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Archivgut

Archivgut: Begriff und rechtliche Einordnung

Archivgut bezeichnet Unterlagen, die von bleibendem Wert für Staat, Gesellschaft oder Forschung sind und daher dauerhaft in einem Archiv aufbewahrt werden. Dazu zählen Schriftstücke, Akten, Karten, Fotos, audiovisuelle Medien und digitale Dateien, die bei öffentlichen Stellen, Institutionen, Unternehmen oder Privatpersonen entstanden sind. Archivgut dient der Sicherung von Beweis- und Dokumentationsfunktionen, der Transparenz staatlichen Handelns und dem kulturellen Gedächtnis.

Rechtlich entsteht Archivgut nicht bereits mit der Entstehung einer Unterlage. Es wird erst durch eine geregelte Auswahlentscheidung (Bewertung) als dauerhaft aufbewahrungswürdig anerkannt und in die Obhut eines Archivs übernommen. Ab diesem Zeitpunkt unterliegt es besonderen Schutz-, Erhaltungs- und Nutzungsregeln.

Abgrenzung und Typen

Öffentliches Archivgut

Öffentliches Archivgut stammt von Behörden, Gerichten, Parlamenten sowie von weiteren Trägern öffentlicher Aufgaben, einschließlich ihrer Vorgängerinstitutionen. Seine Behandlung ist in bundes- und landesrechtlichen Regelungen sowie in kommunalen Satzungen ausgestaltet. Öffentliche Archive handeln dabei im Rahmen einer hoheitlichen Aufgabe der Überlieferungsbildung, Erhaltung und Zugänglichmachung.

Privates Archivgut

Privates Archivgut entsteht bei natürlichen Personen, Unternehmen, Verbänden, Parteien, Stiftungen oder Kirchen. Es unterliegt zunächst dem Privatrecht; Eigentum und Zugriff richten sich nach vertraglichen Vereinbarungen und den jeweiligen Archivordnungen oder Satzungen. Gelangt privates Archivgut in ein öffentliches Archiv, erfolgt dies häufig über Schenkung, Übereignung, Depositum (Dauerleihgabe) oder vertraglich geregelte Übernahmen mit speziellen Zugangs- oder Schutzbestimmungen.

Registraturgut, Zwischenarchivgut, Archivgut

Unterlagen durchlaufen einen Lebenszyklus: In der aktiven Phase sind sie Registraturgut und werden von der bearbeitenden Stelle laufend genutzt. In einer inaktiven Phase (Zwischenarchiv) dienen sie nur noch gelegentlich der Nachweis- oder Beweisführung. Erst nach einem geordneten Bewertungsverfahren und der Übernahme in ein Archiv werden sie zu Archivgut und dauerhaft gesichert.

Rechtsrahmen

Die Behandlung von Archivgut wird durch ein Zusammenspiel mehrerer Rechtsbereiche bestimmt: Archivrecht von Bund und Ländern, kommunale Regelungen, kirchliche Archivordnungen, Datenschutzrecht, Urheberrecht, Regelungen zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, Verschlusssachen- und Sicherheitsrecht sowie Informationszugangs- und Transparenznormen. Diese Normen strukturieren die Übernahme, Erhaltung, Erschließung, den Zugang und die Nutzung.

Grundprinzipien

  • Provenienzprinzip: Archivgut bleibt in der Ordnung des ursprünglichen Entstehungszusammenhangs und Herkunftsbestands.
  • Öffentlichkeitsgrundsatz: Nach Ablauf von Schutzfristen wird Archivgut grundsätzlich zugänglich, soweit keine entgegenstehenden Schutzinteressen bestehen.
  • Schutz berechtigter Interessen: Persönlichkeitsrechte, Datenschutz, Urheberrechte, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie Sicherheitsbelange werden gewahrt.
  • Authentizität und Integrität: Die Echtheit und Unversehrtheit des Archivguts sind zu sichern; Veränderungen werden dokumentiert.
  • Verhältnismäßigkeit: Auswahl, Erhaltung und Nutzung erfolgen im Ausgleich zwischen Überlieferungsinteresse und Schutzbedürfnissen.

Entstehung von Archivgut (Überlieferungsbildung)

Anbietung und Bewertung

Unterlagen öffentlicher Stellen sind in geregelten Verfahren dem zuständigen Archiv anzubieten. Die fachliche Bewertung entscheidet, ob Unterlagen archivwürdig sind. Kriterien sind unter anderem rechtliche Nachweisfunktionen, historische und gesellschaftliche Bedeutung, Informationsgehalt, Unersetzlichkeit und Entstehungskontext. Nicht archivwürdige Unterlagen können kassiert werden, sofern keine Aufbewahrungs- oder Schutzgründe entgegenstehen.

Übernahme und Eigentum

Mit der Übernahme werden Unterlagen zu Archivgut und unterstehen den Benutzungs-, Erhaltungs- und Schutzbestimmungen des Archivs. Bei öffentlichen Archiven wird das übernommene Archivgut regelmäßig Teil des Vermögens des Archivträgers. Abweichungen ergeben sich bei Deposita oder vertraglichen Sonderregelungen, bei denen das Eigentum beim Einliefernden verbleibt, die Obhut jedoch beim Archiv liegt.

Erhaltung und Erschließung

Bestandserhaltung

Archive sind verpflichtet, Archivgut dauerhaft zu sichern. Dies umfasst konservatorische Maßnahmen, geeignete Lagerbedingungen, Sicherheitsvorkehrungen und, wo erforderlich, Reproduktionen oder Migrationen zur Erhaltung der Nutzbarkeit. Ziel ist der langfristige Erhalt von Information, Authentizität und Kontext.

Erschließung und Findmittel

Erschließung beschreibt die systematische Beschreibung und Ordnung von Archivgut. Sie schafft Findmittel und Metadaten, die das Auffinden und Verstehen der Unterlagen ermöglichen. Erschließungsdaten unterliegen bei personenbezogenen oder sensiblen Inhalten ebenfalls Schutzanforderungen.

Zugang und Nutzung

Schutzfristen und Ausnahmen

Archivgesetze und Benutzungsordnungen regeln, wann Archivgut eingesehen werden darf. Schutzfristen dienen dem Schutz staatlicher Sicherheitsinteressen, personenbezogener Daten und privater Belange sowie von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Sie laufen zeitgebunden ab, können unter bestimmten Voraussetzungen verkürzt, verlängert oder durch Auflagen flankiert werden.

Benutzung, Reproduktionen, Veröffentlichung

Die Nutzung erfolgt nach Benutzungsregelungen des jeweiligen Archivs. Reproduktionen und Veröffentlichungen setzen die Beachtung von Urheber- und Leistungsschutzrechten, Persönlichkeitsrechten sowie etwaiger vertraglicher Vorgaben voraus. Auch nach Ablauf von Schutzfristen können Rechte Dritter eine Nutzung einschränken.

Digitales Archivgut

Elektronische Unterlagen

Digitales Archivgut umfasst born-digital entstandene Dateien sowie digitalisierte analoge Unterlagen. Besondere Anforderungen betreffen Formate, Metadaten, Langzeitverfügbarkeit, Nachvollziehbarkeit von Änderungen und technische Sicherheitsmaßnahmen.

Rechtliche Besonderheiten

Für digitales Archivgut gelten die gleichen Grundprinzipien wie für analoges, ergänzt um Regelungen zu elektronischen Aufzeichnungen, Signaturen und Protokollierung. Datenschutz, Informationssicherheit und Zugriffskontrollen nehmen eine zentrale Rolle ein, insbesondere bei personenbezogenen oder vertraulichen Inhalten.

Rolle im kulturellen Gedächtnis

Archivgut ist Teil des kulturellen Erbes. Es ermöglicht demokratische Kontrolle, unterstützt die Rechtsgewährleistung, fördert Forschung und Bildung und dokumentiert gesellschaftliche Entwicklungen. Die Verantwortung für seinen Erhalt liegt bei öffentlichen und privaten Trägern, die Überlieferung dauerhaft sicherstellen.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Archivgut

Was gilt als Archivgut?

Archivgut sind Unterlagen von bleibendem Wert, die nach einer geregelten Bewertung dauerhaft in einem Archiv aufbewahrt werden. Dazu gehören analoge und digitale Materialien aus der Tätigkeit öffentlicher Stellen sowie aus privater Herkunft, sofern sie übernommen wurden oder vertraglich in die Obhut eines Archivs gelangt sind.

Worin unterscheidet sich Archivgut von Registraturgut?

Registraturgut wird für laufende Aufgaben benötigt und verbleibt bei der erzeugenden Stelle. Archivgut entsteht erst nach Anbietung, Bewertung und Übernahme in ein Archiv. Erst dann gelten besondere Schutz-, Erhaltungs- und Nutzungsregeln des Archivwesens.

Wer entscheidet über die Archivwürdigkeit und die Übernahme?

Die zuständigen Archive treffen die Bewertungsentscheidung anhand festgelegter Kriterien wie rechtlicher Nachweisfunktion, historischem Wert, Informationsgehalt und Entstehungskontext. Die Übernahme folgt einem formalisierten Verfahren zwischen abgebender Stelle und Archiv.

Wem gehört Archivgut nach der Übernahme durch ein öffentliches Archiv?

Regelmäßig wird übernommenes Archivgut Bestandteil des Vermögens des Archivträgers. Bei Deposita oder vertraglich vereinbarten Sonderfällen kann das Eigentum beim Einliefernden verbleiben, während die Obhut und Zugangsregelung beim Archiv liegen.

Welche Schutzfristen und Zugangsbeschränkungen gelten?

Schutzfristen dienen der Wahrung staatlicher Sicherheitsinteressen, des Datenschutzes und privater Belange sowie von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Sie sind zeitlich determiniert, können in begründeten Fällen verkürzt oder verlängert werden und können mit Auflagen verbunden sein.

Wie wirken Datenschutz, Persönlichkeitsrechte und Geheimhaltungsvorschriften?

Personenbezogene Daten, besonders schutzbedürftige Informationen, Verschlusssachen sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unterliegen besonderen Schutzanforderungen. Der Zugang kann eingeschränkt, aufgeschoben oder an Bedingungen geknüpft sein, um berechtigte Interessen zu wahren.

Welche urheberrechtlichen Regeln gelten bei Nutzung und Veröffentlichung?

Urheber- und verwandte Schutzrechte können die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Archivgut beschränken. Zusätzlich sind Persönlichkeitsrechte, vertragliche Vorgaben und Kennzeichnungspflichten zu beachten, auch wenn archivrechtliche Schutzfristen abgelaufen sind.

Wie wird digitales Archivgut rechtlich behandelt?

Digitales Archivgut unterliegt denselben Grundsätzen wie analoges Archivgut, ergänzt um Anforderungen an Authentizität, Integrität, Metadaten, Langzeitverfügbarkeit und Informationssicherheit. Zugangs- und Schutzregelungen gelten entsprechend, auch für elektronische Signaturen und Protokolle.