Begriff und Einordnung
Die Auflösung einer Versammlung ist die behördliche Beendigung einer bereits begonnenen öffentlichen Zusammenkunft, die dem Zweck gemeinsamer Meinungsbildung oder -kundgabe dient. Mit der Auflösung endet der rechtliche Schutz der Versammlung; die Teilnehmenden sind verpflichtet, den Versammlungsort zu verlassen. Sie unterscheidet sich von der freiwilligen Beendigung durch die Versammlungsleitung, bei der die Veranstaltung aus eigener Entscheidung abgeschlossen wird, sowie von einer Untersagung im Vorfeld, die das Stattfinden verhindert.
Die Auflösung greift in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ein und ist daher nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Sie wird in der Regel durch die zuständige Versammlungsbehörde oder die Polizei verfügt und unterliegt strengen Anforderungen an Begründung, Form und Verhältnismäßigkeit.
Rechtsrahmen und Zuständigkeiten
Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich geschützt. Die einfachrechtliche Ausgestaltung liegt in Deutschland teils beim Bund, teils bei den Ländern; inhaltliche Schwerpunkte sind jedoch ähnlich: Schutz der Versammlung als Freiheitsrecht und Möglichkeiten behördlicher Eingriffe zur Abwehr erheblicher Gefahren.
- Behörden: Zuständig sind die Versammlungsbehörde und die Polizei. Die Polizei setzt Entscheidungen durch und kann in Eilfällen selbst verfügen.
- Versammlungsleitung: Verantwortlich für den ordnungsgemäßen Ablauf, Kommunikation mit der Behörde und Einhaltung etwaiger Beschränkungen.
- Grundprinzipien: Maßgeblich sind Transparenz der Gründe, Verhältnismäßigkeit, klare und verständliche Anordnungen sowie die versammlungsfreundliche Auslegung.
Voraussetzungen der Auflösung
Erhebliche Gefahren für öffentliche Sicherheit
Eine Auflösung kommt in Betracht, wenn von der Versammlung oder aus ihr heraus konkrete, erhebliche Gefahren für elementare Schutzgüter ausgehen, etwa für Leib, Leben, bedeutende Sachwerte oder den ungehinderten Ablauf des öffentlichen Verkehrs.
Unfriedlichkeit und kollektive Gewalt
Wird die Versammlung unfriedlich, etwa durch kollektive Aggression oder gezielte Gewalttaten, kann der Schutz als Versammlung entfallen. Entscheidend ist ein Gesamtbild, das nachhaltig von Gewalt getragen ist oder diese als Mittel akzeptiert.
Nichteinhaltung rechtmäßiger Beschränkungen
Wurden im Vorfeld oder während der Versammlung rechtmäßige Beschränkungen angeordnet (z. B. Routenänderungen, Abstandsgebote) und werden diese trotz Aufforderung nicht eingehalten, kann eine Auflösung folgen.
Verbotene Gegenstände und Schutzbewaffnung
Das Mitführen verbotener Gegenstände, das Tragen einschüchternder Ausrüstung oder Vermummung, die der Abwehr polizeilicher Maßnahmen dient, kann eine Auflösung rechtfertigen, wenn dadurch erhebliche Gefahrenlagen entstehen.
Nichtversammlung und Missbrauch
Ist eine Veranstaltung ihrem Charakter nach keine Versammlung im Sinne der Meinungsbildung oder wird dieser Schutz missbräuchlich in Anspruch genommen, kann eine Auflösung erfolgen, wenn andere Rechtsinstrumente nicht ausreichen.
Ablauf der Auflösung
Form der Bekanntgabe
Die Auflösung wird eindeutig, für alle vernehmbar und bestimmt bekanntgegeben, häufig per Lautsprecherdurchsage. Die maßgeblichen Gründe werden benannt, ebenso die Anforderungen an das Verhalten nach der Auflösung.
Adressierung und Mitwirkung
Die Anordnung richtet sich an die Versammlungsleitung und die Teilnehmenden. Die Leitung wird regelmäßig aufgefordert, die Auflösung bekannt zu machen und das geordnete Verlassen zu unterstützen.
Abflussphase
Üblich ist eine angemessene Zeitspanne, um den Ort geordnet zu verlassen. Abhängig von Lagebild, Teilnehmerzahl und Örtlichkeit können Abmarschrichtungen, Sammelpunkte oder Sperren festgelegt werden.
Dokumentation
Die entscheidungsrelevanten Tatsachen und der Ablauf der Maßnahme werden dokumentiert, um Transparenz und nachträgliche Überprüfbarkeit zu gewährleisten.
Zwangsmittel und Durchsetzung
Gestufte Maßnahmen
Zur Durchsetzung kommen gestufte Mittel in Betracht, beginnend mit Platzverweisen und Absperrungen. Identitätsfeststellungen können zur Ahndung von Verstößen oder zur Gefahrenabwehr erfolgen.
Gewahrsamnahme
Wer beharrlich nicht geht, erhebliche Störungen verursacht oder Straftaten begeht, kann vorübergehend in Gewahrsam genommen werden, wenn mildere Mittel nicht ausreichen.
Verhältnismäßigkeit
Alle Maßnahmen müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Das mildeste zur Zielerreichung ausreichende Mittel ist zu wählen; besondere Rücksicht gilt schutzbedürftigen Personen.
Rechtsfolgen und Sanktionen
Verpflichtung zum Verlassen
Mit der Auflösung entfällt der besondere Schutz der Versammlung. Wer nicht geht, kann rechtlich belangt werden; je nach Verhalten kommen Ahndungen als Ordnungswidrigkeit oder Straftat in Betracht.
Mögliche weitere Folgen
Neben Bußgeldern oder strafrechtlicher Verfolgung sind Sicherstellungen von Gegenständen, Aufenthaltsanordnungen oder Gewahrsam möglich. In Einzelfällen können Kostenbescheide für bestimmte Maßnahmen vorgesehen sein, abhängig von der geltenden Rechtslage.
Besondere Konstellationen
Spontan- und Eilversammlungen
Auch kurzfristige Versammlungen genießen Schutz. Eine Auflösung setzt auch hier erhebliche Gefahren oder schwere Pflichtverletzungen voraus; organisatorische Defizite rechtfertigen für sich genommen keine Auflösung.
Gegenversammlungen
Bei aufeinandertreffenden Versammlungen kann es zu Lageverschärfungen kommen. Eingriffe müssen beide Versammlungen berücksichtigen; eine Auflösung einer oder beider Veranstaltungen ist nur bei gewichtigen Gründen zulässig.
Versammlungen in Bewegung
Bei Aufzügen können Wegänderungen, Zwischenstopps oder die Trennung von Gruppen angeordnet werden. Eine Auflösung kann sich auf die gesamte Versammlung oder abgrenzbare Teile beziehen.
Innenräume und Außenflächen
Bei Versammlungen in geschlossenen Räumen gelten Besonderheiten hinsichtlich Zugangsregelungen und Hausrecht. Unter freiem Himmel stehen zumeist Verkehrs- und Sicherheitsbelange im Vordergrund.
Minderjährige und Schutzbedürftige
Bei der Durchsetzung sind Alter, gesundheitliche Einschränkungen und sonstige Schutzbedürftigkeit zu berücksichtigen. Maßnahmen müssen darauf abgestimmt sein.
Nach der Auflösung
Datenverarbeitung
Im Zusammenhang mit der Maßnahme erhobene Daten (z. B. Identitäten, Videoaufzeichnungen) unterliegen dem Datenschutz. Nutzung und Speicherdauer richten sich nach den einschlägigen Vorgaben.
Überprüfung der Rechtmäßigkeit
Die Rechtmäßigkeit einer Auflösung kann nachträglich in Verwaltungs- und Strafverfahren sowie in gesonderten Rechtsschutzverfahren geprüft werden. Auch vorläufiger Rechtsschutz ist in geeigneten Konstellationen möglich.
Sicherstellungen
Sichergestellte Gegenstände sind nach Wegfall des Sicherungszwecks herauszugeben, sofern keine anderen Gründe entgegenstehen. Die Modalitäten richten sich nach den einschlägigen Regeln.
Abgrenzungen zu verwandten Maßnahmen
Untersagung im Vorfeld
Eine Untersagung verhindert das Stattfinden der Versammlung bereits vor Beginn. Sie setzt eine besonders gewichtige Prognose erheblicher Gefahren voraus und ist gegenüber milderen Mitteln nachrangig.
Beschränkungen statt Auflösung
Beschränkungen (Auflagen) gestalten die Versammlung, ohne sie zu beenden. Erst bei Nichtbefolgung rechtmäßiger Beschränkungen oder bei gravierender Lageverschärfung kommt die Auflösung in Betracht.
Beendigung durch die Leitung
Die Leitung kann die Versammlung selbst beenden. Danach gelten die allgemeinen Regeln des öffentlichen Raums; ein behördlicher Auflösungsakt ist nicht erforderlich.
Häufig gestellte Fragen
Was bedeutet die Auflösung einer Versammlung rechtlich?
Sie ist der behördliche Akt, mit dem eine laufende Versammlung beendet wird. Der besondere Schutz als Versammlung endet, und die Teilnehmenden müssen den Ort verlassen. Weitere Maßnahmen können zur Durchsetzung folgen.
Wer darf eine Versammlung auflösen?
Die zuständige Versammlungsbehörde oder die Polizei. In dringenden Lagen kann die Polizei selbst entscheiden und handeln, wenn ein Abwarten die Gefahr erhöhen würde.
Muss die Auflösung angekündigt und begründet werden?
Ja, sie wird eindeutig bekanntgegeben und begründet, üblicherweise per Lautsprecher. Die Ankündigung enthält die Aufforderung, den Ort zu verlassen, und Hinweise zum geordneten Abfluss.
Welche Folgen hat es, wenn man nach der Auflösung bleibt?
Das Verbleiben kann als Verstoß geahndet werden. Je nach Verhalten kommen Bußgelder, strafrechtliche Konsequenzen, Platzverweise, Identitätsfeststellungen und Gewahrsam in Betracht.
Darf Zwang eingesetzt werden, um die Auflösung durchzusetzen?
Zwangsmittel sind zulässig, wenn sie erforderlich und angemessen sind. Üblich ist ein gestuftes Vorgehen von Ansprache und Platzverweisen bis zu physischen Maßnahmen, stets unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit.
Gilt der Schutz für Presse und Beobachtende auch bei der Auflösung?
Berichterstattende und beobachtende Personen genießen eigene Schutzpositionen. Diese sind mit Sicherheitsanforderungen abzuwägen; besondere Arbeitsweisen können berücksichtigt werden, solange keine akuten Gefahren entgegenstehen.
Kann die Rechtmäßigkeit einer Auflösung nachträglich geprüft werden?
Ja, die Maßnahme ist gerichtlich überprüfbar. Auch die Verwendung von Daten und die Rechtmäßigkeit einzelner Zwangsmaßnahmen können Gegenstand einer Prüfung sein.