Begriff und Bedeutung der Auschwitz-Lüge
Die sogenannte „Auschwitz-Lüge“ bezeichnet die bewusste Behauptung, der nationalsozialistische Völkermord an den europäischen Juden insbesondere im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz habe nicht stattgefunden oder sei erheblich übertrieben worden. Diese Form der Leugnung des Holocaust stellt eine besondere Ausprägung der sogenannten Holocaustleugnung dar und ist in Deutschland und weiteren Ländern strafrechtlich verboten.
Historischer Hintergrund
Ursprung der Auschwitz-Lüge
Die Leugnung der systematischen Ermordung von Millionen von Juden während der Zeit des Nationalsozialismus ging in der Nachkriegszeit vor allem von rechtsextremen Kreisen aus. Ab den 1970er-Jahren wurde der Begriff „Auschwitz-Lüge“ vor allem im Zusammenhang mit Publikationen und öffentlichen Verlautbarungen verwendet, die die Existenz der Gaskammern oder den Massenmord im Lager unbegründet in Frage stellten.
Begriffsprägung
Der Begriff „Auschwitz-Lüge“ wurde ursprünglich von Gegnern der Holocaustleugnung geprägt, um die absurde und historisch nachweislich falsche Behauptung der Leugnung als solche zu kennzeichnen. Heute wird der Begriff überwiegend in der wissenschaftlichen und politischen Literatur zur Benennung dieser spezifischen Form der Geschichtsfälschung verwendet.
Rechtliche Einordnung in Deutschland
Strafgesetzliche Regelungen
§ 130 StGB – Volksverhetzung
In Deutschland ist die Verbreitung der Auschwitz-Lüge strafrechtlich besonders durch § 130 des Strafgesetzbuches (StGB) – Volksverhetzung – erfasst. Nach § 130 Absatz 3 StGB ist es strafbar, öffentlich oder in einer Versammlung den Holocaust („die in der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft begangenen Handlungen“ gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe) zu billigen, zu leugnen oder zu verharmlosen. Die Strafandrohung beträgt Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
Schutzgut
Durch diese Bestimmung soll insbesondere der öffentliche Friede geschützt werden. Die Strafbarkeit setzt insbesondere voraus, dass die Leugnung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, etwa indem antisemitischer Hass geschürt oder das Andenken der Opfer verletzt wird.
Erweiterte Tatbestände
Neben der Volksverhetzung wurden im Zuge der Rechtsprechung und durch Reformen auch verwandte Tatbestände herangezogen, etwa die Beleidigung (§ 185 StGB), wenn durch die Leugnung von NS-Verbrechen das Andenken Verstorbener herabgewürdigt wird.
Verbotsnormen im Kontext des Meinungsrechts
Die Strafbarkeit wegen Holocaustleugnung kollidiert regelmäßig mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz (GG). Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch mehrfach entschieden, dass das Leugnen des Holocausts oder der auch als „Auschwitz-Lüge“ bezeichneten Tatsachen nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist, da es sich hierbei um nachweislich unwahre Tatsachenbehauptungen handelt, nicht um bloße Meinungsäußerungen.
Bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung
Mit dem sogenannten Auschwitzlüge-Beschluss vom 13. April 1994 (BVerfGE 90, 241) stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass die Leugnung des Holocausts den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nicht eröffnet, da das Grundgesetz keine bewusst unwahren Tatsachenbehauptungen schützt. Das Gericht führte aus, dass das gezielte Leugnen gesicherter historischer Fakten selbst in äußerster Form der Meinungsäußerung nicht schützenswert ist.
Internationale Rechtslage
Europäischer Rahmen
Viele europäische Staaten haben ähnliche Strafbestimmungen erlassen, um die Leugnung oder gröbliche Verharmlosung des Holocausts – und damit auch der Auschwitz-Lüge – rechtlich zu untersagen. Grundlage ist häufig der „Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit“ aus dem Jahr 2008.
Rechtliche Situation in anderen Staaten
In Österreich, der Schweiz, Belgien, Frankreich, Polen und weiteren Ländern bestehen eigene Straftatbestände zum Umgang mit Leugnung nationalsozialistischer Verbrechen, teils explizit auf Auschwitz bezogen. In anderen Ländern – insbesondere den USA – wird die Verbreitung der Auschwitz-Lüge häufig vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt, solange keine weiteren Straftatbestände verwirklicht werden.
Rechtsprechung zur Auschwitz-Lüge
Wesentliche Entscheidungen deutscher Gerichte
Bundesgerichtshof (BGH)
Der Bundesgerichtshof bestätigte wiederholt die Strafbarkeit der Auschwitz-Lüge im Rahmen des Tatbestands der Volksverhetzung. So wurde etwa das öffentliche Infragestellen der Existenz von Gaskammern in Auschwitz als „Leugnung unter Strafandrohung“ bewertet.
Verwaltungsgerichte
Auch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, etwa hinsichtlich Versammlungen oder Publikationen, bestätigen regelmäßig die Unzulässigkeit von Aussagen, die der Auschwitz-Lüge zuzurechnen sind. Hierbei ist die klare Trennung zwischen verbotener Leugnung und gegebenenfalls zulässiger wissenschaftlicher Auseinandersetzung zu beachten.
Auschwitz-Lüge im Internet und digitale Verbreitung
Mit der zunehmenden Nutzung des Internets verlagert sich die Verbreitung von Holocaustleugnungs-Inhalten, einschließlich der Auschwitz-Lüge, in digitale Medien und soziale Netzwerke. Dies führte in Deutschland und Europa zur Ausweitung des strafrechtlichen Schutzes („Netzwerkdurchsetzungsgesetz“), der Plattformbetreiber zu schnellem Einschreiten bei strafbaren Inhalten verpflichtet.
Sanktionen und Rechtsfolgen
Die Verbreitung der Auschwitz-Lüge ist in Deutschland ein Offizialdelikt, d.h. die Ermittlungsbehörden sind verpflichtet, bei Bekanntwerden von Amts wegen einzuschreiten. Sanktionen reichen von Geldstrafen bis zu mehrjährigen Freiheitsstrafen in schweren Fällen. Neben strafrechtlichen Folgen können auch zivilrechtliche Ansprüche wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Opfer oder ihrer Nachfahren sowie ordnungsrechtliche Maßnahmen – beispielsweise Untersagung von Versammlungen – entstehen.
Zusammenfassung und rechtliche Bewertung
Die Auschwitz-Lüge ist eine spezifische Form der Leugnung nationalsozialistischer Verbrechen, deren Verbreitung in Deutschland und zahlreichen weiteren europäischen Staaten strafrechtlich verboten ist. Die Gerichte haben die Vereinbarkeit dieser Strafbestimmungen mit dem Grundgesetz und europäischem Recht mehrfach bestätigt. Auch im digitalen Kontext ist die Bekämpfung dieses Phänomens Gegenstand aktueller Gesetzgebung und Rechtsprechung. Die Strafbarkeit drückt dabei das gesellschaftliche und rechtliche Interesse am Schutz der Menschenwürde, des Andenkens der Opfer und des öffentlichen Friedens aus.
Literatur und Rechtsprechungsquellen (Auswahl)
- Bundesverfassungsgericht: Beschluss vom 13. April 1994 – 1 BvR 23/94 („Auschwitzlüge-Beschluss“)
- § 130 StGB – Volksverhetzung
- Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates der EU zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
- Bundesgerichtshof, diverse Urteile zur Holocaustleugnung
- Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG)
- Bundesministerium der Justiz: Leitfaden zur strafrechtlichen Verfolgung von Holocaustleugnung
Hinweis: Der vorliegende Artikel dient der sachlichen Information und nicht der Verharmlosung oder Relativierung historischer Fakten.
Häufig gestellte Fragen
Ist die Verbreitung der sogenannten Auschwitz-Lüge in Deutschland strafbar?
Die Verbreitung der sogenannten Auschwitz-Lüge, also die Leugnung oder erhebliche Verharmlosung von nationalsozialistischen Verbrechen, insbesondere des Holocaust, ist in Deutschland nach § 130 Abs. 3 des Strafgesetzbuches (StGB) – dem sogenannten Volksverhetzungsparagraphen – ausdrücklich strafbar. Der Gesetzgeber stellt dabei insbesondere die öffentliche Leugnung, Billigung oder Verharmlosung von unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Völkermords unter Strafe, sofern sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Ein besonderer Schutz besteht für die Opfer des Holocaust und ihre Angehörigen. Die Strafandrohung liegt bei Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Geschützt wird mit dieser Regelung vor allem das Rechtsgut des öffentlichen Friedens sowie die Menschenwürde der Opfer.
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstoß gegen das Verbot der Auschwitz-Lüge?
Personen, die öffentlich oder in einer Versammlung den Holocaust verleugnen, erheblich verharmlosen, billigen oder rechtfertigen, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung und einer empfindlichen Freiheits- oder Geldstrafe rechnen. Dies gilt insbesondere bei Publikationen im Internet, auf Flugblättern oder bei Reden auf Veranstaltungen. In der Praxis erstreckt sich die Strafverfolgung auch auf multimediale Inhalte wie Videos, Podcasts oder soziale Netzwerke. Überdies kann auch das Verwenden entsprechender Symbolik (z.B. NS-Zeichen) zu strafrechtlichen Konsequenzen führen, sofern ein Bezug zun den nationalsozialistischen Verbrechen gegeben ist. Wiederholungstäter oder besonders schwere Fälle werden härter bestraft.
Gilt das Verbot der Auschwitz-Lüge auch für ausländische Staatsbürger in Deutschland?
Ja, das Verbot gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Sobald eine Handlung im Inland begangen oder im Inland wahrgenommen wird (z.B. Veröffentlichung eines entsprechenden Beitrags auf einer in Deutschland abrufbaren Webseite), kann deutsches Recht Anwendung finden, und eine Strafverfolgung kann eingeleitet werden. Auch Besucher, Touristen oder Gastarbeiter unterliegen hinsichtlich dieser Delikte der deutschen Strafrechtshoheit, solange die entsprechende Tat im Bundesgebiet begangen wird oder Wirkung zeigt.
Gibt es Ausnahmen oder Rechtfertigungen, die die Strafbarkeit der Auschwitz-Lüge ausschließen?
Das deutsche Strafrecht sieht für die öffentliche Verbreitung der Auschwitz-Lüge prinzipiell keine Rechtfertigungsgründe vor. Weder das Recht auf Meinungsfreiheit noch eine wissenschaftliche oder künstlerische Auseinandersetzung können die Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust rechtfertigen, sofern diese öffentlich und nicht in einem geschlossenen, eindeutig wissenschaftlichen Kontext geschieht und dabei der Eindruck einer tatsächlichen Leugnung oder Verharmlosung erweckt wird. Einzelne Ausnahmen könnten sich allenfalls im sehr engen Rahmen der Wissenschaftsfreiheit ergeben, wobei die Rechtsprechung hier sehr restriktiv ist und die Strafbarkeit regelmäßig bejaht.
Wie unterscheiden Gerichte zwischen strafbarer Auschwitz-Lüge und zulässiger historischer Debatte?
Gerichte prüfen, ob eine Aussage die Schwelle von einer sachlichen, historischen Auseinandersetzung überschreitet und in den Bereich der Leugnung, Verharmlosung oder Billigung von NS-Verbrechen fällt. Während die kritische wissenschaftliche Aufarbeitung von Details, etwa Diskussionen über Opferzahlen oder Abläufe, grundsätzlich zulässig ist, sind Aussagen, welche die Existenz des Holocaust, die Verwendung von Gaskammern in Auschwitz oder die systematische Tötung bestreiten oder in erheblichem Maße relativieren, strafbar. Die Rechtsprechung stellt insbesondere darauf ab, wie die Aussage im gesellschaftlichen Kontext und für einen durchschnittlichen Empfänger zu verstehen ist (sog. objektiver Empfängerhorizont).
Welche Rolle spielt das Internet und die internationale Reichweite für die Strafverfolgung in Deutschland?
Mit dem Aufkommen des Internets und sozialer Medien hat die Verfolgung der Auschwitz-Lüge große Bedeutung erlangt. Deutsche Gerichte nehmen bereits dann einen inländischen Bezug an, wenn entsprechende Inhalte in deutscher Sprache im Internet weltweit zugänglich gemacht werden und ein Bezug zu Deutschland besteht. Dadurch sind auch Holocaustleugnende Inhalte, die vom Ausland aus ins Netz gestellt werden, aber in Deutschland abrufbar sind, grundsätzlich strafbar. Die Strafverfolgungsbehörden arbeiten dabei in internationalen Netzwerken, können jedoch praktische Hindernisse bei der Durchsetzung im Ausland erleben, insbesondere, wenn das jeweilige Herkunftsland diese Äußerungen nicht unter Strafe stellt.
Wie ist die Haltung des deutschen Bundesverfassungsgerichts zur Vereinbarkeit des Verbots der Auschwitz-Lüge mit der Meinungsfreiheit?
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach klargestellt, dass das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Grundgesetz durch das Verbot der Auschwitz-Lüge nicht verletzt wird. Die Leugnung des Holocaust fällt nicht in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, weil darin eine schwerwiegende Verletzung der Menschenwürde der Opfer liegt und der öffentliche Frieden gefährdet wird. Die Verbreitung von Tatsachenbehauptungen, die evident unwahr und geeignet sind, den sozialen Frieden zu stören oder zu Hass anzustacheln, wird ausdrücklich nicht vom Schutz der freien Meinungsäußerung gedeckt. Das Gericht betont den Charakter der Bundesrepublik Deutschland als antifaschistischen Rechtsstaat und sieht in der Strafbarkeit einen notwendigen Schutzmechanismus gegen antisemitische Propaganda.