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Anstiftung

Begriff und Einordnung der Anstiftung

Unter Anstiftung versteht man die bewusste Verleitung einer anderen Person dazu, eine rechtswidrige vorsätzliche Straftat zu begehen. Sie ist eine Form der Teilnahme an einer Tat: Der Anstifter verwirklicht den Tatbestand nicht selbst, sondern setzt bei einer anderen Person den Tatentschluss oder verstärkt ihn so, dass diese die Tat ausführt. Die Verantwortlichkeit des Anstifters knüpft damit eng an die durch einen anderen begangene Haupttat an.

Wesentlich ist, dass der Anstifter auf die Willensbildung des Haupttäters einwirkt. Eine bloße passive Billigung oder das bloße Schaffen von Gelegenheiten genügt nicht. Anstiftung unterscheidet sich damit sowohl von der Täterschaft als auch von der Beihilfe.

Voraussetzungen der Anstiftung

Das „Bestimmen“ eines anderen

Das Kernmerkmal der Anstiftung ist das „Bestimmen“. Gemeint ist ein psychischer Einfluss von solcher Intensität, dass er den Tatentschluss beim späteren Täter hervorruft oder prägend verstärkt. In Betracht kommen unter anderem:

  • ausdrückliche Aufforderungen oder Anweisungen,
  • Überreden, Versprechen von Vorteilen oder Drohungen,
  • gezielte emotionale oder ideelle Beeinflussung.

Nicht ausreichend ist ein bloßes Einverständnis, allgemeine Zustimmung oder die wertende Billigung eines bereits bestehenden Plans. Das Bestimmen muss vor oder spätestens bei der Bildung des Tatentschlusses erfolgen. Ist der Haupttäter bereits fest zur Tat entschlossen, liegt in der Regel keine Anstiftung mehr vor.

Vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat

Voraussetzung ist eine von einer anderen Person begangene vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat. Fehlt es an einer solchen Haupttat, scheidet Anstiftung grundsätzlich aus. Wird lediglich ein Versuch der Haupttat begangen, kommt eine Teilnahme an der versuchten Haupttat in Betracht.

Handelt die Hauptperson ohne Verantwortlichkeit (zum Beispiel schuldunfähig) und wird gezielt gelenkt, kann anstelle von Anstiftung eine täterschaftliche Zurechnung über eine mittelbare Tatführerschaft in Frage kommen. Entscheidend ist, ob die angestiftete Person eigenverantwortlich handelt.

Vorsatz des Anstifters (Doppelvorsatz)

Der Anstifter muss mit Vorsatz handeln. Dieser umfasst zwei Ebenen:

  • Vorsatz hinsichtlich des Bestimmens (Wille, den anderen zur Tat zu veranlassen), und
  • Vorsatz hinsichtlich der wesentlichen Merkmale der Haupttat (Art der Tat, Unrecht, mindestens in ihren Grundzügen).

Eine fahrlässige „Anstiftung“ gibt es nicht. Der Anstifter muss die spätere Tat dem Grunde nach wollen oder zumindest billigend in Kauf nehmen. Unwesentliche Abweichungen zwischen angestifteter und ausgeführter Tat schaden nicht, solange der Kern des Tatplans übereinstimmt.

Abgrenzungen

Anstiftung versus Beihilfe

Beihilfe ist die Unterstützung einer bereits zur Tat entschlossenen Person durch physische oder psychische Förderung, ohne den Tatentschluss erst zu wecken. Anstiftung setzt demgegenüber das Hervorrufen oder prägende Verstärken des Tatentschlusses voraus. War die Hauptperson schon fest entschlossen, kommt regelmäßig nur Beihilfe in Betracht.

Anstiftung versus Täterschaft und mittelbare Täterschaft

Wer die Tat eigenhändig begeht oder als Hintermann einen anderen als „Werkzeug“ steuert, handelt täterschaftlich. Anstiftung liegt demgegenüber vor, wenn eine eigenverantwortlich handelnde Person zur Tat veranlasst wird. Fehlt es der Hauptperson an eigenverantwortlicher Entscheidung, rückt die Zurechnung in Richtung Täterschaft.

Vorliegender Tatentschluss der Hauptperson

Trifft der Anstifter auf eine bereits zur Tat fest entschlossene Person, begründet sein Einfluss in der Regel keine Anstiftung mehr. Eine bloße Bestärkung eines vorhandenen Entschlusses kann dann psychische Beihilfe sein. Erforderlich ist eine hinreichend ursächliche Einflussnahme auf die Willensbildung.

Besondere Konstellationen

Mehrfach- und Kettenanstiftung

Mehrere Personen können gemeinschaftlich oder nacheinander anstiften. Bestimmt eine Person wiederum eine andere dazu, jemanden zur Tat zu bestimmen (Kettenanstiftung), kann Verantwortung auf jeder Beteiligungsstufe entstehen, sofern der jeweilige Einfluss ursächlich für den späteren Tatentschluss ist.

Anstiftung zur Versuchstat

Führt die Hauptperson die angestiftete Tat nicht zu Ende, sondern setzt nur zur Tat an, kann eine Teilnahme an der versuchten Haupttat vorliegen. Maßgeblich ist der tatsächliche Verlauf: Der Anstifter wird grundsätzlich in dem Umfang verantwortlich, in dem die Haupttat verwirklicht wurde.

Erfolgslose Anstiftung

Bleibt das Bestimmen ohne Erfolg, liegt keine vollendete Anstiftung vor. Das Gesetz erfasst in bestimmten Fallgruppen dennoch bereits den vergeblichen Versuch der Anstiftung, insbesondere bei besonders gewichtigen Delikten. Ob eine Strafbarkeit eintritt, hängt von der Art der angestrebten Haupttat und dem erreichten Einwirkungsstadium ab.

Exzess des Haupttäters und Abweichungen

Geht der Haupttäter über das angestiftete Maß hinaus (Exzess), wird dies dem Anstifter grundsätzlich nicht zugerechnet. Bleibt die Abweichung im Rahmen des vorhersehbaren Kerns der angestifteten Tat, kann eine Verantwortlichkeit bestehen. Entscheidend sind Reichweite und Vorhersehbarkeit der Abweichung.

Persönliche Merkmale und Qualifikationen

Besondere Umstände, die die Tat schwerer oder milder erscheinen lassen (zum Beispiel verwendete Mittel, besondere Stellungen oder Eigenschaften), wirken sich auf die Verantwortlichkeit des Anstifters nur aus, wenn sie von seinem Vorsatz umfasst oder ihm zurechenbar sind. Persönliche Besonderheiten der Hauptperson sind dem Anstifter nicht ohne Weiteres zuzurechnen.

Rechtsfolgen

Strafrahmen und Zumessung

Die rechtlichen Folgen der Anstiftung orientieren sich im Grundsatz an der Schwere der Haupttat. Der Strafrahmen knüpft an die angestiftete Tat an, die konkrete Bemessung berücksichtigt die individuelle Rolle des Anstifters, Intensität der Einflussnahme, Motivation und Tatfolgen. Mehrere Anstifter können nebeneinander verantwortlich sein; die Zumessung erfolgt individuell.

Rücktritt und tätige Reue

Bei der erfolglosen Anstiftung kennt das Gesetz Rücktritts- und Regelements, die unter Bedingungen eine Strafbefreiung oder Milderung ermöglichen. Typisch ist ein freiwilliges Absehen von weiterer Einflussnahme oder ein ernsthaftes Bemühen, die Ausführung zu verhindern. Hat die Haupttat stattgefunden, führt ein späteres Distanzieren in der Regel nicht zur Aufhebung der bereits begründeten Verantwortlichkeit; gleichwohl können nachträgliche Bemühungen im Rahmen der Zumessung berücksichtigt werden.

Häufig gestellte Fragen

Was unterscheidet Anstiftung von Beihilfe?

Anstiftung setzt das Hervorrufen oder prägende Verstärken des Tatentschlusses voraus. Beihilfe fördert die Ausführung einer bereits entschlossenen Tat, ohne den Willen zur Tat erst zu begründen.

Ist Anstiftung auch dann möglich, wenn die Haupttat nur versucht wird?

Ja. Wird die Haupttat nur im Versuchsstadium erreicht, kann eine Teilnahme an der versuchten Tat vorliegen. Die Verantwortlichkeit richtet sich nach dem tatsächlichen Umfang der verwirklichten Haupttat.

Ist eine erfolglose Anstiftung strafbar?

In bestimmten Fallgruppen kann bereits der Versuch der Anstiftung erfasst sein, insbesondere bei besonders schwerwiegenden Delikten. Ob dies zutrifft, hängt von der angestrebten Haupttat und der Intensität der Einwirkung ab.

Reicht eine allgemeine Zustimmung oder moralische Unterstützung für Anstiftung?

Nein. Es bedarf einer konkreten, ursächlichen Einflussnahme auf die Willensbildung. Eine bloße Billigung oder allgemeine Zustimmung genügt nicht.

Haftet der Anstifter für weitergehende Taten des Haupttäters?

Grundsätzlich nein. Für eigenmächtige Erweiterungen des Tatplans (Exzess) haftet der Anstifter nicht. Zurechnung kommt nur in Betracht, wenn die Abweichung vom Vorsatz des Anstifters umfasst oder im Kern vorhersehbar war.

Kann es mehrere Anstifter zu einer Tat geben?

Ja. Mehrere Personen können den Tatentschluss gemeinsam oder gestaffelt hervorrufen. Jeder ist verantwortlich, soweit seine Einflussnahme ursächlich für die Tatentscheidung war; die Bewertung erfolgt individuell.

Spielt es eine Rolle, wenn die angestiftete Person nicht verantwortlich handeln konnte?

Ja. Fehlt es an einer eigenverantwortlichen Entscheidung der handelnden Person, verschiebt sich die Zurechnung in Richtung Täterschaft des Hintermanns. Klassische Anstiftung setzt eine eigenverantwortlich handelnde Hauptperson voraus.