Auskunftsrecht des Aktionärs
Das Auskunftsrecht des Aktionärs ist ein zentrales Mitwirkungs- und Informationsrecht im Gesellschaftsrecht, insbesondere im Aktienrecht. Es verschafft dem Aktionär einer Aktiengesellschaft (AG) die Möglichkeit, vom Vorstand während der Hauptversammlung Auskünfte über Angelegenheiten der Gesellschaft zu erhalten. Dies dient der Transparenz und Kontrolle durch die Anteilseigner und ist rechtlich umfassend im Aktiengesetz (AktG) geregelt.
Gesetzliche Grundlagen
Regelung im Aktiengesetz
Das Auskunftsrecht des Aktionärs ist maßgeblich in § 131 AktG normiert. Danach ist der Vorstand verpflichtet, jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Das Gesetz regelt nicht nur den Umfang des Auskunftsrechts, sondern auch dessen Grenzen und Bedingungen.
Bezug zu weiteren Normen
Neben § 131 AktG ergänzen weitere Vorschriften des Aktiengesetzes (bspw. §§ 118 ff. AktG im Zusammenhang mit der Hauptversammlung) und das Handelsgesetzbuch (HGB) – etwa im Rahmen der Rechnungslegungspflichten – die auskunftsbezogenen Rechte der Aktionäre.
Umfang des Auskunftsrechts
Gegenstand des Auskunftsverlangens
Das Auskunftsrecht umfasst alle Angelegenheiten der Gesellschaft, die für eine sachgerechte Beurteilung der Tagesordnung bedeutend sind. Dies bezieht sich auf:
- Geschäftliche und wirtschaftliche Verhältnisse der Gesellschaft
- Rechtsverhältnisse zu verbundenen Unternehmen (Tochter-, Mutter- und Schwestergesellschaften)
- Bilanzielle, finanzielle und steuerliche Daten
- Vorgänge innerhalb der letzten Geschäftsjahre, soweit sie für die Entscheidungsfindung relevant sind
Grenzen des Auskunftsrechts
Der Vorstand kann die Auskunft in gewissen Situationen verweigern, insbesondere wenn:
- Die Auskunft nach vernünftiger unternehmerischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen (§ 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG).
- Die Erteilung der Auskunft strafbar wäre oder ordnungswidrigkeitenrechtlich sanktioniert werden könnte (§ 131 Abs. 3 Nr. 2 AktG).
- Die Auskunft auf der Internetseite der Gesellschaft über mindestens sieben Tage vor Beginn der Versammlung zugänglich war (§ 131 Abs. 3 Nr. 7 AktG).
- Die Frage in der Versammlung eindeutig beantwortet worden ist (§ 131 Abs. 3 Nr. 5 AktG).
Darüber hinaus greifen allgemeine rechtliche Schranken wie z.B. datenschutzrechtliche Vorgaben.
Verfahren der Ausübung des Auskunftsrechts
Geltendmachung in der Hauptversammlung
Das Auskunftsrecht ist als Individualrecht auf die Hauptversammlung beschränkt. Der Aktionär darf Fragen direkt oder schriftlich an den Vorstand richten. In vielen Satzungen und Geschäftsordnungen ist das Verfahren zur Teilhabe am Fragenrecht detailliert geregelt. Die Gesellschaft darf weitere Modalitäten (z. B. Fristen für die Einreichung von Fragen) vorsehen, solange die Gleichbehandlung aller Aktionäre gewährleistet bleibt.
Reaktion der Gesellschaft
Der Vorstand kann Auskünfte mündlich oder schriftlich erteilen. Antworten müssen wahrheitsgemäß, vollständig sowie so konkret wie möglich erfolgen und dürfen nicht verweigert werden, es sei denn, es liegen die gesetzlichen Ausnahmetatbestände nach § 131 Abs. 3 AktG vor.
Rechtsfolgen bei Verletzung des Auskunftsrechts
Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen
Wird einem Aktionär das Auskunftsrecht schuldhaft verweigert, kann dies die Anfechtung der auf dieser Hauptversammlung gefassten Beschlüsse gemäß § 243 Abs. 4 AktG begründen. Die Rechtsprechung legt jedoch zunehmend Wert auf die Relevanz der Auskunftsverweigerung für die Abstimmungsentscheidung.
Anspruch auf ergänzende Auskunft
Unterbleibt die Erteilung der gewünschten Auskunft während der Hauptversammlung, steht dem Aktionär kein direkter Anspruch auf nachträgliche Auskunftserteilung zu; vielmehr ist er auf das Anfechtungsverfahren verwiesen.
Auskunftsrecht im internationalen Kontext
Das Auskunftsrecht des Aktionärs ist auch in anderen Rechtsordnungen bekannt, wenngleich inhaltliche Ausgestaltung, Reichweite und Verfahren variieren. In den meisten europäischen Staaten besteht ein vergleichbares Recht auf Informationen und Auskünfte während der Hauptversammlung, wenngleich nationale Besonderheiten beachtet werden müssen.
Entwicklung und Bedeutung in der Unternehmenspraxis
Das Auskunftsrecht des Aktionärs ist ein wesentliches Instrument zur Kontrolle der Unternehmensleitung und zur Wahrung der Aktionärsdemokratie. Seine praktische Bedeutung ist umso größer, je weitreichender die finanziellen, wirtschaftlichen oder strategischen Konsequenzen der zur Abstimmung gestellten Entscheidungen sind. Im Zuge der Digitalisierung haben Gesellschaften zunehmend digitale Informationswege und Fragemöglichkeiten etabliert, was das Auskunftsverfahren weiterentwickelt.
Literatur und weiterführende Quellen
- Aktiengesetz (AktG)
- Baumbach/Hueck: Aktiengesetz. Kommentar
- K. Schmidt: Gesellschaftsrecht
- DNotI-Report: Das Auskunftsrecht des Aktionärs in der Hauptversammlung
Zusammenfassung
Das Auskunftsrecht des Aktionärs ist ein grundlegendes Informationsrecht in der Aktiengesellschaft, das die Transparenz und Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung sichert. Es erlaubt jedem Aktionär während der Hauptversammlung weitgehende Auskunftsverlangen an den Vorstand, unterliegt jedoch bestimmten Grenzen und gesetzlichen Schranken. Seine Verletzung kann weitreichende rechtliche Folgen haben, insbesondere im Hinblick auf die Anfechtung von Beschlüssen der Hauptversammlung. Das Recht trägt wesentlichen zur effektiven Kontrolle und zur Wahrung der Interessen der Anteilseigner bei.
Häufig gestellte Fragen
Welche Informationen kann ein Aktionär im Rahmen seines Auskunftsrechts verlangen?
Das Auskunftsrecht des Aktionärs gemäß § 131 AktG umfasst das Recht, von dem Vorstand in der Hauptversammlung Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen, soweit diese zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Dies schließt insbesondere unternehmensrelevante Informationen über die wirtschaftliche Lage, Geschäftsvorfälle, Unternehmensstrategie sowie wesentliche Verträge und Beteiligungen ein. Auch Informationen zu Tochtergesellschaften, assoziierten Unternehmen und Beteiligungen, vorausgesetzt, sie sind für das Verständnis der Sachverhalte auf der Tagesordnung wesentlich, sind vom Auskunftsanspruch umfasst. Nicht vom Auskunftsrecht erfasst sind hingegen solche Daten, die ausschließlich unternehmensintern bleiben müssen, um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zu schützen oder wenn eine Offenlegung nach gewissen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften oder vertraglichen Geheimhaltungspflichten ausgeschlossen ist. Der Vorstand muss zudem gegebenenfalls unterscheiden, ob eine Frage tatsächlich zur Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist oder ob sie ausschließlich in den Bereich allgemeiner Neugier des Aktionärs fällt, welche nicht verpflichtend zu beantworten ist.
Kann der Vorstand die Auskunft verweigern und unter welchen Bedingungen ist dies zulässig?
Ja, der Vorstand kann die Auskunft gemäß § 131 Abs. 3 AktG verweigern, sofern bestimmte gesetzlich festgelegte Gründe vorliegen. Dazu gehört, dass die Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Ebenso besteht die Möglichkeit der Verweigerung, wenn sich der Vorstand durch die Auskunft strafbar machen würde oder sie eine Verletzung gesetzlicher, satzungsmäßiger oder vertraglicher Geheimhaltungsverpflichtungen nach sich ziehen würde. Ein weiterer Ausschlussgrund liegt vor, wenn die Information im Jahresabschluss, Lagebericht, Konzernabschluss oder Konzernlagebericht zugänglich ist und bereits entsprechend erläutert wurde, sodass keine Redundanz erforderlich ist. Auch bei unverhältnismäßigem Arbeitsaufwand zur Beantwortung von Anfragen kann der Vorstand die Antwort verweigern, sofern keine wesentliche Information betroffen ist.
Welche Voraussetzungen und Formalitäten müssen Aktionäre erfüllen, um ihr Auskunftsrecht geltend zu machen?
Das Auskunftsrecht kann grundsätzlich nur im Rahmen der Hauptversammlung und ausschließlich während dieser ausgeübt werden. Voraussetzung ist, dass der Aktionär zur Teilnahme an der Hauptversammlung ordnungsgemäß eingelassen wurde und somit seine Aktionärsstellung rechtmäßig nachweisen kann. Die Fragen müssen sich auf einen Gegenstand der Tagesordnung beziehen und so konkret formuliert sein, dass der Vorstand sie sachgerecht beantworten kann. Es besteht keine Verpflichtung des Aktionärs, das Auskunftsverlangen vorher schriftlich anzumelden, doch kann eine rechtzeitige schriftliche Einreichung von Fragen durch die Satzung oder die Einberufung der Hauptversammlung vorgesehen sein, insbesondere im virtuellen Versammlungsformat nach dem Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften. Eine missbräuchliche Ausübung, etwa durch bewusst unbegründete oder schikanöse Fragen, wird vom Gesetz nicht geschützt.
Steht das Auskunftsrecht jedem Aktionär gleichermaßen und in jedem Umfang zu?
Grundsätzlich steht das Auskunftsrecht jedem Aktionär, unabhängig von der Anzahl seiner gehaltenen Aktien, zu, denn das Recht ist ein gesetzliches Individualrecht jedes Aktionärs. Allerdings kann der Umfang der Auskunft im Einzelfall begrenzt sein, wenn der Aktionär wiederholt aus gleichen Gründen, zum wiederholten Male oder aus erkennbar mutwilligen Gründen Auskunft verlangt, die bereits erteilt wurde oder die analog der aktiengesetzlichen Auskunftsverweigerungsgründe nicht erteilt werden sollte. Ferner kann der Versammlungsleiter gemäß § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG das Frage- und Rederecht angemessen zeitlich begrenzen, um den ordnungsgemäßen Ablauf der Versammlung zu gewährleisten. Eine Differenzierung nach der Größe des Beteiligungsverhältnisses gibt es nicht, es sei denn, in der Satzung werden ausnahmsweise Sonderregelungen für Großaktionäre vorgesehen, diese betreffen jedoch in der Regel nicht das Auskunftsrecht, sondern andere gesellschaftsrechtliche Beteiligungsrechte.
Wie erfolgt die Durchsetzung des Auskunftsrechts und welche Rechtsmittel stehen dem Aktionär bei verweigerter Auskunft zu?
Wird einem Aktionär in der Hauptversammlung eine Auskunft verweigert, kann er dies im Protokoll der Versammlung vermerken lassen. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, weil eine ordnungsgemäße Protokollierung eine notwendige Voraussetzung für die spätere Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses ist. Nach § 243 Abs. 4 AktG kann ein Beschluss der Hauptversammlung angefochten werden, wenn das Auskunftsrecht des Aktionärs rechtswidrig verweigert wurde und der verweigerte Informationszugang für die Meinungs- und Willensbildung der Aktionäre hinsichtlich des betreffenden Beschlusses von Relevanz ist. Die Anfechtung muss innerhalb eines Monats nach Abschluss der Hauptversammlung beim zuständigen Landgericht eingereicht werden. Daneben besteht bei strukturellen oder wiederkehrenden Verletzungen auch die Möglichkeit einer gerichtlichen Feststellungsklage, falls Grundsatzfragen zum Umfang des Auskunftsrechts geklärt werden müssen.
Gibt es Fristen, innerhalb derer Aktionäre ihr Auskunftsrecht ausüben müssen?
Das Auskunftsrecht ist grundsätzlich während der Hauptversammlung auszuüben, es besteht also das Erfordernis der Geltendmachung vor oder während der Aussprache zu den einzelnen Tagesordnungspunkten. In Fällen, in denen virtuelle Hauptversammlungen abgehalten werden, können besondere Anmeldefristen für Fragen bestehen, deren Einhaltung erforderlich ist, wenn die Gesellschaft dies in der Einladung angeordnet hat. In der Regel endet das Auskunftsrecht mit dem Abschluss des jeweiligen Tagesordnungspunkts, zu dem die Fragen gestellt wurden. Eine Nachholung außer- oder nachversammlungsbezogener Auskunftsersuchen sieht das Aktiengesetz grundsätzlich nicht vor.
Unterliegt die Ausübung des Auskunftsrechts bestimmten Missbrauchsschranken?
Die Ausübung des Auskunftsrechts unterliegt dem Verbot der Rechtsmissbräuchlichkeit. Das bedeutet, dass Fragen, die offensichtlich nur der Störung des Ablaufs der Hauptversammlung dienen oder der Schikane von Vorstand und anderen Aktionären, nicht zulässig sind. Ebenso wird keine Auskunft geschuldet, wenn Beantwortungen zu einer ungerechtfertigten Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen oder zu einem nicht gerechtfertigten Nachteil für die Gesellschaft führen würden. Die Verletzung dieser Schranke kann zudem zu Schadensersatzansprüchen gegen den betreffenden Aktionär führen, wenn etwa infolge missbräuchlich erlangter und veröffentlichter Informationen ein wirtschaftlicher Schaden für die Gesellschaft entsteht.