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Arbeitskampf

Begriff und Einordnung des Arbeitskampfs

Definition

Ein Arbeitskampf ist die planvolle Auseinandersetzung zwischen Beschäftigtenvertretungen und Arbeitgeberseite zur Durchsetzung kollektiver Arbeitsbedingungen. Er umfasst insbesondere Streiks auf Arbeitnehmerseite und Aussperrungen auf Arbeitgeberseite. Ziel ist regelmäßig der Abschluss, die Änderung oder die Durchsetzung eines Tarifvertrags.

Ziel und Funktion

Arbeitskämpfe dienen der kollektiven Interessenwahrnehmung und sind Teil der Tarifautonomie. Sie bilden das Druckmittel, um Verhandlungen über Löhne, Arbeitszeiten und sonstige Arbeitsbedingungen zu beeinflussen. Zugleich sind Arbeitskämpfe rechtlich eingehegt, um die Interessen beider Seiten sowie die Belange der Allgemeinheit auszubalancieren.

Beteiligte Akteure

Auf Arbeitnehmerseite handeln regelmäßig Gewerkschaften; auf Arbeitgeberseite einzelne Unternehmen oder Arbeitgeberverbände. Unbeteiligte Dritte wie Kundinnen und Kunden, Lieferanten oder die Öffentlichkeit können mittelbar betroffen sein, sind jedoch nicht Partei des Arbeitskampfs.

Rechtsrahmen des Arbeitskampfs

Grundlegende Prinzipien

Der rechtliche Rahmen des Arbeitskampfs wird von der Koalitionsfreiheit und der Tarifautonomie geprägt. Beide Seiten dürfen sich zusammenschließen, verhandeln und im Rahmen anerkannter Regeln Kampfmittel einsetzen. Arbeitskampfmittel müssen sich auf tarifliche Ziele beziehen und die Gegenseite in die Lage versetzen, kollektiv zu reagieren.

Zulässigkeitsvoraussetzungen

Tarifbezogenheit und Zuständigkeit

Arbeitskampfmaßnahmen müssen auf tarifliche Regelungen gerichtet sein (zum Beispiel Entgelt, Arbeitszeit, Urlaub, betriebliche Rahmenbedingungen). Zuständig sind auf Arbeitnehmerseite kollektiv handlungsfähige Organisationen. Spontane Arbeitsniederlegungen ohne Trägerschaft durch eine Arbeitnehmerorganisation sind regelmäßig nicht gedeckt.

Friedenspflicht und Scheitern der Verhandlungen

Während einer vereinbarten Friedenspflicht werden Arbeitskampfmaßnahmen zu bereits geregelten Themen unterlassen. Üblicherweise ist ein Arbeitskampf erst zulässig, wenn Verhandlungen erkennbar gescheitert sind oder ergebnislos geblieben sind. Ob und in welchem Umfang eine Schlichtung vorgesehen ist, kann sich aus vorherigen Vereinbarungen ergeben.

Verhältnismäßigkeit und Ultima Ratio

Arbeitskampfmittel müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Als Ultima Ratio sollen sie erst eingesetzt werden, wenn mildere Mittel keinen Erfolg versprechen. Dauer, Intensität und Reichweite sind an den verfolgten Zielen auszurichten.

Grenzen und Schutzgüter

Öffentliche Daseinsvorsorge und Notdienste

In Bereichen mit besonderer Bedeutung für die Allgemeinheit (zum Beispiel Gesundheit, Versorgung, kritische Infrastruktur) sind Notdienste oder Mindestbesetzungen sicherzustellen, um gravierende Gefahren für die Öffentlichkeit zu verhindern.

Schutz von Betriebstätigkeit und Eigentum

Arbeitskämpfe dürfen nicht mit Gewalt, Sachbeschädigungen oder unzulässigen Blockaden geführt werden. Informationsaktionen am Arbeitsplatz sind grundsätzlich möglich, müssen aber Zugänge und Produktionsabläufe respektieren. Das Hausrecht des Arbeitgebers bleibt zu beachten.

Beamtenstatus und Sondergruppen

Beschäftigte im öffentlichen Dienst können grundsätzlich an tarifbezogenen Arbeitskämpfen teilnehmen, soweit sie nicht Beamte sind. Beamte sind in Deutschland nicht zum Streik berechtigt. Für leitende Angestellte oder Beschäftigte in sicherheitsrelevanten Funktionen können besondere Restriktionen gelten.

Formen des Arbeitskampfs

Streikarten

Vollstreik, Warnstreik, Schwerpunktstreik

Ein Vollstreik legt die Arbeit in betroffenen Betrieben vollständig nieder. Warnstreiks sind zeitlich begrenzte Arbeitsniederlegungen, häufig während laufender Verhandlungen. Schwerpunkt- oder Wellenstreiks betreffen ausgewählte Bereiche oder wechseln Orte und Zeiten, um mit geringerem Aufwand spürbare Effekte zu erzielen.

Politischer Streik vs. tarifbezogener Streik

Tarifbezogene Streiks richten sich auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Politische Streiks, die primär politische Entscheidungen ohne Tarifbezug beeinflussen sollen, gelten in Deutschland als unzulässig. Solidaritäts- oder Unterstützungsstreiks können unter engen Voraussetzungen in Betracht kommen, wenn ein hinreichender Bezug zum Tarifziel besteht.

Aussperrung

Die Aussperrung ist die vorübergehende Nichtbeschäftigung und Nichtvergütung von Arbeitnehmern als Reaktion auf einen Arbeitskampf. Sie unterliegt strengen Anforderungen an Erforderlichkeit und Angemessenheit und wird in der Praxis zurückhaltend eingesetzt.

Weitere Mittel

Zulässig sind insbesondere Informations- und Werbemaßnahmen, Streikposten zur Ansprache von Beschäftigten sowie öffentliche Aktionen. Unzulässig sind einschüchternde, gewalttätige oder blockierende Handlungen gegenüber Personen, Sachen oder betrieblichen Anlagen.

Ablauf eines Arbeitskampfs

Vorbereitung und Entscheidungsprozesse

Vor einem Streik stehen Verhandlungsrunden. Häufig erfolgt eine interne Beschlussfassung innerhalb der Arbeitnehmerorganisation, teils unter Beteiligung der Mitglieder in Form einer Abstimmung. Schlichtungsabreden können vorsehen, dass vor Arbeitskampfmaßnahmen ein Schlichtungsversuch stattfindet.

Durchführung und Kommunikation

Der Beginn und die Reichweite eines Streiks werden bekanntgegeben. Arbeitgeber müssen während eines rechtmäßigen Streiks nicht beschäftigen und nicht vergüten. Arbeitswillige dürfen nicht an der Arbeitsaufnahme gehindert werden; zugleich besteht Schutz vor Druck und Benachteiligung.

Beendigung und Tarifabschluss

Arbeitskämpfe enden typischerweise mit einem Tarifabschluss. Mit Inkrafttreten gilt regelmäßig eine Friedenspflicht für die geregelten Themen. Die Umsetzung im Betrieb erfolgt über die tarifvertraglichen Regelungen, gegebenenfalls ergänzt durch betriebliche Vereinbarungen.

Rechtsfolgen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Arbeits- und Entgeltpflicht

Während der Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik ruht die Arbeitspflicht; eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers besteht nicht. Bei rechtmäßiger Aussperrung entfällt die Vergütung ebenfalls. Gewerkschaften können Streikunterstützung leisten, was arbeitsvertragliche Ansprüche jedoch nicht ersetzt.

Kündigungsschutz und arbeitsrechtliche Sanktionen

Die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik stellt keine Pflichtverletzung dar und rechtfertigt grundsätzlich keine Abmahnung oder Kündigung. Rechtswidrige Aktionen können dagegen arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Wird der Betrieb bestreikt, darf der Arbeitgeber organisatorische Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Resttätigkeit treffen.

Sozialversicherungsrechtliche Einordnung

Das Beschäftigungsverhältnis besteht während des Arbeitskampfs fort. Mangels Entgeltzahlung können sich Beitragsflüsse verändern; der Schutz in den Sozialversicherungen bleibt dem Grunde nach bestehen. Einzelheiten richten sich nach den jeweiligen Regeln der Versicherungssysteme.

Betriebliche Organisation und Drittbetroffene

Der Einsatz externer Kräfte zur Unterlaufung eines Streiks ist nur eingeschränkt möglich; in bestimmten Konstellationen bestehen Grenzen für den Einsatz von Leiharbeitnehmern. Drittbetroffene Unternehmen bleiben grundsätzlich außen vor; ihre Rechte sind vor unzulässiger Beeinträchtigung geschützt.

Tarifpluralität und Tarifeinheit

Konkurrenz mehrerer Gewerkschaften

In einem Betrieb können mehrere Arbeitnehmerorganisationen aktiv sein. Überschneidungen von Tarifansprüchen werden durch Regeln zur Koordinierung konkurrierender Tarifverträge begrenzt. Arbeitskämpfe kleiner, besonders durchsetzungsstarker Berufsgruppen unterliegen daher einer besonderen Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Wirkung von Tarifverträgen und Geltungsbereich

Tarifverträge gelten unmittelbar und zwingend für Tarifgebundene. In nicht tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen können sie über Bezugnahmeklauseln, betriebliche Praxis oder Allgemeinverbindlicherklärungen Wirkung entfalten. Inhalt und Geltungsbereich entscheiden über die Reichweite gegenüber einzelnen Beschäftigtengruppen.

Arbeitskampf im öffentlichen Dienst

Besonderheiten und Mindestversorgung

Angestellte im öffentlichen Dienst können an tarifbezogenen Arbeitskämpfen teilnehmen. Es sind besondere Vorkehrungen für Notdienste und Mindestversorgung erforderlich, um die Grundversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Beamte sind vom Streik ausgeschlossen.

Abgrenzungen und Missbrauchsgrenzen

Boykott, Blockaden, digitale Mittel

Aufrufe zum Boykott, betriebliche Blockaden oder digitale Kampagnen unterliegen Grenzen des Zivil- und Strafrechts sowie des Persönlichkeitsschutzes. Zulässig sind sachliche Informationen und öffentliche Meinungsbildung; unzulässig sind rechtsverletzende Inhalte, Drohungen, gezielte Blockaden oder Eingriffe in IT-Systeme.

Häufig gestellte Fragen

Was versteht man unter einem rechtmäßigen Streik?

Rechtmäßig ist ein Streik, wenn er von einer Arbeitnehmerorganisation getragen wird, ein tarifliches Ziel verfolgt, nicht gegen bestehende Friedenspflichten verstößt und verhältnismäßig ist. Zudem müssen Verhandlungen zuvor erkennbar gescheitert oder ausgeschöpft sein.

Dürfen Beamte in Deutschland streiken?

Nein. Beamte sind in Deutschland nicht zum Streik berechtigt. Für Angestellte im öffentlichen Dienst gilt dies nicht; sie können bei Wahrung von Notdiensten an tarifbezogenen Arbeitskämpfen teilnehmen.

Erhalte ich während eines Streiks Lohn?

Während der Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik besteht kein Anspruch auf Arbeitsvergütung. Das Arbeitsverhältnis bleibt bestehen, die Vergütungspflicht ruht jedoch für die Dauer der Teilnahme.

Kann eine Teilnahme am Streik zu einer Kündigung führen?

Die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik stellt keine Vertragsverletzung dar und rechtfertigt grundsätzlich weder Abmahnung noch Kündigung. Bei rechtswidrigen Aktionen können dagegen arbeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht kommen.

Ist ein politischer Streik zulässig?

Ein Streik, der primär auf politische Entscheidungen ohne Tarifbezug gerichtet ist, gilt in Deutschland als unzulässig. Zulässig sind arbeits- und tarifbezogene Arbeitskämpfe.

Was ist ein wilder Streik?

Ein wilder Streik ist eine Arbeitsniederlegung ohne Trägerschaft durch eine Arbeitnehmerorganisation. Er ist regelmäßig rechtswidrig und kann zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen.

Darf der Arbeitgeber Leiharbeit einsetzen, um einen Streik zu umgehen?

Der Einsatz von Leiharbeitnehmern zur Ersetzung streikender Belegschaften ist rechtlich begrenzt. In bestreikten Bereichen bestehen hierfür besondere Einschränkungen, die die Wirkung des Arbeitskampfs nicht unterlaufen sollen.