Definition und Begriffserklärung der Anstaltsunterbringung
Die Anstaltsunterbringung ist ein Rechtsbegriff des deutschen Straf- und Maßregelrechts sowie des Zivilrechts, der Maßnahmen beschreibt, bei denen Personen durch staatliche Entscheidung in einer Einrichtung (Anstalt) untergebracht werden. Ziel ist dabei zumeist die Sicherung, Behandlung oder der Schutz sowohl der Allgemeinheit als auch der betroffenen Person selbst. Die Anordnung und Durchführung der Anstaltsunterbringung erfolgt nach gesetzlichen Vorgaben und unterliegt strengen Voraussetzungen sowie richterlicher Kontrolle.
Rechtsgrundlagen der Anstaltsunterbringung
Strafrechtliche Anstaltsunterbringung
Die strafrechtliche Unterbringung in einer Anstalt richtet sich insbesondere nach den Vorschriften des Strafgesetzbuchs (StGB), namentlich den Regelungen der §§ 63 ff. StGB. Maßgebliche Formen sind die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB), in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) sowie im Maßregelvollzug gemäß § 66 StGB (Sicherungsverwahrung).
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB)
Diese Maßregel wird angeordnet, wenn jemand wegen einer psychischen Erkrankung oder seelischen Störung rechtswidrige Taten begeht und von ihm erhebliche weitere Taten zu erwarten sind. Sie dient insbesondere dem Schutz der Allgemeinheit und der Therapie der betroffenen Person.
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB)
Personen, die aufgrund einer Suchterkrankung Straftaten begehen, können in einer Entziehungsanstalt untergebracht werden, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht auf Therapieerfolg besteht.
Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB)
Die Sicherungsverwahrung ist eine präventive Maßnahme, die im Anschluss an eine Freiheitsstrafe verhängt werden kann, falls eine Person als besonders gefährlich für die Allgemeinheit eingestuft wird. Sie wird in eigenen Einrichtungen vollzogen, die sich teilweise innerhalb oder außerhalb von Strafvollzugsanstalten befinden.
Zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Anstaltsunterbringung
Neben der strafrechtlichen Unterbringung existieren auch zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Möglichkeiten der Anstaltsunterbringung, die darauf abzielen, Menschen mit psychischen Erkrankungen oder gravierenden Verhaltensauffälligkeiten in geeigneten Anstalten unterzubringen.
Betreuung und Unterbringung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
Nach § 1906 BGB kann eine betreute Person nur anhand einer gerichtlichen Genehmigung in einer geschlossenen Einrichtung oder Psychiatrie untergebracht werden, wenn Lebensgefahr besteht oder erhebliche gesundheitliche Schäden zu erwarten sind. Die Maßnahme dient dem Schutz der betroffenen Person und darf nur unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ergriffen werden.
Öffentlich-rechtliche Unterbringungen nach Psychisch-Kranken-Gesetzen der Länder (PsychKG)
Jedes Bundesland regelt im eigenen Psychisch-Kranken-Gesetz die Voraussetzungen, nach denen eine nicht einwilligungsfähige Person gegen ihren Willen in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht werden kann. Zentrale Voraussetzungen sind akute Selbst- oder Fremdgefährdung.
Voraussetzungen und Ablauf der Anstaltsunterbringung
Voraussetzungen der Anordnung
Die Anordnung einer Anstaltsunterbringung ist an hohe rechtliche Hürden geknüpft:
- Schriftlicher Antrag auf Unterbringung (im Strafrecht: Maßregelantrag, im Zivilrecht: Antrag des Betreuers oder einer befugten Behörde)
- Gerichtliche Entscheidung: Jede Freiheitsentziehung muss durch ein Gericht bestätigt oder angeordnet werden (Art. 104 Grundgesetz).
- Medizinisches Sachverständigengutachten: In der Regel ist ein unabhängiges Gutachten erforderlich, das den Gesundheitszustand und die Gefährlichkeit der betreffenden Person belegt.
- Subsidiaritätsprinzip: Zwangsmaßnahmen sind stets das letzte Mittel, wenn alle weniger eingreifenden Maßnahmen ausgeschöpft sind.
Ablauf und Kontrolle
Nach Anordnung erfolgt die tatsächliche Einweisung in eine geeignete Einrichtung. Die Durchführung unterliegt einer Vielzahl an Regularien, etwa hinsichtlich der Rechte der untergebrachten Person (Information, Anhörung, Rechtsmittelbelehrung) sowie periodischen gerichtlichen Überprüfungen der Unterbringung.
Die Einrichtungen selbst, zum Beispiel psychiatrische Krankenhäuser, Entziehungsanstalten oder Maßregelvollzugseinrichtungen, sind zur Beachtung menschenrechtlicher Standards und zu einer angemessenen Behandlung verpflichtet.
Rechtsmittel und Rechtsschutz
Gegen eine Anordnung der Anstaltsunterbringung bestehen verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten:
- Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung
- Anhörung vor Gericht sowie das Recht auf Stellungnahme
- Regelmäßige Überprüfung der Unterbringung durch das Gericht
- Fachaufsicht der Staatsanwaltschaft und Aufsichtsbehörden
- Anrufung des Bundesverfassungsgerichts bei Grundrechtsverletzungen
Insbesondere die regelmäßigen gerichtlichen Überprüfungen (z. B. gemäß § 67e StGB, § 329 FamFG) stellen einen wichtigen Schutzmechanismus dar.
Rechtsfolgen und Auswirkungen
Die Unterbringung in einer Anstalt stellt einen tiefgreifenden Eingriff in das Freiheitsrecht und die Selbstbestimmung dar. Sie kann Auswirkungen auf die Strafbarkeit, die Vollstreckung, das soziale Umfeld und zahlreiche weitere Lebensbereiche haben. Im Maßregelvollzug gelten eigene, differenzierte Vorschriften über Lockerungen, Entlassung und Nachsorge, ebenso wie besondere Regelungen für die Beendigung der Betreuung im Zivilrecht.
Internationale und verfassungsrechtliche Bezüge
Die Anstaltsunterbringung hat auch eine starke verfassungsrechtliche, menschenrechtliche und völkerrechtliche Dimension. Die Bundesrepublik Deutschland steht unter der Verpflichtung, die menschenrechtlichen Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und weiterer internationaler Abkommen zu beachten, die insbesondere Freiheitsrechte und das Diskriminierungsverbot schützen.
Fazit: Bedeutung und Grenzen der Anstaltsunterbringung
Die Anstaltsunterbringung ist wesentlicher Bestandteil des deutschen Maßregel- und Sicherungssystems. Sie dient dem Schutz sowohl der Allgemeinheit als auch der sich selbst oder andere gefährdenden Person. Gleichzeitig ist sie nur unter strikter Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, gerichtlicher Kontrolle und Beachtung höherrangiger Grundrechte zulässig. Entwicklungen in Rechtsprechung, Gesetzgebung und Wissenschaft führen dabei laufend zu einer weiteren Differenzierung und Reform der relevanten Rechtsgrundlagen.
Häufig gestellte Fragen
Wann kommt eine Anordnung der Anstaltsunterbringung in Betracht?
Die Anordnung einer Unterbringung in einer Anstalt erfolgt im Regelfall nach den §§ 63, 64 StGB. Sie kommt insbesondere dann in Betracht, wenn bei einer Person aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer schwerwiegenden Suchterkrankung zur Zeit der Straftat die Schuldfähigkeit erheblich vermindert oder ausgeschlossen war. Ein weiterer maßgeblicher Aspekt ist das Vorliegen der sogenannten Gefährlichkeitsprognose: Es muss zu erwarten sein, dass von der Person erhebliche rechtswidrige Taten zu befürchten sind, durch welche die Allgemeinheit erheblich gefährdet würde. Die Unterbringung wird regelmäßig von einem Sachverständigengutachten gestützt, das sowohl die diagnostizierten Störungen als auch die daraus resultierende Gefährlichkeit für die Zukunft bewertet. Die formale Anordnung wird ausschließlich vom Gericht getroffen und setzt ein förmliches Strafverfahren voraus. Sie ist nicht als Strafe, sondern als Maßregel der Besserung und Sicherung ausgestaltet.
Wie lange dauert eine Anstaltsunterbringung und kann sie verlängert werden?
Die Dauer der Unterbringung ist grundsätzlich unbefristet, da sie der Gefahrenabwehr dient und nicht der schuldangemessenen Ahndung einer Straftat. Voraussetzung für das Fortbestehen der Anordnung ist, dass fortlaufend eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit besteht. Das Gericht ist jedoch verpflichtet, spätestens jährlich eine Überprüfung vorzunehmen, inwiefern die gesetzliche Voraussetzung für die weitere Unterbringung noch vorliegt. Grundlage hierfür ist regelmäßig ein aktuelles psychiatrisches Gutachten. Wird festgestellt, dass die Gefährlichkeit weggefallen oder deutlich gemindert ist, ist die Unterbringung aufzuheben. Bei vorübergehender Verbesserung kann eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung gemäß § 67d Abs. 2 StGB erfolgen, verbunden mit strengen Weisungen und regelmäßigen Überwachungen.
Welche Rechtsmittel gibt es gegen die Anordnung oder Fortdauer der Unterbringung?
Gegen die gerichtliche Anordnung der Unterbringung kann der oder die Betroffene Rechtsmittel einlegen, konkret die Berufung, Revision oder Beschwerde – abhängig davon, ob es sich um eine Entscheidung im ersten Rechtszug oder im Rahmen der Überprüfungsentscheidungen handelt. Im Rahmen der jährlichen Überprüfung steht zudem gegen Entscheidungen, die die Fortdauer der Maßregel anordnen, die sofortige Beschwerde zur Verfügung (§ 463 StPO). Die betroffene Person hat innerhalb bestimmter Fristen das Recht, Rechtsmittel einzulegen, die daraufhin von einer höheren Instanz überprüft werden. Bei Erfolg des Rechtsmittels kann die Anordnung aufgehoben oder zur erneuten Entscheidung an das Ausgangsgericht zurückverwiesen werden.
Welche Rechte und Pflichten hat eine in einer Anstalt untergebrachte Person?
Untergebrachte sind nicht strafhaft im klassischen Sinne inhaftiert, sondern befinden sich in einer sogenannten forensisch-psychiatrischen Einrichtung. Sie haben Anspruch auf menschenwürdige Behandlung, medizinische und psychotherapeutische Versorgung sowie auf Maßnahmen zur Resozialisierung. Zugleich trifft sie die Pflicht, an therapeutischen Maßnahmen teilzunehmen, soweit dies möglich und zumutbar ist. Rechte auf Kontakt mit Angehörigen sowie auf gerichtliche Überprüfung der Unterbringung stehen ihnen ebenfalls zu. Disziplinarmaßnahmen oder Zwang dürfen im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur in engen rechtlichen Grenzen erfolgen, beispielsweise bei Fluchtgefahr oder erheblicher Störung des Anstaltsbetriebs.
Können Untergebrachte eine vorzeitige Entlassung beantragen?
Ja, untergebrachte Personen können jederzeit insbesondere im Rahmen ihrer jährlichen Überprüfung eine Entlassung beantragen. Ein solcher Antrag kann auch unabhängig von den routinemäßigen Überprüfungsterminen gestellt werden, wenn zum Beispiel neue medizinische Fakten vorliegen oder sich die Gefahrenprognose geändert hat. Das zuständige Gericht prüft dann durch Einholung aktueller Sachverständigengutachten, ob die Voraussetzungen für die Entlassung oder eine Aussetzung zur Bewährung vorliegen. Die praktische Durchsetzbarkeit einer vorzeitigen Entlassung hängt maßgeblich von der Prognose, also der Wahrscheinlichkeit einer erneuten Justizrelevanz, ab. Die Initiative liegt häufig auch beim behandelnden multiprofessionellen Team der Einrichtung.
In welchen Anstalten erfolgt die Unterbringung nach den §§ 63, 64 StGB?
Die Unterbringung nach §§ 63 und 64 StGB erfolgt in speziellen forensischen psychiatrischen Kliniken beziehungsweise Fachkrankenhäusern des Maßregelvollzugs. Sie sind staatlich organisiert und unterliegen einer strengen rechtlichen wie medizinisch-therapeutischen Aufsicht und Kontrolle. Der Maßregelvollzug unterscheidet sich durch sein Behandlungsangebot, den strukturierten Tagesablauf und die angewandten Sicherheitsvorkehrungen vom klassischen Strafvollzug. Eine Verlegung in ein anderes Bundesland oder eine andere Einrichtung ist aus Gründen der Behandlung oder familiärer Nähe möglich, bedarf aber jeweils einer richterlichen Zustimmung.
Was passiert nach der Entlassung aus der Anstaltsunterbringung?
Nach der Entlassung können auf Antrag und nach Maßgabe des § 68b StGB Führungsaufsichtsanordnungen erlassen werden. Dies bedeutet, dass der oder die ehemalige Untergebrachte nach der Entlassung unter behördlicher Aufsicht steht und bestimmte Weisungen zu befolgen hat (beispielsweise hinsichtlich Aufenthalt, Meldepflicht oder Therapieauflagen). Ziel ist die weitere Reduzierung des Rückfallrisikos und die Unterstützung bei der dauerhaften Reintegration in die Gesellschaft. Zuwiderhandlungen oder erneute Gefährdungslagen können eine erneute Unterbringung oder weitere Maßnahmen nach sich ziehen.