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Aufbewahrungspflicht bei Geschäftsbüchern


Aufbewahrungspflicht bei Geschäftsbüchern

Die Aufbewahrungspflicht bei Geschäftsbüchern ist ein zentrales Element im deutschen Handels- und Steuerrecht und verpflichtet Unternehmen und kaufmännisch tätige Personen zur Aufbewahrung bestimmter Unterlagen für einen gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraum. Diese Pflichten sollen die Nachprüfbarkeit der Geschäftstätigkeit ermöglichen, rechtliche Sicherheit schaffen und die Grundlagen für steuerliche und handelsrechtliche Kontrolle sichern.


Rechtsgrundlagen der Aufbewahrungspflicht

Handelsrechtliche Grundlagen

Die maßgeblichen Vorschriften zur Aufbewahrungspflicht ergeben sich insbesondere aus dem Handelsgesetzbuch (HGB). Nach § 238 Abs. 1 HGB sind Kaufleute verpflichtet, Geschäftsbücher zu führen und diese geordnet aufzubewahren. Konkretisiert wird die Aufbewahrungspflicht für bestimmte Unterlagen in § 257 HGB.

§ 257 HGB normiert folgende Pflichten:

  • Aufbewahrte Unterlagen: Geschäftsbücher, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, empfangene Handelsbriefe, Abschriften abgesandter Handelsbriefe und Belege für Buchungen.
  • Aufbewahrungsfristen: Zehn Jahre für Bücher, Inventare, Jahresabschlüsse und Buchungsbelege, sechs Jahre für Handelsbriefe.

Steuerrechtliche Grundlagen

Zusätzlich zum HGB besteht eine Aufbewahrungspflicht nach der Abgabenordnung (AO). Gemäß § 147 AO müssen Unternehmer steuerrelevante Unterlagen, wie Buchführungsunterlagen, Jahresabschlüsse, Lageberichte, Buchungsbelege und Handels- sowie Geschäftsbriefe, für bestimmte Zeiträume vorhalten:

  • Zehnjährige Aufbewahrung: Bücher, Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, Buchungsbelege.
  • Sechsjährige Aufbewahrung: empfangene und abgesandte Handels- und Geschäftsbriefe sowie sonstige für die Besteuerung wichtige Unterlagen.

Spezielle Regelungen

Weitere Spezialvorschriften ergeben sich aus anderen Gesetzen, wie dem Umsatzsteuergesetz, dem Geldwäschegesetz oder dem Steuerberatungsgesetz, die zur Aufbewahrung bestimmter Dokumente verpflichten können.


Umfang und Inhalt der Aufbewahrungspflicht

Begriff und Arten der Geschäftsbücher

Als Geschäftsbücher gelten nach § 238 HGB nicht nur klassische Haupt- und Nebenbücher, sondern auch alle Schriftstücke, Datenträger und sonstigen Belege, die für die Übersichtlichkeit der Geschäftsvorfälle erforderlich sind. Hierzu zählen unter anderem:

  • Hauptbücher
  • Nebenbücher (z. B. Debitoren-, Kreditorenbücher)
  • Inventare und Bilanzunterlagen
  • Handelsbriefe (z. B. Angebote, Auftragsbestätigungen)
  • Buchungsbelege (z. B. Rechnungen, Quittungen)

Aufbewahrungspflicht für elektronische Unterlagen

Nach § 257 Abs. 3 HGB und § 147 Abs. 2 AO können Unterlagen auch auf Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entspricht und die Daten jederzeit lesbar gemacht werden können. Die Unveränderbarkeit der Daten und deren Wiederauffindbarkeit sind zu gewährleisten. Die Zugriffsrechte der Finanzbehörden sind – auch im Fall elektronischer Aufbewahrung – sicherzustellen.

Dauer der Aufbewahrung

Die Frist beginnt jeweils mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die letzte Eintragung vorgenommen wurde, der Abschluss festgestellt oder das Dokument empfangen bzw. abgesandt wurde. Somit verlängert sich die effektive Aufbewahrungsdauer in der Praxis oft über den gesetzlich genannten Zeitraum hinaus, da stets das Kalenderjahr abzuwarten ist.

Beginn und Ende der Aufbewahrungspflicht

  • Beginn: Grundsätzlich mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem das jeweilige Dokument erstellt wurde.
  • Ende: Nach Ablauf der jeweiligen Frist, sofern keine Ausnahmetatbestände wie laufende steuerliche Betriebsprüfungen, strafrechtliche Ermittlungen oder schwebende Rechtsbehelfsverfahren eine längere Aufbewahrung verlangen.

Praktische Durchführung und technische Anforderungen

Grundsätze ordnungsgemäßer Aufbewahrung

Die Aufbewahrung hat gemäß den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) und der Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) zu erfolgen. Dies bedeutet insbesondere:

  • Unveränderbarkeit der Unterlagen
  • Ordnungsgemäße, sichere und systematische Aufbewahrung
  • Lesbarkeit und Wiederauffindbarkeit
  • Schutz vor Verlust, Vernichtung oder unbefugtem Zugriff

Ort der Aufbewahrung

Die Aufbewahrung muss grundsätzlich im Inland erfolgen. Eine Aufbewahrung im Ausland ist nur in Ausnahmefällen mit ausdrücklicher Zustimmung der Finanzbehörden möglich (§ 146 Abs. 2a AO).

Vernichtung von Unterlagen und Datenschutz

Nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen dürfen und müssen Unterlagen vernichtet werden, sofern keine gesetzlichen Hinderungsgründe bestehen. Die Vernichtung muss datenschutzkonform und so erfolgen, dass ein Rückschluss auf personenbezogene Daten ausgeschlossen ist.


Sanktionen bei Verstößen gegen die Aufbewahrungspflicht

Ordnungsgeld und steuerliche Konsequenzen

Die Nichtbeachtung der Aufbewahrungspflichten kann erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Im Handelsrecht kann ein Verstoß mit einem Ordnungsgeld geahndet werden (§ 334 HGB). Steuerrechtlich kann es zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen und damit ggf. zu erheblichen Steuernachzahlungen kommen (§ 162 AO). Weiterhin drohen Bußgelder und im Einzelfall auch strafrechtliche Sanktionen, etwa bei Steuerhinterziehung.


Verjährung und Sonderregelungen

Hemmung der Verjährung

In bestimmten Fällen, etwa bei laufenden Ermittlungs- oder Prüfungsverfahren, kann sich die Aufbewahrungspflicht über den regulären Fristzeitraum hinaus verlängern. Nach § 147 Abs. 3 AO darf die Vernichtung steuerrelevanter Unterlagen nicht erfolgen, solange sie für ein Verfahren von Bedeutung sind.

Insolvenzverfahren

Im Insolvenzfall gelten spezielle insolvenzrechtliche Vorschriften; der Insolvenzverwalter hat die gesetzlichen Aufbewahrungspflichten einzuhalten und die Vernichtung durchzuführen, sofern diese rechtlich zulässig ist.


Zusammenfassung

Die Aufbewahrungspflicht bei Geschäftsbüchern ist ein zentraler Bestandteil der handels- und steuerrechtlichen Ordnung in Deutschland. Sie dient der Gewährleistung einer nachvollziehbaren Geschäftstätigkeit und der Kontrolle durch Finanz-, Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden. Unternehmen und buchführungspflichtige Personen müssen sich daher mit den gesetzlichen Vorgaben vertraut machen, diese organisatorisch und technisch umsetzen und die Einhaltung nachhalten. Fehler und Versäumnisse auf diesem Gebiet können gravierende rechtliche und wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen.


Siehe auch

  • Buchführungspflicht
  • Gesetzliche Aufbewahrungsfrist
  • Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)
  • Digitale Archivierung
  • Betriebsprüfung

Literatur & Weblinks

  • Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Abgabenordnung (AO)
  • Grundsätze zur ordnungsmäßigen Buchführung (GoB)
  • Bundesministerium der Finanzen: GoBD

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Aufbewahrungspflicht von Geschäftsbüchern in Deutschland?

Die Aufbewahrungspflicht von Geschäftsbüchern ist in Deutschland maßgeblich durch das Handelsgesetzbuch (HGB) und die Abgabenordnung (AO) geregelt. Nach § 257 HGB sind Kaufleute verpflichtet, Bücher, Inventare, Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Unterlagen aufzubewahren. Dies gilt ebenso für Buchungsbelege und empfangene Handelsbriefe. Ergänzend regelt § 147 AO die Aufbewahrungspflichten im Steuerrecht, insbesondere für steuerlich relevante Unterlagen. Die Dauer und Art der Aufbewahrung richten sich dabei nach Art der Unterlagen und ihrer steuerrechtlichen Bedeutung. Verstöße gegen diese Pflichten können sowohl zivilrechtliche als auch steuerrechtliche und gegebenenfalls strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zusätzliche Regelungen können sich aus spezialgesetzlichen Vorschriften (z. B. im Kreditwesen oder der Versicherungswirtschaft) ergeben.

Wie lange müssen Geschäftsbücher aufbewahrt werden?

Die handels- und steuerrechtlichen Vorschriften sehen unterschiedliche Aufbewahrungsfristen vor, je nach Art der Unterlagen. Geschäftsbücher, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, Buchungsbelege und Arbeitsanweisungen sind in der Regel zehn Jahre aufzubewahren (§ 257 Abs. 4 HGB, § 147 Abs. 3 AO). Für empfangene sowie abgesandte Handels- oder Geschäftsbriefe und andere Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, gilt grundsätzlich eine Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren. Die Frist beginnt jeweils mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die letzte Eintragung vorgenommen bzw. das Schriftstück entstanden ist oder empfangen wurde. Werden Lagerungsnachweise jedoch im Rahmen eines Rechtsstreits oder einer steuerlichen Außenprüfung benötigt, kann sich die Frist bis zur endgültigen Klärung verlängern.

Gilt die Aufbewahrungspflicht auch für elektronische Geschäftsbücher und Belege?

Ja, die Aufbewahrungspflicht erstreckt sich ausdrücklich auch auf elektronische Geschäftsbücher und Belege. Dies umfasst alle Unterlagen, die in elektronischer Form erstellt, empfangen oder versandt wurden. Die Anforderungen an die elektronische Aufbewahrung sind in den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) festgelegt. Elektronische Dokumente müssen während der gesamten Aufbewahrungsfrist unveränderbar, vollständig, jederzeit verfügbar und maschinell auswertbar aufbewahrt werden. Eine bloße Konvertierung in Papierform genügt nicht, sofern das Original elektronisch ist. Die bei der Aufbewahrung angewandten Verfahren müssen dokumentiert und geprüft werden können.

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen die Aufbewahrungspflicht?

Verstöße gegen die gesetzlichen Aufbewahrungspflichten können unterschiedliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Im Steuerrecht kann das Fehlen erforderlicher Unterlagen zu Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen durch das Finanzamt (§ 162 AO) und gegebenenfalls zu steuerlichen Mehrbelastungen führen. Zudem stellt das vorsätzliche oder leichtfertige Vernichten von steuerlich relevanten Dokumenten eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann (§ 379 AO). In schwerwiegenden Fällen, insbesondere wenn dadurch Steuerhinterziehung oder Insolvenzverschleppung begangen wird, drohen strafrechtliche Sanktionen. Zivilrechtlich kann das Fehlen von Aufzeichnungen Beweisnachteile in Prozessen sowie eine Durchbrechung der Beweislastregelungen zur Folge haben.

Wer ist von der Aufbewahrungspflicht betroffen, und gelten Ausnahmen?

Grundsätzlich sind alle Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuchs (§ 1 HGB) zur Aufbewahrung von Geschäftsbüchern verpflichtet. Dazu zählen Einzelkaufleute, Personen- und Kapitalgesellschaften sowie eingetragene Kaufleute. Auch Freiberufler und Gewerbetreibende unterliegen im Rahmen der steuerrechtlichen Vorschriften (§ 147 AO) entsprechenden Aufbewahrungspflichten, sofern sie zur Buchführung verpflichtet sind. Für Kleingewerbetreibende oder Unternehmen, die von der Buchführungspflicht befreit sind (z. B. Einzelkaufleute mit geringer Umsatz- und Gewinngröße gem. § 241a HGB), können reduzierte Anforderungen gelten. Für Privatpersonen finden die handels- und steuerrechtlichen Vorschriften keine Anwendung, es sei denn, diese sind aufgrund anderer individueller Verpflichtungen dazu angehalten.

Welche besonderen Anforderungen bestehen an die Vernichtung oder Entsorgung von Geschäftsbüchern nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist?

Nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen dürfen Geschäftsbücher und die zugehörigen Unterlagen grundsätzlich vernichtet werden. Dabei sind jedoch datenschutzrechtliche Vorgaben (insbesondere bei personenbezogenen Daten gemäß DSGVO) strikt zu beachten. Die Vernichtung muss so erfolgen, dass ein unbefugter Zugriff auf vertrauliche oder personenbezogene Informationen ausgeschlossen ist. In der Praxis erfolgt dies meist durch zertifizierte Aktenvernichtungsdienste oder, bei elektronischen Datenträgern, durch sicherheitstechnische Löschverfahren. Vor der Entsorgung muss jedoch sichergestellt sein, dass keine gesetzlichen oder vertraglichen Aufbewahrungsfristen mehr bestehen, etwa aufgrund laufender Rechtsstreitigkeiten, Garantiefällen oder steuerlicher Betriebsprüfungen.

Was ist bei einer Betriebsaufgabe oder -übertragung hinsichtlich der Aufbewahrungspflichten zu beachten?

Auch bei Aufgabe, Veräußerung oder Übertragung eines Unternehmens bleiben die gesetzlichen Aufbewahrungspflichten bestehen. Der jeweilige Rechtsträger oder der Rechtsnachfolger ist verpflichtet, die Geschäftsbücher und aufbewahrungspflichtigen Unterlagen für die verbleibende Restlaufzeit der jeweiligen Frist ordnungsgemäß zu verwahren. Dies bedeutet, dass entsprechende Vorkehrungen für eine sichere Übertragung oder Einlagerung getroffen werden müssen. Bei Liquidation oder Insolvenz eines Unternehmens wird in der Regel ein Liquidator oder Insolvenzverwalter bestellt, der ebenfalls für die Einhaltung der Aufbewahrungspflichten verantwortlich ist. Werden die Unterlagen nicht übergeben oder ihrer Vernichtung zugeführt, können sowohl der alte als auch der neue Inhaber haftbar gemacht werden.