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Aussageerpressung


Begriff und Definition der Aussageerpressung

Der Begriff Aussageerpressung bezeichnet eine besondere Form der Erpressung, bei der eine Person mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel dazu gebracht wird, bei einer amtlichen Vernehmung eine bestimmte Aussage zu tätigen, zu unterlassen oder zu verändern. Die Aussageerpressung stellt eine sehr schwerwiegende Rechtsverletzung dar und ist in Deutschland strafrechtlich ausdrücklich geregelt.

Rechtlicher Rahmen der Aussageerpressung in Deutschland

Strafgesetzbuch (StGB)

Die strafrechtliche Behandlung der Aussageerpressung findet sich insbesondere in § 343 StGB (Aussageerpressung, auch als „Erpresserischer Missbrauch der Vernehmung“ bezeichnet). Nach dieser Vorschrift wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wer als Amtsträger oder eine diesem gleichstehende Person während einer Vernehmung einen anderen zur Aussage, zu einem bestimmten Aussageverhalten oder zur Unterlassung der Aussage nötigt und dabei gegen diesen Gewalt anwendet oder mit einem empfindlichen Übel droht.

Gesetzestext (§ 343 StGB)

(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem gerichtlichen Verfahren oder Vorverfahren berufen ist, einen anderen zu einer Aussage, zur Unterlassung einer Aussage oder zu einem bestimmten Aussageverhalten mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Geschützte Rechtsgüter

Die Vorschrift schützt in erster Linie die Freiheit der Zeugenaussage sowie die Wahrheitsfindung im Rahmen eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens. Die Aussageerpressung gefährdet direkt den Kern rechtsstaatlicher Verfahren, indem unzulässiger Druck auf Zeugen oder Beschuldigte ausgeübt wird.

Tatbestandsmerkmale

Täterkreis

Der Täter muss Amtsträger sein, d.h. eine Person, die zur Mitwirkung an einem gerichtlichen Verfahren oder Vorverfahren berufen ist. Hierunter fallen u.a. Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte sowie weitere, mit hoheitlichen Aufgaben betraute Personen. Private Personen können den Tatbestand des § 343 StGB demnach nicht verwirklichen und unterfallen allenfalls dem allgemeinen Nötigungstatbestand (§ 240 StGB) oder weiteren Strafnormen.

Tatobjekt

Tatobjekte sind Zeugen, Sachverständige, Beschuldigte und sonstige Vernehmungspersonen im Rahmen eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens.

Tathandlung

Die Tathandlung besteht darin, die Vernehmungsperson durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer bestimmten Aussage, Aussageverhalten oder zur Unterlassung zu nötigen.
Gewalt umfasst jeden körperlichen Zwang – von Schlägen bis hin zum Festhalten oder Anwendung von Foltermethoden.
Drohung mit einem empfindlichen Übel liegt vor, wenn ein ernstlicher Nachteil in Aussicht gestellt wird, der geeignet ist, die Willensfreiheit zu beeinflussen (z.B. Androhung von Nachteilen im Verfahren, persönliche oder wirtschaftliche Nachteile).

Abgrenzung zu anderen Straftatbeständen

Unterschied zur Nötigung (§ 240 StGB)

Die allgemeine Nötigung umfasst jede rechtswidrige Gewaltanwendung oder Drohung zur Willensbeugung, ist aber im Zusammenhang mit Vernehmungshandlungen als subsidiär zu § 343 StGB zu betrachten. Bei der Aussageerpressung stehen nicht allgemeine Ziele, sondern die Beeinflussung amtlicher Aussagen im Vordergrund.

Zusammenhang mit Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB)

Handelt es sich bei der Vernehmungsperson um eine schutzbefohlene Person, kann die Aussageerpressung zum Tatbestand der Misshandlung von Schutzbefohlenen hinzutreten oder diesen überlagern.

Beihilfe und Versuch

Sowohl die Anstiftung als auch die Beihilfe zur Aussageerpressung sind nach allgemeinen Regeln strafbar. Der Versuch ist nach § 343 Abs. 2 StGB ebenfalls strafbar.

Strafzumessung und Rechtsfolgen

Aussageerpressung wird schwer bestraft. Das Gesetz sieht für die Tat eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vor. In minder schweren Fällen kann das Strafmaß reduziert werden. Häufig hat die Tat zudem berufsrechtliche Konsequenzen, z.B. Entfernung aus dem Dienst.

Bedeutung und Praxisrelevanz

Aussageerpressung ist im internationalen und nationalen Kontext von Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf Menschenwürde und rechtsstaatliches Verfahren. Fälle von Aussageerpressung sind zwar selten, jedoch schwerwiegend und werden in der Regel mit Nachdruck verfolgt und verfolgt.

Menschenrechtliche Dimension

Das Verbot von Aussageerpressung folgt aus dem Grundsatz eines fairen Verfahrens („fair trial“) und ist im deutschen Grundgesetz sowie in internationalen Menschenrechtskonventionen verankert.

Abgrenzung zu weiteren Begriffen aus dem Bereich der Aussagehandlung

Falschaussage (§ 153 StGB) und Meineid (§ 154 StGB)

Aussageerpressung ist mit den Tatbeständen der Falschaussage und des Meineids verwandt, unterscheidet sich jedoch durch das besondere Element der Zwangsanwendung durch Amtsträger.

Rechtsprechung und Beispiele

In der Rechtsprechung werden an die Annahme einer Aussageerpressung hohe Anforderungen gestellt. Voraussetzung ist ein erheblicher Druck, der weit über bloße unzulässige Vernehmungstaktiken hinausgeht.

Beispiel: Ein Richter droht einem Zeugen, dessen Kinder könnten ihm entzogen werden, sollte er nicht die gewünschte Aussage tätigen.

Internationale Regelungen

Auch international ist die Aussageerpressung, etwa durch Folterverbot (z.B. Artikel 3 EMRK, Artikel 5 UN-Antifolterkonvention), ausdrücklich geächtet und verboten.

Zusammenfassung

Aussageerpressung ist eine gravierende Straftat, die die Kernelemente der Rechtsstaatlichkeit und der freien Willensbildung im Zuge gerichtlicher wie behördlicher Verfahren schützt. Amtsträger, welche gegen diese Vorschrift verstoßen, unterliegen besonders schweren strafrechtlichen Konsequenzen. Die Vorschrift dient dem Schutz der persönlichen Integrität von Vernehmungspersonen und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege.

Häufig gestellte Fragen

Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei einer Aussageerpressung?

Aussageerpressung stellt in Deutschland eine besonders schwere Form der Nötigung (§ 240 StGB) oder sogar der Erpressung (§ 253 StGB) dar, sofern ein Täter eine Person durch Gewalt oder Drohungen dazu zwingt, eine Aussage zu machen, zu unterlassen oder eine falsche Aussage zu tätigen. In besonders schweren Fällen – etwa wenn das Opfer in eine erheblich psychisch belastende Lage gebracht oder gar bedroht wird – kann eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren erfolgen. Ist die Aussageerpressung mit anderen Delikten wie Körperverletzung, schwerer Nötigung oder Freiheitsberaubung verbunden, kann die Strafe entsprechend höher ausfallen. Zusätzlich kann Aussageerpressung die Voraussetzungen für Beamtenstraftaten (§ 339 StGB – Rechtsbeugung, § 340 StGB – Körperverletzung im Amt) erfüllen, was zu einer zusätzlichen Strafverfolgung führen kann. Eine gegebenenfalls erpresste Aussage ist regelmäßig prozessual unverwertbar, was im Strafverfahren von großer Bedeutung sein kann.

Wie wird Aussageerpressung im Strafverfahren behandelt?

Im Rahmen eines Strafverfahrens wird Aussageerpressung besonders streng bewertet. Die Justiz legt großen Wert darauf, dass Aussagen von Zeugen oder Beschuldigten freiwillig und unbeeinflusst erfolgen. Sobald der Verdacht besteht, dass eine Aussage unter Zwang, Drohungen oder durch unzulässige Versprechungen zustande gekommen ist, muss das Gericht die Umstände der Aussage kritisch hinterfragen. Solche Aussagen dürfen grundsätzlich nicht als Beweismittel verwendet werden, da ein Verwertungsverbot greift (§ 136a StPO). Sollte im Verfahren festgestellt werden, dass Ermittlungsbeamte oder andere Verantwortliche sich der Aussageerpressung schuldig gemacht haben, so kann dies nicht nur zur Einstellung des Verfahrens führen, sondern auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Täter nach sich ziehen. Das Betroffene erhalten dadurch zusätzlichen Schutz und können etwaige unrechtmäßig gewonnene Aussagen anfechten.

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Opfer einer Aussageerpressung?

Opfer einer Aussageerpressung stehen diverse Rechtsmittel zur Verfügung. Sie können Strafanzeige wegen Nötigung oder Erpressung stellen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, im Rahmen eines laufenden Verfahrens eine Beschwerde einzureichen und die Staatsanwaltschaft gegebenenfalls zum Einschreiten zu veranlassen. Für den Fall, dass die Aussage in einem Gerichtsprozess erzwungen wurde, kann das Opfer beantragen, dass diese Aussage aus dem Verfahren ausgeschlossen wird. Zudem ist es möglich, Schmerzensgeld oder Schadensersatzansprüche nach § 823 BGB (Schadensersatzpflicht) geltend zu machen, sofern durch die Erpressung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist. Opfer können sich rechtlich vertreten lassen, um ihre Ansprüche durchzusetzen und weitere Aussageerpressungen wirksam abzuwehren.

Gibt es besondere Schutzvorschriften für Zeugen im Zusammenhang mit Aussageerpressung?

Im deutschen Recht gibt es mehrere Schutzmechanismen zugunsten von Zeugen, um das Risiko einer Aussageerpressung zu minimieren. Neben dem Zeugenschutzprogramm, das bei besonders gefährdeten Personen zum Einsatz kommt, existieren klare Leitlinien für Vernehmungen (§ 136a StPO, § 163a StPO). Jede Form der Einflussnahme, insbesondere durch Gewalt, Drohung, Täuschung oder unerlaubte Versprechungen, ist ausdrücklich untersagt. Zeugen müssen zudem vor ihrer Aussage über ihre Rechte, insbesondere das Zeugnisverweigerungsrecht (§§ 52-55 StPO), umfassend belehrt werden. Bei Hinweisen auf etwaige Erpressungsversuche sind Polizei und Justiz verpflichtet, zum Schutz des Zeugen tätig zu werden, etwa durch Anonymisierung persönlicher Daten oder die Durchführung von Vernehmungen unter besonderen Schutzvorkehrungen (z. B. Videokonferenz, Zeugenschutzraum).

Können Beamte sich wegen Aussageerpressung strafbar machen?

Beamte sind insbesondere der Pflicht zur Neutralität und Objektivität sowie der strikten Einhaltung rechtlicher Vorschriften verpflichtet. Üben sie im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit rechtswidrig Zwang, Bedrohung oder Gewalt aus, um eine Aussage zu erzwingen, erfüllen sie nicht nur den Tatbestand der Nötigung oder Erpressung (§§ 240, 253 StGB), sondern auch spezifische Amtsdelikte wie die Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB) oder Rechtsbeugung (§ 339 StGB). Im Falle einer Verurteilung drohen empfindliche Strafen bis hin zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis, Pensionsverlust und Eintragung ins Führungszeugnis. Zudem sind von Beamten unter Zwang erlangte Aussagen im Strafprozess grundsätzlich unverwertbar.

Inwieweit können erpresste Aussagen vor Gericht verwendet werden?

Erpresste Aussagen unterliegen dem sogenannten Beweisverwertungsverbot (§ 136a Abs. 3 StPO). Das bedeutet, dass Aussagen, die durch unerlaubte Einwirkung – insbesondere durch Gewalt, Drohung, Folter oder unzulässige Versprechungen – erlangt wurden, im Strafverfahren nicht zulasten des Beschuldigten oder einer anderen Person verwendet werden dürfen. Jegliche auf solche Aussagen gestützten Ermittlungen und Beweise sind vom Gericht unberücksichtigt zu lassen. Werden dennoch auf erpresste Aussagen Bezug genommen, kann dies zur Aufhebung eines Urteils führen. Ausnahmen hiervon sind nach geltender Rechtslage nicht zulässig, da die Wahrung des Grundsatzes eines fairen Verfahrens und der Menschenwürde absoluten Vorrang haben.

Welche Rolle spielt der Verteidiger im Zusammenhang mit Aussageerpressung?

Der Verteidiger nimmt eine zentrale Rolle beim Schutz des Mandanten vor Aussageerpressung ein. Er überwacht den Ablauf von Vernehmungen und kann sofort einschreiten, wenn unzulässige Maßnahmen erkennbar werden. Sollte der Verdacht einer Aussageerpressung bestehen, so sind Verteidiger verpflichtet, entsprechende Schritte einzuleiten, etwa durch Protokollierung, Beweissicherung, Antragstellung auf Aussetzung der Vernehmung und Anrufung des Gerichts. Zudem sorgt der Verteidiger dafür, dass seinem Mandanten sämtliche Beschwerde- und Schutzrechte gewährt werden, das Verwertungsverbot unverzüglich beantragt und gegebenenfalls strafrechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen ergriffen werden.