Begriff und Rechtsgrundlage der Aufsichtsratssteuer
Die Aufsichtsratssteuer ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für die Besteuerung der Vergütungen, die Mitglieder von Aufsichtsräten juristischer Personen für ihre Tätigkeit erhalten. Rechtsgrundlage der Besteuerung bildet in Deutschland insbesondere § 18 Abs. 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG), der die Einkünfte von Aufsichtsräten den sonstigen selbständigen Tätigkeiten zuordnet. Die hierauf erhobene Einkommensteuer ist in speziellen Konstellationen durch Erhebung der Aufsichtsratssteuer (in Form einer pauschalen Einkommensteuer) durch die auszahlende Gesellschaft geregelt.
Historische Entwicklung
Die Aufsichtsratssteuer wurde in Deutschland erstmals 1925 eingeführt und ist Teil der steuerlichen Sonderregelungen für Aufsichtsratsmitglieder. Ziel war es, eine einfache und für die Finanzverwaltung praktische Erhebung der Steuer auf vergleichsweise schwer zu erfassende Einnahmen sicherzustellen. Seitdem hat es diverse Anpassungen und Präzisierungen im Steuerrecht gegeben.
Steuerliche Behandlung der Aufsichtsratsvergütungen
Einordnung als selbständige Einkünfte
Aufsichtsratsvergütungen zählen gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit. Dies gilt unabhängig davon, ob das Mitglied des Aufsichtsrats in einem weiteren Anstellungsverhältnis zur Gesellschaft steht oder nicht. Die Tätigkeiten werden grundsätzlich als selbständig angesehen, da der Aufsichtsratsvorsitzende oder das Aufsichtsratsmitglied nicht in die Arbeitgeberstruktur eingegliedert ist und keinen Weisungen unterliegt.
Beispieleinkünfte
Unter die Aufsichtsratsvergütungen fallen:
- Sitzungsgelder
- laufende Vergütungen
- Erfolgsprämien im Zusammenhang mit der Aufsichtsratstätigkeit
Nicht unter die Aufsichtsratssteuer fällt hingegen die Vergütung für andere Tätigkeiten, die nicht originär zu den Aufgaben eines Aufsichtsratsmitglieds gehören.
Pauschalbesteuerung nach § 50 Abs. 1 EStG
Nach § 50 Abs. 1 EStG erfolgt bei natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, eine pauschale Erhebung der Einkommensteuer auf Aufsichtsratsvergütungen, wenn diese von inländischen Gesellschaften gezahlt werden. Die Steuer beträgt 30 % der Bruttovergütung zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer.
Einbehalt, Abführung und Haftung
Die auszahlende Gesellschaft ist als Vergütungsschuldner zur Einbehaltung und Abführung dieser Aufsichtsratssteuer verpflichtet. Sie haftet für die ordnungsgemäße Abfuhr (§ 50a Abs. 5 EStG). Die einbehaltene Steuer ist spätestens zum 10. Tag nach Ablauf des Monats abzuführen, in dem die Vergütung gezahlt wurde.
Steuerbescheinigung und Anrechnung
Die einbehaltene und abgeführte Steuer wird dem Empfänger der Vergütung bescheinigt. Bei inländischer Veranlagung kann sie auf die individuelle Einkommensteuer angerechnet werden. In Fällen, in denen eine Doppelbesteuerung besteht, können die durch Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Entlastungen in Anspruch genommen werden.
Besonderheiten im internationalen Kontext
Grenzüberschreitender Sachverhalt
Internationale Besonderheiten ergeben sich insbesondere, wenn der Empfänger der Vergütung seinen Wohnsitz im Ausland hat. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), wie sie Deutschland mit zahlreichen Staaten abgeschlossen hat, enthalten Sonderregelungen zur Besteuerung von Aufsichtsratsvergütungen.
Zuweisung des Besteuerungsrechts
In der Regel weisen diese Abkommen das Besteuerungsrecht dem Staat zu, in dem das Unternehmen ansässig ist, dem der Aufsichtsrat angehört. Dadurch wird verhindert, dass der Ansässigkeitsstaat des Aufsichtsratsmitglieds allein das Besteuerungsrecht für die Vergütung beansprucht.
Entlastung und Freistellung
Bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß DBA kann die Aufsichtsratssteuer auf die ausländische Einkommensteuer angerechnet oder die Vergütung im Ausland steuerfrei gestellt werden. Die erforderlichen Nachweise sind im Rahmen der jeweiligen Veranlagungen zu führen.
Abgrenzung zu anderen Steuerarten
Vergleich mit der Lohnsteuer
Obwohl die Erhebung der Aufsichtsratssteuer in der Praxis der Lohnsteuer ähnelt (durch Einbehalt und Abführung durch den Vergütungsschuldner), gibt es zentrale Unterschiede:
- Die Lohnsteuer betrifft ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (vgl. § 19 EStG).
- Die Aufsichtsratssteuer dient der Besteuerung selbständiger Tätigkeiten und fällt nicht unter die Vorschriften zur nichtselbständigen Arbeit.
Umsatzsteuerliche Behandlung
Die Aufsichtsratstätigkeit kann umsatzsteuerpflichtig sein, wenn das betreffende Mitglied als Unternehmer handelt (§ 2 UStG) und die Vergütungen Entgelt für eine Leistung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sind. In der Praxis entschied der Bundesfinanzhof (BFH) zuletzt, dass die Stellung in Organen einer Gesellschaft nicht zwingend Umsatzsteuerpflicht auslöst, insbesondere wenn das Aufsichtsratsmitglied keinem Unternehmerrisiko ausgesetzt ist und keine steuerbare Leistung im Sinne des UStG vorliegt.
Praxisrelevanz und Rechtsfolgen bei Verstößen
Bedeutung für Unternehmen und Aufsichtsratsmitglieder
Die korrekte Behandlung der Aufsichtsratssteuer ist für Unternehmen wesentlich, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Aufsichtsratsmitglieder müssen die steuerlichen Auswirkungen der Vergütung beachten, insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext.
Sanktionen und Nachforderungen
Unterlässt das Unternehmen die Abführung der pauschalen Einkommensteuer, kann das Finanzamt diese einschließlich Säumniszuschlägen und gegebenenfalls Bußgeldern nachfordern. Die Einhaltung der Anzeige-, Einbehaltungs- und Abführungspflichten ist daher von zentraler Bedeutung.
Literatur, Rechtsprechung und weiterführende Vorschriften
- EStG: § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 50 Abs. 1 EStG, § 50a EStG
- BFH-Urteile zur Umsatzsteuerpflicht von Organvergütungen
- Verwaltungsvorschriften: BMF-Schreiben zu § 50a EStG
- Doppelbesteuerungsabkommen (DBA): Insbesondere Art. 16 OECD-Musterabkommen
Zusammenfassung
Die Aufsichtsratssteuer umfasst die pauschale Besteuerung der Vergütungen aus selbständiger Tätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern. Sie wird insbesondere dann erhoben, wenn Vergütungsempfänger im Ausland ansässig sind und die Gesellschaft im Inland ihren Sitz hat. Ihre besondere rechtliche Ausgestaltung beinhaltet Abgrenzungen zur Lohn- und Umsatzsteuer sowie besondere Vorschriften bei internationalen Tätigkeiten. Die sorgfältige Beachtung aller gesetzlichen Pflichten ist für Unternehmen und Aufsichtsratsmitglieder essenziell, um steuerliche Risiken und Haftungsfolgen zu vermeiden.
Häufig gestellte Fragen
Wie erfolgt die steuerliche Erfassung und Anmeldung der Aufsichtsratsvergütung?
Die steuerliche Erfassung der Vergütung, die ein Mitglied des Aufsichtsrats erhält, richtet sich in Deutschland nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Die Einkünfte gelten einkommensteuerrechtlich als selbständige Einkünfte, unabhängig davon, ob das Aufsichtsratsmitglied bereits einer anderen beruflichen Tätigkeit nachgeht oder im Ruhestand ist. Dies bedeutet, dass die Vergütung im Rahmen einer Einkommensteuererklärung als Einnahmen aus sonstiger selbständiger Arbeit angegeben werden muss. Eine Anmeldung der Einkünfte beim zuständigen Finanzamt erfolgt in der Regel über die jährliche Einkommensteuererklärung; die Vorschriften zur Umsatzsteuer (siehe § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) können jedoch dazu führen, dass auch eine Umsatzsteuer-Voranmeldung einzureichen ist, sofern die Kleinunternehmerregelung nicht in Anspruch genommen wird. Dabei muss das einzelne Aufsichtsratsmitglied prüfen, ob seine selbständige Tätigkeit im Rahmen des §§ 2, 19 UStG umsatzsteuerpflichtig ist und ggf. eine Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke beantragen. Die steuerliche Anmeldung der Einkünfte ist zeitnah und vollständig vorzunehmen, um Nachzahlungszinsen sowie steuerstrafrechtliche Konsequenzen wegen verspäteter oder unvollständiger Erfassung zu vermeiden.
Gibt es Besonderheiten hinsichtlich der Umsatzsteuer bei Aufsichtsratsvergütungen?
Ja, seit dem 1. Januar 2022 gelten neue Anforderungen hinsichtlich der Umsatzsteuerpflicht von Aufsichtsratsvergütungen nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil v. 27.11.2019, XI R 23/18) und den Anpassungen durch das BMF-Schreiben vom 08.07.2021. Ob die Tätigkeit als umsatzsteuerpflichtig gilt, hängt davon ab, inwieweit das Aufsichtsratsmitglied unternehmerisch tätig ist und ein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt, insbesondere in Bezug auf die Vergütungsstruktur (Pauschalvergütung vs. variable Bestandteile wie Sitzungsgelder). Werden ausschließlich feste Pauschalvergütungen bezahlt, sieht die Finanzverwaltung keine unternehmerische Tätigkeit und damit keine Umsatzsteuerpflicht vor. Enthält die Vergütung hingegen variable Bestandteile, kann eine Umsatzsteuerpflicht entstehen. Das Mitglied muss sich individuell mit den Vergütungsmodalitäten auseinandersetzen und die steuerliche Einordnung prüfen und transparent dokumentieren.
Wie erfolgt die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben und Werbungskosten im Zusammenhang mit Aufsichtsratsvergütungen?
Kosten, die dem Aufsichtsratsmitglied im unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Tätigkeit entstehen, können als Betriebsausgaben im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG steuerlich geltend gemacht werden. Hierzu zählen insbesondere Fahrtkosten, Kosten für Fachliteratur, Büronebenkosten, Telefon- und Internetkosten sowie Aufwendungen für steuerliche Beratung. Die Abzugsfähigkeit setzt voraus, dass die Kosten nachweislich und nach Art und Höhe belegt werden können. Gemischte Aufwendungen sind zu trennen, wobei der berufsbedingte Anteil steuerlich berücksichtigt werden darf. Eine Berücksichtigung als Werbungskosten erfolgt nicht, da es sich steuerrechtlich nicht um Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit handelt.
Was sind die steuerlichen Pflichten des Unternehmens, das die Aufsichtsratsvergütung auszahlt?
Das auszahlende Unternehmen ist verpflichtet, die gezahlte Aufsichtsratsvergütung als Betriebsausgabe zu dokumentieren und ggf. in der Steuererklärung anzugeben. Darüber hinaus muss es prüfen, ob auf die Auszahlung Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen ist, was im Regelfall seit 2016 verneint wird, da die Tätigkeit als selbständige Arbeit gilt und keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit darstellt. Bei Sitzungen im Ausland oder bei grenzüberschreitenden Sachverhalten können ergänzende Dokumentationspflichten und Meldepflichten entstehen, etwa im Rahmen des Doppelbesteuerungsrechts und des Außensteuergesetzes (AStG). Das Unternehmen hat das Aufsichtsratsmitglied über die steuerlichen Regelungen aufzuklären, trägt jedoch keine Verantwortung für deren steuerliche Einhaltung durch das einzelne Mitglied.
Wie erfolgt die steuerliche Behandlung der Aufsichtsratsvergütung im internationalen Kontext?
Bei internationalen Sachverhalten ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Vergütung im In- oder Ausland zu versteuern ist. Nach Art. 16 OECD-Musterabkommen sowie entsprechender Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steht das Besteuerungsrecht regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat des Aufsichtsratsmitglieds zu, sofern kein anderer Tätigkeitsort maßgebend ist. In Einzelfällen kann es zur doppelten Besteuerung kommen, falls sowohl das Ansässigkeitsland als auch der Sitzstaat des beaufsichtigten Unternehmens die Aufsichtsratsvergütung besteuern wollen. Hier greifen regelmäßig Anrechnungs- oder Freistellungsmethoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Bei Unsicherheiten sind die jeweiligen nationalen steuerlichen Vorschriften und das einschlägige DBA sowie ggf. das Außensteuergesetz heranzuziehen und individuell zu prüfen.
Welche steuerrechtlichen Sanktionen drohen bei fehlerhafter oder unterlassener Deklaration von Aufsichtsratsvergütungen?
Werden Aufsichtsratsvergütungen vom Empfänger nicht oder nicht korrekt deklariert, drohen steuerrechtliche Konsequenzen nach den §§ 369 ff. AO (Abgabenordnung). Dies kann von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO über Verspätungszuschläge (§ 152 AO) bis hin zu Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO) reichen. Die Sanktionen richten sich nach dem Ausmaß der Pflichtverletzung, dem Verschulden und der Höhe der nicht abgeführten Steuer. Es empfiehlt sich daher, alle steuerlichen Pflichten fristgerecht und vollständig zu erfüllen, insbesondere auch die rechtzeitige Offenlegung von Vergütungsbestandteilen und die Führung einer ordnungsgemäßen Buchhaltung.
Können Aufsichtsratsmitglieder zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen verpflichtet sein?
Ja, wenn die Tätigkeit als unternehmerisch und damit als umsatzsteuerpflichtig bewertet wird, sind Aufsichtsratsmitglieder gemäß §§ 18, 19 UStG verpflichtet, entsprechende Umsatzsteuer-Voranmeldungen einzureichen, sofern sie die Kleinunternehmerregelung nicht beanspruchen können oder wollen. Die Voranmeldung muss jeweils bis zum 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums bei dem zuständigen Finanzamt eingereicht werden. Bei wiederholter Inanspruchnahme mehrerer Aufsichtsratsmandate kann die Umsatzsteuerpflicht regelmäßig bestehen, da die Bagatellgrenze der Kleinunternehmerregelung rasch überschritten wird. In Zweifelsfällen empfiehlt sich die Beratung durch einen Steuerberater, um Haftungsrisiken zu vermeiden.