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Aufzeichnungspflichten im Steuerrecht


Begriff und Bedeutung der Aufzeichnungspflichten im Steuerrecht

Die Aufzeichnungspflichten im Steuerrecht bezeichnen die gesetzlichen Verpflichtungen von Steuerpflichtigen, bestimmte Geschäftsvorfälle, Einnahmen, Ausgaben und andere steuerrelevante Vorgänge strukturiert, vollständig und systematisch zu erfassen. Ziel ist es, eine nachvollziehbare und vollständige Dokumentation zu schaffen, die den Finanzbehörden die Überprüfung der steuerlichen Verhältnisse ermöglicht. Die Aufzeichnungspflichten sind Teil der steuerlichen Mitwirkungspflichten und betreffen sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen, soweit diese Einkünfte aus unternehmerischer oder betrieblicher Tätigkeit erzielen.

Gesetzliche Grundlagen der Aufzeichnungspflichten

Abgabenordnung (AO)

Die zentralen rechtlichen Vorgaben zu den Aufzeichnungspflichten findet man in der Abgabenordnung (AO), insbesondere in den §§ 140 bis 148 AO. Hier werden sowohl die sich aus anderen Gesetzen ergebenden Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten als auch eigene steuerliche Aufzeichnungspflichten definiert.

  • § 140 AO verweist auf sonstige gesetzliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (z.B. aus dem Handelsgesetzbuch).
  • § 141 AO regelt, ab welchen wirtschaftlichen Grenzen Unternehmen zur Buchführung verpflichtet sind.
  • § 145 AO definiert die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Aufzeichnungen.
  • § 146 AO konkretisiert, wie die Aufzeichnungen vorzunehmen und zu speichern sind.

Einzelsteuergesetze

Neben der Abgabenordnung enthalten zahlreiche Einzelsteuergesetze eigenständige Regelungen zu Aufzeichnungspflichten, darunter:

  • Einkommensteuergesetz (EStG), insbesondere bei den Überschusseinkünften (z.B. § 4 Abs. 3 EStG – Einnahmenüberschussrechnung)
  • Umsatzsteuergesetz (UStG), vor allem in § 22 UStG zur Führung von Aufzeichnungen für die Umsatzbesteuerung
  • Lohnsteuergesetzgebung, insbesondere in Bezug auf Lohnkonten und Lohnsteueranmeldungen
  • Gewerbesteuergesetz (GewStG)
  • Körperschaftsteuergesetz (KStG)

Inhalt und Umfang der Aufzeichnungspflichten

Buchführungspflicht vs. reine Aufzeichnungspflicht

Grundsätzlich ist zwischen der Verpflichtung zur Buchführung und den davon abzugrenzenden reinen Aufzeichnungspflichten zu unterscheiden:

  • Buchführungspflicht: Betrifft vor allem Kaufleute und größere Unternehmen. Hier sind sämtliche Geschäftsvorfälle nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) in Handels- und Steuerrecht zu erfassen.
  • Aufzeichnungspflicht: Gilt für kleinere Gewerbetreibende, Freiberufler oder private Vermieter, die nicht buchführungspflichtig sind. Hier können die Aufzeichnungen vereinfacht und ohne doppelte Buchführung geführt werden.

Erfasste Sachverhalte

Zu den aufzeichnungspflichtigen Sachverhalten zählen unter anderem:

  • Einnahmen und Ausgaben
  • Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben
  • Bareinnahmen und Barausgaben (insbesondere bei bargeldintensiven Betrieben)
  • Entnahmen und Einlagen
  • Lohn- und Gehaltszahlungen
  • Umsatzsteuerliche Vorgänge (z. B. steuerfreie und steuerpflichtige Umsätze, innergemeinschaftliche Lieferungen)
  • Wareneingänge und Warenabgänge

Besondere Aufzeichnungspflichten

In bestimmten Branchen oder bei bestimmten Geschäftsvorfällen bestehen weitergehende oder spezielle Aufzeichnungspflichten, etwa:

  • Aufzeichnung von Kasseneinnahmen und Kassenausgaben bei Bargeschäften (§ 146a AO, KassenSichV – Kassensicherungsverordnung)
  • Aufzeichnungen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 17a UStDV)
  • Dokumentation von außerordentlichen Geschäftsvorfällen (z. B. Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG)

Form und Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen

Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) und Aufzeichnung (GoBD)

Die Aufzeichnungen müssen nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Dokumentation (GoBD) erfolgen:

  • Vollständigkeit, Richtigkeit und Zeitnähe
  • Übersichtliche und nachprüfbare Erfassung
  • Unveränderbarkeit (insbesondere bei elektronischer Aufzeichnung)
  • Nachvollziehbarkeit für Dritte, insbesondere für die Finanzbehörden
  • Elektronische Aufzeichnungen dürfen nicht verändert oder gelöscht werden, ohne dass der ursprüngliche Inhalt feststellbar bleibt.

Elektronische Aufbewahrung und Belegpflicht

Mit der zunehmenden Digitalisierung nehmen auch die Anforderungen an die elektronische Führung und Aufbewahrung von Aufzeichnungen zu. Relevanz entfaltet insbesondere die Pflicht zur unveränderbaren elektronischen Speicherung sowie die Einhaltung von Fristen und Datenschutzanforderungen. Die Aufbewahrungsfristen betragen in der Regel sechs oder zehn Jahre (§ 147 AO).

Sanktionen und Folgen bei Verstößen gegen Aufzeichnungspflichten

Steuerliche Konsequenzen

Verstöße gegen die Aufzeichnungspflichten (z. B. fehlende, fehlerhafte oder manipulierbare Aufzeichnungen) können im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung weitreichende Folgen haben. Dazu zählen unter anderem:

  • Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO, wenn die Aufzeichnungen nicht als ordnungsgemäß anerkannt werden
  • Versagung von steuerlichen Vorteilen oder von Betriebsausgaben- und Vorsteuerabzug
  • Rückwirkende Besteuerung oder Nachzahlungspflichten

Straf- und Bußgeldvorschriften

Bei schwerwiegenden Verstößen kann neben steuerlichen auch ein Ordnungswidrigkeitenverfahren oder Strafverfahren eingeleitet werden, insbesondere wenn der Verdacht auf Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder Steuerverkürzung (§ 378 AO) besteht. Zudem können Bußgelder bei Verletzung von Einzelverpflichtungen verhängt werden.

Bedeutung für die betriebliche Praxis

Die Einhaltung der Aufzeichnungspflichten ist für eine ordnungsgemäße Besteuerung sowie die Vermeidung von Sanktionen und Nachteilen von zentraler Bedeutung. Besonders durch die Einführung moderner Kassensysteme und die verstärkte Überprüfung digitaler Daten durch die Finanzverwaltung (z. B. Kassen-Nachschau, digitale Betriebsprüfung) sollte die laufende Organisation und Kontrolle der Aufzeichnungsprozesse gewährleistet werden.

Literaturhinweise und weiterführende Informationen

  • Abgabenordnung (AO), insbesondere §§ 140-148 AO
  • Einkommensteuergesetz (EStG)
  • Umsatzsteuergesetz (UStG)
  • Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)
  • Kassensicherungsverordnung (KassenSichV)
  • Bundesfinanzministerium (BMF): aktuelle Verwaltungsvorschriften und Anwendungsschreiben

Hinweis: Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick zu den Aufzeichnungspflichten im Steuerrecht in Deutschland und dient zur allgemeinen Information. Für die zutreffende Anwendung im Einzelfall ist stets die individuelle Situation sowie die aktuelle Gesetzeslage zu berücksichtigen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Unterlagen müssen nach den Aufzeichnungspflichten im Steuerrecht zwingend geführt werden?

Nach deutschem Steuerrecht besteht eine umfassende Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von bestimmten Geschäftsunterlagen, um die Besteuerungsgrundlagen ordnungsgemäß und nachvollziehbar zu dokumentieren. Zu den erforderlichen Aufzeichnungen zählen insbesondere Bücher, Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Eröffnungsbilanzen sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen gem. § 147 Abs. 1 AO. Dazu gehören weiterhin Handels- und Geschäftsbriefe, Buchungsbelege sowie sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung relevant sind. Steuerpflichtige müssen zudem besondere steuerliche Aufzeichnungen wie Umsatzsteueraufzeichnungen gem. § 22 UStG und Lohnkonten gem. § 41 EStG führen. Die Aufzeichnungen sind so zu gestalten, dass ein sachverständiger Dritter diese innerhalb angemessener Zeit überprüfen und nachvollziehen kann. Sie müssen zeitnah, vollständig, richtig, geordnet und unveränderbar (bei elektronischer Buchführung nach GoBD) geführt werden, um den steuerlichen Anforderungen zu genügen.

Welche Fristen gelten für die Aufbewahrung aufzeichnungspflichtiger Unterlagen?

Die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen für aufzeichnungspflichtige Unterlagen sind in § 147 AO geregelt und betragen grundsätzlich zehn Jahre für Buchungsbelege, Inventare, Jahresabschlüsse, Bilanzen sowie die dazugehörigen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen. Für empfangene und abgesandte Handels- oder Geschäftsbriefe sowie sonstige Unterlagen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, gilt eine verkürzte Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren. Die Frist beginnt jeweils mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die letzten Eintragungen vorgenommen, das Inventar aufgestellt, der Jahresabschluss festgestellt oder der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen bzw. versandt wurde. Eine längere Aufbewahrung kann erforderlich sein, wenn Unterlagen für laufende steuerliche oder andere behördliche Verfahren benötigt werden.

Welche Form müssen Aufzeichnungen und Belege im Rahmen der Aufzeichnungspflichten haben?

Die Form der Aufzeichnungen richtet sich grundsätzlich nach den gesetzlichen Vorschriften und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB bzw. GoBD für elektronische Systeme). Die Aufzeichnungen müssen so geführt werden, dass sie vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet sind. Für Papierunterlagen reicht eine chronologische Ablage aus. Werden die Unterlagen elektronisch erstellt oder aufbewahrt, muss die Unveränderbarkeit sichergestellt sein. Hierbei sind die besonderen Anforderungen der GoBD zu beachten, beispielsweise die lückenlose Protokollierung etwaiger Korrekturen und die Möglichkeit, sämtliche Unterlagen elektronisch bereitzustellen. Bei Verstößen kann das Finanzamt eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vornehmen oder Ordnungsgeld verhängen.

Wie wirken sich Verstöße gegen die Aufzeichnungspflichten steuerrechtlich aus?

Verstöße gegen die Aufzeichnungspflichten können gravierende steuerliche Auswirkungen nach sich ziehen. Kommt ein Steuerpflichtiger seinen Pflichten nicht ordnungsgemäß nach, ist das Finanzamt berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen (§ 162 AO). Unsachgemäße oder fehlende Aufzeichnungen gelten als Indiz für Unregelmäßigkeiten und können Bußgelder oder sogar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) vorliegen. Im Rahmen von Betriebsprüfungen kann dies zu erheblichen Steuernachforderungen, Zinsansprüchen und weiteren Sanktionen, wie z. B. der Aberkennung des Vorsteuerabzugs führen.

Welche Besonderheiten gelten bei der elektronischen Aufzeichnung und Archivierung?

Die elektronische Aufzeichnung und Archivierung steuerrelevanter Unterlagen ist zulässig, unterliegt jedoch strikten Anforderungen der GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff). Die Daten müssen während der gesamten Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar, unverzüglich lesbar und maschinell auswertbar sein. Änderungen oder Korrekturen sind durch ein Protokollierungssystem transparent zu dokumentieren. Die Unveränderbarkeit der elektronisch aufbewahrten Daten muss durch geeignete technische Maßnahmen gewährleistet sein. Darüber hinaus ist der Zugriff durch die Finanzverwaltung im Rahmen steuerlicher Außenprüfungen zu ermöglichen, entweder durch direkten Datenzugriff, Datenträgerüberlassung oder Auswertungen nach Vorgabe des Prüfers.

Gibt es branchenspezifische zusätzliche Aufzeichnungspflichten?

Ja, neben den allgemeinen steuerlichen Aufzeichnungspflichten existieren branchenspezifische zusätzliche Anforderungen. Beispielsweise unterliegen bestimmte Branchen, wie das Gastgewerbe, der Einzelhandel oder das Kreditwesen, erweiterten Aufzeichnungspflichten, etwa im Bereich der Kassenführung, Wareneingangsbücher oder Verfahrensdokumentationen. Ferner bestehen für bargeldintensive Betriebe strengere Vorgaben zur Einzelaufzeichnungspflicht und zum Einsatz von zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtungen für elektronische Kassensysteme (KassenSichV). Spezielle Vorschriften bestehen auch für Land- und Forstwirte sowie freie Berufe.

Wie ist der Umfang der Mitwirkungspflichten gegenüber der Finanzverwaltung im Rahmen der Aufzeichnungspflichten geregelt?

Steuerpflichtige sind verpflichtet, die geforderten Aufzeichnungen ordnungsgemäß zu führen, aufzubewahren und im Rahmen von Prüfungen der Finanzverwaltung zur Verfügung zu stellen (§ 200 AO, § 147 AO). Sie müssen sicherstellen, dass alle steuerrelevanten Unterlagen lesbar, vollständig und geordnet auf Verlangen vorgelegt werden können. Bei elektronischer Buchführung umfasst die Mitwirkungspflicht auch die Bereitstellung der erforderlichen Zugangs- und Auswertungsmöglichkeiten. Kommen Steuerpflichtige ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach, kann das zu Nachteilen im Verfahren, etwa zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen oder zur Versagung steuerlicher Vorteile, führen. Bei vorsätzlicher Nichtbefolgung drohen zudem Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfahren.