Legal Lexikon

Ausgleichungsanspruch


Begriff und Rechtsnatur des Ausgleichungsanspruchs

Der Ausgleichungsanspruch ist ein zentraler Begriff im deutschen Zivilrecht und bezeichnet den Anspruch einer Partei auf Ausgleichung, das heißt die (teilweise) Kompensation eines Nachteils, den diese im Verhältnis zu einer anderen Partei erlitten hat. Ziel des Ausgleichungsanspruchs ist es, eine gerechte Verteilung von Vermögensverschiebungen herzustellen, insbesondere wenn mehrere Personen an einem rechtlichen Verhältnis beteiligt sind. Der Ausgleichungsanspruch tritt in verschiedenen Rechtsgebieten auf, namentlich im Erbrecht, im Gesellschaftsrecht sowie im Familienrecht.

Rechtsgrundlagen

Die konkrete Ausgestaltung des Ausgleichungsanspruchs richtet sich nach dem jeweiligen Rechtsgebiet und der einschlägigen gesetzlichen Regelung. Zu den wichtigsten gesetzlichen Grundlagen zählen:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Weitere spezialgesetzliche Regelungen, z.B. im Versorgungsausgleichsrecht

Im Mittelpunkt steht regelmäßig das Prinzip des gerechten Interessenausgleichs zwischen den Beteiligten.

Ausgleichungsanspruch im Erbrecht (§§ 2050 ff. BGB)

Begriff und Zweck

Im Erbrecht tritt der Ausgleichungsanspruch in erster Linie im Zusammenhang mit der sogenannten Ausgleichungspflicht unter Abkömmlingen eines Erblassers auf (§§ 2050 ff. BGB). Zweck dieser Vorschriften ist es, sicherzustellen, dass alle erbberechtigten Kinder grundsätzlich gleichgestellt werden, unabhängig von zu Lebzeiten des Erblassers erfolgten Zuwendungen.

Voraussetzungen der Ausgleichungspflicht

Ein Ausgleichungsanspruch gemäß §§ 2050 ff. BGB setzt insbesondere voraus:

  • Es handelt sich um eine Erbengemeinschaft aus Abkömmlingen (z.B. Kindern) des Erblassers.
  • Mindestens ein Beteiligter hat vom Erblasser eine Zuwendung (Schenkung) erhalten, die gemäß § 2050 BGB ausgleichungspflichtig ist. Hierzu zählen insbesondere Ausstattungen (§ 1624 BGB), Zuschüsse zur Berufsausbildung sowie Zuwendungen mit Ausgleichsbestimmung durch den Erblasser.
  • Eine Testamentarische Befreiung oder ergänzende Regelung durch den Erblasser liegt nicht vor.

Rechtsfolge

Die ausgleichungspflichtige Zuwendung wird in den sogenannten Ausgleichungsnachlass eingestellt. Die Erbteile der betroffenen Miterben werden rechnerisch um den Wert der zu Lebzeiten erhaltenen Leistungen korrigiert. Sofern dadurch ein Ungleichgewicht entstanden ist, werden Ausgleichungszahlungen zwischen den Erben geschuldet, um eine gerechte Verteilung des Nachlasses zu gewährleisten.

Berechnung des Ausgleichungsanspruchs

Die Ermittlung des Ausgleichungsbetrags erfolgt unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der Zuwendung und ihres tatsächlichen Wertes. Maßgeblich ist in der Regel der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung, abzüglich eventueller bereits erfolgter Rückzahlungen oder Nachteilsausgleiche.

Ausgleichungsanspruch im Gesellschaftsrecht

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

Auch im Gesellschaftsrecht, namentlich bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), spielt der Ausgleichungsanspruch eine wesentliche Rolle. Im Fall der Beendigung einer GbR ergibt sich zwischen den Gesellschaftern ein Anspruch auf Ausgleichung gemäß §§ 730 ff. BGB. Ziel ist eine sachgerechte Verteilung des Gesellschaftsvermögens nach Abzug der Verbindlichkeiten.

Kommandit- und Aktiengesellschaften

Entsprechende Regelungen finden sich auch bei anderen Gesellschaftsformen, etwa der Kommanditgesellschaft (KG) oder der Aktiengesellschaft (AG). Hier besteht bei Austritt eines Gesellschafters bzw. Aktionärs oder bei Liquidation der Gesellschaft ein Anspruch auf Beteiligung am Gesellschaftsvermögen nach Maßgabe der vertraglichen und gesetzlichen Vorschriften.

Ausgleichungsansprüche im Familienrecht

Zugewinnausgleich

Im Familienrecht steht der Ausgleichungsanspruch insbesondere im Zusammenhang mit dem Zugewinnausgleich bei Beendigung des gesetzlichen Güterstandes (Zugewinngemeinschaft) gemäß §§ 1363 ff. BGB. Endet die Ehe durch Scheidung, Tod oder Vereinbarung, steht dem Ehepartner, dessen Zugewinn geringer ausgefallen ist, ein Ausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten zu.

Berechnung

Der Zugewinnausgleichsanspruch wird ermittelt durch Vergleich des Anfangs- und Endvermögens beider Ehegatten. Die Differenz stellt den Zugewinn dar. Der Ehepartner mit dem höheren Zugewinn ist verpflichtet, die Hälfte dieses Mehrwerts an den anderen auszugleichen.

Versorgungsausgleich

Auch im Zuge des Versorgungsausgleichs gem. § 1587 ff. BGB entstehen Ausgleichungsansprüche zur Sicherstellung einer gerechten Verteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften.

Ausgleichungsanspruch im Schenkungsrecht

Eine besondere Form des Ausgleichungsanspruchs existiert bei mittelbaren Schenkungen oder Mehrpersonenverhältnissen, beispielsweise nach gemeinschaftlichen Schenkungen durch mehrere Schenker oder an mehrere Beschenkte. Hier ist ein Ausgleichsanspruch zur Herstellung einer gleichmäßigen Beteiligung möglich, sofern einer der Beteiligten benachteiligt wird.

Ausgleichungsansprüche im öffentlichen Recht

Auch im öffentlichen Recht finden sich ausgleichsrechtliche Regelungen, etwa bei Enteignungen (Art. 14 GG) oder nach dem Lastenausgleichsgesetz. Ziel ist hier ein finanzieller Ausgleich für staatliche Eingriffe in das Eigentum oder andere erhebliche Belastungen.

Abgrenzung zu anderen Ansprüchen

Der Ausgleichungsanspruch ist abzugrenzen von anderen schuldrechtlichen Ansprüchen, wie dem Schadenersatzanspruch, Bereicherungsansprüchen oder Ersatzansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB). Während Schadenersatz eine Kompensation für rechtswidrige Eingriffe darstellt, knüpft der Ausgleichungsanspruch primär an eine fehlende oder gestörte Gleichverteilung von Vermögenspositionen an.

Verjährung und Durchsetzung

Die Verjährung des Ausgleichungsanspruchs richtet sich nach der jeweiligen Anspruchsgrundlage. Im Erbrecht verjähren Ausgleichungsansprüche in der Regel in drei Jahren (§ 195 BGB), im Gesellschaftsrecht gelten die allgemeinen Regeln der §§ 195, 199 BGB, sofern keine abweichende Regelung vereinbart wurde.

Zur Durchsetzung des Ausgleichungsanspruchs stehen dem Berechtigten die zivilrechtlichen Klagemöglichkeiten offen. Die Geltendmachung erfolgt im Regelfall durch Zahlungsklage oder im Rahmen eines Auseinandersetzungsverfahrens (z.B. Teilungsklage bei Erbengemeinschaften).

Literaturhinweise und Quellen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar
  • Staudinger, Kommentar zum BGB
  • MüKo, Münchener Kommentar zum BGB
  • Handelsgesetzbuch (HGB)

Der Ausgleichungsanspruch ist somit eine zentrale zivilrechtliche Anspruchsgrundlage, deren Anwendungsbereich sich über verschiedene Rechtsgebiete erstreckt. Er dient der Schaffung eines gerechten Ausgleichs und der Vermeidung ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen im Mehrparteienverhältnis. Seine exakte Ausgestaltung hängt maßgeblich vom jeweiligen Sachverhalt und der einschlägigen gesetzlichen Regelung ab.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für einen Ausgleichungsanspruch im rechtlichen Sinne vorliegen?

Für das Entstehen eines Ausgleichungsanspruchs – etwa im Erbrecht oder im Familienrecht – müssen bestimmte gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst ist erforderlich, dass überhaupt eine Ausgleichungspflicht besteht, was vor allem dann der Fall ist, wenn ein Erbe zu Lebzeiten des Erblassers eine Zuwendung erhalten hat, die bei der Verteilung des Nachlasses berücksichtigt werden soll (§§ 2050 BGB ff.). Im Familienrecht kann es z.B. zum Ausgleichungsanspruch im Rahmen des Zugewinnausgleichs kommen, wenn während der Ehe Vermögensverschiebungen stattgefunden haben und der Wertzuwachs hälftig zu teilen ist (§ 1378 BGB). Wesentlich ist stets, dass es zu einer objektiven Vermögensmehrung oder -verschiebung gekommen ist, die auszugleichen wäre. Hinzukommen muss regelmäßig die Gleichstellung der Beteiligten, d.h., die Parteien müssen rechtlich gleichgestellt sein, beispielsweise Miterben im Erbrecht oder Ehegatten im Eherecht. Weiterhin darf dem Anspruch keine vertragliche oder gesetzliche Ausschlussklausel (z.B. Verzicht oder Ausschluss durch Testament/Ehevertrag) entgegenstehen. Schließlich ist die Geltendmachung innerhalb der maßgeblichen Frist (Verjährung beachten!) entscheidend.

Welche Rolle spielt der Ausgleichungsanspruch im Erbrecht nach deutschem Recht?

Im Erbrecht kommt dem Ausgleichungsanspruch eine herausragende Rolle zu, da er einen zentralen Mechanismus für die gerechte Verteilung des Nachlasses unter mehreren Miterben darstellt. Der Anspruch sorgt dafür, dass Zuwendungen, die ein Abkömmling vom Erblasser zu dessen Lebzeiten erhalten hat (z.B. Ausstattung, Schenkungen), bei der Aufteilung der Erbschaft ausgeglichen werden, um eine gleichmäßige Teilhabe aller Miterben zu gewährleisten. Die gesetzlichen Regelungen hierzu finden sich in §§ 2050 ff. BGB. Maßgeblich für eine Ausgleichspflicht ist hierbei meist, dass der Erblasser die Zuwendung mit einer Ausgleichungsbestimmung versehen hat oder es sich um eine sogenannte Ausstattung (§ 1624 BGB) handelt. Nicht jede Zuwendung löst einen Ausgleichungsanspruch aus – etwa kleinere Geschenke oder Leistungen, die aus unterhaltlichen Verpflichtungen getätigt wurden, gelten in der Regel nicht als ausgleichspflichtig. Der Ausgleich erfolgt im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, indem der Wert der Zuwendung dem Erbteil des Begünstigten hinzugerechnet und dann aufgeteilt wird.

Wie erfolgt die Berechnung eines Ausgleichungsanspruchs?

Die Berechnung eines Ausgleichungsanspruchs richtet sich grundsätzlich nach dem Wert der empfangenen Zuwendung zum Zeitpunkt der Zuwendung, es sei denn, der Erblasser hat etwas anderes bestimmt (§ 2055 Abs. 2 BGB im Erbrecht). Systematisch wird dem Wert des Nachlasses der Wert der ausgleichspflichtigen Zuwendung hinzugerechnet, und aus dem sich so ergebenden „fiktiven Nachlass“ werden die Erbteile berechnet. Der ausgleichspflichtige Erbe erhält dann weniger aus dem Nachlass, weil ihm bereits zu Lebzeiten ein Teil zugewendet wurde. Bei der Wertermittlung können Schwierigkeiten entstehen, etwa bei Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen, sodass mitunter eine sachverständige Bewertung erforderlich ist. Zusätzlich ist zu prüfen, ob der Wertverlust oder Wertzuwachs abzuziehen oder hinzuzurechnen ist (z.B. bei zwischenzeitlicher Veräußerung oder Wertsteigerung der Zuwendung).

Welche Besonderheiten bestehen beim Ausgleichungsanspruch zwischen Ehegatten nach der Scheidung?

Im Familienrecht, insbesondere beim Zugewinnausgleich nach einer Scheidung, regelt der Ausgleichungsanspruch die Verteilung des während der Ehe erworbenen Vermögenszuwachses zwischen den Ehegatten (§§ 1363 ff. BGB). Besonderheiten bestehen darin, dass jeder Ehegatte einen Anspruch auf Ausgleich des sogenannten Zugewinns hat, also des Vermögens, das in der Ehe gemeinsam erwirtschaftet wurde. Dabei wird das Anfangs- und Endvermögen jedes Ehegatten festgestellt; die Differenz ergibt den Zugewinn, den der wirtschaftlich weniger erfolgreiche Ehegatte hälftig beanspruchen kann. Beim Zugewinnausgleich sind Besonderheiten bei unentgeltlichen Zuwendungen, Ererbtem und Geschenken zu beachten, die nach § 1374 Abs. 2 BGB dem Anfangsvermögen hinzugerechnet werden, sodass sie im Ergebnis nicht ausgleichspflichtig sind. Auch Form und Frist der Geltendmachung, sowie Steueraspekte (Schenkungs- und Erbschaftsteuer), spielen eine Rolle.

Ist der Ausgleichungsanspruch vererblich oder übertragbar?

Ein Ausgleichungsanspruch ist grundsätzlich vererblich, das heißt, stirbt der Anspruchsinhaber vor der Geltendmachung, geht sein Anspruch auf dessen Erben über (§ 1922 BGB). Ob der Anspruch auch übertragbar ist, hängt vom jeweiligen gesetzlichen oder vertraglichen Kontext ab. Während Ausgleichungsansprüche aus dem Zugewinnausgleich oder Erbauseinandersetzungen in der Regel abtretbar sind (§§ 398 ff. BGB), kann in Ausnahmefällen eine höchstpersönliche Bindung bestehen, die eine Übertragbarkeit ausschließt, etwa wenn es auf die Individualität oder persönliche Beziehungen der Parteien ankommt. Eine vertragliche Übertragung (z.B. im Rahmen einer Abtretungsvereinbarung) ist jedoch in aller Regel möglich, sofern kein gesetzliches Abtretungsverbot besteht.

Welche rechtlichen Folgen ergeben sich bei der Verletzung eines Ausgleichungsanspruchs?

Wird ein Ausgleichungsanspruch nicht erfüllt oder ignoriert, stehen dem Anspruchsberechtigten verschiedene rechtliche Wege offen, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Im Erbrecht erfolgt dies häufig im Rahmen der Erbauseinandersetzungsklage (§ 2042 BGB), die auf eine vollständige, korrekt berechnete Nachlassteilung gerichtet ist. Im Ehe- und Familienrecht kann der Zugewinnausgleichsanspruch im Scheidungsverfahren oder durch eine gesonderte Klage geltend gemacht werden. Im Falle der Verletzung können auch Verzugszinsen (§ 288 BGB) oder Schadensersatzansprüche entstehen. Die Durchsetzung hängt zudem von der Einhaltung der gesetzlichen Verjährungsfristen (§§ 195, 197 BGB) ab; im Erbrecht regelmäßig drei Jahre ab Kenntnis von Anspruch und Schuldner, im Familienrecht spätestens drei Jahre nach Rechtskraft der Scheidung. Verwirkung oder Verzicht auf den Ausgleichungsanspruch ist unter Umständen ebenfalls möglich.

Inwiefern kann ein Ausgleichungsanspruch ausgeschlossen oder modifiziert werden?

Ein Ausgleichungsanspruch kann durch testamentarische Verfügung, Erbvertrag, Ehevertrag oder sonstige Individualvereinbarung ausgeschlossen oder modifiziert werden. Im Erbrecht kann der Erblasser durch entsprechende Anordnung bestimmen, dass bestimmte Zuwendungen nicht oder nur teilweise auszugleichen sind (§ 2050 Abs. 3 BGB). Im Familienrecht können Ehegatten durch Ehevertrag Regelungen zum Zugewinnausgleich treffen (§ 1408 BGB) und diesen sogar ganz ausschließen oder modifizieren, sofern keine grobe Benachteiligung („sittenwidriger Ausschluss“) vorliegt. Auch im Rahmen einer einvernehmlichen Auseinandersetzung oder durch Verwahrung können Ausgleichungsansprüche individuell geregelt und von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Lösungen getroffen werden. Allerdings sind die Grenzen der Gestaltungsfreiheit durch das Gesetz (insbesondere Schutzvorschriften zugunsten schwächerer Beteiligter, z. B. §§ 138, 242 BGB) zu beachten.