Legal Lexikon

Aufstallungspflicht


Begriffserklärung und Grundlagen der Aufstallungspflicht

Die Aufstallungspflicht ist ein Begriff aus dem Bereich des deutschen Tierseuchenrechts und bezeichnet eine durch Rechtsvorschrift oder behördliche Anordnung erlassene Verpflichtung, Nutzgeflügel (typischerweise Hühner, Puten, Enten, Gänse und anderes Geflügel) in Stallungen oder definierten räumlich abgegrenzten Bereichen zu halten. Diese Maßnahme dient in erster Linie der Verhinderung der Einschleppung und Verbreitung von Tierseuchen, insbesondere der hochpathogenen Aviären Influenza (Geflügelpest).

Rechtsgrundlagen der Aufstallungspflicht

Tierschutzgesetz und Tiergesundheitsrecht

Die rechtliche Grundlage zur Anordnung einer Aufstallungspflicht bildet in Deutschland vor allem das Tiergesundheitsgesetz (TierGesG). Hier werden in Verbindung mit den einschlägigen Verordnungen Maßnahmen zum Schutz der Tiergesundheit geregelt, einschließlich der Möglichkeit, im Bedarfsfall eine Aufstallung anzuordnen. Das Tierschutzgesetz (TierSchG) ist ebenfalls zu beachten, da die artgerechte Unterbringung und Versorgung der Tiere auch während der Aufstallung sichergestellt werden muss.

Tierseuchenrechtliche Vorschriften

Im Speziellen wird die Aufstallungspflicht in der Geflügelpest-Verordnung (GeflPestSchV) geregelt. Die Verordnung sieht vor, dass bei Auftreten oder Verdacht auf Ausbruch der Geflügelpest (auch als Vogelgrippe bekannt) bestimmte Haltungsbeschränkungen vorgeschrieben werden können. Demnach können zuständige Behörden die Aufstallung sämtlicher gehaltenen Vögel einer Region oder eines Betriebs per Anordnung verfügen.

Verfahrensweise und Anordnung

Die Anordnung der Aufstallungspflicht erfolgt in der Regel auf Grundlage einer Sachverhaltsbewertung durch die zuständigen Veterinärbehörden. Maßgebend sind hierbei die Einschätzung der epidemiologischen Lage (etwa Verdachts- oder Ausbruchsfälle von Geflügelpest), fachliche Stellungnahmen des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) sowie Regelungen auf Basis europarechtlicher Vorgaben, insbesondere der EU-Tierzucht- und Tiergesundheitsvorschriften.

Eine Anordnung wird in der Regel durch eine Allgemeinverfügung oder im Einzelfall durch eine individuelle Verfügung umgesetzt und ist räumlich sowie zeitlich begrenzt.

Ziel und Funktion der Aufstallungspflicht

Die zentrale Zielsetzung der Aufstallungspflicht besteht darin, das Risiko der Einschleppung und Weiterverbreitung von Tierseuchen durch Kontakte zwischen gehaltenem Nutzgeflügel und Wildvögeln zu minimieren. Da Wildvögel (insbesondere Wasservögel) als bedeutende Träger und Überträger des Erregers der Geflügelpest gelten, werden durch die Aufstallung Kontakte und damit verbundene Infektionswege unterbrochen.

Neben dem Schutz der Nutztierbestände hat die Aufstallungspflicht auch erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, da bei einem Ausbruch der Geflügelpest Exportverbote, Sperrgebiete und Tötungsanordnungen (Keulungen) für Bestände die Folge sein können.

Anwendungsbereich und Umfang

Verpflichtete Halter und Betriebe

Von der Aufstallungspflicht können gewerbliche Geflügel haltende Betriebe, landwirtschaftliche Familienbetriebe, Zuchtbetriebe, aber auch private Kleinhalter betroffen sein. Auch bei Ziergeflügel und in Tierparks kommt die Pflicht gegebenenfalls zur Anwendung.

Die Pflicht umfasst regelmäßig alle gehaltenen Vogelarten, gleichwohl kann die zuständige Behörde im Einzelfall Ausnahmen zulassen oder Beschränkungen anordnen.

Gestaltung der Aufstallung

Je nach spezifischer Anordnung und Gefährdungslage kann die Aufstallung nach verschiedenen Maßgaben erfolgen:

  • Vollständige Stallhaltung: Alle Tiere verbleiben ausschließlich in geschlossenen Stallsystemen.
  • Freilandhaltung mit besonderen Schutzmaßnahmen: Ermöglichung von Auslauf unter Verwendung von Überdachungen, Seitenbegrenzungen oder Netzen, die den Kontakt zu Wildvögeln effektiv verhindern.

Die jeweiligen Haltungssysteme müssen so ausgestaltet sein, dass ein Kontakt mit Wildvögeln, deren Kot, Federkleid oder verunreinigtem Wasser ausgeschlossen wird. Darüber hinaus sind Hygiene- und Biosicherheitsmaßnahmen strikt einzuhalten.

Rechtliche Folgen und Sanktionen bei Verstößen

Missachtungen der Aufstallungspflicht stellen nach den einschlägigen tierseuchenrechtlichen Vorschriften Ordnungswidrigkeiten dar, die bußgeldbewehrt sein können. In schweren Fällen sind auch tierseuchenrechtliche Maßnahmen wie die Tötung der betroffenen Bestände oder schadensersatzrechtliche Konsequenzen für entstandene Schäden möglich.

Regelmäßig erfolgen auch behördliche Kontrollen zur Überwachung der Einhaltung der Aufstallungspflicht, welche mit Betretungsrechten der beteiligten Behörden verbunden sind.

Ausnahmen und Sonderregelungen

Genehmigungen und Ausnahmefälle

Behörden können unter strengen Voraussetzungen Ausnahmen von der Aufstallungspflicht zulassen, etwa wenn der Betrieb Schutzvorrichtungen gegen Wildvogelkontakt nachweisen kann oder bei besonderen Haltungssystemen (z.B. extensive Freilandhaltungen unter besonderen Bedingungen). Solche Ausnahmen sind einzelfallbezogen zu beantragen und werden nur bei Nachweis einer gleichwertigen Seuchenprävention genehmigt.

In einigen Fällen können bestimmte Hobbyhaltungen, Zoos oder Geflügelausstellungen abweichend geregelt werden, sofern die tierseuchenrechtliche Risikoabschätzung dies zulässt.

Europarechtliche Einbindung und internationale Aspekte

EU-Rechtliche Vorgaben

Die Anordnung der Aufstallungspflicht ist eng an europarechtliche Regelungen gebunden, insbesondere an das EU-Tiergesundheitsrecht (Animal Health Law, Verordnung (EU) 2016/429) sowie an spezifische Durchführungsrechtsakte der Europäischen Kommission im Falle von Ausbrüchen gelisteter Tierseuchen. Aus diesen Vorgaben erwachsen Mindestanforderungen und Handlungspflichten für die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen.

Internationale Auswirkungen

Die Umsetzung der Aufstallungspflicht soll auch Auswirkungen auf den internationalen Handel mit Geflügelfleisch und Eiern minimieren, da Staaten mit konsequenter Tierseuchenprävention bevorzugt anerkannt werden und Handelsrestriktionen vermeiden können.

Verfahren bei Anordnung und Aufhebung

Die Behörden informieren die betroffenen Geflügelhalter regelmäßig über Art, Umfang und Dauer der Aufstallungspflicht. Das Verfahren zur Aufhebung erfolgt nach erneuter Risikoeinschätzung sowie festgelegten seuchenhygienischen Kriterien und kann mit weiteren Schutzmaßnahmen verbunden sein (z.B. verstärkte Monitoring-Pflichten).

Zusammenfassung

Die Aufstallungspflicht ist ein zentrales Instrument des deutschen und europäischen Tierseuchenrechts zur Seuchenprävention im Bereich der Geflügel- und Vogelhaltung. Sie basiert auf zahlreichen gesetzlichen Grundlagen, insbesondere dem Tiergesundheitsgesetz und der Geflügelpest-Verordnung. Die detaillierte Eingriffsverwaltung der Behörden, klare Vorgaben zu Ausnahmen und strenge Sanktionierung bei Verstößen sind wesentliche Elemente dieses Rechtsinstruments. Die Aufstallungspflicht trägt maßgeblich zur Verhinderung von Tierseuchenausbrüchen und zum Schutz der Nutztierbestände sowie des öffentlichen und wirtschaftlichen Interesses bei.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für die Anordnung einer Aufstallungspflicht zuständig?

Die Zuständigkeit für die Anordnung einer Aufstallungspflicht liegt grundsätzlich bei den nach den Landesgesetzen zuständigen Behörden, hierzu zählen in der Regel die unteren Veterinärbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte. Die rechtliche Grundlage bildet insbesondere die Geflügelpest-Verordnung (§13), die dem zuständigen Amt die Möglichkeit gibt, im Falle eines Ausbruchs oder erhöhten Risikos einer aviären Influenza in festgelegten Restriktionsgebieten eine Aufstallungspflicht anzuordnen. Die jeweilige Anordnung erfolgt durch eine Allgemeinverfügung oder im Einzelfall durch einen Verwaltungsakt und kann sowohl für bestimmte Regionen als auch für einzelne Betriebe gelten.

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Anordnung einer Aufstallungspflicht erfüllt sein?

Eine Aufstallungspflicht darf nur dann angeordnet werden, wenn konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für ein erhöhtes Risiko einer Einschleppung oder Ausbreitung von aviärer Influenza bestehen. Die §13 der Geflügelpest-Verordnung regelt, dass die zuständige Behörde im Gefahrenfall – insbesondere bei Ausbruch oder begründetem Verdacht der Vogelgrippe – rechtlich verpflichtet ist, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Dabei sind die aktuelle Gefährdungslage, wissenschaftliche Erkenntnisse sowie Empfehlungen des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) ebenso wie regional spezifische Gegebenheiten (z. B. Nähe zu Wildvogel-Populationen oder Feuchtgebieten) zu berücksichtigen.

Gibt es Ausnahmeregelungen von der Aufstallungspflicht?

Die Geflügelpest-Verordnung ermöglicht der zuständigen Behörde unter engen Voraussetzungen die Gewährung von Ausnahmen von der Aufstallungspflicht, sofern diese aus tierschutzrechtlichen oder insbesondere wirtschaftlichen Gründen geboten sind und soweit keine Gefahr der Weiterverbreitung besteht. Ein solcher Antrag muss in der Regel schriftlich und unter Darlegung der speziellen betrieblichen Situation erfolgen. Häufig werden Ausnahmen allerdings nur dann genehmigt, wenn der Betrieb durch technische oder organisatorische Maßnahmen gewährleisten kann, dass keine Kontakte zu Wildvögeln stattfinden (z. B. durch vollumfängliche Überspannung der Ausläufe mit Netzen).

Wie lange gilt eine einmal angeordnete Aufstallungspflicht?

Die Dauer der Aufstallungspflicht richtet sich nach dem Fortbestehen der rechtlichen und tatsächlichen Gefährdungslage. Eine gesetzliche Mindest- oder Höchstdauer ist nicht explizit festgelegt. Die zuständige Behörde überprüft regelmäßig, ob die Voraussetzungen für die Fortgeltung weiter bestehen. Die Aufhebung erfolgt durch eine erneute Allgemeinverfügung bzw. einen Aufhebungsverwaltungsakt sobald das Risiko einer Infektionsausbreitung als hinreichend minimiert bewertet wird, zum Beispiel, wenn keine weiteren Funde von infizierten Wildvögeln vorliegen und entsprechende Beobachtungsfristen abgelaufen sind.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen die Aufstallungspflicht?

Verstöße gegen eine angeordnete Aufstallungspflicht stellen eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 5 Geflügelpest-Verordnung dar und können mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet werden. Neben dem Bußgeld kann die zuständige Behörde im Wiederholungsfall weitere tierschutz- oder seuchenrechtliche Maßnahmen ergreifen, z. B. eine Anordnung zur Bestandsräumung oder zur Schlachtung der betroffenen Tiere. Zudem könnten Schadensersatzansprüche seitens Dritter oder der öffentlichen Hand im Falle einer nachweislichen Krankheitsverschleppung entstehen.

Wie erfolgt die rechtliche Bekanntgabe einer Aufstallungspflicht?

Die Bekanntgabe einer Aufstallungspflicht erfolgt in der Regel per öffentlicher Allgemeinverfügung, die durch Aushang, Veröffentlichung auf den Webseiten der zuständigen Behörden oder in regionalen (Amts-)Blättern erfolgt. In Einzelfällen – etwa bei einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben – kann eine Zustellung auch direkt durch Verwaltungsakt erfolgen. Adressaten sind insbesondere Halter von Geflügel (privat oder gewerblich) sowie landwirtschaftliche Unternehmen im betroffenen Gebiet.

Wie ist das Verhältnis der Aufstallungspflicht zu anderen Rechtsvorschriften, wie z. B. zum Tierschutzgesetz?

Die Aufstallungspflicht steht stets unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem Tierschutzrecht (u. a. § 2 Tierschutzgesetz), das eine artgerechte Unterbringung und Versorgung der Tiere vorschreibt. Bei Anordnung der Aufstallung müssen deshalb tierschutzrechtliche Belange durch entsprechende Vorgaben zu Licht, Lüftung, Platzangebot und Beschäftigungsmöglichkeiten gewahrt werden. Deshalb ist auch die Gewährung von Ausnahmen oder die Anordnung ergänzender Maßnahmen in Einzelfällen möglich, um Konflikten zwischen Tierseuchen- und Tierschutzrecht angemessen Rechnung zu tragen.