Begriff und Bedeutung des Anliegers
Der Begriff Anlieger bezeichnet im deutschen Recht eine Person, die Eigentümer oder dinglich Berechtigter eines Grundstücks ist, das unmittelbar an eine öffentliche Straße, einen Weg, einen Platz, ein Gewässer oder eine vergleichbare bauliche Anlage grenzt. Die besondere Position des Anliegers ist vor allem im öffentlichen Recht, im Straßen- und Wegerecht, im Wasserrecht sowie im Bauplanungsrecht und im Nachbarrecht von Bedeutung. Im Folgenden werden alle relevanten rechtlichen Aspekte des Begriffs „Anlieger“ umfassend dargestellt.
Anlieger im Straßen- und Wegerecht
Definition im Straßenrecht
Im Straßenrecht ist der Anliegerbegriff zentral, da sich aus ihm sowohl Rechte wie auch Pflichten ergeben. Als Anlieger gilt, wer ein Grundstück besitzt, das unmittelbar an eine öffentliche Verkehrsfläche angrenzt oder durch eine Zufahrt oder einen Zugang mit dieser verbunden ist.
Gesetzliche Grundlagen
- Bundesfernstraßengesetz (FStrG) und Straßengesetze der Länder: Definieren die Stellung von Anliegern im Zusammenhang mit Straßenbaulast, Erschließung und Beitragspflichten.
- Straßen- und Wegerecht (z.B. Bundesfernstraßengesetz, Straßengesetze der Länder): Erwähnt Anlieger im Zusammenhang mit Anliegergebrauch, Erschließung und Sondernutzung.
Rechte der Anlieger
Anlieger genießen besondere Nutzungsrechte an öffentlichen Verkehrsflächen. Dieser sogenannte Anliegergebrauch umfasst das Recht, die Straße zur Erschließung und Erreichung des eigenen Grundstücks zu benutzen. Darüber hinaus können sich folgende Rechte ergeben:
- Zufahrts- und Zugangsrecht: Anlieger dürfen den öffentlichen Weg nutzen, um ihr Grundstück zu erreichen.
- Recht auf ordnungsgemäße Straßenunterhaltung: Sie können fordern, dass die öffentliche Straße in einem Zustand gehalten wird, der eine sichere Erreichbarkeit gewährleistet.
Viele Straßenverkehrsregelungen, darunter das Verkehrszeichen „Anlieger frei“ (Zeichen 250 der StVO mit Zusatz), knüpfen an diese Rechtsstellung an.
Pflichten der Anlieger
Mit der Anliegereigenschaft sind im Straßenrecht auch Belastungen verbunden:
- Straßenreinigungs- und Winterdienstpflichten: In den meisten Gemeinden sind die Anlieger zur Reinigung und zum Schneeräumen sowie zur Beseitigung von Glatteis entlang ihrer Grundstücksgrenze verpflichtet (§ 41 a StrG NRW, entsprechende Vorschriften in anderen Ländern).
- Anliegerbeiträge: Eigentümer oder Nutzungsberechtigte von Grundstücken, die durch eine Straße erschlossen werden, können zur Tragung von Ausbaubeiträgen nach den Kommunalabgabengesetzen der Länder (z. B. § 127 BauGB) verpflichtet werden.
Anlieger im Wasserrecht
Auch im Wasserrecht taucht der Begriff des Anliegers auf. Hier versteht man darunter regelmäßig den Eigentümer eines Grundstücks, das an ein oberirdisches Gewässer angrenzt.
Rechte der Gewässeranlieger
- Anliegergebrauch nach Wasserhaushaltsgesetz (WHG): Anlieger dürfen Wasser aus Gewässern, an denen ihr Grundstück liegt, in einem gewissen Rahmen für den eigenen Bedarf entnehmen oder ableiten, sofern keine nachteiligen Auswirkungen auf das Gewässer entstehen und öffentliche Belange nicht entgegenstehen (§ 26 WHG).
- Notwegerecht bei fehlendem Zugang zur Straße: Liegt das Grundstück nur am Gewässer, aber ohne direkten Straßenanschluss, können Anlieger im Rahmen des Nachbarrechts das sog. Notwegerecht geltend machen.
Pflichten der Gewässeranlieger
- Uferunterhaltung und Hochwasserschutz: Anlieger an oberirdischen Gewässern sind häufig zu Unterhaltsmaßnahmen und zur Duldung von Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser verpflichtet (§ 41 WHG).
- Duldungspflichten: Verdolungen, Renaturierungsmaßnahmen und die Instandhaltung von Uferbereichen können zu Duldungspflichten führen.
Anlieger im Bauplanungs- und Erschließungsrecht
Der Anliegerbegriff ist im Bauplanungsrecht insbesondere bei Erschließungsbeiträgen und der Aufteilung der Kosten für die Herstellung oder Verbesserung von Straßen, Wegen und sonstigen öffentlichen Anlagen anzutreffen.
Erschließungsbeiträge
- Eigentümer von Grundstücken, die durch die Herstellung oder Verbesserung einer öffentlichen Straße erschlossen werden, gelten als Anlieger und werden an den Kosten beteiligt (§§ 127 ff. BauGB).
Rechtliche Stellung bei Planfeststellungsverfahren
- Anlieger haben im Rahmen von Planfeststellungs- und Bauleitplanungsverfahren Beteiligungsrechte, z. B. das Recht auf Anhörung und Stellungnahme, wenn durch bauliche Maßnahmen ihre Grundstücksnutzung berührt wird.
Anlieger im Nachbarrecht und privatrechtliche Aspekte
Auch im Zivilrecht kommt dem Anliegerbegriff Bedeutung zu, etwa im Nachbarrecht oder bei besonderen Regelungen zum Notweg.
Notwegerecht
- Grundstücke, die keine Verbindung zum öffentlichen Straßennetz besitzen, können unter bestimmten Bedingungen einen Anspruch auf einen Notweg über fremde Grundstücke erhalten (§ 917 BGB). Berechtigt sind hier regelmäßig die jeweiligen Anlieger des erschlossenen Grundstücks.
Grenzabstände und Einwirkungen
- Das Nachbarrecht regelt, inwiefern Anlieger Einwirkungen wie Lärm, Gerüche oder den Schattenwurf von anliegenden Bauwerken dulden müssen oder abwehren können.
Anlieger im Verkehrsrecht
Im Verkehrsrecht findet der Begriff Anlieger vor allem bei Verkehrsregelungen Anwendung.
Verkehrsregelung „Anlieger frei“
- Verkehrszeichen mit dem Zusatz „Anlieger frei“ beschränken die Nutzung etwa auf Bewohner, Eigentümer, Mieter, deren Besucher, Lieferanten oder Handwerker, die ein berechtigtes Anliegen auf dem jeweiligen Grundstück haben.
- Wer nicht Anlieger ist, darf eine so beschilderte Straße grundsätzlich nicht befahren. Verstöße gegen diese Regelung stellen eine Ordnungswidrigkeit dar.
Zusammenfassung und Abgrenzung
Der Begriff Anlieger umfasst je nach rechtlichem Kontext verschiedene Aspekte. Wesentlich ist immer das unmittelbare räumliche Verhältnis eines Grundstücks zu einer öffentlich oder privaten Erschließungsanlage (Straße, Weg, Platz, Gewässer). Rechte und Pflichten ergeben sich aus der jeweiligen Gesetzgebung, angefangen bei der Erschließung und Instandhaltung öffentlicher Anlagen über die Nutzung von Verkehrsflächen bis hin zu besonderen Kostentragungspflichten.
Abgrenzung: Zu unterscheiden ist der Anlieger von bloßen Nutzern oder Anwohnern, deren Rechte und Pflichten weniger weitreichend sind. Der Anliegerbegriff ist in zahlreichen Gesetzen klar definiert und bildet einen wesentlichen Baustein im Geflecht des deutschen öffentlichen und privaten Baurechts, Straßenrechts und Wasserrechts.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechte stehen Anliegern im Zusammenhang mit öffentlichen Straßen zu?
Anlieger haben spezielle Rechte, die sich aus dem öffentlichen Recht und dem jeweiligen Landesstraßenrecht ergeben. Das wesentliche Recht eines Anliegers ist das sogenannte Anliegergebrauchsrecht, welches ihnen gestattet, die an ihr Grundstück angrenzende öffentliche Straße über die reine Gemeinbrauchsnutzung hinaus für Zwecke des Zugangs und der Zufahrt zu ihrem Grundstück zu beanspruchen. Dieses umfasst beispielsweise das Recht, die Straße zur Grundstückszufahrt mit Kraftfahrzeugen, zum Parken (sofern dies nicht durch Verkehrszeichen untersagt ist), zum Anliefern von Waren oder für Besucher in Anspruch zu nehmen. Das Anliegerrecht kann jedoch durch ordnungsrechtliche Maßnahmen eingeschränkt werden, etwa durch Anlieger- oder Durchfahrtsverbote, die einzig den Zugang zu den Grundstücken gewährleisten, nicht jedoch einen unbegrenzten Nutzungsanspruch gewähren. Eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung (z.B. das Aufstellen eines Containers) ist hingegen grundsätzlich genehmigungspflichtig.
Inwiefern kann die Gemeinde Anlieger an Straßenbaumaßnahmen oder Erschließungskosten beteiligen?
Anlieger können nach Maßgabe des Kommunalabgabenrechts und der jeweiligen Landesgesetze verpflichtet werden, sich an den Kosten für den Bau, die Unterhaltung oder die Verbesserung von Erschließungsanlagen zu beteiligen. Die klassische Grundlage hierfür sind die Vorschriften des Baugesetzbuchs (§§ 127 ff. BauGB – Erschließungsbeiträge) wie auch die Kommunalabgabengesetze der Länder, die sogenannte Straßenausbaubeiträge und wiederkehrende Beiträge kennen. Der Umfang der Beitragspflicht hängt von Art, Umfang und Zweck der Baumaßnahme sowie einer unmittelbaren Vorteilsziehung für die Grundstückseigentümer ab. In der Regel wird unterschieden zwischen erstmaliger Herstellung (Erschließungsbeitrag), Ausbau (Ausbaubeitrag) und Instandhaltung (meistens von der Kommune getragen). Den Anliegern stehen nach Zustellung eines Beitragsbescheides Rechtsmittel wie Widerspruch und Klage zur Verfügung.
Welche Pflichten haben Anlieger hinsichtlich der Reinigung und des Winterdienstes auf Gehwegen?
Nach den Straßenreinigungsgesetzen der Länder und entsprechenden kommunalen Satzungen sind Anlieger häufig verpflichtet, die Gehwege vor ihren Grundstücken zu reinigen, von Schnee zu räumen und bei Glätte zu streuen. Diese Verkehrssicherungspflichten dienen dem Schutz der Allgemeinheit und umfassen sowohl die Beseitigung von Schmutz als auch das rechtzeitige und ausreichende Räumen und Streuen im Winter. Die genauen Regelungen zu Umfang, Häufigkeit und Zeiten der Reinigung variieren je nach Kommune. Kommen Anlieger diesen Pflichten nicht nach und kommt es zu einem Unfall, können sie zivilrechtlich haftbar gemacht werden. Die Kommunen können Verstöße zudem als Ordnungswidrigkeit ahnden.
Wie können Anlieger gegen Einschränkungen ihres Zugangs- oder Zufahrtsrechts vorgehen?
Wird das Zugangs- oder Zufahrtsrecht eines Anliegers durch behördliche Maßnahmen (z.B. Verkehrszeichen, Baustellenabsperrungen, Poller) unzumutbar eingeschränkt, steht dem Anlieger grundsätzlich der Rechtsweg offen. Es kann bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde ein Antrag auf Wiederherstellung des Zugangs, eine Ausnahmegenehmigung oder Befreiung beantragt werden. Wird diesem nicht abgeholfen, kann Widerspruch eingelegt und gegebenenfalls beim Verwaltungsgericht auf Aufhebung der Maßnahme geklagt werden. Voraussetzung für den Erfolg ist allerdings, dass eine unzumutbare Beeinträchtigung des Anliegergebrauchs nachgewiesen wird und etwaige öffentliche Belange nicht überwiegen.
Was müssen Anlieger beim Abriss oder bei Umbauten mit direktem Einfluss auf die öffentliche Straße beachten?
Wer als Anlieger Baumaßnahmen plant, die sich auf den Straßenraum oder Gehweg auswirken (z.B. Aufgrabungen, Gerüstaufbau, Baufahrzeuge auf Gehwegen oder Fahrbahnen), hat die öffentlich-rechtlichen Genehmigungspflichten zu beachten. Diese umfassen je nach Maßnahme Anträge auf Sondernutzungserlaubnis gemäß § 18 StVG (Straßenverkehrsgesetz) bzw. nach den jeweiligen Landesstraßengesetzen, Abstimmung mit der Straßenbaubehörde und unter Umständen die Bestellung einer verkehrsrechtlichen Anordnung nach § 45 StVO. Die Einhaltung von Auflagen zur Sicherung und Verkehrssicherung sowie Ersatzleistungen für eventuelle Schäden am Straßenkörper sind regelmäßig Bestandteil der Genehmigung.
Besteht ein Anspruch auf die Anlage eines Gehwegs oder einer Zufahrt für Anlieger?
Ein unmittelbarer einklagbarer Anspruch auf die Herstellung bestimmter Anlagen wie Gehwege, Parkplätze oder Zufahrten besteht im Regelfall nicht. Die Entscheidung über Art und Ausbauzustand der Straße liegt im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Straßenbaubehörde, orientiert an haushaltsrechtlichen, städtebaulichen und verkehrlichen Gesichtspunkten. Ein Anspruch kann allenfalls bei offensichtlicher Willkür oder Zweckverfehlung (z.B. völliges Fehlen einer gesicherten Zuwegung) in Betracht kommen; in Einzelfällen sind Klagen auf ordnungsgemäße Erschließung vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich.
Welche besonderen Regelungen gelten für Anlieger in verkehrsberuhigten Bereichen oder bei Anliegerstraßen?
In verkehrsberuhigten Bereichen und speziell als „Anlieger frei“ gekennzeichneten Straßen dürfen grundsätzlich nur die Bewohner, deren Besucher, Lieferanten und Personen mit berechtigtem Anliegen (z.B. Handwerker, Zustelldienste) die Straße befahren. Ein Verstoß gegen die Anliegerbeschränkung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einem Bußgeld geahndet werden. Der Begriff „Anlieger“ ist dabei im rechtlichen Sinne weit auszulegen und umfasst nicht nur die Eigentümer, sondern alle Personen mit berechtigtem Bezug zu den Grundstücken. Die Beurteilung, wer konkret als Anlieger gilt, erfolgt im Streitfall durch die Verwaltungsgerichte.