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Aufsichtsratsteuer


Begriff und Einführung: Aufsichtsratsteuer

Die Aufsichtsratsteuer ist eine spezielle Ertragsteuer, die auf die Vergütungen von Mitgliedern des Aufsichtsrates einer inländischen Gesellschaft erhoben wird. Sie betrifft vor allem die Bezüge von Aufsichtsratsmitgliedern, die für ihre Tätigkeit gezahlt werden, und stellt eine Besonderheit des deutschen Einkommensteuerrechts dar. Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen finden sich im Einkommensteuergesetz (EStG) sowie im Körperschaftsteuergesetz (KStG). Nachfolgend werden die rechtlichen Grundlagen, die steuerliche Erfassung, die Bemessungsgrundlage, das Besteuerungsverfahren sowie relevante Besonderheiten der Aufsichtsratsteuer ausführlich behandelt.


Rechtsgrundlagen der Aufsichtsratsteuer

Einkommensteuergesetz (EStG)

Die steuerliche Erfassung der Aufsichtsratsvergütungen erfolgt gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Demnach zählen die für die Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrats gezahlten Vergütungen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sofern es sich nicht um Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit handelt.

Körperschaftsteuergesetz (KStG)

Zudem enthält § 34 KStG eine spezielle Vorschrift im Körperschaftsteuerrecht, die die Erhebung der Aufsichtsratsteuer bei bestimmten Körperschaften normiert.

Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV)

Die EStDV regelt die näheren Einzelheiten zur Ermittlung und zum Einbehalt der Aufsichtsratsteuer.


Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

Betroffene Personen

Die steuerpflichtigen Personen sind Mitglieder des Aufsichtsrates einer Körperschaft, vor allem großer Aktiengesellschaften (AG), Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA), Genossenschaften, Sparkassen sowie weiterer Institute, bei denen Gesetze oder Satzungen ein Aufsichtsorgan vorsehen.

Art der Einkünfte

Vergütungen, Sitzungsgelder und alle geldwerten Vorteile, die im Zusammenhang mit der Aufsichtsratstätigkeit stehen, unterliegen der Aufsichtsratsteuer. Unerheblich ist hierbei, ob die Bezüge als Festvergütung, gewinnabhängig oder als variable Komponenten gezahlt werden.

Abgrenzung zu sonstigen Tätigkeiten

Es muss eine Abgrenzung zu anderen Organvergütungen wie etwa solchen für Vorstandsmitglieder oder Beiräte erfolgen. Nur typische Aufsichtsratsvergütungen werden von der Aufsichtsratsteuer erfasst.


Steuerliche Behandlung und Bemessungsgrundlage

Einkünfteermittlung

Die Vergütungen für Aufsichtsratstätigkeiten sind nach Abzug etwaiger Werbungskosten oder Freibeträge steuerpflichtig. Hierzu zählen neben direkten Zahlungen auch geldwerte Vorteile, Spesen und vergleichbare Zuwendungen.

Steuerabzug vom Arbeitslohn (§ 50a EStG)

Typischerweise erfolgt die Aufsichtsratsteuer im Wege des Quellensteuerabzugs direkt durch die Gesellschaft, die die Aufsichtsratsvergütung auszahlt. Gemäß § 50a EStG wird auf die Vergütungen eine pauschale Einkommensteuer in Höhe von aktuell 30 Prozent (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) einbehalten und an das Finanzamt abgeführt.

Steuerabzug bei beschränkt Steuerpflichtigen

Für nicht in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Mitglieder des Aufsichtsrats besteht die Verpflichtung zum Quellensteuerabzug der Aufsichtsratsteuer gemäß § 50a Abs. 1 Nr. 4 EStG. Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen Steuererhebungstatbestand.

Werbungskosten

Mitglieder des Aufsichtsrats können im Rahmen ihrer Veranlagung Werbungskosten abziehen, die in Zusammenhang mit der Tätigkeit stehen, sofern diese die gesetzlich vorgesehenen Pauschbeträge überschreiten.


Verfahren und Pflichten der Gesellschaft

Einbehalt und Abführung der Steuer

Die ausschüttende Gesellschaft ist verpflichtet, die einbehaltene Aufsichtsratsteuer zusammen mit der Lohnsteueranmeldung an das zuständige Betriebsstättenfinanzamt abzuführen. Für die Deklaration und Abführung gelten dieselben Fristen wie für die Lohnsteuer.

Ausstellung von Steuerbescheinigungen

Mitglieder des Aufsichtsrats erhalten eine Steuerbescheinigung über den einbehaltenen Steuerbetrag zur Vorlage bei ihrer persönlichen Steuerveranlagung.


Rechtsfolgen und Anrechenbarkeit

Anrechnung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung

Die auf die Vergütungen einbehaltene Aufsichtsratsteuer wird im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Aufsichtsratsmitglieds angerechnet (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Sollte der endgültig festgesetzte Einkommensteuerbetrag niedriger als die einbehaltene Aufsichtsratsteuer sein, entsteht ein Erstattungsanspruch.

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)

Sofern ein Mitglied des Aufsichtsrats in einem anderen Staat ansässig ist, gelten die jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen. In der Regel ist die Quellensteuer auf die Aufsichtsratsvergütung im Ansässigkeitsstaat entweder anrechenbar oder die Vergütung dort von der Steuer ausgenommen.


Besonderheiten und Ausnahmen

Vergütung an Gesellschaften

Wird die Vergütung nicht an das Organmitglied selbst, sondern an eine Gesellschaft gezahlt, beispielsweise an eine Beratungsgesellschaft, finden sich besondere Regelungen hinsichtlich der steuerlichen Zurechnung und des Steuerabzugs.

Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche Körperschaften

Für Aufsichtsratsmitglieder öffentlich-rechtlicher Körperschaften bestehen teilweise Besonderheiten, insbesondere im Bereich der Steuerfreiheit bestimmter Entschädigungen.


Steuerliche Risiken und Sanktionen

Die Nichtbeachtung der gesetzlichen Steuerabzugsverpflichtungen kann zu Verspätungszuschlägen, Nachzahlungszinsen sowie gegebenenfalls steuerstrafrechtlichen Konsequenzen führen.


Praxisrelevante Hinweise

Aufsichtsratsmitglieder sollten darauf achten, dass ihre Bezüge ordnungsgemäß, transparent und nach den geltenden steuerlichen Vorschriften abgerechnet werden. Die verantwortliche Gesellschaft muss insbesondere bei grenzüberschreitenden Konstellationen, mehrfacher Organmitgliedschaft oder unklaren Zuordnungssachverhalten sorgfältig prüfen, ob und in welcher Höhe ein Steuerabzug als Aufsichtsratsteuer vorzunehmen ist.


Literatur und Weblinks

Für weitergehende Informationen verweisen zahlreiche Publikationen im Bereich des deutschen Steuerrechts auf die einschlägigen Kommentierungen zu § 19 EStG, § 34 KStG sowie § 50a EStG.


Siehe auch:

  • Aufsichtsrat
  • Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
  • Quellensteuer
  • Lohnsteuer
  • Doppelbesteuerungsabkommen

Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick und eine detaillierte rechtliche Einordnung der Aufsichtsratsteuer im deutschen Steuerrecht.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird die Aufsichtsratsteuer rechtlich erhoben und welche Gesetze sind relevant?

Die Aufsichtsratsteuer, oftmals als Besteuerung der Vergütungen von Aufsichtsratsmitgliedern bezeichnet, wird in Deutschland durch eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen bestimmt. Zentral ist hier das Einkommensteuergesetz (EStG), insbesondere § 19 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3, wonach sämtliche Vergütungen für die Tätigkeit im Aufsichtsrat als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gelten. Darüber hinaus ist die Höhe und die Art der Steuererhebung auch durch Lohnsteuer-Richtlinien, Körperschaftsteuergesetz (KStG) und – bei internationalen Sachverhalten – durch Doppelbesteuerungsabkommen geregelt. Die Gesellschaft, die das Aufsichtsratsmitglied vergütet, ist regelmäßig verpflichtet, Lohnsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Ergänzend können landesspezifische Verwaltungserlasse oder Urteile, etwa des Bundesfinanzhofs (BFH), die konkrete Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Vorgaben beeinflussen.

Unterliegt jedes Aufsichtsratsmitglied der Aufsichtsratsteuer, unabhängig vom Wohnsitz oder Staatsbürgerschaft?

Innerhalb Deutschlands unterliegen grundsätzlich alle natürlichen Personen, die Einkünfte aus einer Aufsichtsratstätigkeit beziehen, der Besteuerung durch die Aufsichtsratsteuer. Maßgeblich ist die unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 EStG. Bei im Ausland ansässigen Aufsichtsratsmitgliedern greift gemäß § 49 Absatz 1 Nr. 4 EStG das Prinzip der beschränkten Steuerpflicht, da die Vergütung häufig als inländische Einkünfte gilt. Allerdings können internationale Sachverhalte durch Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) modifiziert werden. Die spezifische Zuordnung des Besteuerungsrechts im Rahmen von DBA richtet sich regelmäßig nach Artikel 16 OECD-Musterabkommen, wobei das Besteuerungsrecht meist dem Land der Gesellschaft, nicht dem Wohnsitzstaat, zusteht. Die Staatsbürgerschaft ist allein nicht maßgeblich.

Welche Aufwendungen können Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen der Aufsichtsratsteuer absetzen?

Aufsichtsratsmitglieder können bestimmte Werbungskosten geltend machen, sofern diese in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit stehen. Zu den abziehbaren Aufwendungen zählen unter anderem Reisekosten, Übernachtungskosten, Verpflegungsmehraufwendungen, Kosten für Fachliteratur, Kommunikationskosten sowie Aufwendungen für eine Haftpflichtversicherung im Zusammenhang mit der Aufsichtsratstätigkeit. Die Ausgaben müssen jedoch nachweisbar und angemessen sein; Belege sind vorzuhalten. Das Werbungskostenpauschale von 102 Euro pro Jahr nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a EStG kann alternativ ohne Einzelnachweise genutzt werden. Ein höherer Abzug ist nur bei glaubhaft gemachter tatsächlicher Kostenhöhe möglich. Nicht abzugsfähig sind hingegen Ausgaben, die nicht berufsbezogen oder privat veranlasst sind.

Müssen Gesellschaften die Lohnsteuer für Aufsichtsratsmitglieder abführen?

Ja, die Gesellschaften sind als Vergütungsschuldner gemäß § 38 Absatz 1 Satz 1 EStG verpflichtet, die auf die Aufsichtsratsvergütungen entfallende Lohnsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Dies gilt sowohl für residentielle als auch für im Ausland ansässige Mitglieder. Der Lohnsteuerabzug erfolgt nach den allgemeinen Lohnsteuertarifen, häufig jedoch nach Steuertabelle VI. Parallel sind Solidaritätszuschlag sowie gegebenenfalls Kirchensteuer einzubehalten. Die Pflicht zum Lohnsteuerabzug entsteht auch dann, wenn das Aufsichtsratsmitglied selbst eine steuerliche Veranlagung (z.B. Einkommensteuererklärung) vornimmt. Gesellschaften müssen weiterhin dem Mitglied eine Lohnsteuerbescheinigung ausstellen, die im Rahmen der persönlichen Steuererklärung des Aufsichtsratsmitglieds zu verwenden ist.

Wie wird mit Umsatzsteuer auf Aufsichtsratsvergütungen umgegangen?

Nach aktueller Rechtslage unterliegen Vergütungen von Aufsichtsratsmitgliedern regelmäßig nicht der Umsatzsteuerpflicht, sofern die Tätigkeit als überwiegend nichtselbstständig gilt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 13.06.2019, C-420/18) hat dazu klargestellt, dass eine selbstständige Tätigkeit nur dann vorliegt, wenn das Mitglied eigenes unternehmerisches Risiko trägt und unabhängig agieren kann. In Deutschland geht die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 08.07.2021) zumeist davon aus, dass die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat nichtselbstständige Arbeit ist und damit keine Umsatzsteuerpflicht besteht. Ist im Einzelfall jedoch eine selbstständige Ausübung gegeben, insbesondere bei spezifischer vertraglicher Ausgestaltung oder freiberuflicher Organisation, kann Umsatzsteuer entstehen – alles hängt von der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung ab. In solchen Sonderfällen müssen Aufsichtsratsmitglieder eine Umsatzsteueridentifikationsnummer beantragen und ihre Leistungen entsprechend versteuern.

Gibt es Besonderheiten bei grenzüberschreitend tätigen Aufsichtsratsmitgliedern?

Bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten, etwa wenn das Aufsichtsratsmitglied im Ausland ansässig ist oder die Gesellschaft ihren Sitz im Ausland hat, greifen regelmäßig die Regelungen internationaler Doppelbesteuerungsabkommen. Diese legen im Normalfall das Besteuerungsrecht für Aufsichtsratvergütungen dem Sitzstaat der Gesellschaft zu (vgl. Art. 16 OECD-Musterabkommen). Daraus ergibt sich, dass selbst bei im Ausland wohnhaften Aufsichtsratsmitgliedern das Entgelt in Deutschland steuerpflichtig sein kann. Möglich ist jedoch im Wohnsitzland die Anrechnung oder Freistellung der deutschen Steuer. Die Gesellschaft bleibt auch bei Auslandssachverhalten zum Steuerabzug verpflichtet. Wichtig sind zudem eventuelle Meldepflichten und Dokumentationspflichten sowohl für die Gesellschaft als auch das Mitglied.

Können ehrenamtliche Aufsichtsratsmitglieder steuerrechtliche Freibeträge oder Erleichterungen in Anspruch nehmen?

Sofern es sich bei der Vergütung des Aufsichtsratsmandats um eine reine Ehrenamtstätigkeit vor allem bei Vereinen, Stiftungen oder gemeinnützigen Körperschaften handelt, können unter bestimmten Voraussetzungen steuerliche Erleichterungen wie der sogenannte Übungsleiterfreibetrag (§ 3 Nr. 26 EStG) oder der Ehrenamtsfreibetrag (§ 3 Nr. 26a EStG) greifen. Voraussetzung ist, dass der Träger steuerbegünstigt ist und die Tätigkeit gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient. Die Anwendung dieser Freibeträge ist jedoch ausgeschlossen, wenn es sich um ein Mandat in einer Kapitalgesellschaft (z. B. einer AG oder GmbH) handelt, die eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt. In jedem Fall sind die genauen Voraussetzungen und etwaige Nachweispflichten zu beachten, da die Finanzverwaltung dies regelmäßig prüft.