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Aufsichtsratsteuer

Aufsichtsratsteuer: Begriff, Einordnung und rechtliche Bedeutung

Der Ausdruck „Aufsichtsratsteuer“ ist kein offizieller Name einer eigenständigen Steuerart. Gemeint ist damit umgangssprachlich die steuerliche Behandlung von Vergütungen, die Mitglieder eines Aufsichts- oder Verwaltungsorgans für ihre Tätigkeit erhalten. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Ebenen: die Einkommenbesteuerung der Vergütung (bei natürlichen Personen) und – im grenzüberschreitenden Fall – der quellensteuerliche Einbehalt durch das vergütende Unternehmen. Zusätzlich kann je nach Ausgestaltung der Tätigkeit eine umsatzsteuerliche Einordnung relevant werden.

Steuerrechtliche Ausgangslage

Wer ist betroffen?

Betroffen sind Mitglieder von Aufsichtsorganen in Kapital- und anderen Körperschaften, etwa Aufsichtsräte, Verwaltungsräte oder vergleichbare Gremien. Die Regelungen erfassen sowohl inländische als auch ausländische Mitglieder, wobei im grenzüberschreitenden Kontext besondere Einbehalts- und Entlastungsmechanismen greifen können.

Steuergegenstand und Bemessungsgrundlage

Steuerlich erfasst werden Vergütungen für die Organfunktion, insbesondere feste Jahresvergütungen, Sitzungsgelder, Ausschussvergütungen, variable Bestandteile, Sachzuwendungen sowie vergütungsähnliche Leistungen. Erstattungen tatsächlich angefallener Aufwendungen (z. B. Reisekosten) zählen grundsätzlich nicht zur Bemessungsgrundlage, sofern sie rein erstattenden Charakter haben und ordnungsgemäß belegt sind.

Zeitpunkt der Besteuerung

Maßgeblich ist regelmäßig der Zufluss der Vergütung. Vereinbarungen über gestundete oder in anderer Form aufgeschobene Zahlungen sind nach ihrem tatsächlichen Zufluss zu beurteilen.

Einkommensteuerliche Behandlung der Aufsichtsratsvergütung

Inländische Mitglieder

Bei natürlichen Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland werden Vergütungen für die Tätigkeit im Aufsichtsorgan als eigene Einkunftsart außerhalb eines Arbeitsverhältnisses behandelt. Es erfolgt keine Erhebung von Lohnsteuer durch das vergütende Unternehmen. Die Einkünfte sind Teil der persönlichen Veranlagung. Aufwendungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Organfunktion stehen, können grundsätzlich berücksichtigt werden, soweit gesetzlich zulässig.

Nicht inländische Mitglieder (beschränkte Steuerpflicht)

Erhalten Personen ohne inländischen Wohnsitz eine Vergütung für eine Tätigkeit in einem inländischen Aufsichts- oder Verwaltungsorgan, unterliegt diese regelmäßig einer besonderen Abzugsbesteuerung an der Quelle. Das inländische Unternehmen behält die Steuer vom Bruttobetrag der Vergütung ein und führt sie an die Finanzverwaltung ab. Der Einbehalt erfolgt in Form eines gesetzlich festgelegten Prozentsatzes und kann um Zuschläge ergänzt sein. Je nach anwendbarem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind Entlastungen möglich, entweder bereits vor Auszahlung (Freistellung) oder nachträglich (Erstattung).

Besonderheiten bei Gleichzeitigkeit weiterer Funktionen

Ist ein Mitglied des Aufsichtsorgans zugleich in anderer Funktion für das Unternehmen tätig, sind die Vergütungen getrennt zu betrachten. Nur die Vergütung für die Organfunktion unterliegt den hier dargestellten Regeln. Andere Bezüge folgen ihren eigenen steuerlichen Zuordnungen.

Quellensteuer/Abzugssteuer: „Aufsichtsratsteuer“ im engeren Sinn

Anwendungsbereich

Die Abzugssteuer erfasst Vergütungen, die von einem inländischen Unternehmen an ein nicht inländisches Mitglied eines Aufsichts- oder Verwaltungsorgans gezahlt werden. Die Besteuerung knüpft an die Organfunktion in einer inländischen Gesellschaft an.

Steuerschuld und Einbehalt

Der Steuerabzug wird durch das inländische Unternehmen vorgenommen. Es haftet für die ordnungsgemäße Einbehaltung und Abführung. Der Steuerabzug ist grundsätzlich vom Bruttobetrag der Vergütung zu berechnen. Wird vertraglich vereinbart, dass das Unternehmen die Steuer zusätzlich übernimmt (sogenannte Brutto- oder Nettolohnabreden), erhöht dies regelmäßig die steuerliche Bemessungsgrundlage beim Empfänger.

Entlastung durch Doppelbesteuerungsabkommen

Viele Abkommen weisen das Besteuerungsrecht für Organvergütungen dem Staat zu, in dem die vergütende Gesellschaft ansässig ist. Abweichungen sind möglich. Soweit Abkommensrecht eine Entlastung vorsieht, kann diese im Freistellungs- oder Erstattungsverfahren umgesetzt werden. Die konkrete Vorgehensweise richtet sich nach den anzuwendenden Abkommens- und Verfahrensregeln.

Weitere Zuschläge und Nebensteuern

Neben der Abzugssteuer können Zuschläge zu beachten sein. Kirchensteuer wird auf diesen speziellen Quellenabzug regelmäßig nicht erhoben.

Umsatzsteuerliche Einordnung

Unternehmerische Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds

Ob Vergütungen aus der Organfunktion der Umsatzsteuer unterliegen, hängt von der Frage ab, ob die Tätigkeit als eigenständige unternehmerische Leistung gilt. Maßgeblich ist insbesondere, ob das Organmitglied ein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt und die Vergütung variablen Erfolgsgrößen unterliegt oder ob eine feste Vergütung ohne eigenes Unternehmerrisiko gezahlt wird. Je nach Ausgestaltung kann daher Umsatzsteuerpflicht bestehen oder entfallen.

Folgen der Einordnung

Besteht Umsatzsteuerpflicht, sind die allgemeinen Regeln zu Steuerentstehung, Rechnungsausstellung und Vorsteuerabzug zu beachten; soweit die Kleinunternehmerregelung greift, kann eine Steuererhebung unterbleiben. Besteht keine Umsatzsteuerpflicht, wird die Vergütung ohne Umsatzsteuer vereinnahmt. Die Beurteilung richtet sich nach den tatsächlichen Verhältnissen und der Verwaltungspraxis.

Sozialversicherungsrechtlicher Kontext

Die Organfunktion eines Aufsichtsratsmitglieds wird regelmäßig nicht als abhängige Beschäftigung eingeordnet. Beiträge zur Sozialversicherung fallen für die Vergütung aus der Organfunktion daher in der Regel nicht an. Andere, parallel ausgeübte Tätigkeiten bleiben hiervon unberührt und sind gesondert zu beurteilen.

Betriebliche Behandlung beim vergütenden Unternehmen

Abzugsfähigkeit der Vergütung

Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder dienen dem Unternehmenszweck und sind grundsätzlich als Aufwand zu erfassen. Übernimmt das Unternehmen zusätzlich die auf die Vergütung entfallende Quellensteuer oder weitere Abgaben, stellen diese Zahlungen für das Unternehmen ebenfalls Aufwand dar; beim Empfänger erhöhen sie in der Regel die steuerliche Bemessungsgrundlage.

Dokumentation

Für die steuerliche Einordnung ist die Dokumentation der Vergütungsbestandteile, Sitzungsgelder, Ausschusstätigkeiten, variabler Elemente sowie etwaiger Kostenerstattungen bedeutsam. Klarheit über die Vergütungsstruktur ist auch für die umsatzsteuerliche Beurteilung erforderlich.

Abgrenzungen und Sonderkonstellationen

Aufsichtsrat, Verwaltungsrat, Beirat

Die dargestellten Grundsätze beziehen sich auf Organvergütungen für Aufsichts- oder Verwaltungsorgane. Bei Beiräten oder vergleichbaren Gremien ist zu prüfen, ob ein Organ im rechtlichen Sinne vorliegt oder eine beratende Tätigkeit ohne Organstellung. Dies beeinflusst die steuerliche Behandlung, insbesondere im internationalen Kontext.

Gesellschafter und verbundene Personen

Erhält ein Gesellschafter zusätzlich eine Organvergütung, sind gesellschaftsrechtliche und steuerliche Aspekte strikt zu trennen. Verflechtungen können Auswirkungen auf die Angemessenheit der Vergütung und auf deren steuerliche Anerkennung haben.

Internationale Aspekte

Zuweisung von Besteuerungsrechten

Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung enthalten oftmals spezielle Regelungen für Vergütungen von Aufsichtsräten und Direktoren. Häufig wird das Besteuerungsrecht dem Staat der ansässigen Gesellschaft zugewiesen. In diesen Fällen greift der Steuerabzug an der Quelle; der Ansässigkeitsstaat des Organmitglieds berücksichtigt die Belastung nach den abkommensrechtlichen Methoden (z. B. Anrechnung).

Praktische Umsetzung

Für die Inanspruchnahme abkommensrechtlicher Entlastungen ist regelmäßig ein amtliches Verfahren vorgesehen. Dazu zählen Freistellungen vor Auszahlung oder Erstattungen nachträglich. Die Antragsvoraussetzungen und Fristen sind im jeweiligen Abkommen und den administrativen Vorgaben geregelt.

Historische Entwicklung und aktuelle Praxis

Die Bezeichnung „Aufsichtsratsteuer“ hat sich als Kurzform für die besondere steuerliche Behandlung von Organvergütungen eingebürgert. Während die Grundmechanik der Einkommenbesteuerung seit langem feststeht, haben sich Detailfragen – insbesondere zur Umsatzsteuerpflicht der Organmitglieder – im Zeitablauf weiterentwickelt. Aktuelle Verwaltungsauffassungen stellen stärker darauf ab, ob ein unternehmerisches Risiko getragen wird oder eine feste Vergütung ohne solches Risiko vorliegt.

Häufig gestellte Fragen zur Aufsichtsratsteuer

Ist die „Aufsichtsratsteuer“ eine eigene Steuerart?

Nein. Es handelt sich um eine umgangssprachliche Bezeichnung für die steuerliche Behandlung von Aufsichtsratsvergütungen, insbesondere die Abzugssteuer bei Zahlungen an nicht inländische Organmitglieder.

Müssen inländische Aufsichtsratsmitglieder Lohnsteuer zahlen?

Für Vergütungen aus der Organfunktion wird keine Lohnsteuer einbehalten. Die Einkünfte werden im Rahmen der persönlichen Veranlagung berücksichtigt.

Wann fällt ein Steuerabzug an der Quelle an?

Ein Quellensteuerabzug ist regelmäßig vorzunehmen, wenn ein inländisches Unternehmen eine Vergütung an ein nicht inländisches Mitglied eines Aufsichts- oder Verwaltungsorgans zahlt. Der Abzug erfolgt vom Bruttobetrag der Vergütung.

Wie wirken sich Doppelbesteuerungsabkommen aus?

Viele Abkommen weisen das Besteuerungsrecht für Organvergütungen dem Staat der vergütenden Gesellschaft zu. Entlastungen erfolgen je nach Abkommen durch Freistellung vor Auszahlung oder durch Erstattung nachträglich.

Unterliegt die Aufsichtsratsvergütung der Umsatzsteuer?

Das hängt von der konkreten Ausgestaltung ab. Trägt das Organmitglied kein eigenes wirtschaftliches Risiko und erhält eine feste Vergütung, kann die Umsatzsteuerpflicht entfallen. Bei eigenständiger unternehmerischer Tätigkeit mit Risiko kann Umsatzsteuerpflicht bestehen.

Sind Erstattungen von Reisekosten steuerpflichtig?

Reine Kostenerstattungen für tatsächlich entstandene, nachgewiesene Aufwendungen zählen grundsätzlich nicht zur steuerlichen Bemessungsgrundlage der Organvergütung.

Kann das Unternehmen die Quellensteuer übernehmen?

Ja, das ist vertraglich möglich. Eine Übernahme erhöht in der Regel die Bemessungsgrundlage der Vergütung beim Empfänger und stellt zugleich Aufwand beim Unternehmen dar.