beeinträchtigen.
Zusammenfassung und Ausblick
Der Ausschuss der Regionen ist eine zentrale Institution zur Sicherung der regionalen und lokalen Mitwirkung im Rechtsetzungsprozess der Europäischen Union. Seine rechtliche Verankerung in den europäischen Verträgen, die institutionalisierte Beteiligung in zahlreichen Politikbereichen sowie das Initiativrecht bei der Subsidiaritätskontrolle machen ihn zu einem bedeutsamen Organ für den Föderalismus auf europäischer Ebene.
Die weitere Entwicklung des Ausschusses der Regionen folgt maßgeblich aktuellen Debatten zur Stärkung der Mehr-Ebenen-Governance in der EU sowie dem Ziel, regionale und lokale Interessen bei europäischen Gesetzgebungsvorhaben angemessen zu berücksichtigen. Als institutionalisiertes Verbindungsglied zwischen den Ebenen der EU, der Nationalstaaten und der Regionen trägt der Ausschuss der Regionen so wesentlich zu demokratischer Legitimation und Rechtmäßigkeit der Unionsgesetzgebung bei.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Zusammensetzung und die Ernennung der Mitglieder des Ausschusses der Regionen?
Die Zusammensetzung und die Ernennung der Mitglieder des Ausschusses der Regionen (AdR) stützen sich maßgeblich auf das Primärrecht der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 305 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Demnach werden die Mitglieder und Ersatzmitglieder des AdR für eine Amtszeit von fünf Jahren vom Rat auf Vorschlag der Mitgliedstaaten ernannt. Die vorgeschlagenen Personen müssen Inhaber eines Wahl- oder Exekutivmandats in einer regionalen oder lokalen Gebietskörperschaft sein oder gegenüber einer gewählten Versammlung politisch verantwortlich sein. Die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens erfolgt im Einzelnen durch die jeweiligen Mitgliedstaaten, wobei sie bei der Nominierung darauf zu achten haben, die unterschiedlichen territorialen und politischen Strukturen ihres Landes angemessen widerzuspiegeln. Die Liste der Mitglieder wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, was den Ernennungsvorgang rechtlich abschließt. Die Rechtsakte des Rates zur Ernennung sind nicht anfechtbar, da sie als politisch-administrative Umsetzungsakte gemäß EU-Recht gelten.
Welche rechtlichen Kompetenzen hat der Ausschuss der Regionen im EU-Gesetzgebungsprozess?
Der Ausschuss der Regionen verfügt vor allem über beratende Kompetenzen, die im AEUV, namentlich in den Artikeln 305 bis 307, geregelt werden. Gemäß Artikel 307 AEUV ist die Anhörung des AdR in bestimmten Bereichen zwingende Voraussetzung, beispielsweise in Fragen der wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion, des Transeuropäischen Netzausbaus, des Gesundheitswesens, der Bildung, der Kultur, der Beschäftigungspolitik sowie bei umweltbezogenen Vorhaben und im Bereich Berufsbildung. Die Nichtanhörung in diesen gesetzlich vorgesehenen Politikfeldern stellt einen Verstoß gegen das Verfahren und kann zur Nichtigkeit des EU-Rechtsakts führen. Über die zwingenden Fälle hinaus kann der Rat, das Europäische Parlament oder die Kommission den AdR freiwillig konsultieren. Der AdR kann zudem von sich aus Stellungnahmen („initiativ“), sogenannte Initiativgutachten, verfassen und vorlegen.
Wie ist die Stellung des Ausschusses der Regionen innerhalb des institutionellen Gefüges der EU rechtlich definiert?
Der Ausschuss der Regionen ist gemäß Artikel 13 EUV und 300 ff. AEUV ein sogenanntes Beratungsorgan der Europäischen Union, das einen spezifischen Status besitzt: Er gehört nicht zu den gesetzgebenden Hauptorganen wie Europäisches Parlament, Rat oder Kommission, sondern nimmt eine eigenständige unterstützende Rolle ein, die sich auf die Wahrung regionaler und lokaler Interessen konzentriert. Rechtlich agiert er unabhängig und ist in der Ausübung seiner Funktion an keine Weisungen gebunden. Der AdR besitzt sein eigenes Statut und eine Geschäftsordnung, die ebenfalls im Amtsblatt veröffentlicht werden und die Verfahrensweise, interne Organisation und Entscheidungsfindung regeln.
Über welche rechtlichen Mittel verfügt der Ausschuss der Regionen zur Wahrung seiner Rechte?
Der Ausschuss der Regionen ist gemäß Artikel 263 Absatz 3 AEUV klageberechtigt und kann beim Gerichtshof der Europäischen Union vor allem im Bereich der Wahrung seiner Konsultationsrechte Klage erheben, insbesondere wenn er nicht ordnungsgemäß angehört wurde oder seine institutionellen Rechte verletzt sieht. Die Klagebefugnis erstreckt sich jedoch ausschließlich auf die Verteidigung seiner eigenen Vorrechte im institutionellen Gleichgewicht und nicht auf inhaltliche politische Aspekte. Daneben kann sich der AdR am Gesetzgebungsprozess direkt durch die Abgabe von Stellungnahmen einbringen und wird auf diese Weise rechtlich anerkannt beteiligt.
Gibt es eine verpflichtende Berücksichtigung der Stellungnahmen des Ausschusses der Regionen im rechtlichen EU-Verfahren?
Rechtlich gesehen sind die Stellungnahmen des Ausschusses der Regionen nicht verbindlich, sondern konsultativ. Das bedeutet, die EU-Organe sind zwar verpflichtet, in bestimmten Politikbereichen den AdR anzuhören, jedoch sind sie nicht rechtlich gehalten, seine Empfehlungen zu übernehmen. Es besteht allerdings die Pflicht, die erfolgte Anhörung zumindest zu dokumentieren, um das ordnungsgemäße Gesetzgebungsverfahren sicherzustellen. Wird keine Anhörung durchgeführt, obwohl diese gesetzlich vorgesehen ist, führt dies zu einem Verfahrensmangel, der vor dem EuGH geltend gemacht werden kann.
Inwieweit ist die Unabhängigkeit der Mitglieder des Ausschusses der Regionen rechtlich gesichert?
Die Unabhängigkeit der Mitglieder des AdR wird ausdrücklich in Artikel 300 Absatz 4 AEUV normiert: Hiernach handeln die Mitglieder des AdR bei der Ausübung ihrer Aufgaben unabhängig und zum Wohle der Union. Sie sind damit rechtlich nicht an Weisungen der eigenen Regierungen oder regionalen Gebietskörperschaften gebunden. Diese Unabhängigkeit wird verfahrensrechtlich darüber hinaus durch Regelungen im Statut des AdR und durch die Geschäftsordnung unterstrichen, die etwa Interessenkonflikte adressieren und die autonome Beschlussfassung sichern. Im Falle von Verstößen gegen diese Unabhängigkeitsanforderungen kann der Rat die Ersetzung eines Mitglieds einleiten.