Begriff und Rechtsnatur des Ausgedinges
Das Ausgedinge (auch: Abfindung, Altenteil oder Leibgedinge) ist ein im deutschen Zivilrecht verankerter Begriff, der eine spezielle Form der Versorgung bezeichnet. Traditionell stammend aus dem ländlichen Raum, bezeichnet das Ausgedinge die lebenslange Versorgung der übergebenden Generation bei der Übergabe landwirtschaftlicher Grundstücke, Höfe oder Ganzerben an die nachfolgende Generation. Das Ausgedinge findet seine rechtliche Ausgestaltung vor allem im Zusammenhang mit Grundstücks- und Hofübergabeverträgen.
Historische Entwicklung
Bereits im Mittelalter entwickelte sich das Ausgedinge als Bestandteil des bäuerlichen Eigentumsübergangs. Ursprünglich sicherte es Altenteilern (zumeist Eltern) den wirtschaftlichen Lebensunterhalt, insbesondere nach dem Austritt aus dem aktiven Berufsleben. Im Verlauf der Zeit wurde das Ausgedinge in verschiedenen Landrechten kodifiziert und erlangte über das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Sachenrechtsbereinigungsgesetz und landesrechtliche Sonderreglungen rechtliche Verbindlichkeit.
Rechtliche Einordnung und Grundlagen
Das Ausgedinge ist kein eigener Vertragstyp, sondern meist als Bestandteil eines Übergabevertrages ausgestaltet. Die gesetzlichen Grundlagen finden sich insbesondere in den §§ 1093, 1090 ff. und 1105 bis 1112 BGB, welche Regelungen zum dinglichen Wohnrecht, zur Grunddienstbarkeit sowie zum Nießbrauch enthalten. Das Ausgedinge kann als Reallast oder als persönliche Dienstbarkeit gestaltet sein; auch schuldrechtliche Vereinbarungen sind gebräuchlich.
Schuldrechtliches und dingliches Ausgedinge
- Schuldrechtliches Ausgedinge: Hierbei handelt es sich um eine vertragliche Vereinbarung, in der Ansprüche auf Leistungen ausschließlich zwischen den Vertragspartnern bestehen und somit nur schuldrechtlich durchsetzbar sind.
- Dingliches Ausgedinge: Wird das Ausgedinge als Reallast, Nießbrauch oder Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen, bestehen die Ansprüche direkt gegenüber dem jeweiligen Grundeigentümer und sind grundstücksbezogen gesichert.
Typische Leistungen des Ausgedinges
Das Ausgedinge regelt regelmäßig:
- Wohnrechte (z.B. bestimmte Wohnräume im übergebenen Hof)
- Naturalien (z.B. Verpflegung, Kleidung, Feuerung)
- Pflegeleistungen und/oder Krankenversorgung
- Barleistungen oder Rentenzahlungen
- Nutzung weiterer Grundstücksbestandteile (z.B. Garten, Wirtschaftsgebäude)
Der genaue Umfang der Leistungsverpflichtungen ist regelmäßig im Übergabevertrag individuell festgelegt.
Vertragsgestaltung und Eintragung
Vereinbarung im Übergabevertrag
Das Ausgedinge wird in der Praxis zumeist bei Hofübergaben oder Grundstücksübertragungen vertraglich fixiert. Die Vertragspartner legen Art, Umfang und Dauer der zu erbringenden Leistungen fest. Üblicherweise erfolgt die Übergabe gegen Einräumung des Ausgedinges – eine gleichzeitige Gegenleistung, bei der das Recht auf Versorgung als wesentlicher Bestandteil der Abmachung betrachtet wird.
Formvorschriften
Die Bestellung eines dinglich wirkenden Ausgedinges (etwa als Reallast, Grunddienstbarkeit oder Nießbrauch) bedarf grundsätzlich der notariellen Beurkundung sowie der Eintragung im Grundbuch. Dadurch werden die Sicherungs- und Verwertungsfunktionen gegenüber Dritten (insbesondere im Falle eines Eigentümerwechsels oder bei Belastungen) gewährleistet.
Rechtswirkungen und Sicherung
Wirkung gegenüber dem Grundstückseigentümer
Durch die Eintragung als Reallast oder Wohnrecht im Grundbuch entsteht ein unmittelbarer Anspruch auf die vereinbarten Leistungen – und zwar auch gegenüber etwaigen Rechtsnachfolgern des Grundstückseigentümers. Das Ausgedinge ist mithin grundstücksgebunden und sichert die Versorgung unabhängig von Eigentümerwechseln.
Haftung und Durchsetzung
Der Berechtigte kann bei Nichterfüllung der Reallast die gewohnheitsrechtlich oder gesetzlich bestimmten Natural- oder Geldleistungen in Anspruch nehmen. Die notwendigen Ansprüche sind notfalls auf dem Klageweg durchsetzbar. Zur Durchsetzung der Rechte stehen dem Ausgedinge-Berechtigten die im Sachenrecht geregelten Ansprüche zu (§§ 1108 BGB – Anspruch auf Duldung und Unterlassung u.a.).
Schutz in besonderen Fällen
Im Fall der Insolvenz des Verpflichteten oder bei Zwangsversteigerung bleibt das Ausgedinge als eingetragene Belastung bestehen und wird im Zwangsversteigerungsverfahren besonders berücksichtigt (§ 10 ZVG). Auch im Falle einer Eigentumsübertragung bleibt das Ausgedinge als dingliches Recht erhalten.
Beendigung und Ablösung des Ausgedinges
Das Ausgedinge ist in der Regel auf Lebenszeit des Berechtigten angelegt. Es endet mit dem Tod des Begünstigten, kann jedoch in Ausnahmefällen ausdrücklich auf bestimmte Zeiträume beschränkt werden. Vorzeitige Beendigungen, etwa durch einvernehmliche Aufhebung oder Abfindung, sind möglich. Bei Aufgabe des Wohnrechts oder Verzicht sind die jeweiligen Abwicklungsmodalitäten im Vertrag oder, subsidiär, durch das Gesetz geregelt.
Steuerrechtliche Behandlung
Ausgedinge-Leistungen unterliegen besonderen steuerrechtlichen Bestimmungen. Die Einräumung des Ausgedinges ist meist Teil eines unentgeltlichen Erwerbsvorgangs und führt regelmäßig zu einkommensteuerlichen oder schenkungssteuerlichen Konsequenzen. In der Einkommensteuer ist die Gegenleistung ggf. als dauernde Last oder außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Details regeln insbesondere § 10 Abs. 1a EStG und ErbStG.
Ausgedinge im landwirtschaftlichen Sonderrecht
Insbesondere im landwirtschaftlichen Sonderrecht, etwa im landwirtschaftlichen Höferecht (u.a. Höfeordnung), nimmt das Ausgedinge eine erhebliche Rolle ein. Es dient der nachhaltigen Absicherung der weichenden Generation und der Erhaltung der betrieblichen Struktur des Hofes über Generationen hinweg. Sonderregelungen finden sich etwa in § 12 HöfeO und in mehreren Landesgesetzen.
Abgrenzungen
Zur klaren Begriffsabgrenzung sei darauf hingewiesen, dass das Ausgedinge nicht mit typischen Rentenrechten, Altenteilen nach allgemeinem Wohn- und Mietrecht oder der Grundrente zu verwechseln ist. Seine Besonderheit liegt in der Verbindung mit der Übertragung landwirtschaftlicher oder – analog – handwerklicher Betriebe und an der grundstücksbezogenen Sicherung.
Literaturhinweise
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 1090 ff., 1105 ff.
- Zivilprozessordnung (ZPO)
- Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG)
- Höfeordnung (HöfeO)
Weblinks
Zusammenfassung:
Das Ausgedinge ist ein rechtliches Instrument traditioneller bäuerlicher Versorgungsregelungen und findet im deutschen Recht als dinglich und schuldrechtlich ausgestaltbares Recht auf Versorgung bei Grundstücks- bzw. Hofübergabe Anwendung. Die rechtliche Absicherung erfolgt regelmäßig durch Eintragung im Grundbuch; die rechtlichen Wirkungen umfassen umfassende Schutz- und Durchsetzungsmechanismen zugunsten der Berechtigten. Steuerrechtliche und besondere landwirtschaftliche Regelungen ergänzen die Ausgestaltung.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist beim Ausgedinge typischerweise berechtigt, die vertraglich vereinbarten Leistungen einzufordern?
Beim Ausgedinge ist in der Regel die übergebende Person – häufig ein Landwirt, der einen landwirtschaftlichen Betrieb auf einen Nachfolger überträgt – berechtigt, die vereinbarten Versorgungsleistungen einzufordern. Dabei handelt es sich meist um den Altenteiler oder die Altenteilerin, also die bisherigen Hofeigentümer oder ihre Ehegatten. Die genaue Berechtigung ergibt sich aus dem notariell beurkundeten Ausgedingevertag oder dem Übertragungsvertrag, in dem ausdrücklich festgelegt wird, wer Anspruch auf Wohnrecht, Natural- oder Geldleistungen hat. Relevant ist hierbei, dass die Berechtigten namentlich genannt und die Leistungen präzise bezeichnet sind, da Unklarheiten später zu Streitigkeiten führen können. Auch können Erben der ursprünglichen Ausgedingeberechtigten unter bestimmten Umständen Rechtsnachfolger werden, insbesondere, wenn der Anspruch noch nicht vollständig erfüllt wurde und dies im Vertrag geregelt ist.
Welche rechtlichen Pflichten treffen den Übernehmer eines mit Ausgedinge belasteten Grundstücks?
Der Übernehmer ist durch die im Grundbuch eingetragene Dienstbarkeit (z. B. Altenteilsrecht) und die privatrechtlichen Absprachen verpflichtet, die im Ausgedingevertag geregelten Leistungen zu erbringen. Darunter fallen typischerweise Pflegeleistungen, Unterhalt, Wohnrecht sowie Natural- oder Geldleistungen. Diese Pflichten gehen grundsätzlich auch auf einen späteren Erwerber des Betriebs über, sofern das Ausgedinge als Reallast oder beschränkte persönliche Dienstbarkeit gesichert ist. Der Übernehmer muss die Ansprüche der Ausgedingeberechtigten unabhängig von deren Umfang erfüllen, andernfalls drohen zivilrechtliche Klagen auf Leistung, unter Umständen Schadensersatz oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Eine Entlastung des Übernehmers ist nur möglich, wenn der Berechtigte ausdrücklich darauf verzichtet oder eine gerichtliche Abänderung (Anpassung wegen wesentlicher Veränderung der Verhältnisse) erfolgt.
Welche rechtlichen Möglichkeiten existieren, wenn der Übernehmer die Ausgedinge-Leistungen nicht erbringt?
Erfüllt der Übernehmer die im Ausgedingevertag vereinbarten Leistungen nicht, stehen dem Berechtigten verschiedene rechtliche Wege offen. Zunächst kann dieser die Erfüllung der Leistungen gerichtlich einklagen. Bestehen die Leistungen in einem Wohnungsrecht oder Versorgungsleistungen, ist in vielen Verträgen auch ein Anspruch auf Duldung oder Vornahme der Handlung vorgesehen, der per einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden kann. Sind die Ansprüche im Grundbuch (z. B. als Reallast) gesichert, kann der Berechtigte außerdem unter Umständen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Hofnachfolger einleiten. Im Extremfall besteht außerdem die Möglichkeit, auf Rückabwicklung der Hofübergabe zu klagen, wenn schwerwiegende Pflichtverletzungen vorliegen und dies explizit vertraglich vereinbart wurde („Heimfallklausel“). Eine Anrufung der Schiedsstelle nach § 13 HöfeO ist nur im Bereich der landwirtschaftlichen Höfe relevant.
Kann das Ausgedinge nachträglich abgeändert oder aufgehoben werden?
Die Änderung oder Aufhebung eines bestehenden Ausgedinges ist grundsätzlich nur im gegenseitigen Einvernehmen möglich und sollte stets notariell beurkundet erfolgen, insbesondere wenn Rechte im Grundbuch eingetragen sind. Eine einseitige Änderung durch eine Vertragspartei ist ausgeschlossen. Lediglich bei einer wesentlichen Veränderung der Umstände – etwa durch den Tod oder eine schwere Pflegebedürftigkeit des Berechtigten – kann eine Anpassung veranlasst werden, sofern dies vertraglich vereinbart wurde oder sich aus der Auslegung des Vertrages ergibt. In manchen Bundesländern sieht das Alteigentumsgesetz (§ 16 AEG NRW) oder die Höfeordnung (§ 14 HöfeO) eine gerichtliche Anpassungsmöglichkeit wegen grober Unbilligkeit vor. Sollte eine Anpassung über das Gericht erzwungen werden, kann dies auch die Art, den Umfang oder die Dauer der Leistungen betreffen.
Wie wird das Ausgedinge rechtlich im Grundbuch gesichert?
Das Ausgedinge kann im Grundbuch regelmäßig durch Eintragung einer Reallast (§§ 1105 ff. BGB), einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§§ 1090 ff. BGB) oder eines Nießbrauchrechts (§§ 1030 ff. BGB) abgesichert werden. Die Art der Absicherung richtet sich nach dem Umfang der zu gewährenden Leistungen. Während Reallasten regelmäßig auf wiederkehrende Leistungen (z. B. Naturalien, Geldunterhalt) abstellen, werden Wohnrechte und andere Nutzungsrechte häufig als Dienstbarkeit eingetragen. Die Eintragung im Grundbuch erfolgt auf Antrag beim Grundbuchamt, meist im Rang nach gesicherten Grundpfandrechten (z. B. Hypotheken). Nur mit entsprechender Grundbucheintragung können die Rechte gegenüber späteren Grundstückserwerbern rechtssicher durchgesetzt werden. Eine Löschung ist wiederum nur mit Zustimmung des Berechtigten möglich.
Welche steuerlichen Aspekte sind im Zusammenhang mit Ausgedinge zu beachten?
Rechtlich ist zu beachten, dass die Übertragung eines landwirtschaftlichen Betriebs gegen Ausgedinge als sogenannte gemischte Schenkung oder als teilentgeltliches Rechtsgeschäft steuerlich behandelt wird. Die im Ausgedinge abstrakt bestimmten Versorgungsleistungen können als wiederkehrende Leistungen oder dauernde Last im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG anerkannt werden, was steuerrechtliche Folgen für beide Parteien hat. Je nach Ausgestaltung und Wert der vereinbarten Leistungen können sowohl Einkommens-, Schenkungs- oder Erbschaftssteuerpflichten ausgelöst werden. Auch Sozialversicherungsrecht (Kranken-, Pflegeversicherung) ist in Einzelfällen betroffen, insbesondere wenn Pflegeleistungen vereinbart werden. Details sollten stets mit einem auf Agrarrecht spezialisierten Steuerberater geklärt werden.