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Appellation

Begriff und Einordnung der Appellation

Appellation bezeichnet ein Rechtsmittel gegen eine erstinstanzliche Entscheidung, mit dem eine Sache an ein übergeordnetes Gericht weitergezogen wird. Ziel ist die umfassende oder teilweise Überprüfung des angefochtenen Entscheids. Der Begriff wird im deutschsprachigen Raum uneinheitlich verwendet: teils als eigenständige Bezeichnung eines Rechtsmittels, teils historisch oder institutionell (z. B. als Name eines Gerichts), teils als Synonym für die heute gebräuchliche Berufung.

Bedeutung im deutschsprachigen Rechtsraum

Im heutigen Sprachgebrauch findet sich Appellation vor allem

  • als historischer Begriff für die Anrufung einer höheren Instanz,
  • als institutioneller Begriff in der Bezeichnung bestimmter Gerichte (etwa Appellationsgericht),
  • als sachliche Umschreibung des Rechtsmittelzugs auf die zweite Instanz (vergleichbar der Berufung).

In aktuellen Verfahrensordnungen wird im Regelfall der Begriff Berufung für die vollumfängliche Überprüfung durch eine zweite Instanz und Revision für eine Rechtskontrolle durch ein Höchstgericht verwendet. Der Ausdruck Appellation ist gleichwohl verbreitet, wenn allgemein der Gang in die nächsthöhere Instanz beschrieben wird oder wo traditionsbedingt Gerichte so heißen.

Abgrenzung zu anderen Rechtsmitteln

  • Berufung: Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch die zweite Instanz; der heute gängigste Begriff in Zivil- und Strafsachen.
  • Revision: Regelmäßig auf Rechtsfragen beschränkt; meist vor einem obersten Gericht.
  • Beschwerde: Rechtsmittel mit variabler Prüfungsdichte, häufig gegen verfahrensleitende oder verwaltungsrechtliche Entscheidungen.

Appellation wird je nach Rechtsgebiet entweder als verfahrensrechtlich definierte Berufung verstanden oder als Oberbegriff für den Weiterzug an eine höhere Instanz.

Historische Entwicklung

Historisch bezeichnete Appellation die Anrufung einer höheren richterlichen Ebene gegen Urteile unterer Gerichte. In der Rechtstradition des Alten Reichs und späterer Länder war Appellation der gebräuchliche Terminus für den Instanzenzug. Moderne Verfahrensordnungen haben den Begriff weitgehend durch Berufung und Revision ersetzt, die als Rechtsmittelarten genauer konturiert sind. Einzelne Institutionen führen die Bezeichnung bis heute fort.

Verfahrensrechtliche Grundzüge der Appellation

Zweck und Funktion

Die Appellation dient der Fehlerkontrolle und Rechtsfortbildung. Sie ermöglicht die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf Rechtsanwendung und – je nach Ausgestaltung – auch auf Sachverhaltsfeststellungen. Zugleich wahrt sie die Rechtseinheit, indem divergierende Entscheidungen korrigiert werden können.

Zuständiges Gericht und Instanzenzug

Die Appellation richtet sich an ein übergeordnetes Gericht. In der Regel handelt es sich um ein Obergericht der zweiten Instanz. Die konkrete Bezeichnung und Organisation variieren nach Rechtsgebiet und Region. Ob im Anschluss daran weitere Rechtsmittel (etwa Revision) offenstehen, bestimmt die jeweilige Verfahrensordnung.

Wirkungen der Appellation

  • Devolutive Wirkung: Die Sache geht zur Entscheidung an die höhere Instanz über.
  • Suspensive Wirkung: Die Vollstreckung des angefochtenen Entscheids ruht bis zum Entscheid der oberen Instanz; diese Wirkung kann abhängig von Materie und Verfahrensrecht eingeschränkt sein.

Die Kombination dieser Wirkungen soll eine sachgerechte und geordnete Kontrolle der Erstinstanz sicherstellen.

Prüfungsumfang

Je nach Ausgestaltung reicht der Prüfungsumfang von einer vollständigen Neubewertung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bis zu einer primär rechtlichen Kontrolle. Eine Appellation im klassischen Sinn ist typischerweise umfassender als eine reine Rechtsmittelkontrolle. Ob das Rechtsmittelgericht an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gebunden ist, hängt vom jeweiligen Verfahren ab.

Neue Tatsachen und Beweismittel

Die Zulässigkeit von Noven (neuen Tatsachen und Beweismitteln) ist unterschiedlich geregelt. In zahlreichen Verfahren sind Noven unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, etwa wenn sie ohne eigenes Verschulden nicht früher vorgebracht werden konnten. In anderen Verfahren ist der Novenzulassungsrahmen enger gefasst, um die Konzentration des Sachvortrags zu fördern.

Zulässigkeit und Form

Anfechtbare Entscheidungen

Appelliert werden können regelmäßig erstinstanzliche Endentscheide. Ob Zwischenentscheide, prozessleitende Verfügungen oder Kostenentscheide appellabel sind, bestimmt sich nach der jeweiligen Prozessordnung und der funktionalen Stellung der Entscheidung im Verfahren.

Beschwer, Beteiligtenstellung und Legitimation

Voraussetzung ist in aller Regel eine materielle Beschwer, also eine nachteilige Betroffenheit durch den Entscheid, sowie die Beteiligtenstellung im Ausgangsverfahren. Die Legitimation kann sich unterschiedlich ausgestalten, insbesondere bei Neben- oder Drittbeteiligten.

Frist und Formanforderungen

Appellation ist fristgebunden und an formale Anforderungen geknüpft. Üblich sind eine fristgerechte Einlegung und eine begründete Eingabe, die den angefochtenen Entscheid, den Umfang der Anfechtung und die Anträge erkennen lässt. Elektronische Einreichung, Sprache und Unterschriftserfordernisse richten sich nach dem einschlägigen Verfahrensrecht.

Anträge und Begründung

Die Anträge umschreiben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel der Entscheid überprüft werden soll. Die Begründung setzt sich mit den tragenden Erwägungen der Vorinstanz auseinander und benennt rechtliche und, soweit zulässig, tatsächliche Einwände. Unbestimmte oder verspätete Rügen können unberücksichtigt bleiben.

Kosten und Kostentragung

Für Appellationsverfahren fallen in der Regel Gerichts- und gegebenenfalls Vertretungskosten an. Die Kostentragung folgt typischerweise dem Obsiegen und Unterliegen, kann aber nach Billigkeit oder Verfahrensverhalten modifiziert werden. Vorschüsse und Sicherheitsleistungen sind je nach Verfahren vorgesehen.

Ablauf des Appellationsverfahrens

Einleitung und Vorprüfung

Nach Einreichung prüft das Rechtsmittelgericht die Zulässigkeit. Unzulänglichkeiten können zu einer Verbesserungseinladung oder zur Abschreibung führen. Bei Zulässigkeit wird das Verfahren eröffnet, und die Gegenpartei erhält Gelegenheit zur Stellungnahme.

Hauptverfahren und Entscheid

Die zweite Instanz entscheidet aufgrund der Akten und, sofern vorgesehen, aufgrund einer mündlichen Verhandlung. Sie kann Beweise erheben, den Sachverhalt ergänzen oder die Sache zur Ergänzung an die Vorinstanz zurückweisen. Der Entscheid ergeht mit Begründung, die die rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen darlegt.

Rechtsfolgen des Appellationsentscheids

  • Bestätigung: Der erstinstanzliche Entscheid bleibt bestehen.
  • Abänderung: Der Entscheid wird in der Sache neu gefasst.
  • Aufhebung mit Rückweisung: Die Sache geht zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurück.

Mit dem Appellationsentscheid werden Kosten und Entschädigungen der zweiten Instanz geregelt. Ob weitere Rechtsmittel offenstehen, hängt von Materie, Beschwerdewert und gesetzlichen Zugangsvoraussetzungen ab.

Verhältnis zu anderen Rechtsmitteln

Die Appellation steht in einem abgestuften System von Rechtsmitteln. In vielen Ordnungen ist sie dem Grundsatz nach vor einer Rechtsbeschwerde oder Revision anzurufen. Das Verhältnis zu besonderen Beschwerden (etwa gegen Zwischenentscheide) richtet sich nach der Funktion der jeweiligen Rechtsmittel und deren Subsidiarität.

Besondere Kontexte

Schweiz

Mit der Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen wird heute überwiegend von Berufung gesprochen, wenn ein erstinstanzlicher Entscheid umfassend überprüft werden soll. Gleichwohl existiert die Bezeichnung Appellationsgericht in einzelnen Kantonen als Name eines oberen Gerichts. Der Sprachgebrauch Appellation als Synonym für Berufung ist deshalb weiterhin anzutreffen, insbesondere im allgemeinen Sprachverständnis.

Deutschland und Österreich

Im heutigen Sprachgebrauch hat sich in beiden Ländern die Unterscheidung zwischen Berufung (zweite Instanz) und Revision (Rechtskontrolle durch ein oberstes Gericht) etabliert. Appellation ist hier vornehmlich ein historischer oder allgemeiner Begriff für den Weiterzug einer Sache an eine höhere Instanz.

Kirchenrecht und autonome Körperschaften

In kirchlichen oder satzungsgebundenen Gerichtsbarkeiten wird Appellation als Bezeichnung für das Rechtsmittel an die nächsthöhere kirchliche Instanz verwendet. Aufbau und Wirkungen orientieren sich an den jeweiligen normativen Grundlagen dieser Ordnung.

Abgrenzung zum Herkunfts- und Weinrecht

Appellation ist nicht zu verwechseln mit der französischen Bezeichnung für geschützte Herkunftsangaben im Lebensmittel- und Weinsektor. Dort bezeichnet Appellation eine Qualitäts- und Herkunftsbezeichnung. Im deutschsprachigen Rechtskontext handelt es sich dabei um eine gesonderte Materie des Kennzeichnungs- und Marktordnungsrechts.

Häufig gestellte Fragen zur Appellation

Was bedeutet Appellation im Kern?

Appellation ist das Rechtsmittel, mit dem eine erstinstanzliche Entscheidung an ein übergeordnetes Gericht weitergezogen wird, um eine Überprüfung zu erreichen. Der Begriff wird teils synonym zur Berufung, teils historisch oder institutionell verwendet.

Worin unterscheidet sich Appellation von Revision?

Während Appellation typischerweise eine umfassendere Kontrolle ermöglicht, die auch den Sachverhalt einschließen kann, ist die Revision in der Regel auf Rechtsfragen beschränkt und wird von einem obersten Gericht entschieden.

Hat die Appellation aufschiebende Wirkung?

Häufig entfaltet sie aufschiebende Wirkung, sodass der angefochtene Entscheid bis zum Entscheid der höheren Instanz nicht vollstreckt wird. Ob und in welchem Umfang dies gilt, richtet sich nach dem einschlägigen Verfahrensrecht.

Können neue Beweismittel im Appellationsverfahren vorgebracht werden?

Die Zulassung neuer Tatsachen und Beweismittel ist möglich, unterliegt jedoch in vielen Verfahren Einschränkungen. Maßgeblich ist, ob und unter welchen Bedingungen Noven zugelassen sind.

Welche Entscheidungen sind appellabel?

Regelmäßig sind erstinstanzliche Endentscheide appellabel. Für Zwischen- und prozessleitende Entscheide bestehen oft eigene Rechtsmittel oder besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen.

Welche Ergebnisse kann ein Appellationsentscheid haben?

Die zweite Instanz kann den Entscheid bestätigen, abändern oder aufheben und die Sache zur neuen Beurteilung zurückweisen. Zugleich werden regelmäßig die Kostenfolgen festgelegt.

Wo wird der Begriff Appellation heute noch verwendet?

Der Begriff findet sich weiterhin in der Bezeichnung einzelner Gerichte, in historischen Zusammenhängen und in kirchlichen Gerichtsordnungen. In staatlichen Verfahrensordnungen hat sich überwiegend die Terminologie Berufung und Revision durchgesetzt.