Begriff und rechtlicher Rahmen von Asse II
Asse II bezeichnet ein stillgelegtes, ehemals als Endlager und später als Versuchsendlager für radioaktive Abfälle genutztes Salzbergwerk im Landkreis Wolfenbüttel, Niedersachsen. Rechtlich zählt die Schachtanlage Asse II zu den bedeutendsten Problemfällen der deutschen Entsorgungspolitik für radioaktive Abfälle. Das Vorhaben ist geprägt von einer vielschichtigen Rechtslage, die insbesondere Bundes- und Landesrecht umfasst und deren Auslegung in der öffentlichen Diskussion intensiv betrachtet wird.
Historie und Entwicklung des Rechtsstatus
Bergrechtlicher Status und Atomrechtliche Entwicklung
Asse II wurde ursprünglich als Bergwerk auf Grundlage des Allgemeinen Berggesetzes für das Königreich Preußen von 1865 sowie später auf Basis des Bundesberggesetzes von 1980 betrieben. Mit der Aufnahme radioaktiver Abfälle ab Mitte der 1960er Jahre wurde die Anlage zunächst lediglich als „Versuchsendlager“ nach atomrechtlichen Vorgaben geführt. Erst seit 2009 gilt Asse II rechtlich als Atomanlage nach § 9a Absatz 3 Atomgesetz (AtG).
Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten
Die rechtliche Verantwortung für Asse II wurde im Verlauf der Nutzung mehrfach geändert. Ursprünglich war das Helmholtz Zentrum München (früher Gesellschaft für Strahlenforschung) als Betreiber zuständig, bis 2009 das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) auf Grundlage des Atomgesetzes als Betreiber benannt wurde. Heute ist die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) für den Betrieb und die Stilllegung gemäß § 9b Absatz 3 AtG verantwortlich.
Rechtliche Rahmenbedingungen bei Betrieb und Stilllegung
Anwendbare Gesetze und Vorschriften
Die rechtliche Behandlung von Asse II erfolgt auf Basis diverser Rechtsvorschriften:
- Atomgesetz (AtG): Insbesondere Vorschriften zur Entsorgung und sicheren Verwahrung radioaktiver Stoffe sowie zur Stilllegung kerntechnischer Einrichtungen.
- Bundesberggesetz (BBergG): Mit Fokus auf die Nutzung als Bergwerksanlage, einschließlich Verpflichtungen zur Gefahrenabwehr und Nachsorge.
- Strahlenschutzgesetz und Strahlenschutzverordnung: Regelungen zum Schutz von Mensch und Umwelt vor radioaktiver Strahlung.
Genehmigungsverfahren
Ein zentrales rechtliches Thema bezüglich Asse II ist das Genehmigungsverfahren für die Rückholung der gelagerten Abfälle. Die Rückholung bedarf einer atomrechtlichen Stilllegungsgenehmigung (§ 7 Absatz 3 AtG). Für Veranstaltungen im Zusammenhang mit Rückholung und Stilllegung sind umfassende Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) erforderlich.
Öffentlichkeitsbeteiligung
Gemäß den Vorgaben aus dem Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) und dem UVP-Gesetz ist eine weitreichende Beteiligung der Öffentlichkeit im gesamten Verfahren vorgeschrieben. Öffentlich-rechtliche Umweltverbände haben dabei weitreichende Mitspracherechte.
Haftungs- und Gewährleistungsfragen
Betreiberhaftung und Staatshaftung
Für Unfälle und Umweltschäden in Folge des Betriebs oder der Stilllegung kommen, neben der gesetzlichen Haftung des Betreibers nach Atomgesetz (§ 25 AtG), auch Haftungsregelungen auf Basis weiterer Gesetze (u.a. Umwelthaftungsgesetz) zur Anwendung. Der Bund kann dabei im Rahmen der Staatshaftung für etwaige Schäden in Anspruch genommen werden, sofern eine Verletzung öffentlicher Pflichten nachgewiesen wird.
Altlastenrechtliche Bewertung
Die Schachtanlage Asse II gilt als Altlast im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG). Daraus ergeben sich für Verpflichtungen des Betreibers und der öffentlichen Hand Pflichten zur Sanierung und nachhaltigen Gefahrenabwehr. Die Einordnung als Altlast unterliegt dabei behördlicher Bewertung und fortlaufender Kontrolle.
Planungs- und Genehmigungsrecht
Planungssicherheit und Verwaltungsverfahren
Im Kontext der Rückholung der Abfälle ist die Planung gemäß § 9b AtG und im Rahmen des § 18 AtG anzuzeigen und genehmigungspflichtig. Die behördlichen Planungen werden durch das Planungsrecht des Bundes sichergestellt, das insbesondere Beteiligungsrechte, Einspruchsfristen und behördliche Überwachung regelt.
Umweltrechtliche Anforderungen
Die Aufgaben der Umweltverträglichkeitsprüfung, Risikobewertung und Gefährdungsabschätzung bilden einen zentralen Bestandteil der Genehmigungspraxis. Besonders bedeutsam ist dabei der vorbeugende Grundwasserschutz gemäß Wasserhaushaltsgesetz (WHG) aufgrund der Hydrogeologie der Schachtanlage Asse II.
Öffentliche und parlamentarische Kontrolle
Bundestagsbeschlüsse und Aufsichtsgremien
Aufgrund der politischen und gesellschaftlichen Bedeutung unterliegt Asse II einer intensiven parlamentarischen Kontrolle. Bundestagsbeschlüsse und Empfehlungen der Asse-2-Begleitgruppe sowie der Asse-II-Begleitgruppe Bürgerbeteiligung haben Einfluss auf das Verfahren und sind rechtlich im Kontext des Haushaltsrechts, aber auch im Rahmen der Akzeptanz relevanter Entscheidungen von Bedeutung.
Überwachung durch Landesbehörden
Die Überwachung und Kontrolle von Asse II wird von der zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde auf Landesebene sowie durch das Bundesumweltministerium koordiniert. Der rechtliche Rahmen hierfür ergibt sich aus den Aufsichtspflichten nach Atomrecht und den Verwaltungsvorschriften zur Überwachung von Atomanlagen.
Perspektiven und Rechtsentwicklung
Künftige Rechtsfragen und Herausforderungen
Die Asse II bildet eines der rechtlich und verwaltungsrechtlich komplexesten Projekte der Endlagerpolitik in Deutschland. Zentrale Fragen betreffen die praktische Umsetzung der Rückholung radioaktiver Abfälle, den dauerhaften sicheren Verschluss, die dauerhafte staatliche Verantwortung sowie die Ausgestaltung und mögliche Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens.
Bedeutung für das deutsche Atomrecht
Die rechtlichen Erfahrungen aus der Behandlung von Asse II fließen in die Fortentwicklung des nationalen Atomrechts sowie in internationale Richtlinien zur Endlagerung und zum Umgang mit Altlasten radioaktiver Abfälle ein. Asse II gilt dabei als Referenzobjekt für das Haftungs-, Umwelt- und Verwaltungsrecht im Bereich der nuklearen Entsorgung.
Zusammenfassung
Asse II ist rechtlich durch eine Vielzahl von Gesetzen, Vorschriften und Zuständigkeiten geprägt, die von der bergrechtlichen Nutzung bis zur atomrechtlichen Rückholung und Stilllegung reichen. Die Anlage steht im Zentrum des deutschen Atomrechts, der Altlastenproblematik und der gesellschaftlichen Debatte über die Endlagerung radioaktiver Abfälle. Das rechtliche Verständnis von Asse II ist dadurch maßgeblich für die Entwicklung des deutschen und europäischen Rechtsrahmens für den Umgang mit radioaktiven Abfällen.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist rechtlich verantwortlich für die Überwachung und Stilllegung des Endlagers Asse II?
Für die Überwachung und Stilllegung des Endlagers Asse II ist in erster Linie das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) verantwortlich, das im Rahmen des Atomgesetzes und der Endlagersicherheitsgesetzgebung als zuständige Aufsichtsbehörde agiert. Die Betreiberfunktion wurde 2009 dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) übertragen, welches 2020 größtenteils in das BASE integriert wurde. Die aktuelle Betreibergesellschaft ist die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE), die als 100-prozentige Bundesgesellschaft handelt und den Auftrag zur fachlichen und technischen Durchführung der Stilllegung hat. Die Aufsicht über die Sicherheit und den geordneten Ablauf liegt jedoch stets beim BASE. Zusätzlich spielen das Umweltministerium Niedersachsen und andere Landesbehörden im Rahmen der Länderbeteiligung eine Rolle im behördlichen Vollzug und der Genehmigung einzelner Maßnahmen. Die rechtliche Verantwortlichkeit bezieht sich sowohl auf die Einhaltung strahlenschutzrechtlicher Vorgaben, die Steuerung des Rückholungsprozesses als auch auf die sukzessive Implementierung von Stilllegungsverfahren nach Maßgabe der jeweils gültigen atomrechtlichen Vorschriften.
Welche rechtlichen Verfahren und Genehmigungen sind für die Rückholung der radioaktiven Abfälle aus Asse II erforderlich?
Die Rückholung der radioaktiven Abfälle unterliegt streng geregelten rechtlichen Verfahren, die insbesondere durch das Atomgesetz (AtG), das Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) sowie die Endlagersicherheitsgesetzgebung des Bundes vorgegeben werden. Für jede Rückholungsmaßnahme ist eine atomrechtliche Genehmigung erforderlich, bei der Umweltauswirkungen und Sicherheitsfragen umfassend geprüft werden (Umweltverträglichkeitsprüfung, UVP). Neben der UVP ist ein Planfeststellungsverfahren vorgesehen, das die Beteiligung der Öffentlichkeit sicherstellt und auch die Stellungnahmen von betroffenen Kommunen, Verbänden und Privatpersonen berücksichtigt. Die Genehmigungsbehörde (BASE) prüft hierbei, ob die nach Stand von Wissenschaft und Technik notwendigen Vorkehrungen zum Schutz von Mensch und Umwelt getroffen werden. Des Weiteren müssen auch wasserrechtliche und ggf. bergrechtliche Genehmigungen eingeholt werden, da es sich um ein ehemaliges Salzbergwerk handelt. Die komplexen Rechtsverfahren können regelmäßig Gegenstand von Klagen betroffener Parteien vor Verwaltungsgerichten werden.
Inwiefern greift das Öffentlichkeitsrecht bei Planungs- und Entscheidungsprozessen zur Asse II?
Das Öffentlichkeitsrecht ist nach deutschem und europäischem Recht integraler Bestandteil der Planungs- und Entscheidungsprozesse um Asse II. Insbesondere das Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) und die Aarhus-Konvention verpflichten die zuständigen Behörden dazu, die Öffentlichkeit frühzeitig, umfassend und nachvollziehbar an allen wesentlichen Verfahren zu beteiligen. Dies geschieht durch öffentliche Anhörungen, die Auslegung relevanter Dokumente und die Möglichkeit der Stellungnahme, bevor Entscheidungen getroffen werden. Bürger, Verbände und betroffene Gruppen haben nicht nur das Recht auf Information, sondern auch auf Einwendung in jeder Verfahrensphase. Die Versäumnis dieser Beteiligung kann zu Rechtswidrigkeit von Entscheidungen und Verfahren führen und im Streitfall gerichtlich überprüft werden.
Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich bei einer Verzögerung oder Unterlassung der Rückholung radioaktiver Abfälle aus Asse II?
Sollte es zu erheblichen Verzögerungen oder einer Unterlassung der Rückholung der radioaktiven Abfälle kommen, könnten daraus verschiedene rechtliche Konsequenzen resultieren. Aufsichtsbehörden können Zwangsmaßnahmen gegen den Betreiber verhängen, wenn festgestellte Pflichten zur Sicherstellung der Strahlenschutzvorgaben missachtet werden (§§ 19-20 AtG). Klagen von Umweltverbänden oder betroffener Anwohner gegen die Untätigkeit der Behörden sind vor Verwaltungsgerichten möglich und können die Behörden zur schnellerem Handeln verpflichten (Verpflichtungsklage nach § 42 VwGO). Sollten Umweltschäden oder gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgrund unterlassener Maßnahmen eintreten, könnten zudem zivil- und strafrechtliche Haftungsansprüche – bis hin zu Schadensersatzforderungen gegenüber dem Bund als Betreiber oder verantwortlichen Beamten – in Betracht kommen.
Wie wird die Einhaltung des Strahlenschutzrechts im Kontext der Asse II rechtlich kontrolliert und sanktioniert?
Die Einhaltung des Strahlenschutzrechts wird durch die zuständige Atomaufsichtsbehörde (BASE) kontinuierlich überwacht. Dies geschieht über regelmäßige Inspektionen, Prüfberichte und durch die laufende Überwachung der Einhaltung der genehmigten Grenzwerte und Sicherungssysteme des Strahlenschutzes. Bei Verstößen gegen das Strahlenschutzrecht drohen strafrechtliche Sanktionen (§ 328 StGB, unerlaubter Umgang mit radioaktiven Stoffen) sowie ordnungsrechtliche Maßnahmen nach StrlSchG bzw. AtG. Dazu gehören Bußgelder, die (vorläufige) Stilllegung der Anlage oder Anordnungen zur unverzüglichen Herstellung des ordnungsgemäßen Zustandes (Gefahrenabwehr). Die Sanktionen können sowohl gegen die juristisch verantwortliche Betreibergesellschaft als auch gegen verantwortliche Personen verhängt werden.
Welche Rolle spielen Gerichte bei rechtlichen Streitigkeiten rund um Asse II?
Gerichte spielen eine zentrale Rolle bei der Bewertung und Durchsetzung rechtlicher Vorgaben im Umfeld der Asse II. Streitigkeiten über Genehmigungen, Maßnahmen der Rückholung oder der Öffentlichkeitsbeteiligung werden regelmäßig von Verwaltungsgerichten entschieden. Diese überprüfen, ob die Behörden die geltenden Vorschriften ordnungsgemäß umgesetzt haben, ob Verfahrensrechte beachtet wurden und ob die getroffenen Maßnahmen verhältnismäßig und rechtmäßig sind. In Fällen von Gefahrenabwehr oder Schadensersatzforderungen können auch Zivil- und Strafgerichte befasst werden. Die Rechtsprechung setzt dabei Maßstäbe, die für nachfolgende Verwaltungs- und Entscheidungsprozesse bindend sind.
Welche internationalen rechtlichen Verpflichtungen sind für Asse II zu beachten?
Neben nationalen rechtlichen Regelungen ist Deutschland im Zusammenhang mit Asse II auch an internationale Verpflichtungen gebunden, insbesondere aus der EU-Richtlinie 2011/70/EURATOM über die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung von abgebrannten Brennelementen und radioaktiven Abfällen sowie an Vorgaben der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO). Diese Verpflichtungen verlangen Transparenz, ein umfassendes Sicherheitsmanagement und eine verantwortungsvolle Endlagerpolitik. Die deutschen Behörden müssen regelmäßig Berichte über Stand und Fortschritt der Rückholung und Stilllegung erstellen und der Europäischen Kommission sowie der IAEO zur Prüfung vorlegen. Ein Verstoß gegen diese internationalen Verpflichtungen kann zu Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof oder zu Vertragsverletzungsverfahren führen.