Legal Lexikon

Arzneibuch


Begriff und rechtliche Einordnung des Arzneibuchs

Das Arzneibuch ist eine für das Gesundheitswesen und insbesondere für die Arzneimittelherstellung und -überwachung zentrale Sammlung anerkannter, verbindlicher Qualitätsvorschriften für Arzneimittel und deren Ausgangsstoffe. Es regelt unter anderem die Identität, Reinheit, Zusammensetzung und Prüfung sowie Lagerung und Kennzeichnung von Arzneimitteln und deren Bestandteilen. Wesentliche rechtliche Grundlagen und Normen hinsichtlich des Arzneibuchs sind im nationalen und europäischen Arzneimittelrecht verankert.

Gesetzliche Grundlagen des Arzneibuchs

Nationale Regelungen (Deutschland)

Arzneimittelgesetz (AMG)

Das Arzneibuch ist in Deutschland in verschiedenen Gesetzen, insbesondere im Arzneimittelgesetz (AMG), rechtlich definiert und normiert. Nach § 1 Abs. 1 AMG gelten die Monographien und Vorschriften des Arzneibuchs als verbindliche Anforderungen an die Qualität von Arzneimitteln und ihrer Ausgangsstoffe. Gemäß § 35 AMG ist das Arzneibuch ein Gesetz im materiellen Sinn, da seine Vorschriften gegenüber Herstellern, Inverkehrbringern und Anwendern von Arzneimitteln verbindlich sind.

Arzneibuch-Kommission

Die Deutsche Arzneibuch-Kommission (Deutsches Arzneibuch, DAB) ist nach § 78 AMG als zuständige wissenschaftliche Einrichtung dazu verpflichtet, das Deutsche Arzneibuch zu erstellen und fortzuentwickeln. Die Kommission arbeitet eng mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zusammen.

Europarechtliche Regelungen

Europäisches Arzneibuch (Pharmacopeia Europaea)

Das Europäische Arzneibuch stellt auf europäischer Ebene die maßgebliche Referenz dar. Die Grundlage bildet die Europäische Arzneibuch-Konvention des Europarates von 1964 (in Kraft in Deutschland seit 1975). Die Inhalte des Europäischen Arzneibuchs sind für die Bundesrepublik Deutschland und andere Vertragsstaaten nach Maßgabe der §§ 36, 37 AMG verbindlich.

Verbindlichkeit gegenüber nationalen Arzneibüchern

Gemäß § 36 Abs. 1 AMG hat das Europäische Arzneibuch Vorrang vor dem Deutschen Arzneibuch und somit übergeordnete Gültigkeit. Soweit nationalstaatliche Vorschriften des DAB von denen des Europäischen Arzneibuchs abweichen, gelten die Vorschriften des Europäischen Arzneibuchs vorrangig.

Inhalte und Aufbau des Arzneibuchs

Das Arzneibuch ist thematisch gegliedert und enthält Monographien, Methodenbeschreibungen und allgemeine Vorschriften. Die Monographien sind detaillierte Einzelvorschriften zu verschiedenen Wirkstoffen, Hilfsstoffen und Arzneimittelzubereitungen.

Monographien

Eine Monographie beschreibt vollständig die inhaltlichen Anforderungen an einen bestimmten Stoff oder ein Arzneimittel. Dazu zählen unter anderem Merkmale zur Identifizierung, Gehaltsbestimmungen, Anforderungen an Reinheit, Lagerung, Prüfmethoden und Kennzeichnung.

Allgemeine Vorschriften

Diese umfassen etwa Methoden zur Probenahme, allgemeine Prüfverfahren, spezifische Anforderungen an bestimmte Darreichungsformen oder Angaben zu Hilfsstoffen.

Rechtsverbindlichkeit und Sanktionen

Verbindlichkeit als Rechtsnorm

Vorschriften des Arzneibuchs besitzen in Deutschland und im Geltungsbereich der Europäischen Arzneibuch-Konvention normative Bindungswirkung. Verstöße gegen die verbindlichen Anforderungen sind rechtlich relevant und führen zu Konsequenzen, insbesondere im Rahmen des amtlichen Überwachungsverfahrens nach § 64 AMG.

Sanktionen bei Verstößen

Wird ein Arzneimittel hergestellt oder in Verkehr gebracht, das nicht den Vorschriften des Arzneibuchs entspricht, kann dies als Ordnungswidrigkeit (nach § 97 AMG) oder als Straftat (nach § 95 AMG) geahndet werden. Es drohen unter anderem Bußgelder, das Inverkehrbringen kann untersagt werden, oder das Produkt muss vom Markt genommen werden.

Bedeutung für Zulassungsverfahren

Im Rahmen des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens müssen Hersteller und Zulassungsinhaber nachweisen, dass das Arzneimittel den Anforderungen des jeweiligen Arzneibuchs entspricht. Eine Abweichung kann nur mit ausdrücklicher Begründung und Zustimmung der zuständigen Behörden genehmigt werden.

Internationale Harmonisierung

Die globale Harmonisierung der Arzneibücher ist ein stetiger Prozess. Viele Staaten erkennen das Europäische Arzneibuch ganz oder teilweise an oder harmonisieren die nationalen Arzneibücher, um Handelshemmnisse abzubauen und die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen.

Zusammenfassung

Das Arzneibuch ist ein rechtlich verbindliches Regelwerk, das die Qualitätsstandards für Arzneimittel und deren Grund- und Hilfsstoffe in Deutschland und Europa festlegt. Es bildet eine zentrale Grundlage für die Herstellung, Zulassung und Kontrolle von Arzneimitteln, ist eng im Arzneimittelgesetz sowie im europäischen Arzneimittelrecht verankert und wird regelmäßig an den Stand der Wissenschaft und Technik angepasst. Die Einhaltung seiner Vorschriften ist verpflichtend, Verstöße sind mit empfindlichen Sanktionen belegt. Das Arzneibuch trägt wesentlich dazu bei, die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln sicherzustellen und Rechtssicherheit für beteiligte Unternehmen und Behörden zu gewährleisten.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtliche Bedeutung hat das Arzneibuch in Deutschland?

Das Arzneibuch ist in Deutschland ein verbindliches Regelwerk, das den Status eines Gesetzes bzw. einer Rechtsverordnung besitzt. Die rechtliche Grundlage bildet das Arzneimittelgesetz (AMG), insbesondere § 55 AMG, wonach das Deutsche Arzneibuch (DAB), das Europäische Arzneibuch (Ph. Eur.) und das Homöopathische Arzneibuch (HAB) als amtliche Arzneibücher gelten. Diese sind für Hersteller, Apotheken, Prüfstellen und alle Beteiligten im Arzneimittelverkehr rechtlich bindend. Verstöße gegen monographische Vorgaben oder andere Vorschriften des Arzneibuchs können arzneimittelrechtliche Konsequenzen wie Bußgelder, Rückrufe und Betriebsuntersagungen nach sich ziehen. Darüber hinaus bilden Arzneibuchvorschriften die Grundlage für die Qualitätssicherung und -kontrolle im pharmazeutischen Bereich und werden regelmäßig von Überwachungsbehörden bei Inspektionen geprüft.

Wer ist zur Einhaltung der Arzneibuchvorschriften verpflichtet?

Gemäß deutschem Arzneimittelrecht sind alle Personen und Unternehmen, die gewerbsmäßig mit Arzneimitteln umgehen – also insbesondere pharmazeutische Hersteller, Importeure, Apotheker, pharmazeutische Großhändler und Prüfstellen – verpflichtet, die Vorgaben des Arzneibuchs einzuhalten. Dies betrifft sowohl die Herstellung, Prüfung, Lagerung, Kennzeichnung und den Vertrieb von Arzneimitteln. Auch bei Importarzneimitteln aus Nicht-EU-Ländern muss sichergestellt werden, dass die in Deutschland geltenden Arzneibuchvorgaben erfüllt sind. Ebenso sind die zuständigen Kontroll- und Überwachungsbehörden befugt, die Einhaltung dieser Vorschriften aktiv zu überprüfen und bei Verstößen entsprechend zu ahnden.

In welchem Verhältnis stehen deutsches und europäisches Arzneibuch zueinander?

Das deutsche Arzneibuch (DAB) und das europäische Arzneibuch (Ph. Eur.) stehen in einem ergänzenden, jedoch klar hierarchisierten Verhältnis. Nach § 55 AMG sind vorrangig die Vorschriften des Europäischen Arzneibuchs als unmittelbar geltend zu beachten. Nationale Arzneibücher wie das DAB sowie das HAB finden nur noch in den Bereichen Anwendung, die nicht durch die Monographien und Bestimmungen der Ph. Eur. abgedeckt sind. Diese Hierarchie hat zur Folge, dass nationale Monographien sukzessive durch europäische Regelungen ersetzt werden, wodurch europaweit harmonisierte Qualitätsstandards entstehen. Entsprechend ist die Anwendung von Vorschriften aus dem DAB nur zulässig, sofern keine entsprechende Regelung im Ph. Eur. existiert.

Sind Abweichungen von den Arzneibuchvorschriften zulässig und unter welchen Voraussetzungen?

Abweichungen von den verbindlichen Vorschriften des Arzneibuchs sind grundsätzlich nicht gestattet, da diese gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2a AMG die Arzneimittelqualität sicherstellen sollen. Jede Abweichung gilt als Qualitätsmangel und führt dazu, dass das betroffene Arzneimittel als nicht verkehrsfähig gilt. Nur in begründeten Ausnahmefällen, in denen nachweislich gleichwertige oder bessere Methoden oder Prüfverfahren angewendet werden, kann eine behördliche Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Eine solche Ausnahme muss vorab mit der Arzneimittelüberwachungsbehörde abgestimmt und genehmigt werden. Zudem können Ergänzungen oder Änderungen im Rahmen eines Zulassungsverfahrens beantragt werden, sofern diese wissenschaftlich begründet sind und keine Qualitätsminderung zu erwarten ist.

Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen das Arzneibuch?

Bei Verstößen gegen verbindliche Vorgaben des Arzneibuchs kommen verschiedene rechtliche Konsequenzen in Betracht. Zunächst wird das betroffene Arzneimittel als nicht der vorgeschriebenen Qualität entsprechend bewertet und gilt damit als nicht verkehrsfähig (§ 8 AMG). Dies kann zur Rücknahme der Zulassung, zu Vertriebsverboten, Rückrufen vom Markt oder zur Vernichtung der betroffenen chargen führen. Darüber hinaus können betroffene Unternehmen und verantwortliche Personen mit Bußgeldern, ggf. sogar mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen. Auch eine zivilrechtliche Haftung, etwa im Fall von Schadensersatzforderungen, ist möglich. Die Kontrollbehörden sind verpflichtet, Verstöße zu dokumentieren und geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr einzuleiten.

Wie ist die Aktualisierung des Arzneibuchs rechtlich geregelt?

Die Aktualisierung und Fortschreibung der Arzneibücher erfolgt auf gesetzlicher Grundlage. Das Europäische Arzneibuch wird durch den Europäischen Arzneibuch-Ausschuss (EDQM) erstellt und regelmäßig aktualisiert. Die amtlichen deutschen Arzneibücher werden nach Maßgabe des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) herausgegeben bzw. aktualisiert. Änderungen und Ergänzungen treten erst nach offizieller Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Rechtlich bindend sind jeweils die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Arzneimittels geltenden Fassungen. Unternehmen sind daher verpflichtet, regelmäßige Updates zu verfolgen und diese in ihren Qualitätsmanagementsystemen umzusetzen. Bei Nichteinhaltung drohen die oben beschriebenen Konsequenzen.

Welche Rolle spielen Arzneibücher im Rahmen einer Arzneimittelzulassung?

Im Rahmen der Arzneimittelzulassung dienen die Vorgaben der jeweiligen Arzneibücher als rechtlich verbindliche Grundlage zur Beurteilung der Qualität, Reinheit, Identität und Herstellung der betreffenden Präparate. Im Zulassungsdossier müssen Antragsteller nachweisen, dass ihre Produkte sämtlichen relevanten Arzneibuchvorschriften entsprechen. Dies betrifft insbesondere die Herstellungsvorschriften, Prüfmethoden und Grenzwerte für Wirkstoffe und Hilfsstoffe. Fehlt eine Abdeckung durch das Arzneibuch, sind entsprechende wissenschaftliche Nachweise und Begründungen zu erbringen. Die Einhaltung der Arzneibuchmonographien wird durch die Zulassungsbehörden systematisch geprüft und ist eine Voraussetzung für die Erteilung der Verkehrsgenehmigung von Arzneimitteln in Deutschland und der EU.