Begriff und rechtliche Grundlagen des Arbeitnehmervertreters
Der Begriff Arbeitnehmervertreter bezeichnet Personen, die im Rahmen betrieblicher oder unternehmerischer Mitbestimmung, im Personalwesen, in gerichtlichen, verwaltungsrechtlichen oder zwischenbetrieblichen Kontexten Rechte und Interessen der Arbeitnehmer wahrnehmen. Arbeitnehmervertreter agieren im Kollektiv- wie Individualarbeitsrecht auf verschiedenen Ebenen, ihr Status und ihre Befugnisse sind in unterschiedlichen Gesetzen und Regelwerken umfassend normiert. Die rechtliche Stellung der Arbeitnehmervertreter gewährleistet den Schutz, die Mitwirkung und die Beteiligung der Arbeitnehmer an unternehmerischen Entscheidungen.
Gesetzliche Grundlagen
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
Im Kontext der privatwirtschaftlichen Unternehmen regelt das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die Rolle des Betriebsrats als Arbeitnehmervertretung. Der Betriebsrat ist ein von der Belegschaft gewähltes Organ, das die Interessen aller Arbeitnehmer (ausgenommen leitende Angestellte) gegenüber dem Arbeitgeber vertritt. Die §§ 7 ff. BetrVG normieren Wahl, Zusammensetzung und Aufgaben des Betriebsrats. Die Rechte der Betriebsräte umfassen insbesondere:
- Informations- und Beratungsrechte (§§ 80-82 BetrVG)
- Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte (§§ 87-89 BetrVG)
- Initiativrechte
Daneben sind im BetrVG besondere Regelungen zum Schutz der Mitglieder des Betriebsrats verankert, etwa hinsichtlich des Kündigungsschutzes (§ 15 KSchG, § 103 BetrVG).
Mitbestimmungsgesetze
Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) und Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG)
In Kapitalgesellschaften ist die Beteiligung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat durch das Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) und das Drittelbeteiligungsgesetz geregelt. Im Rahmen des MitbestG werden Arbeitnehmervertreter zu Mitgliedern des Aufsichtsrates gewählt, die gemeinsam mit Anteilseignervertretern Unternehmensentscheidungen kontrollieren. Das DrittelbG regelt die Beteiligung in Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern.
Montan-Mitbestimmungsgesetz (MontanMitbestG)
Für Unternehmen der Montanindustrie (Bergbau, Eisen und Stahl) gilt das Montan-Mitbestimmungsgesetz, das weitreichende Mitbestimmungsrechte und eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrats vorsieht.
Personalvertretungsrecht (Öffentlicher Dienst)
Im öffentlichen Dienst nehmen Personalvertretungsgesetze des Bundes (BPersVG) und der Länder die Regelung des Personalrats als Arbeitnehmervertretung vor. Diese Gesetze statuieren Aufgaben, Beteiligungsrechte und das Wahlverfahren der Personalräte in Behörden und öffentlichen Einrichtungen.
Kirchliches Arbeitsrecht
In den beiden großen Kirchen erfolgt die Arbeitnehmervertretung gemäß dem jeweiligen Mitarbeitervertretungsgesetz (MAVO oder MVG-EKD). Die dort geltenden Sonderregelungen orientieren sich am Betriebsverfassungsrecht, weisen jedoch Besonderheiten etwa hinsichtlich Schiedsstellungen und Beteiligungstiefe auf.
Aufgaben und Rechte der Arbeitnehmervertreter
Vertretungsfunktionen
Arbeitnehmervertreter sind befugt, kollektive und individuelle Arbeitnehmerinteressen gegenüber Arbeitgebern, Unternehmensleitungen und Dritten in Verhandlungen, Einigungsstellen oder gerichtlichen Verfahren wahrzunehmen. Die wichtigsten Aufgaben sind:
- Mitgestaltung betrieblicher Ordnung und Arbeitsbedingungen
- Überwachung von Arbeitsschutzvorschriften
- Verhandlung und Abschluss von Betriebsvereinbarungen
- Anhörungsrechte bei Kündigungen
- Teilnahme an Anhörungen, Sitzungen und Verhandlungen
Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte
Die Ausgestaltung der Beteiligungsrechte reicht (je nach Geltungsbereich) von Unterrichtungs- und Beratungsrechten über Anhörungsrechte bis hin zu echten Mitbestimmungsbefugnissen bei sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten:
- Mitbestimmung bei sozialen Fragen (z. B. Arbeitszeit, Urlaub, Entgeltgruppen)
- Mitwirkung bei personellen Maßnahmen (z. B. Einstellungen, Versetzungen, Kündigungen)
- Beteiligung bei wirtschaftlichen Angelegenheiten (z. B. Betriebsänderungen, Interessenausgleich und Sozialplan)
Schutz- und Sonderstellung
Zur Absicherung ihrer Unabhängigkeit genießen Arbeitnehmervertreter einen besonderen Kündigungsschutz und Freistellungsansprüche, um die Wahrnehmung der Tätigkeit zu ermöglichen:
- Kündigungsschutz nach § 15 KSchG
- Freistellung nach § 38 BetrVG
- Anspruch auf Schulungen und Fortbildungen
Wahl und Bestellung der Arbeitnehmervertreter
Voraussetzungen
Die Voraussetzungen für die Wahl der Arbeitnehmervertreter richten sich nach den einschlägigen Gesetzen (z. B. BetrVG, Personalvertretungsgesetze). In der Regel sind wahlberechtigt alle Arbeitnehmer des Betriebes oder der Dienststelle; wählbar sind meist die ungekündigten Arbeitnehmer, die eine bestimmte Betriebszugehörigkeit aufweisen.
Wahlverfahren
Die Wahl erfolgt in geheimer Abstimmung, entweder als Listenwahl oder Personenwahl. Im Aufsichtsrat werden Arbeitnehmervertreter i. d. R. von der Belegschaft und gegebenenfalls durch Gewerkschaftsvertreter bestimmt.
Besondere Formen der Arbeitnehmervertretung
Gewerkschaftliche Arbeitnehmervertreter
In verschiedenen Mitbestimmungsorganen (besonders im Aufsichtsrat) können Gewerkschaftsvertreter als Arbeitnehmervertreter berufen werden. Die Anzahl und Bestellungsmodalitäten richten sich nach dem jeweiligen Gesetz (z. B. § 7 MitbestG).
Vertrauensleute
In einigen Unternehmen werden zusätzlich Vertrauensleute oder ähnliche Personen als Schnittstelle zwischen Belegschaft und Betriebsrat gewählt.
Beendigung der Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter
Die Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter endet regelmäßig mit Ablauf der Amtszeit, durch Rücktritt, Niederlegung des Mandats, dem Ende des Arbeitsverhältnisses oder – in Ausnahmefällen – durch gerichtliche Entscheidung über den Ausschluss aus dem Gremium.
Bedeutung der Arbeitnehmervertretung in der Praxis
Die Stärke der Arbeitnehmervertretung in einem Betrieb oder einer Verwaltung beeinflusst maßgeblich die Ausgestaltung von Arbeitsbedingungen, die Einhaltung von Schutzvorschriften und die Entwicklung der betrieblichen Kultur. Arbeitnehmervertreter tragen zu sozialer Gerechtigkeit und zur Wahrung von Arbeitnehmerrechten bei und sind zentrale Akteure im deutschen Arbeitsrechtssystem.
Literatur
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
Mitbestimmungsgesetz (MitbestG)
Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG)
Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG)
* Mitarbeitervertretungsgesetze der Kirchen
Hinweis: Dieser Beitrag bietet einen umfassenden Überblick über die rechtliche Stellung, Aufgaben und Funktion von Arbeitnehmervertretern in Deutschland. Detaillierte Regelungen und besondere Konstellationen ergeben sich aus den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen und einschlägigen rechtsprechenden Entscheidungen.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechte haben Arbeitnehmervertreter im Rahmen von Betriebsratsarbeit?
Arbeitnehmervertreter, die im Betriebsrat tätig sind, genießen nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) umfangreiche Rechte, um ihre Aufgaben ordnungsgemäß wahrnehmen zu können. Dazu zählen vor allem Informations-, Anhörungs-, und Mitbestimmungsrechte. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über alle wesentlichen Angelegenheiten zu unterrichten, die die Belegschaft betreffen, etwa personelle Einzelmaßnahmen (Einstellungen, Versetzungen, Kündigungen), wirtschaftliche Themen (Betriebsänderungen, Stilllegungen) oder soziale Fragen (Arbeitszeiten, Urlaubsregelungen, Entlohnungssysteme). Darüber hinaus hat der Betriebsrat Anspruch darauf, in bestimmten Bereichen mitzubestimmen. So darf er z. B. bei der Einführung neuer Technologien, bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen und bei Fragen der betrieblichen Ordnung seine Zustimmung verweigern, wenn berechtigte Interessen der Arbeitnehmer berührt werden. Arbeitnehmervertreter verfügen zudem über das Initiativrecht, Vorschläge zu Verbesserungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz zu machen. Sämtliche Sitzungen, Sprechstunden und erforderliche Schulungen gelten nach § 37 BetrVG als Arbeitszeit und sind bezahlt. Weiterhin haben sie einen Anspruch auf die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Sachmittel und einen geeigneten Raum im Betrieb.
Welche besonderen Kündigungsschutzregelungen bestehen für Arbeitnehmervertreter?
Arbeitnehmervertreter sind während ihrer Amtszeit und bis zu einem Jahr danach besonders gegen Kündigungen geschützt (§ 15 Kündigungsschutzgesetz, KSchG). Eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich ausgeschlossen. Eine außerordentliche (fristlose) Kündigung ist lediglich in Ausnahmefällen und nur mit Zustimmung des Betriebsrats möglich, wobei das Arbeitsgericht die Entscheidung überprüfen kann. Dieser Sonderkündigungsschutz soll sicherstellen, dass Arbeitnehmervertreter ihre Aufgaben ohne Furcht vor negativen Konsequenzen für ihre eigene Beschäftigung wahrnehmen können. Der Schutz gilt auch für Ersatzmitglieder, soweit sie regelmäßig zu Betriebsratssitzungen hinzugezogen wurden sowie für Mitglieder von Wahlvorständen und Wahlbewerber für die Dauer ihres Wahlverfahrens und eine Nachwirkungsfrist.
Wie ist die Freistellung von Arbeitnehmervertretern geregelt?
Nach § 38 BetrVG besteht in Betrieben mit mehr als 200 ständig beschäftigten Arbeitnehmern ein Anspruch auf vollständige Freistellung einzelner Betriebsratsmitglieder, je nach Betriebsgröße. In kleineren Betrieben erfolgt die Betriebsratsarbeit grundsätzlich als Ehrenamt neben der normalen Arbeitszeit, jedoch müssen für erforderliche Betriebsratsaufgaben die dafür notwendige Arbeitszeit ohne Gehaltsverlust bereitgestellt werden (§ 37 BetrVG). Die Freistellung betrifft sowohl die Teilnahme an Sitzungen, die Durchführung von Sprechstunden als auch die Wahrnehmung von Schulungen und Weiterbildungen, sofern diese erforderlich sind. Freigestellte Arbeitnehmervertreter behalten alle Rechte und Pflichten wie andere Arbeitnehmer; insbesondere bleiben Ansprüche auf Vergütung, Urlaub und Sozialleistungen bestehen. Der Arbeitgeber darf freigestellte Arbeitnehmervertreter nicht schlechter oder besser behandeln als vergleichbare Arbeitnehmer.
In welchen Gremien können Arbeitnehmervertreter neben dem Betriebsrat noch tätig sein?
Arbeitnehmervertreter wirken nicht nur im Betriebsrat, sondern auch in weiteren betrieblichen und unternehmerischen Gremien mit. Dazu zählen insbesondere der Gesamtbetriebsrat, der Konzernbetriebsrat und der Wirtschaftsausschuss (§ 106 BetrVG). In Unternehmen mit mehr als 100 Arbeitnehmern muss ferner ein Wirtschaftsausschuss gebildet werden, der die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens mit dem Arbeitgeber berät. Auf Unternehmensebene nehmen Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten auf Grundlage des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) oder des Drittelbeteiligungsgesetzes (DrittelbG) Aufsichtsratsmandate wahr. Bei Sozialplänen und Interessenausgleichen sind Arbeitnehmervertreter in Einigungsstellen einzubinden. Schließlich sind sie in besonderen Ausschüssen tätig, beispielsweise im Europabetriebsrat gemäß dem Gesetz über Europäische Betriebsräte (EBRG) sowie im Sprecherausschussgesetz für leitende Angestellte.
Wie werden die Kosten und Aufwendungen der Arbeitnehmervertreter rechtlich geregelt?
Das Betriebsverfassungsgesetz verpflichtet den Arbeitgeber zur Übernahme sämtlicher für die Arbeit des Betriebsrats erforderlichen Kosten (§ 40 BetrVG). Dazu gehören unter anderem die Kosten für notwendige Sachmittel (Büroausstattung, IT-Infrastruktur), Literatur, Schulungen der Betriebsratsmitglieder sowie für externe Beratung, sofern diese zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Betriebsratsaufgaben notwendig ist. Weiterhin sind Reisekosten, die im Rahmen der Betriebsratstätigkeit entstehen, sowie Kosten für Informationsveranstaltungen und die Durchführung von Betriebsversammlungen zu erstatten. Der Arbeitgeber muss dafür Sorge tragen, dass die Aufwendungen nicht zu persönlichen Nachteilen für die Arbeitnehmervertreter führen, beispielsweise hinsichtlich des Entgelts oder des Rentenanspruchs.
Welche Pflichten haben Arbeitnehmervertreter im rechtlichen Kontext?
Arbeitnehmervertreter unterliegen neben ihren Rechten auch bestimmten Pflichten. Hierzu zählt insbesondere die Geheimhaltungspflicht (§ 79 BetrVG) über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihnen im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Tätigkeit bekannt werden. Sie dürfen das erhaltene Wissen nur für die erforderliche Wahrnehmung ihrer Aufgaben einsetzen. Zudem sind sie verpflichtet, ihre Aufgaben unvoreingenommen und zum Wohl der Belegschaft wahrzunehmen, wobei sie Interessenvertretung betreiben, aber keine Einzelinteressen verfolgen dürfen. Ebenso müssen sie sich an die Verfahrensregelungen des BetrVG halten und sind zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber verpflichtet. Bei Verstößen gegen diese Pflichten kann im Extremfall der Ausschluss aus dem Gremium beantragt werden.
Unterliegen Arbeitnehmervertreter einer besonderen Haftung?
Ja, Arbeitnehmervertreter können sich im Rahmen ihrer Tätigkeit grundsätzlich haftbar machen, insbesondere dann, wenn sie rechtswidrig handeln oder grob gegen ihre Amtspflichten verstoßen. Sie haften jedoch nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Eine Haftung kann sich zum Beispiel bei Verstößen gegen die Schweigepflicht oder Zugänglichmachung von Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnissen ergeben. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und Ausübung von Mitbestimmungsrechten sind sie jedoch regelmäßig von einer Haftung befreit, solange sie nach besten Wissen und Gewissen im Interesse der Belegschaft handeln und nicht absichtlich oder fahrlässig gesetzeswidrig handeln. Für den Fall, dass ein Schaden entsteht, der auf einen kollektivrechtlichen Beschluss des Betriebsrats zurückzuführen ist, haftet das Gremium als solches und nicht das einzelne Mitglied.