Aufzeichnungspflichten im Steuerrecht: Begriff und Einordnung
Aufzeichnungspflichten im Steuerrecht bezeichnen die Pflicht, steuerlich relevante Tatsachen geordnet, vollständig, richtig und nachvollziehbar festzuhalten. Sie dienen dazu, die Entstehung und Höhe von Steuern nachvollziehbar zu machen und den Ablauf des wirtschaftlichen Geschehens zu dokumentieren. Die Pflichten gelten unabhängig davon, ob eine umfassende Buchführung besteht. Sie greifen sowohl bei unternehmerischen als auch bei bestimmten privaten Sachverhalten, soweit diese für die Besteuerung bedeutsam sind.
Reichweite der Pflicht und betroffene Personengruppen
Unternehmen und selbständig Tätige
Gewerbliche Unternehmen, Freiberufler, Land- und Forstwirte sowie andere selbständig Tätige sind verpflichtet, ihre Einnahmen und Ausgaben sowie weitere steuerlich relevante Vorgänge aufzuzeichnen. Je nach Größe und Art des Betriebs können zusätzlich handelsrechtliche Buchführungspflichten bestehen. Unabhängig davon bestehen steuerliche Aufzeichnungspflichten mindestens im Rahmen einer geordneten Einnahmen- und Ausgabenaufstellung mit Belegnachweisen.
Privatpersonen in besonderen Fällen
Auch Privatpersonen können Aufzeichnungspflichten treffen, etwa bei Vermietung und Verpachtung, beim Halten bestimmter Wirtschaftsgüter, bei der Ermittlung von Veräußerungsgewinnen oder wenn Steuervergünstigungen die Führung bestimmter Nachweise voraussetzen. In solchen Fällen beschränken sich die Pflichten regelmäßig auf die betroffenen Vorgänge und umfassen insbesondere die geordnete Sammlung geeigneter Belege und Aufstellungen.
Gegenstand der Aufzeichnungen
Geschäftsvorfälle und Belege
Steuerlich relevante Vorgänge sind fortlaufend, zeitnah und mit Bezug auf einen Beleg zu erfassen. Maßgeblich ist die Nachprüfbarkeit: Außenstehende müssen die Entstehung und Veränderungen der Besteuerungsgrundlagen ohne besondere Schwierigkeiten nachvollziehen können.
Umsätze und Entgelte
Zu erfassen sind sämtliche Umsätze, die Bemessungsgrundlagen, Preisnachlässe, Anzahlungen, Rückerstattungen sowie die steuerliche Einordnung der Umsätze. Bei steuerartenbezogenen Besonderheiten, etwa bei unterschiedlichen Steuersätzen oder Steuerbefreiungen, sind die Vorgänge getrennt darzustellen.
Ausgaben und Betriebsausgaben/Werbungskosten
Aufzuzeichnen sind alle betrieblich oder steuerlich relevanten Ausgaben mit Belegbezug und einer Zuordnung zum jeweiligen Vorgang. Dazu zählen auch Reisekosten, Bewirtungen oder andere nachweispflichtige Aufwendungen mit den hierfür typischen Detailangaben.
Löhne und Gehälter
Bei Beschäftigten sind Entgelte, Abzüge und die zugehörigen Meldungen und Nachweise zu dokumentieren. Die Aufzeichnungen müssen die Nachvollziehbarkeit der steuerlichen Behandlung der Vergütungen gewährleisten.
Anlagevermögen und Abschreibungen
Anschaffungen, Herstellungsvorgänge, Nutzungsdauer, Wertänderungen sowie Veräußerungen und Entnahmen sind nachvollziehbar darzustellen. Dies umfasst die erstmalige Erfassung sowie fortlaufende Veränderungen.
Waren- und Leistungsbewegungen
Warenzugänge, -abgänge und Bestände sind so zu dokumentieren, dass Mengen und Werte prüfbar sind. Bei Dienstleistungen ist die Leistungszeit und -art nachvollziehbar festzuhalten.
Kassenführung und Bargeschäfte
Bargeschäfte erfordern eine besondere Sorgfalt. Es gelten erhöhte Anforderungen an Vollständigkeit, Einzelaufzeichnung, Unveränderbarkeit und Abstimmfähigkeit. Der Einsatz von technischen Systemen bedingt zusätzliche Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten.
Form, Ordnungsmäßigkeit und Technik
Grundanforderungen
Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht, geordnet, nachvollziehbar und unveränderbar sein. Sie sind fortlaufend zu führen, in sich stimmig und mit Belegen unterlegt. Korrekturen sind nachvollziehbar vorzunehmen, ohne den ursprünglichen Inhalt zu verdecken.
Elektronische Systeme
Elektronische Aufzeichnungen sind zulässig, sofern sie den Grundanforderungen genügen. Erforderlich sind die Nachvollziehbarkeit von Erfassung und Verarbeitung, die Unveränderbarkeit der Daten, eine lückenlose Protokollierung relevanter Vorgänge sowie die Möglichkeit, maschinell auswertbare Daten bereitzustellen.
Verfahrensdokumentation und interne Kontrollen
Die angewandten Prozesse und Systeme sind in einer Verfahrensbeschreibung so festzuhalten, dass Erfassung, Verarbeitung, Aufbewahrung und Sicherung der Daten verständlich werden. Interne Kontrollen sollen die Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen unterstützen und dokumentiert sein.
Sprache, Währung und Zeitnähe
Aufzeichnungen erfolgen grundsätzlich in der inländischen Amtssprache und in der im Inland geltenden Währung. Abweichungen sind nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig. Vorgänge sind zeitnah festzuhalten; das bedeutet, dass zwischen Geschäftsvorfall und Erfassung nur ein kurzer Zeitraum liegt.
Aufbewahrung und Fristen
Regelmäßige Dauer
Steuerlich bedeutsame Unterlagen sind über einen längeren Zeitraum aufzubewahren. Für zentrale Buchführungsunterlagen, Aufzeichnungen und Belege beträgt die Aufbewahrungsdauer regelmäßig bis zu zehn Jahre. Für bestimmte empfangene oder abgesandte Geschäftsunterlagen kann eine kürzere Frist gelten, die häufig sechs Jahre umfasst.
Beginn der Frist und Format
Die Frist beginnt in der Regel mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die letzte Eintragung vorgenommen wurde oder der Beleg entstanden ist. Aufbewahrt werden können Unterlagen in Papierform oder in elektronischer Form, sofern die Lesbarkeit, Vollständigkeit, Unveränderbarkeit und Verfügbarkeit gewährleistet sind.
Prüfungs- und Zugriffsrechte der Finanzverwaltung
Außenprüfung und Nachschau
Die Finanzverwaltung ist befugt, Aufzeichnungen einzusehen, Prüfungen durchzuführen und Auskünfte einzuholen. Dazu zählen allgemeine Außenprüfungen sowie spezifische Nachschauen, etwa im Bereich der Kassenführung oder bestimmter Steuerarten.
Datenzugriff bei elektronischen Aufzeichnungen
Bei elektronischen Systemen kann der Zugriff auf die Daten in verschiedener Form verlangt werden: durch unmittelbaren Zugriff auf die Systeme, durch Auswertung der Daten durch den Steuerpflichtigen mit Bereitstellung der Ergebnisse oder durch Überlassung maschinell auswertbarer Datenträger. Die gewählte Zugriffsmethode muss eine vollständige und nachvollziehbare Prüfung ermöglichen.
Rechtsfolgen bei Verstößen
Schätzung und Korrekturen
Sind Aufzeichnungen unvollständig, widersprüchlich oder nicht nachvollziehbar, kann die Finanzverwaltung Besteuerungsgrundlagen schätzen. Dies kann auch die Versagung bestimmter steuerlicher Vergünstigungen oder die Korrektur von Steuerfestsetzungen nach sich ziehen.
Geldbußen, Steuernachzahlungen und Zinsen
Verstöße können finanzielle Folgen haben: Steuernachforderungen, Zinsen und in schweren Fällen auch Geldbußen. Bei gravierenden Pflichtverletzungen kommen weitergehende Maßnahmen in Betracht.
Schnittstellen und Abgrenzungen
Aufzeichnungspflichten versus Buchführungspflichten
Aufzeichnungspflichten sind das steuerliche Mindestmaß der Dokumentation. Buchführungspflichten gehen darüber hinaus und umfassen insbesondere die doppelte Buchführung und die Aufstellung von Abschlüssen. Wer nicht buchführungspflichtig ist, bleibt dennoch zur geordneten Aufzeichnung der steuerlich relevanten Vorgänge verpflichtet.
Aufzeichnung, Aufbewahrung und Nachweis
Aufzeichnen bedeutet das zeitnahe Erfassen von Vorgängen. Aufbewahrung bezeichnet die geordnete, unveränderte und lesbare Vorhaltung von Aufzeichnungen und Belegen über die Fristen hinweg. Nachweispflichten betreffen die Vorlage- und Erläuterungspflichten im Prüfungsfall. Alle drei Bereiche greifen ineinander.
Branchenspezifische Besonderheiten
In bargeldintensiven Branchen gelten erhöhte Anforderungen an die Einzelaufzeichnung und Kassenorganisation. Steuerartenbezogen bestehen besondere Pflichten, etwa zur getrennten Erfassung verschiedener Umsatzkategorien, zur Führung von Lohnunterlagen oder zum Nachweis bestimmter Nutzungen, beispielsweise durch Fahrtenbücher oder vergleichbare Aufstellungen.
Häufig gestellte Fragen
Was bedeutet Aufzeichnungspflicht im Steuerrecht?
Sie bezeichnet die Pflicht, steuerlich relevante Tatsachen vollständig, geordnet, richtig, zeitnah und nachvollziehbar festzuhalten und mit Belegen zu unterlegen, damit die Besteuerungsgrundlagen überprüfbar sind.
Wer ist zur Führung von Aufzeichnungen verpflichtet?
Grundsätzlich alle, die steuerlich relevante Einkünfte erzielen oder Vorgänge auslösen, die für die Besteuerung bedeutsam sind. Dazu zählen Unternehmen, selbständig Tätige und in bestimmten Fällen auch Privatpersonen.
Welche Mindestanforderungen gelten an elektronische Aufzeichnungen?
Erforderlich sind Nachvollziehbarkeit, Vollständigkeit, Unveränderbarkeit, Protokollierung wesentlicher Verarbeitungsschritte und die Möglichkeit, die Daten maschinell auszuwerten.
Wie lange sind Aufzeichnungen aufzubewahren?
Regelmäßig bis zu zehn Jahre für zentrale Unterlagen; für bestimmte Geschäftsunterlagen kann eine kürzere Frist gelten, die häufig sechs Jahre beträgt.
Welche Folgen hat ein Verstoß gegen Aufzeichnungspflichten?
Mögliche Folgen sind Schätzungen von Besteuerungsgrundlagen, Korrekturen von Steuerfestsetzungen, Steuernachforderungen, Zinsen und in schwerwiegenden Fällen Geldbußen.
Dürfen Aufzeichnungen in Fremdsprache oder Fremdwährung geführt werden?
Grundsätzlich sind Aufzeichnungen in der inländischen Amtssprache und Währung zu führen. Abweichungen bedürfen besonderer Voraussetzungen und müssen die Nachprüfbarkeit gewährleisten.
Worin besteht der Unterschied zwischen Aufzeichnungspflichten und Buchführungspflichten?
Aufzeichnungspflichten sind das steuerliche Mindestniveau der Dokumentation. Buchführungspflichten sind umfassender und beinhalten insbesondere doppelte Buchführung und Abschlüsse; sie bestehen zusätzlich, wenn gesetzliche Schwellen oder Voraussetzungen erfüllt sind.