Aufenthaltsgestattung im deutschen Aufenthaltsrecht
Die Aufenthaltsgestattung ist ein wesentlicher Begriff im deutschen Aufenthaltsrecht und besitzt eine zentrale Bedeutung im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Anerkennung des internationalen Schutzes von Schutzsuchenden. Sie regelt den rechtlichen Status von Menschen, die einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben und sich während der Dauer des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten dürfen. Dieser Artikel beleuchtet die Aufenthaltsgestattung detailliert und führt die maßgeblichen rechtlichen Grundlagen und deren praktische Konsequenzen aus.
Rechtliche Grundlage der Aufenthaltsgestattung
Gesetzliche Regelung
Die Aufenthaltsgestattung ist in den §§ 55 ff. Asylgesetz (AsylG) gesetzlich geregelt. Sie dient dem Zweck, Personen, die um Asyl nachsuchen, für die Dauer des Asylverfahrens einen befristeten, rechtmäßigen Aufenthalt zu gewähren. Ein Aufenthaltstitel gemäß Aufenthaltsgesetz (AufenthG) wird dabei nicht erteilt, die Aufenthaltsgestattung besitzt vielmehr eigenständigen Charakter.
Erteilung und Beginn
Die Aufenthaltsgestattung wird gemäß § 55 Absatz 1 AsylG automatisch mit der förmlichen Asylantragstellung erteilt. Sie bleibt während der gesamten Dauer des Asylverfahrens bis zur bestandskräftigen Entscheidung oder bis zur rechtskräftigen Ablehnung und ggf. Ablauf der Ausreisefrist bestehen.
Inhalt und Wirkung der Aufenthaltsgestattung
Rechtmäßiger Aufenthalt
Die Aufenthaltsgestattung begründet einen legalen Aufenthalt im Bundesgebiet, unterscheidet sich aber grundlegend von Aufenthaltstiteln im Sinne des Aufenthaltsgesetzes. Sie berechtigt ausschließlich zur Anwesenheit im Bundesgebiet, nicht hingegen zum dauerhaften Aufenthalt oder zur Freizügigkeit in anderen EU-Mitgliedstaaten.
Räumliche Beschränkung
Gemäß § 56 AsylG unterliegt die Aufenthaltsgestattung in der Regel einer räumlichen Beschränkung. Die Person, der eine Aufenthaltsgestattung erteilt wurde, darf sich zunächst nur im Bezirk der ihr zugewiesenen Ausländerbehörde oder der Erstaufnahmeeinrichtung aufhalten. Eine Erweiterung oder Aufhebung dieser Beschränkung ist auf Antrag und bei Vorliegen besonderer Gründe möglich.
Pflichten während der Aufenthaltsgestattung
Inhaber einer Aufenthaltsgestattung sind verpflichtet, sich melderechtlich zu registrieren, der Pass- und Mitwirkungspflicht nachzukommen und etwaigen behördlichen Auflagen zu folgen. Verstöße können aufenthaltsrechtliche Konsequenzen oder Einschränkungen nach sich ziehen.
Soziale und wirtschaftliche Rechtsstellung
Erwerbstätigkeit
Die Erwerbstätigkeit ist zunächst gemäß § 61 AsylG während der ersten drei Monate nach der Asylantragstellung grundsätzlich ausgeschlossen. Nach Ablauf dieser Frist kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Beschäftigungserlaubnis bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragt werden. Eine selbständige Tätigkeit bleibt in der Regel bis zum Abschluss des Verfahrens untersagt.
Sozialleistungen
Inhaber einer Aufenthaltsgestattung erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Dazu gehören existenzsichernde Leistungen für Unterkunft, Nahrung, medizinische Grundversorgung und ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse. Diese Leistungen weichen von denen nach dem Sozialgesetzbuch II und XII ab.
Aufenthaltsgestattung und Familiennachzug
Ein Familiennachzug zu Inhabern einer Aufenthaltsgestattung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Der Nachzug kann erst nach positiver Entscheidung über den Asylantrag oder die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter oder Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention beantragt und erfolgen.
Beendigung und Erlöschen der Aufenthaltsgestattung
Beendigungstatbestände
Die Aufenthaltsgestattung erlischt mit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens – also mit unanfechtbarer Anerkennung oder Ablehnung des Antrags. Im Falle der Ablehnung besteht in der Regel eine Ausreisepflicht, es sei denn, ein Abschiebungsverbot greift oder es wird eine Duldung erteilt.
Aufenthaltsgestattung bei Folge- und Zweitanträgen
Bei erneuter Antragstellung nach vorherigem rechtskräftigen Abschluss eines Asylverfahrens (Folgeantrag, § 71 AsylG) wird erneut eine Aufenthaltsgestattung für die Dauer des Prüfungsverfahrens erteilt. Während dieses Zeitraums gelten die oben beschriebenen Rechte und Pflichten entsprechend.
Abgrenzung zu anderen Aufenthaltstiteln
Die Aufenthaltsgestattung unterscheidet sich klar von der Duldung (§ 60a AufenthG) und dem Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz. Während die Duldung lediglich ein Abschiebungshindernis dokumentiert und keinen legalen Aufenthalt im Sinne des Aufenthaltsrechts begründet, stellt die Aufenthaltsgestattung einen legalen, jedoch zeitlich und inhaltlich begrenzten Aufenthaltsstatus für Asylbewerber dar.
Aufenthaltsgestattung im europäischen Kontext
Im Kontext des europäischen Asylrechts entspricht die Aufenthaltsgestattung im Wesentlichen der Vorgabe aus Art. 9 der EU-Verfahrensrichtlinie (2013/32/EU), wonach Staaten Personen während des Asylverfahrens den Verbleib im Hoheitsgebiet zu gestatten haben. Nationale Ausgestaltungsformen wie die deutsche Aufenthaltsgestattung setzen diese Verpflichtung in nationales Recht um.
Literatur und weiterführende Quellen
- Asylgesetz (AsylG)
- Aufenthaltsgesetz (AufenthG)
- Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)
- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF): Offizielle Informationen zur Aufenthaltsgestattung
- EU-Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU
Die Aufenthaltsgestattung bildet damit ein zentrales Element der Rechtsstellung von Asylsuchenden während des Verfahrens. Sie ist – trotz ihres provisorischen Charakters – für alle Fragen des Aufenthalts, des Zugangs zu Bildung, Arbeit, Sozialleistungen und des Familienlebens während der Zeit des Asylantrags von herausragender Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Wer stellt eine Aufenthaltsgestattung aus und für welchen Zeitraum ist sie gültig?
Die Aufenthaltsgestattung wird gemäß § 55 Asylgesetz von der für die Aufnahme des Asylantrags zuständigen Behörde (in der Regel die Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge – BAMF) ausgestellt. Sie wird grundsätzlich für die Dauer des laufenden Asylverfahrens erteilt. Die Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsgestattung hängt direkt mit dem Status des Asylverfahrens zusammen: Sie besteht vom Zeitpunkt der förmlichen Asylantragstellung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Asylantrag beziehungsweise bis zur Abreise oder Abschiebung der Person. Sollte gegen einen ablehnenden Bescheid geklagt werden, bleibt die Aufenthaltsgestattung bis zur abschließenden gerichtlichen Entscheidung bestehen. Bei Fristversäumnissen oder Rücknahme des Asylantrags kann sie erlöschen. Die Gültigkeitsdauer wird üblicherweise in regelmäßigen Abständen – oftmals alle drei oder sechs Monate – von der jeweils zuständigen Ausländerbehörde oder durch das BAMF verlängert, sofern das Asylverfahren nicht abgeschlossen ist.
Welche Rechte und Pflichten sind mit einer Aufenthaltsgestattung verbunden?
Mit einer Aufenthaltsgestattung erhält der Asylbewerber das vorläufige Recht, sich während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufzuhalten. Dieses Aufenthaltsrecht ist jedoch stark eingeschränkt und beinhaltet zahlreiche Pflichten. Insbesondere besteht eine Wohnsitzauflage, die den Aufenthalt auf das Bundesland oder sogar auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränken kann. Der Gestattungsinhaber ist verpflichtet, in der Erstaufnahmeeinrichtung zu bleiben, solange die jeweilige Aufenthaltszuweisung gilt (§ 56 AsylG). Erst nach Ablauf von sechs Wochen oder spätestens nach drei Monaten kann unter Umständen ein Umzug in andere Unterkünfte ermöglicht werden. Außerdem sind Mitwirkungspflichten im Verfahren, wie das Erscheinen zu Anhörungen und die Angabe aller relevanten Informationen, zwingend einzuhalten. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3a AsylbLG besteht ein Leistungsanspruch auf Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Ist während einer Aufenthaltsgestattung eine Erwerbstätigkeit erlaubt?
Grundsätzlich besteht während der ersten drei Monate des Aufenthalts in Deutschland ein generelles Beschäftigungsverbot (§ 61 Abs. 1 AsylG). Nach Ablauf dieses Zeitraums kann eine Erwerbstätigkeit durch die Ausländerbehörde im Einvernehmen mit der Bundesagentur für Arbeit erlaubt werden. Ein genereller Arbeitsmarktzugang ist jedoch nicht gewährleistet, sondern unterliegt diversen Beschränkungen: Für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis müssen die allgemeinen Vorrangprüfungen durchgeführt werden, das heißt, es wird geprüft, ob bevorrechtigte Arbeitnehmer den Arbeitsplatz besetzen könnten. Selbst mit Genehmigung ist eine Tätigkeit grundsätzlich nur für bestimmte Branchen oder Stellen erlaubt, beispielsweise über Praktika, Ausbildungsplätze oder geringfügige Beschäftigung. Die Entscheidung, inwieweit eine Beschäftigungserlaubnis erteilt wird, liegt im Ermessen der Ausländerbehörde und hängt von zahlreichen Faktoren ab, darunter auch die Situation des lokalen Arbeitsmarkts.
Wie unterscheidet sich die Aufenthaltsgestattung von anderen Aufenthaltstiteln für Ausländer in Deutschland?
Die Aufenthaltsgestattung ist kein Aufenthaltstitel gemäß Aufenthaltsgesetz, sondern ein besonderer rechtlicher Status nach dem Asylgesetz (AsylG), der ausschließlich dem Zweck dient, während des laufenden Asylverfahrens einen legalen Aufenthalt zu ermöglichen. Im Unterschied dazu werden Aufenthaltstitel wie die Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder das Visum nach dem Aufenthaltsgesetz (§ 4 AufenthG) auf Grundlage anderer rechtlicher Voraussetzungen und mit wesentlich umfangreicheren Rechten ausgestellt. Die Aufenthaltsgestattung vermittelt beispielsweise kein Recht auf Familiennachzug, ist nicht beliebig verlängerbar und endet automatisch mit dem Abschluss des Asylverfahrens. Sie unterscheidet sich zudem von der Duldung, welche für ausreisepflichtige Ausländer erteilt wird, deren Abschiebung aus bestimmten rechtlichen oder tatsächlichen Gründen vorübergehend ausgesetzt ist (§ 60a AufenthG).
Was geschieht mit der Aufenthaltsgestattung nach Abschluss des Asylverfahrens?
Nach dem Abschluss des Asylverfahrens – entweder durch Anerkennung, Ablehnung mit Bestandskraft oder Rücknahme des Antrags – erlischt die Aufenthaltsgestattung automatisch. Bei positiver Entscheidung, das heißt, bei Anerkennung als Flüchtling oder Asylberechtigtem, erhält der Betroffene einen Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz (§ 25 Abs. 1 oder 2 AufenthG). Im Fall der Ablehnung und nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. mit rechtskräftigem Urteil wird die Aufenthaltsgestattung ungültig und der Ausländer ist verpflichtet, das Bundesgebiet zu verlassen. Eine Übergangsfrist besteht hierbei nicht; die Pflicht zur Ausreise bzw. die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen erfolgt zeitnah. Von diesem Zeitpunkt an, kann – sofern Abschiebungshindernisse existieren – eine Duldung nach § 60a AufenthG erteilt werden.
Gilt eine Aufenthaltsgestattung auch als Identitätsnachweis?
Die Aufenthaltsgestattung dient in erster Linie als Nachweis für den rechtmäßigen Aufenthalt während des Asylverfahrens und als Legitimationspapier für den Kontakt mit Behörden, erhält aber nicht den Charakter eines amtlichen Identitätsnachweises im Sinne eines Passes oder Personalausweises. Das Dokument enthält Angaben zur Person, zum aufenthaltsrechtlichen Status und zur Gültigkeitsdauer, gibt jedoch nicht zwingend die finale Identitätsfeststellung wieder, da die Identitätsprüfung im Asylverfahren häufig Teil eines eigenständigen Prozesses ist. Behörden sind daher berechtigt, weitere Identitätsnachweise oder Dokumente anzufordern bzw. Identitätsfeststellungen eigenständig durchzuführen.
Welche Beschränkungen bestehen hinsichtlich der Freizügigkeit innerhalb Deutschlands?
Die mit der Aufenthaltsgestattung ausgestattete Person unterliegt nach § 56 AsylG grundsätzlich einer räumlichen Beschränkung (Residenzpflicht). Diese verpflichtet sie, sich nur innerhalb des ihr zugewiesenen Bundeslandes oder des Einzugsbereichs der tätigen Ausländerbehörde aufzuhalten – Verstöße gegen diese Vorschrift sind ordnungswidrig und können Sanktionen nach sich ziehen (§ 95 Abs. 1 Nr. 7 AsylG). Die räumliche Beschränkung kann im Einzelfall gelockert oder aufgehoben werden, etwa zur Arbeitsaufnahme, für Ausbildungszwecke oder aus dringenden persönlichen Gründen mittels Erlaubnis durch die zuständige Behörde. Nach Ablauf von drei Monaten kann – unter bestimmten Voraussetzungen – diese Auflage entfallen, bleibt aber bestehen, wenn die Person in einer Aufnahmeeinrichtung wohnt oder Abschiebungsanordnung angeordnet wird.