Anschaffungsnaher Aufwand: Begriff und Grundprinzip
Als anschaffungsnaher Aufwand werden Aufwendungen bezeichnet, die innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb eines Gebäudes für dessen Instandsetzung oder Modernisierung entstehen und in ihrer Summe einen bestimmten prozentualen Anteil der Anschaffungskosten des Gebäudes überschreiten. Diese Aufwendungen gelten rechtlich nicht als sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen, sondern wie Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes. Sie werden daher aktiviert und über die Nutzungsdauer des Gebäudes abgeschrieben. Der Begriff betrifft ausschließlich Gebäude; Grund und Boden sind nicht erfasst.
Zweck und Systematik
Zielsetzung
Die Einordnung als anschaffungsnaher Aufwand soll verhindern, dass grundlegende Instandsetzungen unmittelbar nach dem Erwerb eines Gebäudes steuerlich wie laufende Erhaltungsaufwendungen behandelt werden. Sie ordnet eine wirtschaftlich der Anschaffung nahe stehende Grundsanierung dem Anschaffungs- und Herstellungskostenbegriff zu und sorgt damit für eine gleichmäßige Verteilung der Kosten über die Nutzungsdauer.
Anwendungsbereich
Relevant ist der Begriff in der Einkünfteermittlung bei vermieteten Immobilien sowie im Betriebsvermögen. Bei eigengenutzten Wohnimmobilien ohne Einkünftebezug entfalten die Regeln keine unmittelbare Wirkung, weil dort keine Werbungskosten oder Betriebsausgaben anfallen. Für Grund und Boden sowie für bewegliche Wirtschaftsgüter findet das Konzept keine Anwendung.
Zeitlicher Rahmen: Drei-Jahres-Zeitraum
Beginn und Ende
Der Drei-Jahres-Zeitraum beginnt regelmäßig mit dem Übergang von Nutzen und Lasten des Gebäudes auf die Erwerberseite. Er endet exakt drei Jahre später. Auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kommt es nicht zwingend an.
Maßnahmenzuordnung
Für die Zuordnung ist maßgeblich, ob die jeweilige Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahme innerhalb dieses Zeitraums durchgeführt wird. Zahlungszeitpunkte sind nachrangig. Maßnahmen, die erst nach Ablauf der Frist durchgeführt werden, fließen nicht in die Prüfung ein.
Zusammenrechnung
Alle berücksichtigungsfähigen Maßnahmen innerhalb des Zeitraums werden zusammengerechnet. Wird die Grenze überschritten, gilt die Einordnung als anschaffungsnaher Aufwand für sämtliche in die Prüfung einbezogenen Maßnahmen und nicht nur für den übersteigenden Betrag.
Bemessungsgrundlage und Schwelle
Ausgangsbasis
Ausgangspunkt ist der Anteil der Anschaffungskosten, der auf das Gebäude entfällt. Der auf Grund und Boden entfallende Anteil bleibt unberücksichtigt. Nebenkosten des Erwerbs (beispielsweise für Beurkundung und Übertragung), soweit sie dem Gebäude zuzuordnen sind, erhöhen die Bemessungsgrundlage.
15-Prozent-Grenze
Die relevante Schwelle beträgt 15 Prozent der auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten. Bei Vorsteuerabzugsberechtigung sind Nettokosten maßgeblich, ohne Vorsteuerabzug sind Bruttokosten anzusetzen. Der Abgleich erfolgt gegen die Summe der berücksichtigungsfähigen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums.
Einzubeziehende Kosten
In die Prüfung fließen insbesondere folgende Positionen ein:
- Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes (z. B. Austausch von Fenstern, Heizungsanlagen, Elektro- und Sanitärinstallationen, Dacharbeiten, Putz- und Fassadenarbeiten),
- Ersatz wesentlicher Gebäudeteile,
- Anteile an Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum bei Wohnungseigentum, soweit sie das Gebäude betreffen und im Zeitraum durchgeführt werden.
Ausgenommene Kosten
Aus der 15-Prozent-Prüfung herauszurechnen sind regelmäßig:
- Erweiterungen (z. B. Anbauten, zusätzliche Geschosse) sowie erstmalige Herstellungsmaßnahmen; sie gelten unabhängig vom Zeitpunkt als Herstellungskosten,
- üblicherweise jährlich wiederkehrende, laufende Erhaltungsarbeiten (z. B. einfache Wartungen und kleine, routinemäßige Schönheitsreparaturen),
- Aufwendungen, die nicht das Gebäude, sondern ausschließlich Grund und Boden betreffen.
Abgrenzungen
Erhaltungsaufwand versus anschaffungsnaher Aufwand
Regulärer Erhaltungsaufwand dient der Erhaltung der Substanz und ist grundsätzlich sofort abzugsfähig. Wird jedoch innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb die 15-Prozent-Grenze überschritten, wird dieser Aufwand als anschaffungsnah klassifiziert und damit den Anschaffungs- und Herstellungskosten zugerechnet.
Anschaffungsnaher Aufwand versus Herstellungskosten
Herstellungskosten liegen unabhängig von der Drei-Jahres-Frist vor, wenn das Gebäude erweitert wird oder eine grundlegende substanzielle Neuschaffung stattfindet. Anschaffungsnaher Aufwand erfasst dagegen auch rein erhaltende Maßnahmen, sofern sie zeitlich nahe am Erwerb liegen und die Schwelle überschreiten.
Standardanhebung
Ob der Wohn- oder Nutzungsstandard angehoben wird, ist für die Einordnung als anschaffungsnaher Aufwand nicht entscheidend. Auch reine Instandsetzungen ohne Standardanhebung können erfasst sein, wenn die Schwelle überschritten wird.
Schadensbeseitigungen und Schönheitsreparaturen
Schadensbeseitigungen innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums können in die Prüfung einfließen, wenn sie keine jährlich wiederkehrenden Routinetätigkeiten darstellen. Kleinere, regelmäßig anfallende Schönheitsreparaturen sind von der Prüfung typischerweise ausgenommen.
Rechtsfolgen
Aktivierung und Abschreibung
Als anschaffungsnah eingeordnete Aufwendungen erhöhen die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Gebäudes. Sie werden aktiviert und über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Gebäudes abgeschrieben. Ein Sofortabzug als Aufwand erfolgt nicht.
Vermietung und Betriebsvermögen
Bei Vermietung mindert sich das zu versteuernde Ergebnis durch die Abschreibung über die Nutzungsdauer. Im Betriebsvermögen gelten entsprechende Grundsätze bei der Gewinnermittlung.
Teilflächen und gemischte Nutzung
Bei gemischt genutzten Objekten ist die Einordnung für den betroffenen Gebäudeteil maßgeblich. Die Verteilung der Aufwendungen erfolgt sachgerecht nach Flächen- oder Verursachungsprinzip, soweit erforderlich.
Typische Fallgruppen
Kernsanierung nach Erwerb
Umfangreiche Sanierungen kurz nach dem Kauf (z. B. komplette Erneuerung von Heizung, Elektrik, Sanitär und Fenstern) führen häufig zur Überschreitung der Schwelle und damit zur Einordnung als anschaffungsnaher Aufwand.
Maßnahmen der Wohnungseigentümergemeinschaft
Beiträge zu Beschlüssen der Gemeinschaft (z. B. Dach- oder Fassadensanierung) werden der Prüfung zugerechnet, wenn die Maßnahmen am Gebäude innerhalb der Drei-Jahres-Frist durchgeführt werden. Entscheidend ist die Durchführung, nicht der Zeitpunkt der Umlage oder Zahlung.
h3>Einzelmaßnahmen mit erheblichem Kostenanteil
Auch einzelne kostenträchtige Maßnahmen (z. B. vollständiger Fensteraustausch) können – zusammen mit weiteren im Zeitraum anfallenden Maßnahmen – zur Überschreitung der Grenze führen.
Besonderheiten und Grenzfragen
Unentgeltlicher Erwerb
Beim unentgeltlichen Erwerb (z. B. durch Erbschaft oder Schenkung) fehlt es am Anschaffungsvorgang. Der Drei-Jahres-Mechanismus für anschaffungsnahe Aufwendungen greift dann nicht. Unberührt bleiben die allgemeinen Abgrenzungen zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten.
Kaufpreisaufteilung
Für die Berechnung der Schwelle ist eine nachvollziehbare Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf Grund und Boden sowie auf das Gebäude erforderlich. Die Quote bestimmt die maßgebliche Bemessungsgrundlage.
Umsatzsteuerliche Einflüsse
Ob Nettobeträge oder Bruttobeträge in die Prüfung eingehen, hängt davon ab, ob ein Vorsteuerabzug in Betracht kommt. Ohne Vorsteuerabzug sind Bruttokosten maßgeblich.
Denkmalschutz und besondere Förderregime
Besondere Förder- oder Abschreibungsregime können neben der Einordnung als anschaffungsnaher Aufwand stehen. Die Qualifikation als anschaffungsnah beeinflusst die Grundsystematik der Aktivierung, besondere Regelungen können daneben eigenständig wirken.
Beispielhafte Berechnung
Ein Gebäude wird für insgesamt 350.000 Euro erworben; davon entfallen 230.000 Euro auf das Gebäude und 120.000 Euro auf Grund und Boden. Innerhalb von drei Jahren werden folgende Maßnahmen durchgeführt: Fensteraustausch 14.000 Euro, Heizung 12.000 Euro, Elektro 8.000 Euro, Badmodernisierung 6.000 Euro. Die Summe beträgt 40.000 Euro.
Die 15-Prozent-Grenze bezogen auf die Gebäudekosten liegt bei 34.500 Euro (15 Prozent von 230.000 Euro). Da 40.000 Euro die Schwelle übersteigen, gelten sämtliche einbezogenen Maßnahmen als anschaffungsnaher Aufwand und werden den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Gebäudes zugerechnet. Ein Sofortabzug erfolgt nicht.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum anschaffungsnahen Aufwand
Was zählt als anschaffungsnaher Aufwand?
Alle Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen, die innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb eines Gebäudes durchgeführt werden und deren Summe 15 Prozent der auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten übersteigt. Erfasst sind auch der Austausch wesentlicher Gebäudeteile. Erweiterungen sind hiervon unabhängig immer Herstellungskosten.
Wie wird die 15-Prozent-Grenze berechnet?
Maßgeblich ist der auf das Gebäude entfallende Anteil der Anschaffungskosten zuzüglich der zuordenbaren Erwerbsnebenkosten. Die 15-Prozent-Schwelle ergibt sich daraus. In die Vergleichsgröße fließen die berücksichtigungsfähigen Instandsetzungs- und Modernisierungskosten innerhalb der Drei-Jahres-Frist ein, regelmäßig netto bei Vorsteuerabzug und brutto ohne Vorsteuerabzug.
Welche Kosten werden bei der Prüfung nicht mitgerechnet?
Nicht einzubeziehen sind Erweiterungen und erstmalige Herstellungsmaßnahmen (sie sind stets Herstellungskosten), üblicherweise jährlich wiederkehrende, laufende Erhaltungsarbeiten sowie Aufwendungen, die ausschließlich Grund und Boden betreffen. Maßnahmen außerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums bleiben unberücksichtigt.
Ab wann beginnt die Drei-Jahres-Frist?
Der Zeitraum beginnt regelmäßig mit dem Übergang von Nutzen und Lasten des Gebäudes auf die Erwerberseite und endet exakt drei Jahre später. Maßgeblich ist die Durchführung der Maßnahmen innerhalb dieses Zeitraums.
Gilt das Konzept auch bei Erbschaft oder Schenkung?
Nein. Bei unentgeltlichem Erwerb liegt kein Anschaffungsvorgang vor. Die besondere Drei-Jahres-Prüfung für anschaffungsnahe Aufwendungen findet dann keine Anwendung. Die allgemeinen Abgrenzungen zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten bleiben maßgeblich.
Was passiert, wenn die 15-Prozent-Grenze überschritten wird?
Sämtliche einbezogenen Maßnahmen innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums gelten als anschaffungsnaher Aufwand und werden den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Gebäudes zugerechnet. Es erfolgt kein Sofortabzug; die Kosten werden über die Nutzungsdauer abgeschrieben.
Wie sind Maßnahmen der Wohnungseigentümergemeinschaft zu behandeln?
Anteile an Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum werden zugerechnet, wenn die Maßnahmen innerhalb der Drei-Jahres-Frist durchgeführt werden und das Gebäude betreffen. Entscheidend ist die Durchführung der Maßnahme, nicht der Zeitpunkt der Umlage oder Zahlung.
Werden Schadensbeseitigungen erfasst?
Schadensbeseitigungen innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums können in die Prüfung einfließen, sofern es sich nicht um üblicherweise jährlich wiederkehrende, laufende Erhaltungsarbeiten handelt. Eine Standardanhebung ist für die Einordnung nicht erforderlich.