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Ausgraben von Leichen


Ausgraben von Leichen im rechtlichen Kontext

Das Ausgraben von Leichen, auch Leichenausgrabung genannt, ist ein rechtsrelevanter Vorgang, der das Öffnen eines Grabes und das Entnehmen eines Leichnams oder Leichenteils aus einer Grabstätte umfasst. Diese Handlung unterliegt in Deutschland strengen rechtlichen Regelungen, die sowohl die strafrechtliche als auch die verwaltungsrechtliche Komponente betreffen. Im Folgenden werden die rechtlichen Aspekte detailliert erläutert.


Rechtliche Grundlagen

Strafrechtliche Vorschriften

Das unbefugte Ausgraben von Leichen ist in Deutschland nach § 168 Strafgesetzbuch (StGB) unter Strafe gestellt. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen verschiedenen Formen der Störung der Totenruhe:

  • § 168 Abs. 1 StGB: Wer unbefugt eine Leiche, Teile einer Leiche oder die Asche eines Verstorbenen wegnimmt, verwahrt oder an einen anderen Ort verbringt, macht sich strafbar.
  • § 168 Abs. 2 StGB: Gleiches gilt für das unbefugte Öffnen von Gräbern oder Urnen.

Die Strafandrohung reicht bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Der Gesetzgeber sieht in der Totenruhe ein schutzwürdiges Rechtsgut und stellt jede gravierende Einwirkung auf Leichen unter Strafe, sofern keine behördliche Genehmigung oder ein sonstiger Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Verwaltungsrechtliche und ordnungsrechtliche Regelungen

Neben dem Strafrecht existieren detaillierte Bestimmungen im Bestattungsrecht, das in den Bestattungsgesetzen der einzelnen Bundesländer geregelt ist. Die wichtigsten Regelungsinhalte umfassen:

  • Voraussetzungen für eine Exhumierung (Leichenausgrabung): Eine Ausgrabung darf in der Regel nur erfolgen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht (z.B. Überführung, Umbettung, wissenschaftliche Untersuchung).
  • Genehmigungsverfahren: Für das Ausgraben ist eine ausdrückliche Genehmigung der örtlich zuständigen Behörde (i.d.R. Ordnungsamt oder Gesundheitsamt) erforderlich. Dabei sind sowohl die Wünsche der nächsten Angehörigen als auch öffentliche Interessen und Seuchenschutzvorschriften zu berücksichtigen.
  • Mitteilungspflichten: Oftmals sind neben der Bestattungsbehörde auch Gesundheitsämter und ggf. polizeiliche Stellen zu informieren.

Zulässigkeit und Voraussetzungen der Leichenausgrabung

Gesetzliche Erlaubnis und behördliche Genehmigung

Eine Leichenausgrabung ist grundsätzlich nur zulässig, wenn die formellen Voraussetzungen vorliegen:

  1. Antragstellung: In der Regel muss ein schriftlicher Antrag unter Angabe des Grundes für die Ausgrabung gestellt werden.
  2. Genehmigung durch die Behörde: Die zuständige Behörde prüft, ob das Anliegen rechtlich und tatsächlich gerechtfertigt ist. In die Entscheidung fließen Belange des Persönlichkeitsrechts der Verstorbenen sowie die Pietätsinteressen der Hinterbliebenen ein.
  3. Beachtung des Seuchenschutzes: Insbesondere bei Ausgrabungen, die kurze Zeit nach der Bestattung erfolgen, ist das Infektionsrisiko zu prüfen. Die Behörde kann in solchen Fällen weitere Anforderungen an Hygiene und Vorsichtsmaßnahmen stellen.

Gründe für eine zulässige Leichenausgrabung

Erlaubte Gründe umfassen insbesondere:

  • Umbettung auf Wunsch der Angehörigen oder zur Durchführung einer erneuten Bestattung
  • Überführung in einen anderen Ort
  • Anordnung durch ein Gericht im Rahmen einer strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Untersuchung (z.B. Obduktion)
  • Wissenschaftliche oder archäologische Untersuchungen, sofern eine entsprechende Genehmigung vorliegt

Schutz der Totenruhe

Bedeutung des Schutzgutes Totenruhe

Die Totenruhe ist in Deutschland ein besonders geschütztes Gut. Sie umfasst den Schutz der Leiche vor Störungen und Entwürdigung. Daher sind jede Ausgrabung und weitere Handlungen an der Leiche, an Leichenteilen oder der Asche ausschließlich in den engen Grenzen des Gesetzes erlaubt.

Sanktionen bei Verstößen

Verstöße gegen die Vorschriften zum Ausgraben von Leichen werden sowohl strafrechtlich als auch ordnungsrechtlich verfolgt:

  • Strafrechtliche Konsequenzen: Neben der eigentlichen Freiheits- oder Geldstrafe kann ein Tätigkeitsausschluss für Personen verhängt werden, die für die Durchführung von Bestattungen zugelassen sind.
  • Ordnungswidrigkeitenrechtliche Maßnahmen: Die unbefugte Ausgrabung kann zudem als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, insbesondere wenn keine Gefahr im Verzug vorliegt und formale Vorschriften missachtet wurden.

Sonderfälle

Gerichtliche Anordnung einer Ausgrabung

In Strafverfahren können Staatsanwaltschaft und Gerichte eine Exhumierung anordnen, wenn dies zur Aufklärung von Todesumständen erforderlich ist (§ 87 StPO in Verbindung mit § 159 StPO). Die Maßnahme ist auch gegen den Willen der Angehörigen zulässig, wenn das öffentliche Interesse, insbesondere an der Strafverfolgung, überwiegt.

Archäologische Exhumierungen

Bei archäologischen Arbeiten greifen spezielle gesetzliche Grundlagen aus dem Denkmalschutzrecht der Länder. Archäologische Grabungen und das Ausgraben menschlicher Überreste unterliegen hier ebenfalls der behördlichen Genehmigung und den Schutzvorschriften des Bestattungsrechts.


Zusammenfassung

Das Ausgraben von Leichen ist in Deutschland umfassend gesetzlich geregelt und bedarf stets einer behördlichen Genehmigung. Es handelt sich um einen bördenrechtlich und strafrechtlich sensiblen Vorgang, bei dem sowohl die Totenruhe als auch öffentliche und private Belange sorgfältig abgewogen werden müssen. Verstöße gegen die gesetzlichen Regelungen können empfindliche rechtliche Sanktionen nach sich ziehen.


Weiterführende Vorschriften und Literatur

  • § 168 StGB – Störung der Totenruhe
  • Bestattungsgesetze der einzelnen Bundesländer
  • Ordnungsvorschriften über das Friedhofswesen
  • § 87 StPO – Leichenschau und Obduktion
  • Denkmalschutzgesetze der Länder

Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Aspekte des Ausgrabens von Leichen und dient als Nachschlagewerk für alle, die sich mit Fragen des Friedhofs-, Bestattungs- oder Strafrechts beschäftigen.

Häufig gestellte Fragen

Ist das Ausgraben von Leichen in Deutschland grundsätzlich erlaubt?

In Deutschland ist das Ausgraben von Leichen grundsätzlich verboten und unterliegt strengen gesetzlichen Regelungen. Maßgeblich hierfür sind vor allem die Bestattungsgesetze der einzelnen Bundesländer sowie das Strafgesetzbuch (StGB). Das unerlaubte Ausgraben oder Stören von Leichnamen wird nach § 168 StGB („Störung der Totenruhe“) strafrechtlich verfolgt und kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. Ausnahmen bestehen nur in engen gesetzlichen Rahmen, etwa wenn eine Exhumierung aus wissenschaftlichen, gesundheitlichen oder strafrechtlichen Gründen von den zuständigen Behörden angeordnet wird. Dabei sind umfangreiche Genehmigungen sowie das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses zwingend erforderlich. Private Interessen oder Neugier rechtfertigen unter keinen Umständen das Ausgraben einer Leiche.

Welche gesetzlichen Voraussetzungen müssen für eine Exhumierung erfüllt sein?

Für eine Exhumierung, also das Ausgraben einer Leiche, sind zahlreiche Voraussetzungen zu erfüllen. Zunächst bedarf es einer behördlichen Genehmigung, die in der Regel vom zuständigen Gesundheitsamt oder der Ordnungsbehörde nach Prüfung des Einzelfalls erteilt wird. Eine solche Genehmigung wird meistens dann ausgestellt, wenn zwingende Gründe wie zum Beispiel eine richterlich angeordnete Obduktion im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen oder medizinisch-wissenschaftliche Untersuchungen vorliegen. Darüber hinaus ist eine Einwilligung der nächsten Angehörigen erforderlich, sofern keine behördliche Anordnung besteht. Es müssen außerdem hygienische und gesundheitliche Vorgaben berücksichtigt werden, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit auszuschließen. Die jeweiligen landesrechtlichen Bestattungsgesetze regeln die konkreten Abläufe und Voraussetzungen im Detail.

Welche Strafen drohen bei einer unerlaubten Ausgrabung?

Wer eine Leiche ohne die erforderliche behördliche Erlaubnis ausgräbt, macht sich in Deutschland wegen Störung der Totenruhe strafbar (§ 168 StGB). Das Gesetz sieht für dieses Delikt Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen vor. In besonders schweren Fällen, etwa wenn der Täter gewerbsmäßig oder aus niedrigen Beweggründen handelt, können die Sanktionen entsprechend empfindlicher ausfallen. Zusätzlich zu strafrechtlichen Konsequenzen können auch ordnungsrechtliche Bußgelder, Schadensersatzforderungen der Angehörigen sowie zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung geltend gemacht werden. Darüber hinaus wird das Ansehen im sozialen und beruflichen Umfeld empfindlich beschädigt.

Gibt es Ausnahmen vom Verbot der Ausgrabung bei wissenschaftlichem Interesse?

Das Ausgraben von Leichen zu wissenschaftlichen Zwecken wird in Ausnahmefällen zugelassen, sofern das öffentliche oder wissenschaftliche Interesse an der Untersuchung im Einzelfall besonders schwer wiegt. Allerdings ist hierfür stets eine umfassende behördliche Genehmigung notwendig, meist unter Einbeziehung ethischer Kommissionen und der Zustimmung der nächsten Angehörigen. Historische Exhumierungen, archäologische Grabungen oder die Bergung von Gebeinen zur Identifikation vermisster Personen sind Praxisbeispiele. Die Maßnahme muss dem Schutz der Menschenwürde und der Pietät Rechnung tragen, weshalb besonders strenge stille und hygienische Vorschriften eingehalten werden müssen.

Welche Rolle spielen die Angehörigen bei der Erlaubnis zur Ausgrabung?

Die Angehörigen haben in rechtlicher Hinsicht ein Mitspracherecht, sofern keine behördliche Anordnung gegen ihren Willen erfolgt. Ihre Zustimmung ist bei nicht zwingend behördlich angeordneten Exhumierungen regelmäßig einzuholen. Das sogenannte Totenfürsorgerecht gewährt den nächsten Verwandten einen erheblichen Einfluss über den Leichnam und dessen Behandlung nach dem Tod. Die Behörden müssen die Wünsche und Bedenken der Angehörigen sorgfältig abwägen und berücksichtigen, insbesondere vor dem Hintergrund des grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrechts und der Achtung der Totenruhe. Nur bei zwingenden öffentlichen Interessen können diese Rechte eingeschränkt werden.

Wie gestaltet sich die praktische Durchführung einer behördlich genehmigten Exhumierung?

Die Durchführung einer genehmigten Exhumierung erfolgt stets unter strengsten Sicherheits-, Hygiene- und Pietätsauflagen. Verantwortlich ist in der Regel ein spezialisiertes Bestattungsunternehmen, das im Beisein von Behördenvertretern, Ärzten bzw. Gerichtsmedizinern agiert. Der Ablauf wird im Vorfeld detailliert geplant und dokumentiert, um eine ordnungsgemäße Identifikation und gegebenenfalls weitere Untersuchungen sicherzustellen. Nach Abschluss der Maßnahmen wird die Grabstelle in der Regel wiederhergestellt oder eine Umbettung vorgenommen. Über alle Maßnahmen wird ein Protokoll angefertigt, das der Behörde vorzulegen ist.

Kann gegen die Ablehnung einer Exhumierung Rechtsmittel eingelegt werden?

Gegen die behördliche Ablehnung einer beantragten Exhumierung steht in der Regel der Verwaltungsrechtsweg offen. Antragsteller können Widerspruch einlegen und gegebenenfalls Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Im Verfahren wird geprüft, ob die Verweigerung rechtmäßig war und insbesondere, ob die Interessen der Antragsteller angemessen berücksichtigt wurden. Je nach Sachlage kann das Gericht die Behörde zur Erteilung der Genehmigung verpflichten oder den Antrag abweisen. Auch bei ablehnenden Entscheidungen ist stets das übergeordnete Schutzinteresse an der Achtung der Totenruhe zu berücksichtigen.