Legal Lexikon

Ausgangssperre


Begriff und rechtliche Einordnung der Ausgangssperre

Eine Ausgangssperre bezeichnet eine hoheitlich angeordnete Beschränkung, die den Aufenthalt im öffentlichen Raum während bestimmter Zeiträume umfassend oder für einzelne Personengruppen untersagt. Ausgangssperren stellen ein erhebliches Grundrechtseingriff dar und bedürfen daher einer besonderen rechtlichen Legitimation sowie einer sorgfältigen Abwägung der widerstreitenden Interessen.

Rechtsgrundlagen der Ausgangssperre in Deutschland

In Deutschland ist die Möglichkeit, Ausgangssperren zu verhängen, in mehreren Rechtsnormen geregelt, wobei sich die konkrete Grundlage je nach Anlass der Maßnahme unterscheidet. Nachfolgend werden die maßgeblichen Regelungsbereiche detailliert dargestellt.

Infektionsschutzrecht (IfSG)

Im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) kann eine Ausgangssperre als Maßnahme zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen werden. Im Kontext der COVID-19-Pandemie wurden insbesondere §§ 28 und 28a IfSG herangezogen, um staatliche Stellen – vor allem Landesregierungen und zuständige Behörden – zur Anordnung zeitlich und örtlich beschränkter Ausgangsbeschränkungen zu ermächtigen.

Typische Ausgestaltungen sind dabei:

  • nächtliche Ausgangssperren (z.B. von 22 Uhr bis 5 Uhr),
  • Wohnsitzbeschränkungen für bestimmte Risikogebiete,
  • generelle Ausgangsverbote für besondere Personengruppen.

Polizeirecht und Gefahrenabwehr

Auch im Rahmen des Polizeirechts können Ausgangssperren zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verfügt werden. Landespolizeigesetze enthalten entsprechende Ermächtigungen (§§ zur Abwehr erheblicher Beeinträchtigungen wie Landfriedensbruch, Aufruhr oder erheblicher Straftaten). Ausgangssperren sind als sog. Allgemeinverfügungen oder Einzelanordnungen denkbar, insbesondere zur Abwendung akuter Gefahrenlagen.

Katastrophenschutzrecht

Im Katastrophenschutzrecht der Länder können Ausgangssperren im Falle von Naturkatastrophen, schweren Unglücksfällen oder Großschadensereignissen verhängt werden (§ 24 Abs. 1 Zivilschutz- und Katastrophenschutzgesetz – ZSKG bzw. landesspezifische Regelungen). Hier dient die Maßnahme dem Schutz der Bevölkerung, Behörden sowie Einsatzkräfte.

Voraussetzungen und Voraussetzungen der Anordnung

Die Anordnung einer Ausgangssperre bedarf stets einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Darüber hinaus müssen formelle und materielle Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit: Es muss ein begründeter und erheblicher Anlass vorliegen, der eine schwerwiegende Gefahr für rechtsgüter wie Leben, Gesundheit oder die öffentliche Ordnung erwarten lässt.
  • Verhältnismäßigkeit: Die Maßnahme muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Das bedeutet, dass weniger einschneidende Mittel (z.B. Maskenpflicht, Versammlungsverbote) bevorzugt geprüft werden müssen, bevor zu diesem „ultima ratio“-Instrument gegriffen wird.
  • Bestimmtheitsgebot und Normenklarheit: Zeitlicher, räumlicher und personeller Anwendungsbereich müssen zweifelsfrei definiert sein. Allgemeine und unbestimmte Ausgangssperren sind nicht zulässig.

Ablauf und Durchführung

Die Umsetzung erfolgt in der Regel durch Allgemeinverfügung und wird öffentlich bekanntgemacht (z.B. durch Veröffentlichung im Amtsblatt, Pressemitteilungen, digitale Kanäle). Verstöße gelten meist als Ordnungswidrigkeit oder können – je nach Schwere – strafrechtlich sanktioniert werden (§§ 73, 74 IfSG, Polizeibefugnisnormen).

Grundrechtliche Dimensionen

Ausgangssperren betreffen maßgeblich das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG), die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie das Recht auf Bewegungs- und Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG). Derartige Einschränkungen bedürfen einer strengen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung und sind vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz getragen. Gerichte (u.a. Bundesverfassungsgericht) haben im Rahmen der Pandemie die Anordnungen einer strengen Kontrolle unterzogen und teilweise pauschale Ausgangssperren kritisiert.

Mögliche Ausnahmen

Typische Ausnahmen bei Ausgangssperren umfassen:

  • Ausübung beruflicher Tätigkeiten,
  • medizinische Notfälle und notwendige Arztbesuche,
  • Wahrnehmung wichtiger familiärer Verpflichtungen (z.B. Pflege, Notbetreuung),
  • Hilfeleistungen für Bedürftige.

Europäische und internationale Perspektiven

Auch auf europäischer Ebene, etwa im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), unterliegt die Einschränkung der Bewegungsfreiheit strengen Voraussetzungen. Art. 5 EMRK sieht Einschränkungen lediglich unter engen Bedingungen und nur zur Gefahrenabwehr vor. Ausgangssperren können im internationalen Recht bei Gefahren für die nationale Sicherheit oder im Katastrophenfall angeordnet werden, müssen jedoch stets verhältnismäßig bleiben.

Vergleich anderer Länder

In verschiedenen Ländern wird die Ausgangssperre teils anders gehandhabt, wobei meist ebenfalls hohe rechtliche Hürden gelten und gerichtliche Kontrollen vorgesehen sind.

Sanktionen und Rechtsmittel

Verstöße gegen Ausgangssperren können je nach landesrechtlicher Ausgestaltung als Ordnungswidrigkeit oder gar als Straftat eingestuft werden. Die Verhängung von Bußgeldern ist häufig, in schweren Fällen drohen neben Bußgeldern auch Freiheitsstrafen. Betroffene können gegen die Anordnung einer Ausgangssperre im Wege des verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes (z.B. Anfechtungsklage, einstweiliger Rechtsschutz vor Verwaltungsgerichten) vorgehen.

Abgrenzung zu anderen Maßnahmen

Nicht zu verwechseln sind Ausgangssperren mit:

  • Ausgangsbeschränkungen: erlauben den Aufenthalt im Freien zu bestimmten Zwecken, während die Ausgangssperre den Aufenthalt grundsätzlich untersagt.
  • Kontaktbeschränkungen: beschränken vorrangig den Kontakt zu anderen Personen, nicht jedoch zwingend den Aufenthalt im öffentlichen Raum.

Fazit

Die Ausgangssperre ist ein rechtsstaatlich besonders sensibler Eingriff, der nur auf gesetzlicher Grundlage unter Beachtung strikter Voraussetzungen erfolgen darf. Sie dient dem Gesundheitsschutz sowie der Gefahrenabwehr, muss aber stets mit den Grundrechten in Einklang gebracht werden. Ihre Anordnung ist an enge Bedingungen geknüpft und unterliegt einer rechtlichen Kontrolle im Wege des effektiven Rechtsschutzes.


Quellen: Gesetzestexte (IfSG, Polizeigesetze der Länder, ZSKG, GG, EMRK), Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Kommentarliteratur zu den jeweiligen Gesetzen

Häufig gestellte Fragen

Wann ist eine Ausgangssperre rechtmäßig?

Die Rechtmäßigkeit einer Ausgangssperre richtet sich in Deutschland maßgeblich nach den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), wobei insbesondere §§ 28 ff. IfSG den rechtlichen Rahmen definieren. Voraussetzung für die Anordnung ist eine konkrete Gefahr für die öffentliche Gesundheit, häufig im Zusammenhang mit einer Epidemie oder Pandemie. Ausgangssperren dürfen nur dann verhängt werden, wenn mildere Maßnahmen – wie etwa Kontaktbeschränkungen oder Maskenpflicht – nicht ausreichen, um die Gefahr abzuwenden. Die Anordnung muss stets verhältnismäßig sein, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen. Zuständig für die Anordnung sind üblicherweise die zuständigen Behörden (z.B. Landratsamt, Bezirksregierung), in besonderen Fällen können auch bundes- oder landesrechtliche Regelungen Anwendung finden. Eine gerichtliche Überprüfung ist im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes möglich.

Welche rechtlichen Ausnahmen von einer Ausgangssperre gibt es?

Ausgangssperren enthalten regelmäßig gesetzlich oder behördlich festgelegte Ausnahmen. Häufige Ausnahmetatbestände sind die Ausübung beruflicher Tätigkeiten, medizinische Notfälle, die Versorgung hilfsbedürftiger Personen und unaufschiebbare Gerichtstermine. Auch das Gassi gehen mit Haustieren wird oft als Ausnahme anerkannt. Die exakten Ausnahmen sind jeweils in der konkret anwendbaren Rechtsverordnung definiert, weswegen Betroffene verpflichtet sind, sich über ihre bundeslandspezifischen bzw. örtlichen Regelungen zu informieren. Bei Inanspruchnahme einer Ausnahme ist in vielen Fällen ein entsprechender Nachweis (z. B. Arbeitgeberbescheinigung, ärztliches Attest) mitzuführen.

Welche Strafen drohen bei Verstößen gegen die Ausgangssperre?

Verstöße gegen eine Ausgangssperre können als Ordnungswidrigkeit oder – bei vorsätzlichem oder wiederholtem Handeln – in bestimmten Fällen auch als Straftat verfolgt werden, gemäß § 73 IfSG bzw. § 74 IfSG. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren drohen Geldbußen, deren Höhe von der jeweiligen Landesverordnung abhängt und regelmäßig im Bußgeldkatalog festgelegt wird. Diese können mehrere hundert bis zu mehreren tausend Euro betragen. Bei schweren Verstößen mit konkreter Gefährdung anderer Personen oder der Allgemeinheit ist auch eine Freiheitsstrafe möglich. Zusätzlich können weitere rechtliche Konsequenzen, etwa dienstrechtliche oder arbeitsrechtliche Maßnahmen, drohen.

Wer kontrolliert die Einhaltung einer Ausgangssperre?

Für die Überwachung und Kontrolle der Einhaltung einer Ausgangssperre sind in erster Linie die Ordnungsämter und die Polizei zuständig. Diese führen stichprobenartige sowie anlassbezogene Kontrollen im öffentlichen Raum durch, z. B. durch Verkehrskontrollen, Fußstreifen oder Kontrollen an bekannten Treffpunkten. Bei festgestellten Verstößen erfolgt in der Regel vor Ort eine Identitätsfeststellung und die Einleitung eines Bußgeldverfahrens. Die Behörden sind außerdem berechtigt, Nachweise für Ausnahmetatbestände einzufordern und bei Bedarf mit Zwangsmitteln (z. B. Platzverweis) durchzusetzen.

Können Ausgangssperren juristisch angefochten werden?

Individuen können gegen die Anordnung oder Anwendung einer Ausgangssperre juristisch vorgehen. Dies geschieht regelmäßig im Wege des Verwaltungsrechtsschutzes, insbesondere durch das Einlegen eines Widerspruchs oder das Beantragen eines einstweiligen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a VwGO) bei den Verwaltungsgerichten. Die Gerichte prüfen dabei insbesondere die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sowie deren Gesetzmäßigkeit im konkreten Einzelfall. Gerichte haben in der Vergangenheit sowohl Ausgangssperren bestätigt als auch in bestimmten Fällen aufgehoben, etwa bei mangelnder Erforderlichkeit oder bei übermäßig weitreichenden und nicht ausreichend begründeten Beschränkungen.

Welche Unterschiede gibt es rechtlich zwischen Ausgangssperre und anderen Kontaktbeschränkungen?

Rechtlich unterscheidet sich die Ausgangssperre von bloßen Kontaktbeschränkungen dadurch, dass sie nicht nur die Anzahl oder Art der zulässigen Kontakte, sondern das generelle Verlassen der eigenen Wohnung verbietet, außer in ausdrücklich genannten Ausnahmefällen. Während Kontaktbeschränkungen den sozialen Umgang reglementieren, stellt eine Ausgangssperre einen umfassenderen Grundrechtseingriff dar, insbesondere in das Grundrecht auf Freizügigkeit (Art. 11 GG) und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG). Juristisch ist die Schwelle zur Anordnung einer Ausgangssperre daher höher, sie erfordert eine intensivere Begründung und unterliegt einer strengeren Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Gelten für geimpfte oder genesene Personen rechtliche Sonderregelungen während einer Ausgangssperre?

Die Frage der Gleichstellung geimpfter oder genesener Personen hat insbesondere während der COVID-19-Pandemie an Bedeutung gewonnen. Rechtsverordnungen können für diese Personengruppen Ausnahmen von Ausgangsbeschränkungen vorsehen; Grundlage ist etwa § 28c IfSG i.V.m. der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV). Hiernach können geimpfte oder genesene Personen von bestimmten Ausgangsbeschränkungen befreit sein, sofern dies im konkreten Rechtsakt so vorgesehen ist. Die genaue Ausgestaltung und der Nachweisstatus (z. B. digitaler Impfpass, Genesenennachweis) sind in den jeweiligen Verordnungen definiert. Ein genereller Rechtsanspruch besteht aber nur, wenn dies explizit gesetzlich oder behördlich bestimmt wurde.