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Ausschließliche Gesetzgebung


Begriff und Bedeutung der Ausschließlichen Gesetzgebung

Die ausschließliche Gesetzgebung ist ein zentraler Begriff des deutschen Verfassungsrechts und definiert die Befugnis des Bundes, in bestimmten Rechtsgebieten allein und abschließend Gesetze zu erlassen. In diesen Bereichen obliegt dem Bund die Gesetzgebungszuständigkeit vollständig, während die Länder von eigener Gesetzgebungstätigkeit ausgeschlossen sind. Die ausschließliche Gesetzgebung stellt somit eine der drei gesetzgeberischen Zuständigkeitsarten im föderalen System Deutschlands neben der konkurrierenden Gesetzgebung und der Abweichungsgesetzgebung dar.

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Regelungen im Grundgesetz

Die ausschließliche Gesetzgebung ist im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) umfassend geregelt. Nach Artikel 71 GG haben grundsätzlich nur der Bund die Befugnis zur Gesetzgebung in den ausdrücklich genannten Bereichen. Die konkreten Materien der ausschließlichen Gesetzgebung sind in Artikel 73 GG aufgeführt.

Artikel 71 GG – Grundsatz der Ausschließlichen Gesetzgebung

Art. 71 GG lautet:

„Im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu durch ein Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden.“

Hieraus ergibt sich der Grundsatz, dass die Länder ausschließlich tätig werden dürfen, wenn sie durch ein Bundesgesetz ausdrücklich dazu befugt wurden (sogenannte Delegation).

Artikel 73 GG – Katalog der Ausschließlichen Gesetzgebung

Art. 73 GG listet die Gebiete auf, in denen dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung zusteht. Darunter fallen unter anderem:

  • Außenpolitik und Verteidigung (z. B. Beziehungen zum Ausland, Verteidigung einschließlich Schutz der Zivilbevölkerung, Herstellung und Verwendung von Waffen usw.)
  • Währung, Geld und Maße
  • Bundesstaatsangehörigkeit
  • Einwanderung, Auswanderung und Auslieferung
  • Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung
  • Staatsangehörigkeitsrecht sowie weitere Bereiche.

Die in Art. 73 GG abschließend genannten Materien unterliegen ausschließlich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes.

Systematische Einordnung im Föderalismus

Abgrenzung zur konkurrierenden Gesetzgebung

Der Unterschied zur konkurrierenden Gesetzgebung besteht darin, dass bei der ausschließlichen Gesetzgebung die Länder grundsätzlich keine Gesetzgebungskompetenz besitzen. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 72 GG) hingegen können die Länder Gesetze erlassen, soweit der Bund nicht von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat.

Föderaler Schutzmechanismus

Die restriktiv ausgestaltete ausschließliche Gesetzgebung dient der Wahrung bundesweiter Einheitlichkeit in für das Gesamtsystem bedeutsamen Rechtsgebieten, beispielsweise in der Außenpolitik, im Verteidigungswesen sowie in Fragen der Währung und Staatsangehörigkeit.

Begrenzung und Umfang der Ausschließlichen Gesetzgebung

Umfang der Kompetenzen

Die Aufzählung in Art. 73 GG ist abschließend. Außerhalb der in diesem Artikel ausdrücklich genannten Materien steht die Gesetzgebungskompetenz den Ländern zu, es sei denn, das Grundgesetz ordnet ausdrücklich etwas anderes an.

Ausnahmen und Delegation

Eine Ausnahme ergibt sich lediglich aus einer durch ausdrückliches Bundesgesetz normierten Ermächtigung an die Länder gemäß Art. 71 GG. Solche Delegationen sind aber selten und liegen typischerweise nur dann vor, wenn die praktische Ausgestaltung auf Landesebene erforderlich erscheint.

Bedeutung für die Gesetzgebungspraxis

In den Gebieten der ausschließlichen Gesetzgebung können nur der Bundestag (ggf. mit Zustimmung des Bundesrates) und der Bundespräsident Gesetze erlassen, sodass hier eine hohe Einheitlichkeit der Rechtsordnung angestrebt wird. In der Praxis erhält der Bundesgesetzgeber auf diese Weise durch die ausschließliche Gesetzgebung eine allumfassende Regelungskompetenz in den genannten Bereichen.

Wirkung und Rechtsfolgen

Bindung der Länder

In den Bereichen der ausschließlichen Gesetzgebung ist jegliche legislative Tätigkeit der Länder grundsätzlich unzulässig und damit verfassungswidrig, soweit keine ausdrückliche bundesgesetzliche Delegation vorliegt. Ein Verstoß gegen dieses Kompetenzverteilungsprinzip würde zur Nichtigkeit entsprechender Landesgesetze führen.

Kompetenzkonflikte und Verfassungsgerichtsbarkeit

Im Falle von Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern entscheidet das Bundesverfassungsgericht über den Umfang und die Grenzen der ausschließlichen Gesetzgebung. Hierbei werden die jeweiligen Materien streng am Wortlaut und Sinn der Verfassung gemessen.

Europarechtliche und internationale Bezüge

Einfluss durch das Europarecht

Die ausschließliche Gesetzgebung kann mittelbar durch Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union, etwa im Rahmen des EU-Primärrechts, modifiziert oder beeinflusst werden. Hierbei muss insbesondere geprüft werden, ob durch EU-Vorgaben der Regelungsraum des Bundes verschoben oder eingeschränkt wurde.

Völkerrechtliche Bindungen

Soweit Materien der ausschließlichen Gesetzgebung internationalen Verträgen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen unterfallen, ist zu beachten, dass der Bund als Völkerrechtssubjekt der alleinige Vertragspartner im Außenverhältnis ist, was die Einheitlichkeit und Koordinationsfunktion zusätzlich betont.

Bedeutung in der Rechtsdogmatik

Auslegung und Entwicklung

Die Abgrenzung und Auslegung der ausschließlichen Gesetzgebung unterliegt fortlaufender verfassungsgerichtlicher Auslegung, insbesondere um neuen Entwicklungen im Staatsaufbau der Bundesrepublik, technischen Innovationen und gesellschaftspolitischen Veränderungen Rechnung zu tragen. Die Ausstrahlungswirkung auf weitere Kompetenzbereiche und das Verbot der Annexkompetenzen (Erweiterungsvorbehalte) sind wiederkehrende Themen der Rechtswissenschaft.

Praktische Relevanz

Die ausschließliche Gesetzgebung ist insbesondere im Zusammenhang mit der deutschen Einheit und der europäischen Integration von hoher praktischer Bedeutung gewesen, da sie einer Zersplitterung wesentlicher Rechtsgebiete entgegenwirkt und eine gleichmäßige Rechtssetzung sicherstellt.

Literaturhinweise

Weiterführende Hinweise zu dogmatischen Fragestellungen und zur Praxis finden sich insbesondere in Kommentaren zum Grundgesetz, systematischen Verfassungswerken sowie in einschlägigen Monographien zum deutschen Föderalismus.


Stichworte: Ausschließliche Gesetzgebung, Gesetzgebungszuständigkeit, Grundgesetz, Artikel 71 GG, Artikel 73 GG, Gesetzgebungskompetenz, Bundesstaat, Föderalismus, Bund, Länder, Kompetenzverteilung

Häufig gestellte Fragen

In welchen Bereichen hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz und wie wird dies rechtlich geregelt?

Der Bund hat gemäß Artikel 71 und Artikel 73 des Grundgesetzes (GG) die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz in bestimmten Bereichen, in denen ausschließlich der Bund Gesetze erlassen darf, während die Länder von der Gesetzgebung ausgeschlossen sind, es sei denn, sie werden hierzu ausdrücklich durch ein Bundesgesetz ermächtigt. Zu den zentralen, in Art. 73 GG genannten Bereichen gehören die auswärtigen Angelegenheiten, die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung, das Währungs- und Münzwesen, das Bundesgebiet betreffend Staatsangehörigkeitsrecht, Freizügigkeit, Passwesen, Grenzübertritt und das Zoll- sowie Warenverkehrswesen. Auch die Luftraumordnung, der Schutz deutscher Kulturgüter gegen Abwanderung, das Urheberrecht und Patentrecht sowie das Waffenrecht fallen darunter. Die gesetzliche Regelung verhindert, dass in sensiblen und grundlegend staatlichen Bereichen divergierende Regelungen der Länder entstehen, was sowohl die Handlungsfähigkeit des Gesamtstaates als auch die Rechtseinheit sicherstellen soll. Die abschließende Aufzählung dieser Bereiche im Grundgesetz dient zudem der Rechtssicherheit und der verfassungsgerichtlichen Nachprüfbarkeit der Kompetenzabgrenzung.

Wie erfolgt die Abgrenzung zwischen ausschließlicher und konkurrierender Gesetzgebungskompetenz?

Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterscheidet sich grundlegend von der konkurrierenden Gesetzgebung. Während bei ausschließlicher Kompetenz nur der Bund Gesetze erlassen darf, können bei der konkurrierenden Gesetzgebung die Länder Gesetzgebungskompetenzen wahrnehmen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat oder ein Bundesgesetz eine Ermächtigung zur Gesetzgebung vorsieht. Das Grundgesetz listet die Bereiche ausschließlicher Gesetzgebungskompentenz abschließend insbesondere in Art. 73 GG auf. Umgekehrt ist in Art. 74 GG die konkurrierende Gesetzgebung geregelt. Die Kompetenzabgrenzung folgt dem sogenannten Numerus-clausus-Prinzip, das heißt, nur in diesen ausdrücklich benannten Sachgebieten ist der Bund exklusiv zuständig; alle übrigen Gesetzgebungsangelegenheiten fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder. Die Abgrenzung ist regelmäßig vom Bundesverfassungsgericht überprüfbar, wenn Zweifel an der Wettbewerbsordnung der Kompetenzen aufkommen.

Können die Länder ausnahmsweise in Bereichen der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes tätig werden?

Grundsätzlich sind die Länder in den von Art. 73 GG erfassten Bereichen vollständig von der Gesetzgebung ausgeschlossen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ihnen durch ein Bundesgesetz ausdrücklich die Befugnis zur Gesetzgebung eingeräumt wird (sogenannte Ermächtigungsklausel, Art. 71 GG). In der Praxis kommt dies selten vor, da die Regelabsicht des Grundgesetzes eine vollständige Regelungsmonopolisierung des Bundes in diesen Sachgebieten vorsieht. Die explizite Übertragung einzelner Gesetzgebungsrechte auf die Länder würde einen Bundesgesetzgebungsakt voraussetzen und steht zudem unter striktem Vorbehalt, dass keine konkurrierenden oder inhaltlich abweichenden Landesregelungen entstehen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat klargestellt, dass Ermächtigungen eng auszulegen sind und der Bundesgesetzgeber den Umfang und die Reichweite klar und bestimmt regeln muss. Es handelt sich daher um eine rechtlich enge und restriktive Ausnahme.

Welche Rolle spielt das Bundesverfassungsgericht bei Streitigkeiten zur ausschließlichen Gesetzgebung?

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist die höchste Instanz bei Streitigkeiten bezüglich der Gesetzgebungskompetenzen. Bei Konflikten darüber, ob ein Gesetz in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt oder ob eine Regelungskompetenz der Länder besteht, entscheidet das Bundesverfassungsgericht unter Berufung auf die einschlägigen Regelungen des Grundgesetzes und auf bereits bestehende verfassungsrechtliche Prinzipien. Das Gericht prüft Gesetze auf Kompetenzverstöße und kann Gesetze der Länder aufheben, sofern sie in den Bereich ausschließlicher Bundesgesetzgebung eingreifen. Ebenso kann ein Bundesgesetz für nichtig erklärt werden, wenn es außerhalb der abschließend aufgezählten Kompetenzen des Art. 73 GG erlassen wurde. Das BVerfG interpretiert zudem laufend die genaue Reichweite der Kompetenztitel und entscheidet über strittige Fälle bezüglich ihrer Anwendung, wodurch ein hohes Maß an Rechtssicherheit und föderaler Balance gewährleistet wird.

Wie wirkt sich die ausschließliche Gesetzgebung auf die Verwaltungszuständigkeiten aus?

Obwohl der Bund in den Bereichen der ausschließlichen Gesetzgebung die alleinige Gesetzgebungsbefugnis innehat, heißt das nicht automatisch, dass ihm auch die Ausführung dieser Gesetze zusteht. Das Grundgesetz unterscheidet zwischen Gesetzgebungskompetenz (Legislative) und Ausführungskompetenz (Exekutive). In den meisten Fällen werden die Bundesgesetze von den Ländern als eigene Angelegenheit oder im Auftrag des Bundes (Art. 30, 83 ff. GG) ausgeführt. Nur in wenigen, eigens benannten Ausnahmefällen obliegt auch die Ausführung dem Bund selbst (sog. Bundesverwaltung, z.B. Bundespolizei, Bundeszollverwaltung). Die Anwendungspraxis hängt somit davon ab, ob das betreffende Gesetz spezielle bundeseigene Verwaltungszuständigkeiten vorsieht oder ob die Länder als ausführende Organe fungieren. Das sorgt für eine zweistufige föderale Kompetenzordnung und bewirkt, dass trotz einheitlicher Gesetzgebung auf Bundesebene die administrative Umsetzung vielfach länderspezifisch strukturiert bleibt.

Welche rechtlichen Folgen hat ein Verstoß gegen die Grenzen der ausschließlichen Gesetzgebung?

Wenn ein Gesetzgeber in einen Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes ohne entsprechende Zuständigkeit eingreift, ist das erlassene Gesetz wegen Verstoßes gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes nichtig. Für Bundesgesetze, die außerhalb der abschließend genannten Kompetenztitel geschaffen werden, gilt dies ebenso wie für Landesgesetze, die den Kompetenzbereich des Bundes unrechtmäßig beanspruchen. Die Frage der Nichtigkeit kann sowohl durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer abstrakten oder konkreten Normenkontrolle als auch durch andere Gerichte als Vorfrage geprüft werden. Solche Verstöße werden dem Bundesstaatsprinzip gemäß Art. 20 GG zugeordnet und können schwerwiegende Konsequenzen hinsichtlich der Anwendung, Durchsetzung und Bestandssicherung von Gesetzen nach sich ziehen, da nur im Rahmen der jeweils zugewiesenen Kompetenzen gültige Rechtsnormen geschaffen werden dürfen.

Gibt es aktuelle Entwicklungen oder Reformüberlegungen zur ausschließlichen Gesetzgebung im deutschen Verfassungsrecht?

In den letzten Jahrzehnten wurde die Kompetenzordnung des Grundgesetzes, insbesondere im Zuge der Föderalismusreformen, wiederholt diskutiert und angepasst. Ein zentrales Ziel der Föderalismusreformen I (2006) und II (2009) war es, die Kompetenzverteilung klarer zu strukturieren, Überschneidungen zu vermeiden und die Eigenverantwortung der Länder zu stärken. Dennoch bleibt die ausschließliche Gesetzgebung weitgehend unangetastet und weiterhin restriktiv ausgestaltet. Reformüberlegungen betreffen daher hauptsächlich die Bereiche der konkurrierenden Gesetzgebung und die Verwaltungsorganisation, weniger die sachlichen Anwendungsbereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes. Auch im Lichte der europäischen Integration werden immer wieder Stimmen laut, Kompetenzen an supranationale Institutionen abzugeben oder zurückzuübertragen, was jedoch regelmäßig einer Verfassungsänderung und großer politischer Zustimmung bedarf.